Gutachten im Auftrag des Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft Brandenburg Möglichkeiten einer effizienten und effektiven Aufgabenwahrnehmung im Straßenwesen Die Zukunft der Straßenbauverwaltung Prof. Dr. Jörg Bogumil Dipl.-Verw.Wiss. Falk Ebinger
Ablauf 1. Auftrag 2. Methodisches Vorgehen 3. Grundlagen der Straßenbauverwaltung Grünes Netz Doppelung von Zuständigkeiten 4. Der Landesbetrieb Straßenwesen (LS) Entstehungsgeschichte Unternehmensentwicklung 5. Alternative Modelle der Aufgabenwahrnehmung 6. Fazit 2
1. Auftrag Vorarbeiten Gutachten für die EK 5/2 Ende 2012 präsentierten die Autoren das Gutachten zu Möglichkeit der Kommunalisierung von Landesaufgaben (Bogumil/Ebinger 2012) Hierin wurden die Komplexität des Aufgabenbereichs Straßenwesen herausgearbeitet und mehrere Modelle einer veränderten Aufgabenwahrnehmung diskutiert : Ausgliederung der Aufgaben des Betriebsdienstes auf die kommunale Ebene Ausgliederung auch in den Bereichen der Erhaltung und in Planung und Bau Übernahme kommunaler Aufgaben an den Kreisstraßen in das Leistungsspektrum der staatlichen Straßenbauverwaltung, Bildung von Regionalstraßen unter kommunaler oder alternativ staatlicher Aufgabenwahrnehmung. 3
1. Auftrag Vertiefende Betrachtung Auftrag des MIL Ende Januar 2013: Vertiefende Betrachtung der effizienten und effektiven Aufgabenwahrnehmung im Straßenwesen auf Basis der dargestellten Szenarien. Diese sollte aus zwei Teilen bestehen: 1.) Analyse des Status quo der SBV Netzstruktur und den territorialen Gegebenheiten, aktuelle und soweit möglich prognostizierbar künftige Entwicklung der Haushaltsund Personalsituation sowie Aufgabenbestand, Aufgabenwahrnehmung, Resultate im bestehenden System, aktuelle Strukturveränderungen des Landesbetriebes Straßenwesen (LS). 2.) Ermittlung von Optimierungspotenzialen unter Berücksichtigung der aktuellen Unternehmensentwicklung des LS, unter Berücksichtigung bereits in anderen Bundesländern existierender Modelle und deren Übertragbarkeit (ganz/teilweise). 4
2. Methodisches Vorgehen Bearbeitungszeitraum des Gutachtens: Mitte Februar bis Anfang April 2013 Arbeitsschritte: Sichtung von wissenschaftlichen Untersuchungen zur Aufgabenwahrnehmung in der Straßenbauverwaltung; Durchführung umfangreicher Dokumentenanalysen sowie Durchführung von Interviews mit mehreren Dutzend Experten aller Ebenen aus Brandenburg, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Auswertung von Material aus den Ländern Niedersachsen, NRW, Sachsen und Bayern. Die einbezogenen Länder repräsentieren mögliche alternative Modelle der Aufgabenwahrnehmung im Straßenbau. 5
Fokus und Ländervergleich Planung und Bauvon Bundesfernstraßen sowie von Landesstraßen werden in allen Bundesländern klassisch in Sonderbehörden des Landes, Landesbetrieben oder in Regierungspräsidien verwaltet. Dieser Bereich steht deshalb nicht im Fokus des Gutachtens. Betriebliche und bauliche Unterhaltung sowie Teile der Instandsetzungwerden in den Ländern in abweichenden Strukturen vollzogen. In den meisten Bundesländern (bspw. BA, HE, RP, NdS, NRW, SH) werden Bundes-, Landes-sowie Kreisstraßen überwiegen gemeinsamdurch staatliche Straßenbauämter oder Landesbetriebe unterhalten. Baden-Württemberg, Sachsen kommunalisierten im Zuge von jüngeren Verwaltungsreformen die Unterhaltung. Thüringen privatisierte die betriebliche und technische Unterhaltung des Straßennetzes, andere Länder führten hierzu Pilotversuche durch. Diese alternativen Vollzugsformen werden tiefergehend betrachtet. 6
