Babette Steinbauer. Reorganisation in der Energiewirtschaft (»unbundling«) und deren arbeitsrechtliche Folgen. Herbert Utz Verlag München

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Transkript:

Babette Steinbauer Reorganisation in der Energiewirtschaft (»unbundling«) und deren arbeitsrechtliche Folgen Herbert Utz Verlag München

Rechtswissenschaften Herausgegeben von Dr. Thomas Küffner Dr. Küffner & Partner, Landshut, München Band 49 Zugl.: Diss., München, Univ., 2006 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben auch bei nur auszugsweiser Verwendung vorbehalten. Copyright Herbert Utz Verlag GmbH 2006 ISBN 3-8316-0606-4 Printed in Germany Herbert Utz Verlag GmbH, München 089-277791-00 www.utzverlag.de

Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht... I Inhaltsverzeichnis... IV Abkürzungsverzeichnis...XV Literaturverzeichnis... XIX Reorganisation in der Energiewirtschaft ( unbundling ) und deren arbeitsrechtliche Folgen... 1 1 Rechtliche Grundlagen... 2 A. Wirtschaftliche Entwicklung des Elektrizitäts- und Gasbinnenmarktes und Hintergründe... 2 I. Ausgangssituation auf den Elektrizitätsund Gasbinnenmärkten... 2 II. Richtlinie 96 / 92 / EG und Einführung des EnWG... 3 III. Richtlinie 98 / 30 / EG und Erstes Änderungsgesetz zum EnWG... 5 B. Richtlinien 2003 / 54 / EG und 2003 / 55 / EG... 7 I. Aktuelle Situation auf dem Elektrizitätsund Gasbinnenmarkt... 7 II. Reaktion der EU... 8 III. Erscheinungsformen der Entflechtung... 12 IV. Eigentumsrechtliche Entflechtung... 13 V. Umsetzungszeitplan... 21 VI. Gesellschaftsrechtliche Entflechtung... 21 VII. Status der Regulierungsbehörde... 23 VIII. Organisation... 23 IX. Kompetenzen... 24 X. Kompetenz der EU... 24 C. Auslegungsvermerk der EU-Kommission... 25 I

D. Nationale Umsetzung in Deutschland... 35 I. Personen mit Leitungsaufgaben... 36 II. Personen mit Befugnis zu wesentlichen Entscheidungen... 39 III. Personen mit sonstigen Tätigkeiten... 40 IV. Angehören / Angehörige... 41 V. Fachliche Weisungen... 43 E. Vergleich mit der Deregulierung auf anderen netzgebundenen Dienstleistungssektoren... 44 I. Telekommunikationssektor... 44 II. Schienenverkehrssektor... 47 2 Organisationsrecht... 48 A. Veräußerung des Netzes an Dritte... 48 B. Verbleib des Netzbereichs innerhalb eines Konzerns... 49 I. Konzern isv. 18 Abs.1 AktG... 49 II. Eigentumsübertragung des Netzes an eine 100%ige Tochtergesellschaft... 52 III. Netzpachtmodell... 61 IV. Querverbundunternehmen... 63 V. Verbleib des Netzes im Mutterunternehmen... 64 VI. Holdingmodell... 67 VII. Spartenmodell... 68 3 Arbeitsrechtliche Folgen... 72 A. Kollektivarbeitsrechtliche Folgen... 72 I. Betriebsverfassungsrechtliche Folgen... 72 II. Unternehmens- und Konzernmitbestimmung... 176 III. Tarifrecht... 187 B. Individualarbeitsrechtliche Folgen... 203 II

