Mit urbaner Landwirtschaft auf den Weg zu Ernährungssouveränität Am Beispiel städtischer Nahversorgung in Kuba

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Transkript:

Universität für Bodenkultur Wien Department für Nachhaltige Agrarsysteme Mit urbaner Landwirtschaft auf den Weg zu Ernährungssouveränität Am Beispiel städtischer Nahversorgung in Kuba Friedrich Leitgeb Institut für Ökologischen Landbau Arbeitsgruppe Wissenssysteme und Innovationen Schneider, S., Leitgeb, F., Vogl, C.R.(2014): Urbane Landwirtschaft in Havanna, Kuba: Mit Reformen auf dem Weg zur Ernährungssouveränität? 30. Jahrestagung der österreichischen Lateinamerikaforschung 13.- 15. Juni 2014 in Strobl am Wolfgangsee, Österreich. Institut für Ökologischen Landbau I AG Wissenssysteme und Innovationen I Friedrich LEITGEB

Bevölkerungswachstum und Urbanisierung 23. Mai 2007

Urbane Landwirtschaft Entscheidende Rolle um die Anpassungsfähigkeit von Städten an globale Veränderungsprozesse zu erhöhen 800 Millionen Menschen praktizieren urbane Landwirtschaft (FAO, 2014) Strategie zur Verbesserung der Lebensgrundlagen (Selbstversorgung + Einkommen) (Armar-Klemesu 2000) 200 Millionen produzieren für den Verkauf 15-20% der weltweit konsumierten Lebensmittel (Armar-Klemesu 2000)

Entwicklung der urbanen Landwirtschaft in Kuba 1989: Zusammenbruch der Ostblockstaaten Wirtschafts- und Lebensmittelkrise (Funes et al. 2002) Stadtbevölkerung war besonders betroffen (Kälber 2011) Bewältigungsstrategie der Stadtbevölkerung Erhöhung Selbstversorgung mit Lebensmittel (Altieri et al, 1999) Balkone, Dachterassen, Hinterhöfe, brachliegenden Landflächen und Müllhalden (Murphy,1999) Ausgehend von einer selbstorganisierten Bewegung (Altieri et al, 1999) Seit 1994 fördert die kubanische Regierung urbane Landwirtschaft

Ernährungssouveränität in Kuba Von den USA weitgehend unabhängige Agrarpolitik Ernährungssouveränität = Kubas Antwort auf steigende Lebensmittelpreise am Weltmarkt Kubanische Regierung ruft über Medien zu nationaler Ernährungssouveränität auf (González,2011; Chan and Freyre Roach 2012) Perspektive der Regierung politische Souveränität gegenüber anderen Staaten Unabhängigkeit von Betriebsmittel- und Lebenmittelimporten Produktivitätssteigerung Perspektive der ProduzentInnen Unabhängigkeit vom Staat Selbstversorgung mit Lebensmittel Produktion von Betriebsmittel (Kompost, Saatgut)

1. Vorrang für die Ernährung der Bevölkerung Zugang der Stadtbevölkerung zu Lebensmittel ist gewährleistet durch Produktionssteigerung Produktivitätssteigerung Diversifizierung der Absatzmöglichkeiten (Bauernmärkte, Mobile Verkaufsstände, Stassenverkäufer, Verkaufsstände am Betrieb)

Absatzmöglichkeiten Foto: D. Witzeneder

2. Wertschätzung für LebensmittelproduzentInnen Anreizsysteme für vorbildliche Produktion Auszeichnungen, Zertifikate Preise für die Umsetzung nachhaltiger Anbaumethoden Medienpräsenz (Tageszeitung, TV, Radio) Teilnahme an internationalen Konferenzen Innovationswettbewerbe

Auszeichnungen Foto: D. Witzeneder

3. Etablierung von lokalen Produktionssystemen ~ 40% aller städtischen Haushalte in Kuba produzieren Lebensmittel (FAO, 2014) > 1 Million Hausgärten in ganz Kuba (Koont 2011) 50.000 ha urbane Landwirtschaft (Rodríguez, 2005) 384.000 Personen in der urbanen Landwirtschaft tätig (Rodríguez, 2005) ~ 60% des Bedarfs an Gemüse und Gewürzen in Kuba werden aus der urbanen Landwirtschaft gedeckt (Altieri and Funes-Monzote,2012) Foto: C.R.Vogl

4. Stärkung der lokalen Kontrolle Reform zur Steigerung der Autonomie (Lineamientos 2011) z.b. autonomere Entscheidung über Verkaufskanäle Reduzierung staatlicher Einflussnahme, 2010-2011Verkauf auf staatlichen Märkten 16,4% (Nova onzález 2012) ABER Preissteigerung um 7% (Chan and Freyre Roach 2012) Zugang zu Land Nutznießungsrechte unter Nutzungsauflagen 13,4 ha Land für Neueinsteiger 110.000 Anträge im Jahr 2009 80.000 Anträge wurden stattgegeben Nur 23% der Antragsteller haben Erfahrung mit Landwirtschaft Insgesamt 690.000 Hektar Land verteilt (Simón Reardón and Pérez, 2010)

5. Aufbau von Wissen und Fertigkeiten Infrastruktur zur Wissensvermittlung (Murphy 1999 ) Beratungsangebote in jedem Stadtteil Beratungsangebote durch die Kooperative Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten Bildungsprogramme für urbane Landwirtschaft Erfahrungswissen durch eigene Experimente und Innovationen

6. Arbeit mit der Natur Anbauempfehlungen Urbane Landwirtschaft ist ökologisch orientiert Chemisch-synthetische Betriebsmittel sind teuer und schwer erhältlich ABER: punktuelle Ausbringung kommt vor Diversifizierte Produktionssysteme Aufklärungsarbeit der Regierung Ökologisches Bewußtsein

Foto: D. Witzeneder Foto: E. Sanz Soro

Fazit Kubanische Regierung schafft Rahmenbedingungen für die Umsetzung von Ernährungssouveränität Urbane Landwirtschaft Schlüsselelement für Ernährungssouveränität in Kuba leistet wesentlichen Beitrag zur nationalen landwirtschaftlichen Produktivität und zu Ernährungssicherheit in Kuba Stadtplaner und politische Entscheidungsträger sind aufgefordert den Beitrag urbaner Landwirtschaft zu Ernährungssicherheit und zu Ernährungssouveränität zu berücksichtigen (Zezza and Tasciotti, 2010)

Universität für Bodenkultur Wien Department für Nachhaltige Agrarsysteme Mit urbaner Landwirtschaft auf den Weg zu Ernährungssouveränität Am Beispiel städtischer Nahversorgung in Kuba friedrich.leitgeb@boku.ac.at Institut für Ökologischen Landbau Arbeitsgruppe Wissenssysteme und Innovationen Fotos: F.Leitgeb, C.R. Vogl, D. Witzeneder, E. Institut Sanz für Soro Ökologischen Landbau I AG Wissenssysteme und Innovationen I Friedrich LEITGEB