Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung - Kompakt

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BTHG

Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung - Kompakt Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) birgt nach Ansicht der Diakonie Baden viele Chancen und bringt für Betroffene mehr Möglichkeiten und bessere Unterstützung. Ausdrücklich begrüßt die Diakonie den Gleichrang von Teilhabeleistungen und Pflegeleistungen, denn er verhindert, dass Menschen mit Behinderung in großem Umfang als Pflegefälle behandelt werden. Endlich kann eine Schiedsstelle auf kurzem Weg Unstimmigkeiten bei der Verhandlung um die Leistungsvereinbarung klären und es muss nicht mehr gleich der lange Klageweg gegangen werden. Die Regelungen im BTHG zu den Vermögensfreigrenzen gelten nur im Rahmen des SGB IX. Menschen in Einrichtungen, bspw. in Heimen, die ihren Lebensunterhalt über die Sozialhilfe decken müssen, profitieren davon nicht. Deshalb ist es sehr positiv, dass die Regierungsparteien im Nachgang nach dem Gesetz nun auch die Vermögensfreigrenzen in der Sozialhilfe (SGB XII) auf wenigstens 5.000,- anheben wollen. Kritik: Das sogenannte Poolen von Assistenzleistungen kann das Wahlrecht der Betroffenen einschränken. Es setzt voraus, dass sich mehrere Personen mit dem gleichen Interessenbereich zusammenfinden, damit eine Assistenzkraft sie bei ihrer Freizeitgestaltung begleitet. Das kann zu negativen Effekten führen. Wer hat Zugang zur Eingliederungshilfe? Die Regelung Fünf von Neun ist nicht vom Tisch, sie ist nur aufgeschoben. Die weitere Entwicklung bis zu einer endgültigen Entscheidung beobachten wir mit Sorge.

Die Erhöhung der Freibeträge ist begrüßenswert, weil sie einen unhaltbaren, lebensfernen Zustand beendet. Müssen Obergrenzen aber überhaupt sein? Aus Sicht der Betroffenen kann man die Frage stellen, inwieweit in diesem Rahmen bspw. eine Altersvorsorge möglich ist. Allerdings muss man auch realistisch fragen, wie weit der Sozialstaat in solchen Bereichen gehen kann. Das BTHG bedeutet eine Abkehr von Gesamtpaketen hin zu personenzentrierten Leistungen. D.h., dass für jeden Betroffenen individuell der Hilfebedarf ermittelt und die erforderlichen Leistungen zusammengestellt werden müssen. Dabei müssen existenzsichernde Leistungen unterschieden werden von den Fachleistungen in den Einrichtungen. Die Auswirkungen für unsere Einrichtungen sind kaum absehbar. Wir befürchten einen deutlich ansteigenden bürokratischen Aufwand. Forderungen: Die baden-württembergische Landesregierung ist mit der Verabschiedung des Gesetzes aufgefordert, unter anderem den Träger der Eingliederungshilfe neu festzulegen und eine Arbeitsgemeinschaft einzuberufen. Sie setzt sich zusammen aus Landesvertretern, Trägern, Leistungserbringern und Betroffenen. Wir fordern das Land auf, dieses Gremium zu nutzen, um die Qualität der Eingliederungshilfe kontinuierlich im Sinne der Betroffenen weiterzuentwickeln. Der Diakonie Baden ist es vor allem wichtig, dass es im Land zu einheitlichen Standards bei der Hilfebedarfsbemessung kommt. Egal wo ich im Land wohne, muss gewährleistet sein, dass ich die gleichen Leistungen bekomme. Die Leistungsvereinbarungen sind vor Ort, also von den Kommunen auszuhandeln. Es darf nicht passieren, dass manche Kommunen weniger Leistungen zubilligen als andere. Wir fordern vom Land, die Steuerungsverantwortung anzunehmen und diese Schwachstellen auszugleichen. Wir bieten dem Land dabei unsere Unterstützung an. Wir stehen für die Rechte der Menschen mit Behinderung und die Weiterentwicklung unserer Angebote im Sinne des neuen Gesetzes. Die Diakonie wird sich landesweit und in ihren Mitgliedseinrichtungen für die Wahrung bzw. Stärkung der Rechte der Menschen mit Behinderung einsetzen.