I. Übergang der Arbeitsverhältnisse gem. 613a Abs.1 S.1 BGB... 203 II. Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer gem. 613a Abs.6 BGB... 214 III. Haftungsschutz gem. 613a Abs.2, 3 BGB, 133 UmwG... 221 IV. Kündigungsschutz gem. 613a Abs.4 BGB, 323 Abs.1 UmwG... 222 V. Rückkehrzusagen... 222 VI. Arbeitnehmerüberlassungen... 223 VII. Direktionsrechts gem. 106 GewO... 227 VIII. Sozialauswahl gem. 1 Abs.3 KSchG bei betriebsbedingter Kündigung nach Widerspruch... 229 IX. 615 S.2 BGB / 11 Nr.2 KSchG... 233 4 Zusammenfassung... 235 III

1 Rechtliche Grundlagen 1 Rechtliche Grundlagen A. Wirtschaftliche Entwicklung des Elektrizitäts- und Gasbinnenmarktes und Hintergründe I. Ausgangssituation auf den Elektrizitäts- und Gasbinnenmärkten Erklärtes Ziel der europäischen Energiepolitik ist seit langem die Senkung der Energiepreise für die Endverbraucher. Aus ökonomischer Sicht kann eine Ordnung des Elektrizitäts- und Gasbinnenmarktes nur darauf abzielen, einen Rahmen zu schaffen für eine möglichst preisgünstige, sichere, effiziente sowie die Verbraucher schützende Sicherstellung der Versorgung unter der Nebenbedingung der Kostendeckung. Die grundsätzliche Antwort darauf ist Wettbewerb. Dies ist gewöhnlich das Verfahren, das sich am besten eignet zur Herstellung kostenorientierter Preise und zur Entdeckung neuer Kostensenkungs- und Anwendungsmöglichkeiten. Daraus ergibt sich eine eher selbstverständliche These: Soviel Wettbewerb wie möglich, soviel Reglementierung wie nötig. Auf den Strom- und Gasmärkten besteht ein Bedarf nach Deregulierung zur Einführung eines brancheninternen Wettbewerbs. Um den Besonderheiten der Energieversorgung (Leitungsgebundenheit, begrenzte Speicherbarkeit, hohe Kapitalintensität; im Gasbereich zusätzlich: langfristige Lieferbeziehungen aufgrund so genannter Take-or-Pay-Verträge) und den daraus resultierenden Gefahren volkswirtschaftlich unerwünschter Fehlinvestitionen Rechnung zu tragen, war die Energiewirtschaft weitgehend monopolistisch strukturiert. Ursprünglich bestanden in Deutschland sowohl Stromerzeugungs- als auch Netzmonopole. Das Monopol im Erzeugungsbereich resultierte daraus, dass 4 und 5 EnWG a.f. für bestehende Energieversorgungsunternehmen für den Anlagenbau lediglich eine Anzeigeverpflichtung mit der Beanstandungsmöglichkeit der Aufsichtsbehörde vorsahen, während Unternehmen und Betriebe, die keine Energieversorgungsunternehmen waren, für den Bau von Erzeugungsanlagen einer energiewirtschaftlichen Genehmigung nach 5 EnWG a.f. bedurften. Da sie aber wegen der geschlossenen Versorgungsgebiete keine Absatzmöglichkeit hatten, bestand für sie praktisch keine Genehmigungsmöglichkeit zum Bau von Erzeugungsanlagen. Der Geschäftsbereich Netz zeichnet sich dadurch aus, dass nach den Erkenntnis- 2

