Medikamente und Kehrseiten der Entwicklung zur hoch spezialisierten Medizin

Ähnliche Dokumente
Versorgungs- und Patientensicherheit ein Knackpunkt für den Spitalapotheker in seinem Netzwerk?

System «Spitalapotheken» versus Heime «Verblisterung» - Was wird einfacher? Was wird komplexer? Dr. pharm. Enea Martinelli

Einzeldosis pro Bewohner: Übersicht über Systeme: Vor- und Nachteile. Verblisterung was wird einfacher, was komplexer?

Moderner Medikationsprozess im Pflegeheim

Spitaleintritt Spitalaustritt: Eine Austrittsmedikation ist nur so gut, wie die Eintrittsmedikation.

Mythen und Fakten Kostenkontrolle in der Krankenhauslogistik

Moderner Medikationsprozess im Pflegeheim : Klippen, Fallen und eine mögliche Lösung

Das Medikament im Spital

Die Spitalapotheke das unbekannte Ding...

Allgemeiner Hinweis. Aktuelles Umfeld. Inhalt. Die Spitalapotheke in der Zukunft Die Position der Pharma-Assistentinnen

KLASSIFIKATIONSVORTRAG ENEA MARTINELLI ROTARY-CLUB INTERLAKEN

spitäler fmi ag, weissenaustrasse 27, ch-3800 unterseen, Veränderte Arzneimittelversorgung im Spital

Patientenindividuelle Verblisterung von Medikamenten von Chancen und Risiken Dr. pharm. Enea Martinelli Chefapotheker Spitäler fmi AG

Versorgungsengpässe mit essentiellen Produkten für die Spitäler der Schweiz

Kostendruck und Arzneimittelsicherheit

Medikationsfehler. Begriffe Epidemiologie Risk-Management. Dr. pharm. Enea Martinelli

spitäler fmi ag, weissenaustrasse 27, ch-3800 unterseen, Medikamentenversorgung ; Optimierung der Prozesse - Kostenkontrolle

Medikationsprozesse in Pflegeheimen. Dr. pharm. Enea Martinelli Chefapotheker spitäler fmi ag

Reorganisation des Medikationsprozesses in der Spitäler fmi AG

Herausforderungen bei der Anbindung von Abgabesystemen und automatisierten Warensystemen an KIS und ERP

Reorganisation des Medikationsprozesses in der Spitäler fmi AG

Die Spitalapotheke und ihre Funktion im Arzneimittelvertrieb

Qualitätsmanagement im Medikationsprozess: Sicherheit, Prozessverschlankung und Zeiteinsparung

Das Arzneimittel im Spital ökonomisches Umfeld

Reorganisation of medication processes Spitäler fmi AG

Patient. Arzt. Spezialist. Kardex. Kurven Labor. Pflege. Kontrolle Stationsapotheke. Medi- Bestellung für Lager / lauf. Therpie. nein.

Stellen der Arzneimittel

Was macht eigentlich ein Spitalapotheker?

Medienkonferenz santésuisse 9. Oktober 2014

Produktehaftpflichtrecht

Patientenindividuelle Verblisterung von Medikamenten von Chancen und Risiken Dr. pharm. Enea Martinelli Chefapotheker Spitäler fmi AG

Revision HMG Artikel 9 Abs. 2 Artikel 14 und Artikel 16 und Artikel 5

KVG-Reformen 2012: Chronik eines Desasters

Bundesratsbeschluss über das Ergebnis der Volksabstimmung vom 18. Mai 2014

spitäler fmi ag, weissenaustrasse 27, ch-3800 unterseen, Generika im Spital Dr. pharm. Enea Martinelli Chefapotheker spitäler fmi ag

2. Gesetze, Behörden, Aufsicht, Fallvorstellungen Übersicht über alle Kantone

Gesprächsleitfaden zur Umstellung auf Generika in der HIV-Therapie

Medienkonferenz vom

Das revidierte HMG Das Ende der Geschäfte mit der Spitalapotheke?

(Wann) ist ambulant vor stationär sinnvoll?

Generika Mythen, Fakten und Fallen

Mitteilungen an die AHV-Ausgleichskassen und EL-Durchführungsstellen Nr. 360

ehealth und das elektronische Patientendossier eine Einführung

ehealth und das elektronische Patientendossier Aktueller Stand

Medikamente bringen sie Heilung oder kosten sie nur?

