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244 6.1 Präsentationen von Gruppen Es geht jetzt um die Beschreibung von Gruppen durch Erzeugende und Relationen, also z. B. um die genaue Beschreibung dessen, was Zeilen wie die folgende bedeuten: G := x, y x 2 = y 2 = (xy) 3 = 1. Aus dieser Zeile erhält man durch naives Rechnen die folgende Multiplikationstafel: 1 x y xy yx xyx 1 1 x y xy yx xyx x x 1 xy y xyx yx y y yx 1 xyx x xy xy xy xyx x yx 1 y yx yx y xyx 1 xy x xyx xyx xy yx x y 1 eine zu S 3 isomorphe Gruppe. Diese ist aber, im Gegensatz zu der Definition der S 3 als Menge von Bijektionen auf der Menge {0, 1, 2}, eine sogenannte abstrakte Gruppe, die gegeben ist durch die Erzeugenden x und y und durch die drei Gleichungen, die em definierenden Relationen x 2 = 1, y 2 = 1 sowie (xy) 3 = 1. Ein Isomorphismus zwischen beiden Gruppen ist offenbar die Fortsetzung von x (01), y (12). Es stellt sich also die Frage, ob man jede Gruppe so beschreiben, und wie man mit abstrakten Gruppen rechnen kann. 6.1.1 Definition (freie Gruppen) Ist M eine Menge, ϕ: M G eine Abbildung von M in eine Gruppe G, dann heißt G eine von M frei erzeugte Gruppe, wenn ϕ: M G universell ist bzgl. der Klasse F der Abbildungen von M in Gruppen und der Klasse L der Homomorphismen zwischen Gruppen. 6.1.2 Satz Zu jeder Menge M existieren von ihr frei erzeugte Gruppen, je zwei von ihnen sind isomorph. Beweis: Wir konstruieren eine Gruppe F (M), die die gewünschten Eigenschaften hat. Zu M nehmen wir eine bijektive, aber zu M disjunkte Menge M 1 hinzu, einem m M entspreche dabei das Element m 1 M 1. Diese beiden Mengen fassen wir zum Alphabet A := M M 1 zusammen und bilden die Halbgruppe A aus den endlichen Wörtern w über A, einschließlich des leeren Worts ɛ, mit dem Anfügen ( Concatenation ) als Verknüpfung: ww = (a i0 a ik 1 )(a j0 a jl 1 ) := a i0 a ik 1 a j0 a jl 1. Das leere Wort ist hier offenbar das neutrale Element, die Halbgruppe A ist also ein Monoid.

6.1. PRÄSENTATIONEN VON GRUPPEN 245 Auf A definieren wir eine Reduktion ρ wie folgt: Aus w A streichen wir, von links beginnend, alle Teilfolgen der Form mm 1 oder m 1 m, und wiederholen dies, bis keine derartige Teilfolge mehr auftritt. Die Menge F (M) dieser reduzierten Worte ρ(w) versehen wir mit der folgenden Verknüpfung: : F (M) F (M) F (M), (w, w ) ρ(ww ). Das Paar (F (M), ) ist eine Gruppe, und die Einbettung M F (M), m m hat die gewünschte Universaleigenschaft, denn eine Abbildung f von M in eine Gruppe H läßt sich offenbar mittels folgender Abbildung γ von F (M) nach H faktorisieren: γ: F (M) H, m b0 i 0 m b k 1 i k 1 f(m i0 ) b0 f(m ik 1 ) b k 1. }{{} obda: b i { 1,+1} Außerdem ist γ offensichtlich Homomorphismus und eindeutig bestimmt, da F (M) von M erzeugt wird. Die Isomorphie folgt nach 5.1.3. Wegen der Isomorphie zweier von M frei erzeugter Gruppen können wir F (M) auch als die von M frei erzeugte Gruppe bezeichnen. Die Elemente m M heißen freie Erzeugende dieser Gruppe. Das Attribut frei bedeutet dabei insbesondere, daß zwischen den Elementen aus M keine nichttrivialen Relationen bestehen, das sind Gleichungen der Form m b0 i 0 m b k 1 i k 1 = ɛ. }{{} reduziert! Weil M ganz F (M) erzeugt, heißt F (M) auch die freie Gruppe über M. 6.1.3 Beispiele Für die freie Gruppe über einem einzigen Element gilt offenbar F ({m}) Z, m 1, während alle anderen freien Gruppen nicht kommutativ sind: 1 < M = F (M) ist nicht abelsch. Aus der Existenz und Isomorphie zwischen den freien Gruppen über M ergibt sich noch

