Kein Verstoß des Mitbestimmungsgesetzes gegen Unionsrecht

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Transkript:

LG München I, Beschluss v. 27.08.2015 5 HK O 20285/14 Titel: Kein Verstoß des Mitbestimmungsgesetzes gegen Unionsrecht Normenketten: AEUV Art. 45 AEUV Art. 18 Leitsatz: 1. Diese Vorschriften des MitbestG sind wirksam und verstoßen insbesondere nicht gegen höherrangiges Unionsrecht. Da die Mitbestimmungsgesetze das Wahlverfahren auf betrieblicher Ebene verankern, sind Arbeitnehmer in anderen Betrieben als in Deutschland belegenen von der unternehmerischen Mitbestimmung ausgeschlossen. Die Kammer vermag nicht zu erkennen, dass ein Arbeitnehmer sich einen Wechsel zu einer ausländischen Tochtergesellschaft nur deshalb entgehen lässt, weil er dadurch das aktive Wahlrecht für den Aufsichtsrat der Konzernobergesellschaft verliert. Die Regelung setzt schon abstrakt keine Verhaltensanreize, um freizügigkeitsrelevant zu sein. (redaktioneller Leitsatz) Schlagworte: Freizügigkeit, Diskriminierung/Mitbestimmung, Aufsichtsrat, Aufsichtsratszusammensetzung, Wahlverfahren, Diskriminierung, Mitbestimmung, anderer als in Deutschland belegener Betrieb, Arbeitnehmer, Arbeitnehmerfreizügigkeit, Diskriminierungsverbot Fundstellen: AG 2016, 49 DStR 2015, 2505 NZG 2015, 1275 ZIP 2015, 1929 LSK 2015, 410873 Tenor I. Der Antrag auf Feststellung, der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin müsse nach 96 Abs. 1 Var. 6 AktG zusammengesetzt werden, wird zurückgewiesen. II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. III. Der Geschäftswert wird auf 50.000,- festgesetzt. Gründe I. 1. Die Antragsgegnerin, an der der Antragsteller im Juli 2014 drei Aktien erwarb, ist die deutsche Muttergesellschaft eines internationalen Handels- und Dienstleistungskonzerns mit den Kernsegmenten Agrar, Energie und Bau. Zum 30.9.2014 beschäftigte die Antragsgegnerin in Deutschland 11.900 und in Europa insgesamt 15.361 Arbeitnehmern; weltweit waren an diesem Stichtag insgesamt 16.873 Mitarbeiter für sie tätig. Ihr Aufsichtsrat besteht aus 16 Mitgliedern, von denen die eine Hälfte die Anteilseigner und die

andere Hälfte die Arbeitnehmer stellen. Mit Schreiben vom 17.7.2014 (Anlage ASt 2) teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin mit, er vertrete die Auffassung, der Aufsichtsrat sei unrichtig zustande gekommen bzw. falsch besetzt. 2. Mit seinem Antrag vom 21.10.2014 (Bl. 1/11 d. A.) begehrt der Antragsteller die Feststellung, der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin sei nicht nach den für ihn maßgeblichen Vorschriften zusammengesetzt und dürfe sich nur aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre zusammensetzen. Das Mitbestimmungsgesetz dürfe wegen des sich aus ihm ergebenden Ausschlusses der Belegschaften in der Europäischen Union vom aktiven und passiven Wahlrecht nicht angewandt werden, weil darin ein Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit aus Art. 45 AEUV und das allgemeine europäische Diskriminierungsverbot liege. Der Verlust des Wahlrechts für und in den Aufsichtsrat mache einen Wechsel in eine europäische Tochtergesellschaft weniger attraktiv, worin eine Beschränkung der Freizügigkeit deutscher Arbeitnehmer liege. Dies bedeute auch einen