3. Status Quo der brandenburgischen SBV Grünes Netz Überkommene problematische Netzaufteilung Brandenburg hat bezogen auf das Verhältnis zwischen Landes-und Kreisstraßen den höchsten Anteil an Landesstraßen aller ostdeutschen Bundesländer (66%). Nach Aussage des LS müssten rechtlich rund 2.060 der 3.040 km des grünen Netzes Kreis-oder Gemeindestraßen werden. Hierzu ist der Ausbauzustand einer Kreis-bzw. Kommunalstraße herzustellen, was ca. 510 Mio. kosten würde. Eine Neuverteilung der Straßenbaulast erscheint auf dieser Basis kaum erreichbar und impliziert die Fehlallokation von knappen Ressourcen. Eine Verhandlungslösung (geringere und gestreckten Kosten) müsste für die kommunale Selbstverwaltung Anreize durch Gestaltungsräume bieten. 7
3. Status Quo der brandenburgischen SBV Ausdifferenzierte Zuständigkeiten In Brandenburg existieren im Straßenwesen vier sich überdeckende Betriebsnetze auf drei Ebenen. Die staatliche Ebene bewirtschaftet mit Autobahnmeistereien die Bundesautobahnen und mit Straßenmeistereien die Bundes-und Landesstraßen. Die Landkreise bewirtschaften mehrheitlich (Ausnahme LK Dahme- Spreewald) die Kreisstraßen mit individuellen Strategien und (teils) eigenen Strukturen und Kapazitäten. Die kreisangehörigen Städte und Gemeinden bewirtschaften ihre Gemeindestraßen ebenfalls mit eigenen Strukturen. 8
3. Status Quo der brandenburgischen SBV Problematische Doppelstrukturen Die Parallelstrukturen auf Landes-und Kreisebene sind als problematisch zu betrachten, da Doppelungen von Kompetenzen und Kapazitäten einen erhöhten wirtschaftlichen Aufwand verursachen, auch weil die bewirtschafteten Netze der Kreis-, Landes-und Bundesstraßen miteinander verflochten und insb. auf Ebene der Kreisstraßen somit fragmentiert sind. Diese Parallelstrukturen bergen potentielle Synergiepotentiale 9
4. Der Landesbetrieb Straßenwesen (LS) Unternehmensgründung und Konsolidierung Hoher Kostendruck kennzeichnet die SBV seit Jahrzehnten: Straßenmeisterei 2000 führt zur Reduktion von 39 auf 33 SM LS (gegründet 2005) muss drastische Vorgabe für Stelleneinsparungen erfüllen: 32% zwischen 2005 und 2019 Diesen Rahmenbedingungen muss die Organisation der SBV gerecht werden Die Verschmelzung der 7 eigenständigen Straßenbauämter in den LS war hierzu ein erster wichtiger Schritt, sie ermöglichte: Erzielung von Synergieeffekten Straffung von Strukturen, strategische Steuerung der SBV 10
4. Der Landesbetrieb Straßenwesen (LS) Unternehmensentwicklung Ab 2013 wird im LS Phase 2 der Unternehmensentwicklung umgesetzt: Spartenmodell mit Zentralisierung von Fachaufgaben Die bisher weitgehend eigenständige territoriale Niederlassungsstruktur wird in funktional organisierte Einheiten überführt Die neue Organisationsstruktur bereitet den LS durch flexibleren Personaleinsatz auf die weiteren Personaleinsparungen vor Ab 2014 ist in der 3. Stufe der Unternehmensentwicklung die Reorganisation der SM und der AM vorgesehen. Zentralisierung von Kapazitäten ist richtig, um die Kapazitätslücken in Bauherrentätigkeit und operativem Betrieb der Straßen aufzufangen. Überzeugende Neukonzeption der Straßenmeistereien ist die wesentliche künftige Herausforderung für den LS. 11
4. Der Landesbetrieb Straßenwesen (LS) Ungenutztes Potential der Rechtsform Der LS sollentsprechend seiner Konzeption nach modernen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten & Denkweisen operieren politische Zielsetzungen eigenverantwortlich und mit Budgetkompetenz umsetzen und dadurch eine fachlich und wirtschaftlich optimale Aufgabenerledigung erreichen. Diese Konzept funktioniert in BB wie auch in anderen Bundesländern nicht, da der Politik die Formulierung von Zielen jenseits von Einsparvorgaben schwer fällt, Investitionsentscheidungen nach politischen, nicht fachlichen Kriterien getroffen werden, der Landeshaushalt sowie die Haushalte der Ministerien kameralistischgeführt werden und Haushaltssperren und Sparvorgaben den Einsatz von KLR und Budgetbildungen auf Ebene des LS hintertreiben. Der LS ist de facto eine Behörde wie jede andere. Mögliche Effizienzvorteile der Rechtsform können nicht ausgespielt werden. Dennoch entstehen Kosten durch die Pflicht zur Entwicklung und Vorhaltung kaum ungenutzter Steuerungsinstrumente. 12