1 Rechtliche Grundlagen sen der volkswirtschaftlichen Monopoltheorie 1 die Transportnetze in den so genannten Netzwerkindustrien natürliche Monopole verkörpern. Der Begriff Netzwerkindustrie steht für alle Wirtschaftssektoren, deren Funktionsfähigkeit von der Existenz investitionsintensiver Versorgungsnetze, wie z.b. der Telekommunikations- oder Elektrizitäts- und Gasnetze, abhängt. Als natürliches Monopol wird eine ökonomische Situation bezeichnet, in der ein einzelnes Unternehmen einen relevanten Markt zu günstigeren Konditionen versorgen kann als zwei oder mehr Unternehmen, die zu denselben Bedingungen Zugang zu der Einrichtung / Technologie haben wie das einzelne Unternehmen. Natürliche Monopole zeichnen sich dadurch aus, dass zu ihnen (jedenfalls zur Zeit) keine volkswirtschaftlich effiziente Alternative existiert. Diese Situation ist in der leitungsgebundenen Energiewirtschaft gegeben, da der Bau konkurrierender Parallelleitungen nicht wirtschaftlich ist. Somit hat ein Betreiber von Strom- und Gasnetzen typischerweise ein natürliches Monopol inne. Der theoretisch kostenminimale und in diesem Sinn effiziente Handel des Produktes Netznutzung erfolgt somit zwingend auf einem anbieterseitigen Monopolmarkt. Netzmonopole weisen grundsätzlich alle aus der klassischen Mikroökonomie bekannten Ineffizienzen auf 2. Hierbei handelt es sich insbesondere um ein überhöhtes Preisniveau bei eingeschränktem Angebot. II. Richtlinie 96 / 92 / EG und Einführung des EnWG Zunächst wurde versucht, den Wettbewerb auf den Strom- und Gasmärkten durch freiwillige Vereinbarungen zu regeln. So kam es im Jahre 1998 zu einer grundlegenden Reform des Energiewirtschaftsrechts. Am 19.12.1996 hat die EU-Kommission die Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie 96 / 92 / EG erlassen. Ziel dieser Richtlinie war es, zur Absenkung der im europäischen Vergleich zu hohen Preise in der leitungsgebundenen Stromund Gaswirtschaft einen wirksamen brancheninternen Wettbewerb einzuführen. Die zentralen Regelungsbereiche der Richtlinie umfassten neben den Bestimmungen über die Organisation der Energieversorgung und der Energieerzeugung vor allem Vorschriften über den Betrieb der Netzsysteme (Übertragungs- und Verteilernetz) und Regelungen bezüglich der Organisation des Netzzugangs und des freien Leitungsbaus (Art. 21 Abs.2 der Richtlinie). Die Regelungen über den Netzzugang waren der Dreh- und 1 Krakowski, S.25 ff. 2 Wiedmann / Langerfeldt, ET 2004, 158 (158). 3

1 Rechtliche Grundlagen Angelpunkt der Richtlinie 3. Um die Kosten des Netzbetriebs sichtbar zu machen und zur Vermeidung von Quersubventionen bei der Erzeugung, Übertragung und Verteilung der Elektrizität enthielt die Richtlinie besondere Vorschriften über eine buchhalterische Entflechtung und Transparenz der Elektrizitätsversorgung. Hinsichtlich der Organisation des Netzzugangs räumte die Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie den Mitgliedstaaten ein Wahlrecht zwischen dem Netzzugang auf Vertragsbasis (verhandelter Netzzugang), dem geregelten Netzzugang und dem so genannten Alleinkäufersystem (Alleinabnehmersystem) ein. Eine Abschaffung der Monopole sah die Richtlinie nicht vor. Insbesondere gewährte sie durch das Wahlrecht Durchleitungsinteressenten durch das Netz des Monopolisten keinen unmittelbaren Durchleitungsanspruch, so dass die Monopolstellung lediglich aufgelockert wurde 4. Diese Richtlinie wurde in Deutschland zum Anlass genommen für die Verabschiedung des am 29.04.1998 in Kraft getretenen Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts (EnWG). Hauptziel der gesamten Neuregelung war die Einführung von brancheninternem Wettbewerb unter Aufhebung der Ausnahmeregelungen der 103, 103a GWB. Hierin wurde das Netzmonopol stärker eingeschränkt als in der Richtlinie vorgesehen und somit die Marktöffnung verbessert. Dennoch wurden auch hierdurch die bisher bestehenden Erzeugungs-, Netz- und Vertriebs- / Abgabemonopole nicht beseitigt, sondern lediglich aufgelockert. Der deutsche Gesetzgeber hat sein Wahlrecht zugunsten des verhandelten Netzzugangs ausgeübt. Bei diesem System hat der Durchleitungsinteressent nicht das Recht, das Netz des Netzbetreibers zur Durchleitung zu benutzen, sondern er kann lediglich den Netzzugang mit dem Netzbetreiber aushandeln und somit auf der Grundlage freiwilliger kommerzieller Vereinbarungen Lieferungsverträge schließen. Ein Anspruch auf Netzbenutzung besteht mithin nicht, sondern lediglich ein Anspruch auf Aufnahme von Verhandlungen über den Netzzugang. Bezüglich des Betriebs von Versorgungsnetzen wurde unter anderem geregelt, dass das Übertragungsnetz als eigene Betriebsabteilung mit eigener Verwaltung und Rechnungswesen geführt werden muss, vgl. 4 Abs.4 EnWG a.f.. Die Vorgaben der Elektrizitätsrichtlinie über die Trennung der Konten in der Buchführung von Energieversorgungsunternehmen für Erzeugung, Übertragung und Verteilung wurden in 8 EnWG a.f. umgesetzt. Zum Zwecke der für erforderlich erachteten Transparenz wurde bereits damals eine Unternehmensteilung von Energieversorgungs- 3 Kühne / Clausthal / Scholtka, NJW 1998, 1902 (1903). 4 Lukes, BB 1998, 1217 (1218). 4