Verstoß gegen das europäische Diskriminierungsverbot, weil eine mittelbare Diskriminierung sich daraus ergebe, dass in ausländischen Betrieben und Tochtergesellschaften typischerweise Arbeitnehmer beschäftigt seien mit der Staatsangehörigkeit des jeweiligen Mitgliedsstaates. Ein rein nationaler Sachverhalt könne hier nicht angenommen werden angesichts der grenzüberschreitenden Dimension bei einem Konzern mit Arbeitnehmern in anderen europäischen Mitgliedstaaten. Eine europarechtskonforme Auslegung komme nicht in Betracht, solange nicht geklärt sei, welches Ergebnis das Unionsrecht der Artt. 18, 45 AEUV gebiete. An der Statthaftigkeit des Statusverfahrens könne kein Zweifel bestehen, weil es genüge, wenn sich der Vorstand und ein anderer Beteiligter über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates auseinandersetzen würden. Auch gehe es dem Antragsteller nicht um die Klärung abstrakter Rechtsfragen. Hilfsweise beantragt der Antragsteller die Vorlage des Verfahrens an den Europäischen Gerichtshof, weil der Ausgang des Verfahrens wesentlich von der Auslegung der Verträge abhänge und dies möglichst rasch geklärt werden müsse. 3. Die Antragsgegnerin beantragt demgegenüber die Zurückweisung des Antrags. Zur Begründung beruft sie sich im Wesentlichen darauf, der Antrag stelle sich bereits als rechtsmissbräuchlich dar, weil gerade der Erwerb der Aktien unmittelbar vor dem Anschreiben an den Vorstand und die ähnliche Vorgehensweise in einem vor dem Landgericht Landau in der Pfalz geführten Verfahren belege, dass es ihm nur um die Klärung abstrakter Rechtsfragen gehe. In jedem Fall aber könne der Antrag keinen Erfolg haben, weil bereits kein Verstoß gegen Unionsrecht vorliege. Zum einen fehle schon der grenzüberschreitende Bezug, angesichts der Anstellung inländischer Arbeitnehmer bei einer inländischen Gesellschaft unter der Geltung nationaler Rechtsvorschriften. Ein Art. 45 Abs. 2 AEUV unterliegendes Wegzugshindernis lasse sich nicht bejahen, nachdem der Wegfall der Wahlberechtigung keinen einer Marktzugangsverweigerung gleichkommenden Nachteil bedeute. Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot bestehe schon wegen der fehlenden Binnenmarktrelevanz nicht. Zudem ergebe sich keine Schlechterstellung des Einzelnen aufgrund unterschiedlicher Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten. Doch selbst bei Europarechtswidrigkeit führe eine europarechtskonforme Auslegung zu keinem Erfolg des Statusverfahrens, weil dann auch die ausländischen Arbeitnehmer berücksichtigt werden müssten, so dass der Aufsichtsrat immer noch aus 16 Mitgliedern bestünde; dann aber sei das Statusverfahren nicht statthaft, weil die Beurteilung über die rechtmäßige Anwendung des aktiven und passiven Wahlrechts den Wahlanfechtungsverfahren gem. 21, 22 MitbestG vorbehalten sei. Die Antragsgegnerin hält eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht für angezeigt, weil zum einen kein Verstoß gegen Unionsrecht vorliege und selbst bei einer anderen Beurteilung diese zur mangelnden Statthaftigkeit des Statusverfahrens führe. 4. Soweit den weiteren Antragsberechtigten eines Statusverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Antrag gegeben wurde, haben sie hiervon keinen Gebrauch gemacht.

5. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Sachvortrags der Beteiligten wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen. Eine mündliche Verhandlung hat nicht stattgefunden. II. 1. Das Statusverfahren nach 98 ff. AktG ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. a. Das Verfahren ist als Statusverfahren zulässig. (1) Die Statthaftigkeit resultiert aus 98 Abs. 1 AktG, weil streitig ist, ob sich der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes oder ausschließlich nach denen des Aktiengesetzes zusammensetzt, nachdem der Antragsteller die Auffassung vertritt, die Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes verstießen gegen die Vorgaben des Europarechts. Dabei ist allerdings im Statusverfahren vorrangig auf die Vorschriften über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats und nicht über die Wahlbestimmungen abzustellen. (2) Als Aktionär ist der Antragsteller antragsbefugt im Sinne des 98 Abs. 2 Nr. 3 AktG. Dem kann nicht entgegengehalten werden, er habe die Aktien erst wenige Tage vor der Antragstellung erworben, mit der er im Wesentlichen abstrakt die Frage der Vereinbarkeit des Mitbestimmungsrechts mit höherrangigem Europarecht klären lassen wolle. Das Aktiengesetz knüpft in seinem 98 Abs. 2 Nr. 3 die Antragsberechtigung ausschließlich an die Aktionärsstellung an und gibt jedem Aktionär die Möglichkeit, die Zusammensetzung des Aufsichtsrats überprüfen zu lassen. An weitere Voraussetzungen ist die Antragsbefugnis nicht geknüpft (vgl. BGH NZG 2012, 421, 422 = AG 2012, 288 = ZIP 2012, 669 = MDR 2012, 787; LG Frankfurt NZG 2015, 683, 684 = Der Konzern 2005, 234, 235; Habersack in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl. 98 Rdn. 15). b. Der Antrag ist indes nicht begründet, weil sich die Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes beurteilt, nachdem die Voraussetzungen des 1 Abs. 1 MitbestG erfüllt sind. Aufgrund dieser Vorschrift ist der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft nach Maßgabe der Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes zu bilden, wenn diese in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt. Dies ist unstreitig der Fall, nachdem die Antragsgegnerin zum 30.9.2014 deutschlandweit insgesamt 11.900 und europaweit 15.361 Mitarbeiter im Konzern beschäftigt, wie sich aus dem Quartalsbericht für das dritte Quartal des Geschäftsjahres 2014 ergibt und wie dies hinsichtlich der deutschlandweiten zahlen vom Antragsteller auch nicht bestritten wurde; hinsichtlich der europaweiten Zahlen ist er von rund 15.400 Mitarbeitern ausgegangen. Angesichts dessen greift 7 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG ein, wonach sich der Aufsichtsrat aus je acht Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zusammensetzt. Diese Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes sind wirksam und verstoßen insbesondere nicht gegen höherrangiges Unionsrecht. Da die Mitbestimmungsgesetze das Wahlverfahren auf betrieblicher Ebene verankern, sind Arbeitnehmer in anderen Betrieben als in Deutschland belegenen von der unternehmerischen Mitbestimmung ausgeschlossen (vgl. LG Berlin AG 2015, 587, 588 = ZIP 2015, 1291, 1293 = DB 2015, 1588, 1589; Fischer NZG 2014, 737, 738; Krause AG 2012, 485, 488; für den Bereich des BetrVG ebenso BAG NZA 2000, 1119, 1121). (1) Ein Verstoß gegen die durch Art. 45 AEUV garantierte Arbeitnehmerfreizügigkeit kann allerdings nicht bejaht werden. Innerhalb der Union ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer aufgrund von Art. 45 Abs. 1 AEUV gewährleistet; diese umfasst gem. Art. 45 Abs. 2 AEUV die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen. Es ist dabei in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anerkannt, dass sämtliche Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit den Gemeinschaftsangehörigen die Ausübung von beruflichen Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Gemeinschaft erleichtern sollen und solchen Maßnahmen entgegenstehen, die die Gemeinschaftsangehörigen benachteiligen könnten, wenn sie eine Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wollen (vgl. insb. EuGH NJW 1996, 505, 509 f. = WM 1996, 910, 920 = JZ 1996, 248, 251 = NZA 1996, 191, 196 - Bosman; EuZW 1999, 380, 383 - Terhoeve). Auch haben In diesem

