Chancen für die einzelnen Gewerbegruppen im Handwerk durch den demografischen Wandel Dr. Klaus Müller Geschäftsführer ifh Göttingen 22. Obermeistertag HWK Magdeburg, 10. November 2012 Das ifh Göttingen als Forschungsstelle des Deutschen Handwerksinstituts e.v. wird gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie auf Grund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages sowie von den Wirtschaftsministerien der Bundesländer und vom Deutschen Handwerkskammertag. 1
Aufgabenfelder ifh Göttingen Das ifh Göttingen versteht sich als Kompetenzzentrum für das Handwerk im Bereich volkswirtschaftlicher Fragestellungen Derzeitige Schwerpunkte Arbeitsmarkt und Beschäftigung aktuelle Themen: Fachkräftesicherung im Handwerk Zuwanderung von Fachkräften aus anderen Wirtschaftsbereichen ins Handwerk Ökonomische Argumente für duale Ausbildung im Handwerk aktuelle Themen: Der Stellenwert von Nachhaltigkeit im Handwerk Wachstumsmarkt Energie Nachhaltigkeit und Energiewende Finanz- und Wirtschaftspolitik aktuelle Themen: Volkswirtschaftliche Implikationen eines modifizierten Steuerbonus für Handwerkerleistungen Steuerliche Anreize zur Förderung der energetischen Gebäudesanierung 2
Gliederung 1 2 Zielsetzung Der soziodemografische Wandel 3 Die private Konsumstruktur 4 Ergebnisse für einzelne Handwerksmärkte 3
1 Zielsetzung (1)Wird sich die Handwerkswirtschaft durch den demografischen Wandel grundlegend verändern? (2)Wie werden sich die Nachfragepotenziale und Absatzchancen auf den einzelnen Märkten voraussichtlich entwickeln? 4
2 Der soziodemografische Wandel Bei der Betrachtung des demografischen Wandels muss zwischen Einwohnern und Haushalten unterschieden werden. Denn die Nachfrage nach handwerklichen Gütern und Leistungen kann 1. personenbezogen (Güter des täglichen Bedarfs) oder 2. haushaltsbezogen (Wohnungsbau, langlebige Gebrauchsgüter) sein. 5
2 Der soziodemografische Wandel Entwicklung der Einwohnerzahlen Bevölkerungsrückgang (in Sachsen-Anhalt von 2,3 Mio. über 1,9 Mio. in 2030 [-19,3%] auf 1,4 Mio. in 2060), starke regionale Unterschiede (Bevölkerungseffekt) Alterungsprozesse: Anteil der Bevölkerungsgruppe 65+ wächst von 565.000 (2010) auf 671.000 (2030), danach Rückgang bis auf 488.000 (2060) (Altersstruktureffekt) 1.600 1.400 1.200 1.000 800 600 unter 20 20 65 über 65 400 200 0 2010 2020 2030 2040 2050 2060 6
2 Der soziodemografische Wandel! Entwicklung der Haushalte Haushaltsrückgang von 1,2 Mio. (2009) auf 1 Mio. (2030) [-15,3%], Tendenz zu kleineren Haushalten Unterschied zum Bundesgebiet, dort Anstieg Zahl Haushalte bis ca. 2025 500 Entwicklung HH Größe (Trendvariante) Anzahl der Haushalte 400 300 200 100 0 2009 2030 mit 1 Person mit 2 Personen mit 3 Personen mit 4 und mehr Personen 7
3 Die private Konsumstruktur Konsumstrukturen sind zeit- und altersabhängig! Die Konsumstruktur privater Haushalte in Deutschland: Drei wichtigste Konsumsegmente, verantwortlich für drei Viertel der Konsumausgaben sind: Wohnen + Energie, Nahrungsmittel und Verkehr Seit Jahren sinkt die relative Bedeutung der Ausgaben für Bekleidung und Schuhe, es wächst die Bedeutung der Ausgaben für Gesundheitspflege, Nachrichtenübermittlung und Bildung Im Alter steigen die anteiligen Ausgaben für Wohnen, Gesundheit und Freizeit Im Alter sinken die anteiligen Ausgaben für Verkehr, Nachrichtenübermittlung, Bildungswesen Haushalte mit älteren Haushaltsvorständen haben höhere Pro-Kopf- Konsumausgaben als Haushalte mit jüngeren Haushaltsvorständen 8