Angebote der Diakonie im Bereich Behindertenhilfe und Psychiatrie Deutschland 155 000 Plätze in der Eingliederungshilfe 3 600 Angebote 60 000 Vollzeitstellen Baden-Württemberg 33 000 Plätze 580 Angebote 9 400 Vollzeitstellen Diakonie Baden 11 900 Plätze 215 Angebote 2 640 Vollzeitstellen

Definition: Eingliederungshilfe Die Eingliederungshilfe ist eine Sozialleistung. Sie soll eine drohende Behinderung verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen beseitigen oder mildern. Die Eingliederungshilfe soll helfen, behinderte Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. 53 Abs.3 SGB XII

BTHG Die wichtigsten Änderungen Allgemein: Das neue Bundesteilhabegesetz ordnet die Assistenzleistungen für behinderte Menschen künftig dem Behindertenrecht und nicht mehr der Sozialhilfe zu. Es soll ihre Teilhabe und Autonomie verbessern und dazu beitragen, die UN-Behindertenrechtskonvention in deutsches Recht umzusetzen. Vermögensfreibeträge: Bisher dürfen Bezieher von Eingliederungshilfe nur 2.600 Euro sparen. Der Vermögensfreibetrag wird im kommenden Jahr um 25.000 Euro auf 27.600 Euro erhöht, im Jahr 2020 weiter auf 50.000 Euro. Einkommen und Ersparnisse von Lebens- und Ehepartnern werden künftig bei der Berechnung der Eingliederungshilfe nicht mehr herangezogen. Der Freibetrag für Ersparnisse behinderter Sozialhilfeempfänger steigt von 2.600 auf 5.000 Euro. Einkommensanrechnung: Der Eigenanteil zur Eingliederungshilfe wird gesenkt. Damit können rund 70 000 behinderte Berufstätige mehr von ihrem Einkommen behalten. Ein Beispiel: Von einem Bruttoeinkommen von 3.500 Euro werden heute bis zu 900 Euro abgezogen. In einer Übergangsphase wird der Abzug auf 600 Euro gesenkt und ab 2020 auf 240 Euro. Pflege und Eingliederungshilfe: Pflegebedürftige behinderte Menschen erhalten weiterhin gleichrangig Leistungen aus der Pflegeversicherung und der Eingliederungshilfe. Zunächst war im Gesetz ein Vorrang von Pflegeleistungen vorgesehen, der bei den Betroffenen zu Einbußen geführt hätte.

"Poolen" von Leistungen: Um Ausgaben zu sparen, können die Kommunen einen Assistenten für mehrere behinderte Menschen einsetzen. Die Koalition nahm aber die Regelung zurück, wonach das auch in der eigenen Wohnung gelten sollte. Das hätte dazu führen können, dass Behinderte ins Heim hätten ziehen müssen. Ambulantes Wohnen hat Vorrang, wenn der behinderte Mensch es will, er hat aber keinen Rechtsanspruch darauf. "Fünf von Neun": Die umstrittenen Kriterien, wonach Eingliederungshilfe nur noch gewährt worden wäre, wenn ein Behinderter in fünf von neun Lebensbereichen eingeschränkt ist, wurde nach massiven Protesten zurückgenommen. Die Betroffenen hatten argumentiert, blinde Menschen etwa würden so von Leistungen ausgeschlossen. Es soll nun erprobt werden, wie künftig der Zugang bestimmt wird und erst 2023 eine neue Regelung in Kraft treten. Arbeit: Arbeitgeber erhalten Lohnkostenzuschüsse bis zu 75 Prozent, wenn sie einen behinderten Menschen einstellen. Einige Bundesländer haben ein solches "Budget für Arbeit" schon. Das Arbeitsförderungsgeld für behinderte Menschen in Werkstätten wird auf 52 Euro monatlich verdoppelt. Bildung: Bisher werden Hilfeleistungen für behinderte Studenten nur bis zum ersten Examen finanziert, künftig bis zum Masterabschluss und in Einzelfällen bis zur Dissertation. Beratung: Unabhängige Beratungsstellen werden vom Bund bis 2022 mit bis zu 58 Millionen Euro jährlich gefördert. Kosten: Länder und Kommunen geben pro Jahr rund 17 Milliarden Euro für die Eingliederungshilfe aus, Tendenz steigend. Die Reform führt nach Schätzungen des Bundesarbeitsministeriums zu zusätzlichen jährlichen Ausgaben von rund 800 Millionen Euro im Jahr. Die Mehrausgaben trägt der Bund. Quelle: epd

Zahlen Eingliederungshilfe für behinderte Menschen Bundesrepublik Deutschland 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 männlich 353 993 385 448 406 175 428 445 433 371 459 546 469 884 488 382 495 718 509 272 523 379 weiblich 231 472 252 726 266 164 284 068 291 284 310 205 318 414 332 562 338 776 351 217 360 034 Gesamt 585 465 638 174 672 339 712 513 724 655 769 751 788 298 820 944 834 494 860 489 883 413 Quelle: Statistisches Bundesamt 2016