4. Der Landesbetrieb Straßenwesen (LS) strategische Vision nötig Die Einsparvorgaben an den LS sind derart rigide gehalten, dass keinerlei strategische Entwicklung und Personalplanung möglich erscheint: In welchen Aufgabenfeldern eigenes Know-how erhalten werden soll wie notwendige Einstellungskorridore trotz der oberhalb der natürlichen Fluktuationliegenden Einsparvorgaben und der Übernahme von Forstarbeiter ermöglicht werden können wie die rapide Überalterung der Mitarbeiter bewältigt werden kann wie relevantes Wissen in die Zukunft gerettet werden kann Diese Visionwäre unter den gegebenen Umständen wichtig, um ein langfristig tragfähiges zukünftige Profil des LS zu entwickeln 13
5. Alternative Modelle der Aufgabenwahrnehmung Übersicht Es können vier alternative Organisationsmodelle der SBV unterschieden werden: die grundsätzliche Aufhebung der künstlichen Trennung von staatlicher und kreislicher Baulast, bspw. durch die Bildung von Regionalstraßen, die Privatisierung des betrieblichen und baulichen Unterhalts, die Kommunalisierung des betrieblichen und baulichen Unterhalts von Landesund Bundesstraßen auf die Kreisebene sowie die Zusammenführung der Zuständigkeiten für betriebliche und bauliche Unterhaltung auf staatlicher Ebene bei Beibehaltung der überkommenen Baulastträgerschaft. 14
5. Alternative Modelle der Aufgabenwahrnehmung Modell Privatisierung des Betriebsdienstes Outsourcing der operativen Tätigkeiten auf der Straße Einführung vor über 10 Jahren in Thüringen in mehreren anderen Ländern im Rahmen von Pilotversuchen getestet. In der Gesamtschau zeigt das Modell diverse Nachteile: (-) Kostennachteile durch Umsatzsteuerbelastung und Gewinnstreben, (-) hohe Vertragsanbahnungs-, Koordinations- und Überwachungskosten (-) geringer Wettbewerb aufgrund hoher Markteintrittshürden Modell ist einem von der öffentlichen Hand bereitgestellten, schlank und innovativ geführtem Betriebsdienst unterlegen. 15
5. Alternative Modelle der Aufgabenwahrnehmung Modell Kommunalisierung des Betriebsdienstes Die Kommunalisierung des Betriebsdienstes an Landes-und Bundesstraßen wurde in Baden-Württemberg und Sachsen realisiert. In der Gesamtschau überwiegen die Nachteile des Modells: + Reduzierung von Doppelstrukturen auf staatlicher und kommunaler Ebene (-) Selbst das Kreismodell 5+1 kann keine mit dem LS vergleichbaren Zentralisierungsgewinne erzielen (-) Gesamtbetrachtung der Straße im Kontext ihres Lebenszyklus wird aufgelöst. (-) Es entstehen beträchtlichen und dauerhafte Koordinations- und Steuerungsprobleme zwischen den Unterhaltungs-und Erhaltungsmaßnahmen. (-) Zur Vermeidung dieser Konflikte wäre der Einsatz eines rigiden Aufsichts- und Steuerungsinstrumentariums notwendig, welches jedoch wiederum die ohnehin stark begrenzten Gestaltungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene weiter einschränken würde. 16
5. Alternative Modelle der Aufgabenwahrnehmung Modell Staatliche Aufgabenwahrnehmung für die Kreisebene Freiwillige Übertragung des Betriebs von Kreisstraßen auf den LS Dieses Konzept vereinigt mehrere Vorteile: + entspricht konzeptionell dem Status quo + Weitergehende Nutzung reduziert Doppelstrukturen auf staatlicher und kommunaler Ebene + Synergieeffekte durch Skalenerträge aufgrund spezialisierter und netzweiter Aufgabenwahrnehmung und optimierter Ausstattung 17
6. Fazit Vor dem Hintergrund der Erfahrungen in den anderen Bundesländern und der bestehenden Strukturen in Brandenburg erscheint es den Gutachtern am naheliegendsten auf eine Kommunalisierung im Straßenwesen zu verzichten und stattdessen das Modell der staatlichen Aufgabenwahrnehmung für die Kreisebene in Brandenburg attraktiver zu machen weitere Optimierung der Strukturen und Prozesse innerhalb des LS im Zuge der dritten Stufe der Unternehmensentwicklung 18