Rechtliche Rahmenbedingungen des CIRS in Deutschland. Dr. Jasmin Thüß

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Transkript:

+ Rechtliche Rahmenbedingungen des CIRS in Deutschland Dr. Jasmin Thüß

+ Einführung

+ Begriff des CIRS Fehlermeldesystem über Critical Incidents = patientengefährdende Situationen / Handlungen freiwillig, sanktionsfrei, anonym / vertraulich einrichtungsintern / internetbasiert Sammlung und Analyse aktiver und latenter Fehler Optimal: Bestandteil eines klinischen Risikomanagements

+ Ausgangslage in Deutschland 2002 Pilotprojekt der Uniklinik Marburg 2003 cirsmedical.de (BAK, KBV) 2005 APS Handlungsempfehlungen zur Einrichtung von CIRS im Krankenhaus CIRS etabliert sich zunehmend 2013 ca. 50% der deutschen Krankenhäuser betreiben CIRS

+ Haftungsrelevante Fehler in CIRS- Berichten

+ Aktive Fehler Aktive Fehler sind Fehler, die die unmittelbare Ursache für einen Patientenschaden darstellen. Diagnosefehler Sicherungsaufklärung Abweichung von Therapieleitlinien und Pflegestandards Medikationsfehler Verletzung von Hygienestandards

+ Latente Fehler Latente Fehler sind Fehler, die einen individuellen aktiven Fehler provozieren können. Fehler im arbeitsteiligen Zusammenwirken Dokumentationspflichtverletzungen Überwachungs- und Kontrollpflichten Koordination und Abstimmung Organisationsfehler Personal Behandlungsmittel Krankenhaushygiene

+ Pflicht zum Betreiben eines CIRS

+ Haftungsrechtliche Pflicht Haftungsbegründende Organisationspflicht des Krankenhausträgers Reaktion auf Organisationsmängel und Gestaltung von Strukturen und Abläufen im Hinblick auf die Vermeidung von Gefährdungen des Patienten Literatur: Therapiebeobachtungspflicht Inhalt: aktive Beobachtung und Reaktion auf Gefahrenhinweise Rspr.: Keine konkretisierte Pflicht zum Risikomanagement

+ Sozialrechtliche Pflicht 135a II Nr. 2 SGB V Pflicht zur Einführung eines internen Qualitätsmanagements Literatur: enthält Pflicht zum Risikomanagement Konkretisierung durch Richtlinien des G-BA ( 137 I SGB V) Dort keine Pflicht zur Einrichtung von Risiko- und Fehlermeldesystemen

+Patientenrechte im CIRS

+ Einsichtsrecht Gestaltung der CIRS-Dokumentation Gemengelage gebotener und nicht gebotener medizinischer Informationen Geschuldete Informationen zusätzlich in der Krankenakte festhalten Rspr.: keine Beanstandung der Vorenthaltung nicht medizinisch gebotener Informationen Fazit: Bei doppelter Dokumentation Verweigerung der Einsichtnahme in CIRS-Dokumentation rechtlich zulässig

+Auswirkungen für die Meldenden

+ Whistleblowing Kein typisches Whistleblowingsystem Nur i.s.e. Missstandsberichtssystems Fokus auf gefährlichen Situationen/Handlungen Auch eigene Beteiligung / Beteiligung Dritter Nicht: Anzeige des Verhaltens anderer Personen Ausnahme: dauerhafte Missachtung / Nichteinhaltung des medizinischen / pflegerischen Standards ( Klinikskandale )

+ Whistleblowing Meldung von CI mit Drittbeteiligung Keine Verletzung des Kollegialitätsgebots, 29 MBO-Ä Wahrheitswidrige Äußerungen / Mobbing unzulässig Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 2 I, Art. 1 I GG Anspruch auf Schadensersatz / Schmerzensgeld Strafbar nach StGB (Nötigung / Beleidigung)

+ Prozessuale Verwertbarkeit Zivilprozess Anordnung Urkunden- / Augenscheinsbeweis von Amts wegen, 142, 144 ZPO Inhalt und Reichweite umstritten Grenze: unzulässige Ausforschung Berücksichtigung von Interessen der Gegenseite Strafprozess Beschlagnahme von Krankenunterlagen Interessenabwägung Selbstbestimmungsrecht / Strafverfolgungsinteresse

+ Auswirkungen für den Krankenhausträger

+ Arbeitsrechtliche Anforderungen Arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht, 241 II BGB Sanktionsfreiheit Vertraulichkeit Schutz vor diffamierenden Meldungen Faire und transparente Verfahrensgestaltung

+ Risikomanagementpflichten Organisationspflicht des Krankenhausträgers Pflicht zur Reaktion auf CIRS-Berichte Reaktionspflicht auf allgemein bekanntes und zugängliches Risikowissen Quick Alerts Fallsammlungen in internetbasierten CIRS Entlastung durch eingerichtetes CIRS nur ausnahmsweise möglich

+ Auswirkungen des Patientenrechtegesetzes

+ Einrichtungspflicht Kodifikation einer Einrichtungspflicht in 135a II Nr. 2 i.v.m. 137 I d) SGB V Festlegung von Mindeststandards für Risikomanagement- und Fehlermeldesysteme Durch Richtlinie des G-BA Zeitraum: 26. Februar 2014 Vergütungszuschläge gem. 17 b Abs. 1 S. 5 KH Bei Beteiligung an besonders geeigneten einrichtungsübergreifenden Fehlermeldesystemen

+ Bewertung Risiko- und Fehlermanagement verpflichtend Besteht nun eine CIRS-Einrichtungspflicht? Wortlaut (+) Gesetzesbegründung: kann Ja, wenn Mindeststandard eines KRM Richtlinie G-BA abwarten

+ Beweisverwertungsverbot Kodifikation in 135a Abs. 3 SGB V Wortlaut: Meldungen und Daten aus Fehlermeldesystemen dürfen im Rechtsverkehr nicht zum Nachteil des Meldenden verwendet werden. Dies gilt nicht, soweit die Verwendung zur Verfolgung einer Straftat, die im Höchstmaß mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist und auch im Einzelfall besonders schwer wiegt, erforderlich ist und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

+ Bewertung Sinn und Zweck von Fehlermeldesystemen nicht richtig erfasst Verfassungsrechtlich bedenklich Begrenzung auf Behandlungsfehler fehlt Ausschluss strafprozessualer Verwertbarkeit Abgestuftes Schutzkonzept für zivilprozessuale Verwertbarkeit