Arbeitslosigkeit bekämpfen: Positionen, Notwendigkeiten, Lösungen

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Transkript:

Arbeitslosigkeit bekämpfen: Positionen, Notwendigkeiten, Lösungen Tagung Kurswechsel Arbeitsmarkt 2. Dezember 2015, Markus Marterbauer AK Wien, Wirtschaftswissenschaft und Statistik

Höchste Arbeitslosenquote seit 1950 Arbeitslosenquote seit 1950 10 in Prozent 9 8 7 6 5 4 3 2 1 2015 2010 2005 2000 1995 1990 1985 1980 1975 1970 1965 1960 1955 1950 Datenquelle: WIFO, nationale Berechnung laut AMS und HV

Vollbeschäftigung in der Ära Kreisky Hohes Wirtschaftswachstum: Österreich auf der Überholspur Stabilisierung der Erwartungen: Hartwährungspolitik, antizyklische Budgetpolitik, Lohnpolitik Öffnung des Bildungssystems und Ausbau des Sozialstaates Arbeitszeitpolitik

1970er: Österreich auf Überholspur BIP pro Kopf, EU-15 = 100

Vollbeschäftigung in der Ära Kreisky Vollbeschäftigung politisch im Mittelpunkt des Magischen Vielecks der Wirtschaftspolitik Ein paar Milliarden mehr Staatsschulden bereiten mir weniger schlaflose Nächte als hunderttausend Arbeitslose.

Arbeitslosigkeitspolitik der EU Wirtschaftspolitik: 2010er Jahre in diametralem Gegensatz zu 1970ern Bekämpfung der Staatsschulden im Mittelpunkt ohne Erfolg in Bezug auf Schulden aber um den Preis von Massenarbeitslosigkeit

Vollbeschäftigungspolitik Rahmenbedingungen völlig anders als 1970: offene Volkswirtschaft, EU-Vorgaben, lange wirtschaftliche Stagnation Instrumente müssen angepasst werden Grundausrichtung übernehmen und auf heutige Verhältnisse anwenden

2008Q1 = 100 Wirtschaftliche Kosten der Finanzkrise Österreich: realisiertes vs. fiktives reales BIP Wachstum gg. Vorquartal in % 160,0 150,0 140,0 130,0 120,0 110,0 100,0 90,0 80,0 70,0 realisiertes reales Wachstum fiktives reales Wachstum

Österreich auf Überholspur BIP pro Kopf zu Kaufkraftstandards, EU-28 = 100 160 150 140 130 120 110 100 EU-28 Euroraum-19 Deutschland Irland Griechenland Spanien Niederlande Österreich 90 80 70 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014

Beschäftigungspolitik in Europa Ohne Kurswechsel in der EU-Politik keine wirtschaftliche Erholung Gesamtwirtschaftliche Nachfrage stärken: Fiskalpolitischer Impuls Flexibilisierung der EU-Fiskalregeln Goldene Investitionsregel aktive Rolle in der EU: Wettbewerbsräte

Beschäftigungspolitik in Österreich 2010-2015: Restriktive Fiskalpolitik schwächt Wirtschaft und Beschäftigung 2016/17: Fiskalpolitischer Impuls Steuerreform: + privater Konsum Beschäftigungsgipfel: + Investitionen Flüchtlingskosten: + öffentlicher und privater Konsum Allfällige Verfehlung der EU-Budgetziele hinnehmen wien.arbeiterkammer.at

Beschäftigungspolitik Österreich Beschäftigungsfreundliche Struktur der Staatseinnahmen und Staatsausgaben Entlastung der Arbeitseinkommen, Besteuerung der Vermögen Kindergärten, Schulen, Sozialarbeit, Pflege; Wohnbau, öff. Verkehr, Energienetze Bildung, Innovation, Technologie, Industrie, Forschung

Effekte konjunkturpolitischer Maßnahmen In % bzw. Personen Bandbreite der Simulationsergebnisse verschiedener Studien über kurz- und mittelfristige Effekte diverser Maßnahmen im Ausmaß von 1 Mrd. oder 0,4% des BIP Einkommensteuersenkung Erhöhung der Sozialtransfers Öffentliche Investitionen Abweichung von der Basislösung in % bzw. in Personen Öffentliche Beschäftigung Bruttoinlandsprodukt 0,2-0,3 0,3-0,4 0,5-0,7 0,4-0,5 Beschäftigung 2.000-5.000 4.000-8.000 6.000-10.000 18.000-25.000 Q: Marterbauer et al. (2006), eigene Berechnungen.

Beschäftigungspolitik in Österreich Schlüsselgröße Investitionen Öffentliche Investitionen va in den rasch wachsenden Ballungszentren Private Investitionen Hauptproblem: Miese Unternehmerstimmung trotz relativ guter Wirtschaftslage wien.arbeiterkammer.at

Österreich im IMD Ranking wien.arbeiterkammer.at

Österreichs Standort Managersicht Rückfall in internationalen Rankings: Ergebnis von ManagerInnenbefragungen Reformstau Abstiegskandidat Fehlende Innovationskraft Abgabenweltmeister, ineffizienter Staat Schwindende Wettbewerbsfähigkeit Triple B Bürokratie, Belastung, Bestrafung abgesandelt noch ein Hilfsausdruck wien.arbeiterkammer.at

01.2005 05.2005 09.2005 01.2006 05.2006 09.2006 01.2007 05.2007 09.2007 01.2008 05.2008 09.2008 01.2009 05.2009 09.2009 01.2010 05.2010 09.2010 01.2011 05.2011 09.2011 01.2012 05.2012 09.2012 01.2013 05.2013 09.2013 01.2014 05.2014 09.2014 01.2015 05.2015 09.2015 Index der Industrieproduktion 2010 = 100 115 110 109,6 107,8 105 100 102,12 95 90 85 Eurozone 18 Österreich Deutschland Quelle: EUROSTAT

Verbesserung der Erwartungen Wichtiger aber schwieriger Teil erfolgreicher Wirtschaftspolitik Wenig Spielraum und Notwendigkeit einseitiger Entlastung auf Budgetkosten Stabile Rahmenbedingungen (Kollektivvertragspolitik ua) Konjunkturerholung verbessert Absatzerwartungen Abteilung Wirtschaftwissenschaft und Statistik

Beschäftigungspolitik: Arbeitsmarkt Arbeitsmarkt-Segmentierung verringern Qualifizierung verbessern: Arbeitslose, MigrantInnen, Junge, Weiterbildung In effektives Bildungssystem investieren Integration Arbeitslose, Flüchtlinge Anreize und Regulierung verbessern Zweiten Arbeitsmarkt ausbauen Beschäftigung im öffentlichen Sektor

Beschäftigungspolitik: Verkürzung der Arbeitszeit Arbeitszeitverkürzung für mehr Wohlfahrt Ohne AZV kein Rückgang der Arbeitslosigkeit Verteilung bezahlte/unbezahlte Arbeit Bildungskarenz, Urlaub, Überstunden Erfolgsprojekte: Freizeitoption, Soli-Prämienmodell, Kurzarbeit

Vollbeschäftigung In kapitalistischen Marktwirtschaften nur möglich, wenn das Ziel im Mittelpunkt der Politik steht Breiter Einsatz von makro- und mikroökonomischen Instrumenten Reiche Gesellschaften: Vollbeschäftigung und gerechte Verteilung sind möglich