Kanton Basel-Stadt Auf dem Weg zur Gesundheitsregion beider Basel Mittelstand Basel vom 16. März 2017

Look alike Sound alike Projekte rund um die AMTS in der Schweiz

Mitteilungen an die AHV-Ausgleichskassen und EL-Durchführungsstellen Nr. 286

Überall für alle! Karin Lachenmeier

Umgang mit Produkten an Übergängen Drei Probleme und mögliche Lösungsansätze Generika. Karin Fattinger

Monitoring der stationären Suchttherapieinstitutionen: Auslastung und Platzzahlen der stationären Drogentherapieangebote in der Schweiz 2017

Steuerertragsentwicklung im Kanton Luzern und in den Luzerner Gemeinden

Der Medikationsprozess heute

Generika Mythen, Fakten und Fallen

Bundesratsbeschluss über das Ergebnis der Volksabstimmung vom 11. März 2012

UNSERE VERANTWORTUNG FÜR DIE PATIENTENSICHERHEIT

Angebots- und Strukturüberprüfung (ASP 2014)

Mitteilungen an die AHV-Ausgleichskassen und EL-Durchführungsstellen Nr. 207

Der Bezug dieser Zulagen erfolgt via Arbeitgeber oder direkt von der Ausgleichskasse.

1 Spezifische Versorgung mit Heilmitteln

Pharmazeutische Betreuung Seelandheim Worben (SHW) Sarah Affolter, fvp Heimapotheke TopPharm Apotheke Aarberg

Where Merck s and Pfizer s revenue went in Pay, Profits, and Spending by Drug Companies: Werbung. Pharmaceutical Industry Profits

Mitteilungen an die AHV-Ausgleichskassen und EL-Durchführungsstellen Nr. 251

Lieferengpässe bei hochdosierten Pankreatin-Arzneimitteln

Weniger Aufwandbesteuerte aber höhere Erträge in den Kantonen

«Ambulant vor stationär» greift zu kurz. Wie Gemeinden die Organisation der Alterspflege optimieren können

Medikationsprozess Zentrales Medikamenten. Richten

Vermeidung von Medikationsfehlern - eine Initiative in der Schweiz. Spitäler Frutigen Meiringen Interlaken AG,

Pharmaceuticals. Das Wichtigste zum Thema Generika. Sandoz legt Wert auf höchste Qualität, weltweite Präsenz und permanente Innovation.

bonus.ch: in 2018 werden mehr als 150'000 Krankenkassenprämien von einer Erhöhung über 4% betroffen sein

Auswertung der Umfrage des Schweizerischen KMU Verbandes Zeitraum der Umfrage:

ehealth und das elektronische Patientendossier eine Einführung

Sozialhilfestatistik 2014

Ziel der Schmerztherapie und Erwartungen des Patienten. Stellenwert des Apothekers in der Schmerztherapie

bonus.ch: Die Hälfte der Krankenkassenprämien erfahren für 2019 eine Erhöhung um mehr als 4%

Swiss DRG: Was wird wirklich neu für die Spitäler? Dr. Bernhard Wegmüller, Direktor H+

Mitteilungen an die AHV-Ausgleichskassen und EL-Durchführungsstellen Nr. 411

Ausgabe 2014 STATISTIK ALTERS- UND PFLEGEINSTITUTIONEN

Künftige Standortstrategie Zug

Nationaler Austausch Statistik 2017

KONKURSE UND GRÜNDUNGEN

Hochwertige Markenmedikamente müssen nicht teuer sein

Ambulant versus Stationär, wie weiter? Ambulant versus Stationär

Geschäftsordnung der Arzneimittelkommission (AMKO) der spitäler fmi ag

Kostenführerschaft im Gesundheitswesen und was Spitäler davon lernen können

Generationengerechte Pflegefinanzierung

Mitteilungen an die AHV-Ausgleichskassen und EL-Durchführungsstellen Nr. 232

Modelle der Arzneimittelversorgung und lagerung in Heimen

KONKURSE UND GRÜNDUNGEN

Die Organisation medikamentöser Therapien im Spital

Begriffe und Definitionen (in alphabetischer Reihenfolge)

Energieverbrauch der Kantone Mittelabfluss durch Energie-Importe

Interprofessionelle Zusammenarbeit als Schlüssel zu mehr AMTS?

Geldwerte Vorteile nach dem revidierten Heilmittelgesetz Risiken und Nebenwirkungen. 25. September 2014 Basel RA Felix Kesselring, LL.M.