1 Rechtliche Grundlagen unternehmen in selbstständige Unternehmen für die verschiedenen Tätigkeitsbereiche erwogen 5, jedoch aufgrund von befürchteten Konflikten mit den Grundrechten wurde dieses Vorhaben zugunsten der lediglich buchhalterischen Entflechtung verworfen. III. Richtlinie 98 / 30 / EG und Erstes Änderungsgesetz zum EnWG Fünf Jahre nach der grundlegenden Reform des Energiewirtschaftsrechts und der Einführung von Wettbewerb in der leitungsgebundenen Energiewirtschaft ist am 24.05.2003 das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts 6 in Kraft getreten, das in Art.1 eine Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes vom 24.04.1998 (EnWG) enthält. Ziel dieses ersten Änderungsgesetzes war die weitere Liberalisierung des Gasmarktes und die Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen auf den Strom- und Gasmärkten. Neben einer Novellierung des EnWG von 1998 enthielt das Gesetz ferner eine Neufassung der Übergangsbestimmungen des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts von 1998 sowie Änderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Der Anlass für die Novellierung des Energiewirtschaftsrechts bestand in erster Linie darin, die Regelungen der Gasbinnenmarktrichtlinie 98/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.06.1998 7 betreffend die gemeinsamen Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt in nationales Recht umzusetzen. Ziel dieser Richtlinie war die Verwirklichung eines wettbewerbsorientierten Erdgasmarktes als wichtiger Bestandteil der Vollendung des Energiebinnenmarktes (vgl. Erwägungsgründe Nr.3), wobei hinsichtlich der wettbewerbsrechtlichen Regelungen vor allem Diskriminierungen ausgeschlossen werden sollten (Erwägungsgründe Nr.11) und ebenso vermieden werden sollte, dass es zu missbräuchlichen Ausnutzungen einer marktbeherrschenden Stellung oder zu Verdrängungspraktiken kommt (Erwägungsgründe Nr.28). Im gleichen Sinne sollte sich diese Richtlinie als erste Stufe auf dem Markt der Vollendung des Erdgasbinnenmarktes verstehen (Erwägungsgründe Nr.4). Die zentralen Regelungsbereiche dieser Gas-Richtlinie umfassten neben den Bestimmungen über die Organisation der Gasversorgung (Fernleitung, Verteilung, Lieferung, Speicherung) und den Bau und Betrieb von Erdgasanlagen (Genehmigungen) vor allem Vorschriften über den Betrieb der Netzsysteme 5 Lukes, BB 1998, 1217 (1222). 6 BGBl. 2003 I, 686. 7 ABIEG Nr. L 204, S.1 vom 21.07.1998. 5