3 Die private Konsumstruktur Die Modellrechnungen betonen: Der Einfluss der rein demografischen Effekte auf die Konsumstruktur ist relativ gering. Die Konsumstruktur der Zukunft wird stärker durch gesellschaftliche Trends und künftige Einkommensentwicklung als durch die reine Demografie bestimmt. Dabei ist zu beachten: Es sollte nicht von heutigen Senioren auf die künftig nachgefragten Güter geschlossen werden, weil sich künftige Ältere von den heutigen Senioren unterscheiden! 9
4 Ergebnisse für einzelne Handwerksmärkte Bau- und Ausbaugewerbe Relevant für den Wohnungsbau In neuen Ländern nehmen Haushaltszahlen bereits ab Angenommene weiter steigende Flächennachfrage pro Haushalt Remanenzeffekt: Ältere verbleiben in den seit Jahren bewohnten Immobilien Bestand nicht altengerecht Fazit Ergebnisse für den Wohnungsbau Gesamtwirtschaftlich: Ein notwendiger Anstieg des Neubaubereichs bundesweit im Wohnungsbau (auf 185-210 Tsd. Wohnungen bis 2020/2030) Aber: Sehr starke regionale und lokale Unterschiede, gespaltene Entwicklung, lokale Problemkonstellationen Sanierungsmarkt Nachfragepotentiale im altengerechten Umbau Das Bau- und Ausbaugewerbe wird von der soziodemografischen Entwicklung mittelfristig noch profitieren. 10
4 Ergebnisse für einzelne Handwerksmärkte Kfz-Handwerk Branchenspezifische Trends Wachsende Mobilität Älterer, aber Nutzungsintensität des Autos leicht rückgängig bei Jüngeren Führerscheinbesitz bei Jüngeren deutlich stärker verbreitet Raumsiedlungsstrukturen Branchenprognosen Weiter steigende Neuzulassungen (auf bundesweit 45 Mio. private Pkw in 2020), danach Stagnation und leichter Rückgang Weiter steigende Fahrleistung, zunehmend von älteren Menschen erbracht Verhaltensänderungen sorgen für mittelfristig positive Nachfrageimpulse. 11
4 Ergebnisse für einzelne Handwerksmärkte Lebensmittelhandwerke Branchenspezifische Trends In der Vergangenheit: sinkende Bedeutung der Lebensmittel im Warenkorb Geringe Einkommenselastizität Keine altersspezifische Präferenz für Lebensmittel Fazit Weiter sinkende Bedeutung der Lebensmittel im Warenkorb; Wachstumschancen bei Dienstleistungen (Party Service) und in Nischenmärkten. Die Lebensmittelhandwerke werden von der demografischen Entwicklung nicht profitieren. 12
4 Ergebnisse für einzelne Handwerksmärkte Gesundheitsgewerbe Branchenspezifische Trends Starke Präferenz für Gesundheitsgüter im Alter (wachsende anteilige Ausgaben) Hohe Einkommenselastizität (Gesundheitsgüter als Luxusgüter) Bessere Gesundheit jüngerer Altersgruppen Fazit aus der Modellierung der Gesundheitsausgaben Der demografischen Alterung ist weniger Bedeutung als Ausgabenfaktor beizumessen als dem medizinisch-technischen Fortschritt. Demografie begünstigt die Marktentwicklung im Bereich der Gesundheitsgüter, aber Beachtung weiterer Einflussparameter wichtig! 13
4 Ergebnisse für einzelne Handwerksmärkte Handwerke für den privaten Bedarf Anmerkung Sehr heterogene Gruppe! Fazit Keine demografisch bedingten positiven Nachfrageimpulse für Damen- und Herrenschneider, Schuhmacher, Sticker und Modisten (Konsumsegment: Bekleidung und Schuhe). Tendenziell: altersspezifische Präferenzen für Produkte und DL sonstiger Gewerke. Wachstumschancen im haushaltsnahen Bereich (Friseure, Textilreiniger). Nachträglich: Nachfragepotenziale für Gebäudereiniger in Privathaushalten. Handwerke für den privaten Bedarf profitieren tendenziell von der Altersstrukturverschiebung. 14
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit! Dr. Klaus Müller ifh Göttingen Fon: +49/551/39 17 48 84 klaus.mueller@wiwi.uni-goettingen.de