Medienkonferenz vom 26. April 2012

Unter Spardruck: Kantonale Prämienverbilligungen

Vollkostenrechnung der kantonalen Berufsbildung 2009

Die Rolle der Apothekerinnen/ Apotheker in der Versorgung von Heimbewohnerinnen/ Bewohnern

ausgabe 2009 Stat I St I K a lt e r S - u n D P F l e G e h e I M e

Transkript:

spitäler fmi ag, weissenaustrasse 27, ch-3800 unterseen, www.spitalfmi.ch Medikamente und Kehrseiten der Entwicklung zur hoch spezialisierten Medizin Dr. pharm. Enea Martinelli Chefapotheker spitäler fmi ag Vizepräsident II Stiftung Patientensicherheit 1

High-tech trifft auf Low-tech 2

3

Der Medikationsprozess im Umfeld Spital Patient A 1 Visite Essen Pflege Betreuung Blutentnahme Untersuchungsvorber. 9 Medikamente verabreichen KG Arzt Spezialist nein med. Therapie ja später zu A Pflege Apotheke Kardex Kurven Labor C Kontrolle Stationsapotheke Medi- Bestellung für Lager / lauf. Therpie Listen-Medi ja nein ja 2 Verordnung Rücksprache Station/Arzt Grund / Ersatz? Ersatz B Einlagerung Stationsapotheke Wareneingangskontrolle Medi- Transport nein 3 3 Verordnung in Kardex abschreiben Verabreichungszeiten festlegen Medi abbolen Medi bereitstellen KMT IPS OHC Chir 3 Pflegehandlungen, Dokumentation Verordnung übertragen: Kardex/ Verlaufsblatt 3 4 Abschreiben für Medi- Zubereitung Medi vorrätig Medi-Best. in Apotheke Listen-Medi ja nein nein Rücksprache Station/Arzt ja ja Grund / Ersatz? Ersatz Medi abbolen nein 8 Zubereitung der Medi nach abgeschr. Verordnung Medi abbolen Medi bereitstellen Wareneingangskontrolle Verlaufsblatt / Cardex: Abgabe eintragen Medikamentenverrechnung: teurer Medi auf Leistungsblatt Medi bereitstellen Medi bestellen Rechnungskontrolle 5 Medi bereitstellen Medi bestellen 6 Rechnungskontrolle Lieferant Verwaltung Medi bereitstellen Rechnungskontrolle / Zahlungsfreigabe 7 Medi bereitstellen Rechnungskontrolle / Zahlungsfreigabe Statistik / Verrechnung Quelle: Diplomarbeit Dr. J. Goette, Kinderklinik Zürich 4

Illegible Rx s

Verordnung State of the Art 2006! 6

7

8

Die pharmazeutische Industrie als Wirtschaftsmotor Innovations- und Gewinnorientiert Unter Beobachtung der Börse und der Finanzanalysten; Wachstum und Gewinn müssen stetig steigen. Optimierung der Sortimente hinsichtlich Finanzertrag und Kostendeckung Just-in-time Produktion und Lagerhaltung mit Konsequenzen für die Versorgung 9

Innovationen seit 1990 10

Versorgungslage der Medikamente für die akute intraoperative Behandlung hypertensiver Krisen I Nitroprussid : in der Schweiz nicht registriert; Na-Thiosulfat als Begleitmedikation nicht erhältlich Nepresol : nicht mehr erhältlich Nitroglycerin : Chargenrückzug beim einen Hersteller; dadurch Lieferprobleme beim anderen Lieferanten Regitin : für die kurzfristige Behandlung intraoperativ nicht geeignet Trandate : im Moment in kleinen Mengen nur aus Taiwan zu importieren und deshalb reserviert für Schwangere Zeller A. et. al. Diagnostik und Therapie der Hypertensiven Krise, Cardiovasc 2, 2002 11

Versorgungslage der Medikamente für die akute intraoperative Behandlung hypertensiver Krisen II Brevibloc : Nur in Beutel zu 250 ml aus den USA zu importieren; Intraoperativ erforderlich sind 10 ml... Reniten : in der Schweiz nicht als Ampulle verfügbar Fenoldopam : in der Schweiz nicht registriert Ebrantil : für die kurzfristige Behandlung intraoperativ nicht geeignet Metoprolol : für die kurzfristige Behandlung intraoperativ nicht geeignet 12

Ein anderes Beispiel zur Verfügbarkeit von Arzneimitteln in der Schweiz In einer kürzlich publizierten Studie* wurde das Medikament Trasylol (Aprotinin) mit einem erhöhten Risiko im Vergleich zu anderen Arzneimitteln in Verbindung gebracht Die Autoren der Publikation empfehlen, Aprotinin nicht mehr zu verwenden, sondern die beiden in der Studie eingesetzten Vergleichspräparate Tranexamsäure oder Aminocapronsäure Tranexamsäure als Ampulle und Aminocapronsäure insgesamt in der Schweiz nicht mehr auf dem Markt Mangano et al., N. Engl. J. Med., 2006; 354; 353-365 13

Lieferunterbrüche; eine Momentaufnahme aus fmi-sicht am 20.3.2006 Maxipime : ein Antibiotikum Azactam : ein Antibiotikum Ketalar : ein Anästhetikum Perlinganit : ein Herzmedikament Octagam : ein Immunglobulin Trandate : Import aus Taiwan Esmolol : Import aus USA Semprex : ein Antiallergikum (Alternativen vorhanden) 14