Zusammenhang die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten insbesondere das unmittelbar aus dem Vertrag abgeleitete Recht, ihr Herkunftsland zu verlassen, um sich zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat zu begeben und sich dort aufzuhalten. Daher stellen unterschiedslos anwendbare Bestimmungen, die einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats daran hindern oder davon abhalten, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, Beeinträchtigungen seiner Freiheit dar. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn sie den Zugang der Arbeitnehmer zum Arbeitsmarkt beeinflussen (vgl. EuGH NZA 2000, 413, 414 - Graf; auch Forsthoff in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Erg.Lfg. September 2010, Art. 45 AEUV Rdn. 223 f.). Davon kann vorliegend indes nicht ausgegangen werden. Die Kammer vermag nicht zu erkennen, dass ein Arbeitnehmer sich einen Wechsel zu einer ausländischen Tochtergesellschaft nur deshalb entgehen lässt, weil er dadurch das aktive Wahlrecht für den Aufsichtsrat der Konzernobergesellschaft verliert. Die Regelung setzt schon abstrakt keine Verhaltensanreize, um freizügigkeitsrelevant zu sein (vgl. LG Berlin AG 2015, 587, 590 = ZIP 2015, 1291, 1294 = DB 2015, 1588, 1591; LG Landau NZG 2014, 229 = AG 2014, 376 = ZIP 2013, 2107 f.; Krause AG 20012, 485, 490; Bungert/Leyendecker-Langner DB 2014, 2031, 2032; Seibt DB 2015, 1592; Mense/Klie DStR 2015, 1508, 1512). Doch selbst wenn der Arbeitnehmer ein Aufsichtsratsmandat hatte und dieses verliert, vermag dies ein anderes Ergebnis nicht zu rechtfertigen, weil der maßgebliche Grund nicht der Grenzübertritt ist, sondern das Ende der Zugehörigkeit als Arbeitnehmer eines im Inland gelegenen Betriebs. Dieses ist dann nicht anders zu beurteilen als ein Sachverhalt, bei dem es zum Verlust des deutschen Kündigungsschutzrechts kommt, wenn ein Arbeitnehmer in einen anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union mit weniger stark ausgeprägten Kündigungsschutzregelungen wechselt, worin kein Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit gesehen werden kann (vgl. Krause AG 20012, 485, 490). Zudem kann nicht außer Acht gelassen werden, dass auch die Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat primär den Interessen der Aktiengesellschaft und nicht denen der Arbeitnehmer verpflichtet sind. (2) In den Regelungen der 1 Abs. 1, 7 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG kann kein Verstoß gegen das europarechtliche Diskriminierungsverbot des Art. 18 Abs. 1 AEUV gesehen werden, auch wenn den in ausländischen Tochtergesellschaften beschäftigten Arbeitnehmern weder das aktive noch das passive Wahlrecht zusteht. Das Wahlverfahren knüpft nämlich an den Betrieb als tatsächlich organisatorische Einheit an, weshalb sich die Anwendbarkeit des jeweiligen Rechts insoweit nach dem Realstatut, also dem Recht des belegenen Heimatortes bestimmt. Nach Art. 18 Abs. 1 AEUV ist unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge - also des Vertrags über die Europäische Union und des AEUV (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 AEUV) - in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. Die Regelung verpflichtet Mitgliedstaaten, Personen, die sich in einer durch das Gemeinschaftsrecht