Beispiele von Abregistrierungen aus ökonomischen Gründen Cyklokapron Ampullen (importierbar aus D) Dicodid Ampullen (mit Aufwand importierbar aus D) Eine grosse Anzahl diverser Lokalanästhetika (Umstellungen des Lieferanten; Namen, Formen) Doryl Ampullen ; kein Ersatz Pronestyl Ampullen ; kein Ersatz 15

Beispiele sog. Artikel-95 -Präparate, die bereits verschwunden sind, oder zu verschwinden drohen Isoniazid Ampullen zur Behandlung der Tuberkulose Chinin Ampullen zur Behandlung der Malaria (illegal zu importieren aus Tansania) Eine Reihe von Antidota (z.t. zu importieren) Mitteilung von Swissmedic (26.1.2006) : Rund 40 Präparate, darunter leider auch als essentiell eingestufte Arzneimittel, wurden in der Folge zurückgezogen 16

Auswirkungen aktueller Regulierungstendenzen im Rahmen des HMG Beispiel Cytotec : Zugelassen für die Ulcus-Prophylaxe während einer Dauertherapie mit Schmerzmitteln; Häufig angewendet für die Einleitung der Geburt Aber : Cytotec steht in der geeigneten Form und Dosierung für die Geburtseinleitung nicht zur Verfügung Handelsübliche Form : Tabletten zu 200 µg Gemäss Fachliteratur empfohlene Dosierung : 25 µg 17

Lösung nicht produzierende Spitäler Vor HMG : Lohnherstellungsvertrag mit Partner für die Trituration von Cytotec Tabletten auf die geeignete Dosierung; Angebot als Vaginalovulum. Nach HMG : Pflegeabteilungen achteln Cytotec-Tabletten mit dem Tablettenteiler : 200 µg -> 25 µg 18

Nubain -> Nalbuphin Orpha Narcan -> Naloxon Orpha Beispiele für den Ersatz von Altpräparaten 2005 Dopamin 250 mg/10 ml -> Dopamin 250 mg/50 ml Dobutrex bisher 250 mg/20 ml -> neu : 250 mg/50 ml 19

Jahrespressekonferenz Mepha; A. Bosshard CEO Der tiefere Selbstbehalt ist ein wichtiger Schritt in Bezug auf die Förderung von Generika. Um deren Sparpotenzial jedoch noch besser auszuschöpfen, müssen auch die Spitäler ihre Verantwortung wahrnehmen. 20

Namensgebung; ein Beispiel aus der Praxis Drei Präparate der Firma Ecosol Flunizol Flusol Fursol (Fluconazol) (Fluoxetine) (Furosemid) 21

Aus dem Sortiment der Spitäler fmi ag ; fehlende Formen von Generika Metoprolol : keine i.v. Form, keine 25 mg Form Acetazolamid : keine i.v. Form Amoxicillin : keine i.v. Form (250 mg, 500 mg, 1 g, 2 g) Amiodaron : keine i.v. Form Clarithromycin : keine i.v. Form Fluconazol : keine i.v. Form Furosemid : keine Ampullen 250 mg; Tabletten 500 mg Rifampicin : keine Ampullen, keine Tabletten 450 und 600 mg Acetylcystein : keine Ampullen 20% 22

Aussage von Helsana : Wir erwarten von den Spitälern, dass diese in den wenigen Fällen, wo zwingend notwendige Darreichungsformen fehlen, durch geeignete Massnahmen die korrekte Arzneimittelverabreichung weiterhin sicherstellen, auch wenn von einem Wirkstoff zwei Medikamente im Sortiment geführt werden müssen. 23

Fazit I Oberste Priorität im Gesundheitssystem hat der Patient respektive die Patientensicherheit Damit die Patientensicherheit gewährleistet werden kann braucht es die Sicherheit der Versorgung (qualitativ und quantitativ) 24

Fazit II Die Spitzenmedizin kann nicht isoliert betrachtet werden; sie bettet sich in ein Umfeld ein Es braucht minimale Standards, die ausgewogen sein müssen und die an sich relativ einfach zu erreichen wären. Es braucht von behördlicher respektive politischer Seite ein aktives Handeln! Koordination ist gefragt. Bisher haben wir nur gehört, was alles nicht geht! Ohne die Basics in der medizinischen Versorgung ist mittelfristig auch die Erbringung einer optimalen Spitzenmedizin nicht möglich 25

Die Stiftung für Patientensicherheit dankt den Stiftern, den privaten Spendern sowie den Kantonen AG, AI, AR, BE, BL, FR, JU, LU, SG, SH, SO, TI, VD, ZG, ZH für die Unterstützung des Ziels der Stiftung, zur Verbesserung dieser Basics beizutragen. 26