geregelten Situation befinden, nicht anders als Inländer zu behandeln (vgl. EuGH NJW 1997, 3299, 3300). Zwar wird teilweise in der Literatur die Auffassung vertreten, die fehlende Beteiligung der Arbeitnehmer von im Ausland ansässigen Tochtergesellschaften einer deutschen Obergesellschaft führe zu einer mittelbaren Diskriminierung, weil es sich bei deren Arbeitnehmern überwiegend um ausländische Staatsangehörige handele (vgl. Hellwig/Behme AG 2009, 261, 265; dies. in: Festschrift für Peter Hommelhoff, 2012, S. 343, 355; Habersack AG 2007, 641, 648). Dieser Ansicht des Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot kann indes nicht gefolgt werden. Ein unmittelbarer Verstoß liegt schon deshalb nicht vor, weil die Regelungen im Mitbestimmungsgesetz gerade nicht unmittelbar an die Staatsangehörigkeit anknüpfen (vgl. LG Berlin AG 2015, 587, 588 f. = ZIP 2015, 1291, 1293 = DB 2015, 1588, 1590). Aber auch eine mittelbare Diskriminierung kann nicht angenommen werden. Eine solche liegt vor, wenn das Unterscheidungskriterium zu einem gleichen Regelungserfolg führt wie das der Staatsangehörigkeit. Es muss mithin die getroffene Regelung zu einem weitgehend gleichen Ergebnis wie eine Differenzierung aufgrund der Staatsangehörigkeit führen. Maßgeblich ist dabei, dass die große Mehrzahl der von der Norm geregelten Fälle Ausländer erfasst (vgl. EuGH NJW 1994, 1271 = WM 1994, 956, 957 = IPrax 1994, 439, 440 = JZ 1994, 1165 = ZZP 108[1995], 109, 111 - Mund & Fester/Hartrex Internationaal Transport; von Bogdandy in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union,

Kommentar, Erg.Lfg. September 2010, Art. 18 Rdn. 13 ff.). Vorliegend führt die Anknüpfung der Mitbestimmungsvorschriften an den inländischen Beschäftigungsort für gleiche oder vergleichbare Sachverhalte nicht zu unterschiedlichen Rechtsfolgen. Die deutsche Konzernmuttergesellschaft als Obergesellschaft auch ausländischer Unternehmen bildet keine hinreichende Klammer, um den inländischen Wahlen zu den Arbeitnehmervertretern in deren Aufsichtsrat eine grenzüberschreitende Qualität zu verleihen, welche zur unmittelbaren Anwendbarkeit des europäischen Primärrechts führen könnte. Lediglich wegen der Beherrschung durch eine deutsche Gesellschaft können ausländische Unternehmen samt deren Belegschaften nicht ohne Weiteres dem deutschen Mitbestimmungsstatut unterfallen. Das Diskriminierungsverbot aus Art. 18 AEUV verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht, außerhalb ihrer eigenen Regelungskompetenz für eine Gleichbehandlung der Bürger anderer Staaten der Europäischen Union Sorge zu tragen. Es ist weithin anerkannt, dass das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot die Mitgliedstaaten nicht zu einer umfassenden Harmonisierung ihrer Rechtsordnungen zwingt, weil anderenfalls die den Mitgliedstaaten verbleibende Gesetzgebungskompetenz ausgehöhlt würde (vgl. von Bogdandy in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Erg.Lfg. September 2010, Art. 18 Rdn. 9 und 53 f.). Unter Beachtung dieser Ausgangsüberlegungen kann eine Diskriminierung nicht angenommen werden. Dagegen spricht schon die Tatsache, dass für nach ausländischem Recht gegründete Gesellschaften, die in ihrem Heimatland auch ihren Sitz haben, auch in allen anderen Rechtsbeziehungen ihr Heimatrecht gilt. Befinden sie sich aber in einem Arbeitsverhältnis nach ihrem Heimatrecht und haben sie nicht die Absicht, dieses zu verlassen, befinden sie sich nicht in einer durch das Gemeinschaftsrecht geprägten Situation, in der das europarechtliche Diskriminierungsverbot beachtet werden müsste (vgl. LG Berlin AG 2015, 587, 589 = ZIP 2015, 1291, 1294 = DB 2015, 1588, 1590 unter Hinweis auf EuGH NJW 1997, 3299, 3300; LG Landau NZG 2014, 229 = AG 2014, 376 = ZIP 2013, 2107; Seibt DB 2015, 1592; Krause AG 2012, 485, 492 f.; Bungert/Leyendecker-Langner DB 2014, 2031, 2032; Hellwig/Behme AG 2015, 333, 340; ebenso Oetker in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15.l Auf. Einl Rdn. 6). Ein Verstoß gegen Art. 18 Abs. 1 AEUV lässt sich auch nicht aus dem Argument herleiten, ausländische Belegschaften würden durch deren Benachteiligung bei konzernweiten Unternehmensentscheidungen benachteiligt. Auch hier gilt, dass die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat dem allgemeinen Unternehmenswohl und nicht dem Schutz konkreter Belegschaftsinteressen verpflichtet sind (so LG Berlin AG 2015, 587, 589 = ZIP 2015, 1291, 1294 = DB 2015, 1588, 1590). Zum anderen ist empirisch kaum nachweisbar, dass es bei einer Strukturveränderungen in supranationalen deutschen Unternehmen regelmäßig zu einer Bevorteilung der inländischen Standorte käme, auch wenn dies aus wirtschaftlichen Gründen nicht sinnvoll ist (so LG Berlin AG 2015, 587, 589 = ZIP 2015, 1291, 1294 = DB 2015, 1588, 1590 m. w. N.). (3) Eine Ausweitung der Anwendung der Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes auf in der Europäischen Union ansässige Tochtergesellschaften der Antragsgegnerin stünde auch im Widerspruch zu grundsätzlichen Wertungen der Rechtssetzung. Aufgrund des völkerrechtlichen Territorialitätsprinzips ist es dem deutschen Gesetzgeber nämlich verwehrt, in die Rechtssetzungsbefugnis anderer Staaten der Europäischen Union einzugreifen. Daher verbietet sich die Verknüpfung von Aufsichtsratswahlen zu einer deutschen Gesellschaft mit einer ausländischen Betriebsverfassung, bei der eine fremde Gesetzgebungskompetenz besteht. Der deutsche Staat könnte die Einhaltung einer Regelung, die den Beschäftigten ausländischer Tochtergesellschaften eine gesicherte Rechtsposition verschaffen würde, nicht durchsetzen. Angesichts der damit verbundenen Rechtsunsicherheiten ist das Territorialitätsprinzip durchaus geeignet, die derzeitige Rechtslage zu rechtfertigen (vgl. LG Berlin ZIP 2015, 1291, 1295 = DB 2015, 1588, 1591; Fischer NZG 2014, 737, 739). Dies zu ändern wäre angesichts des Gewaltenteilungsgrundsatzes Aufgabe des Gesetzgebers, nicht der Gerichte. Daher konnte der Antrag keinen Erfolg haben, weil der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin nach den für sie maßgeblichen Bestimmungen des Mitbestimmungsgesetzes zutreffend zusammengesetzt ist. c. Eine Vorlage an den Europäische Gerichtshof gem. Art. 267 Abs. 1 AEUV entsprechend dem Hilfsantrag des Antragstellers kommt nicht in Betracht. Die Kammer sieht keinen Verstoß gegen unionsrechtliche Vorgaben. Die Vorlagepflicht, die ohnehin nur die letzte Instanz trifft, entfällt unter anderem dann, wenn die

richtige Auslegung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum mehr bleibt ( acte claire ; vgl. BGHZ 185, 30, 41 = NJW 2010, 3783, 3786). Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruht vor allem auch auf der hierzu ergangen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs; von daher besteht für die Kammer kein Anlass, das eingeräumte Ermessen dahingehend auszuüben, das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen. 2. Die Entscheidung über die Gerichtskosten beruht auf 23 Nr. 10 GNotKG, wonach die Gesellschaft die Kosten trägt, soweit diese nicht dem Antragsteller auferlegt werden. Für eine Auferlegung der Gerichtskosten auf den Antragsteller besteht indes kein Anlass, weil der zulässige Antrag nicht offensichtlich unbegründet ist, auch wenn der zu einer Europarechtswidrigkeit des Mitbestimmungsgesetzes führenden Argumentation des Antragstellers nicht gefolgt werden konnte. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet aufgrund der Vorschrift des 99 Abs. 6 Satz 2 AktG nicht statt. 3. Die Entscheidung über den Geschäftswert ergibt sich aus 75 GNotKG.