246 6.1.4 Folgerung Für Gruppen und freie Gruppen gilt: Jede Gruppe G mit Erzeugendensystem M ist auf eindeutige Weise epimorphes Bild von F (M). Jede Gruppe G ist homomorphes Bild einer freien Gruppe und damit isomorph zu einer Faktorgruppe einer freien Gruppe. 6.1.5 Definition (definierender Kern, definierende Relationen) Wird G von M erzeugt und ist γ der (eindeutig bestimmte) Epimorphismus von F (M) auf G, dann heißt der Kern K M := Kern(γ) der definierende Kern von G bzgl. M. Ist E Normalteilererzeugendensystem von K M (d. h. K M ist der kleinste Normalteiler in F (M), der E enthält), dann heißt das System der Gleichungen γ(e) = 1 G, e E, ein System definierender Relationen von G bzgl. M. Gibt es endliche E mit dieser Eigenschaft, dann heißt G endlich präsentierbar, und E γ(e) = 1, e E = G heißt eine endliche Präsentation von G. 6.1.6 Beispiel Die zyklische Gruppe der Ordnung 5 kann offenbar wie folgt präsentiert werden: G := a a 5 = 1. Es stellt sich jetzt natürlich die Frage, wie man eine Präsentation einer vorgegebenen Gruppe berechnen kann. Sei deshalb G eine Gruppe mit einem Erzeugendensystem M = {m 0,..., m n 1 }, sowie Relationen R 0 (m 0,..., m n 1 ) = 1 G,..., R s 1 (m 0,..., m n 1 ) = 1 G. Wir fragen, ob dies schon eine Präsentation von G ist, d. h. ob folgendes gilt: G := M R 0 =... = R s 1 = 1 G. Um dies zu entscheiden, kann nun im endlichen Fall wie folgt argumentiert werden: Nach 6.1.4 ist G homomorphes Bild von G, es gilt also insbesondere G G.

6.1. PRÄSENTATIONEN VON GRUPPEN 247 Die Isomorphie ist somit bewiesen, wenn G = G verifiziert werden kann. Dazu genügt es, eine Untergruppe U G zu finden, für die U und G /U ermittelt werden können. 6.1.7 Beispiel Betrachten wir als Beispiel den eingangs aufgeführten Fall der Präsentation G := x, y x 2 = y 2 = (xy) 3 = 1. Wir wollen zeigen, daß dies tatsächlich eine Präsentation der symmetrischen Gruppe S 3 ist. Dazu schließen wir wie folgt: S 3 ist jedenfalls homomorphes Bild von G, also ist 3! ein Teiler von G. Die von y erzeugte Untergruppe U hat die Ordnung 2, zum Nachweis der vermuteten Isomorphie genügt also allein die Verifizierung von G/U = 3. Zur Berechnung des gewünschten Index beachten wir, daß U, xu und yxu Linksnebenklassen sind (ob sie verschieden sind brauchen wir hier nicht einmal zu wissen!). Bei Linksmultiplikation mit Erzeugenden ergeben sich daraus keine weiteren Linksnebenklassen, der Index ist also tatsächlich 3. Zusammenfassend haben wir daraus die folgende Präsentation ermittelt: S 3 x, y x 2 = y 2 = (xy) 3 = 1. 6.1.8 Definition (Diedergruppen) Die Gruppen D m := x, y x 2 = y 2 = (xy) m = 1 heißen Diedergruppen. 6.1.9 Hilfssatz D m hat die Ordnung 2m und enthält mit xy einen Normalteiler der Ordnung m. Beweis: Sei z := xy. D m wird erzeugt von {x, z}, und die Gleichungen yx = y 1 x 1 = z 1 zeigen, daß sich jedes Element von D m in der Form x r z s schreiben läßt, mit 0 r 1 und 0 s m 1. Es gilt demnach D m = 2m. Die Normalteilereigenschaft von z ergibt sich aus xzx = yzy. 6.1.10 Definition (semidirektes Produkt) Sind G und H Gruppen und ist h h ein Homomorphismus von H in die Gruppe Aut(G) der Automorphismen von G, dann wird G H zu einer Gruppe durch die Setzung (g, h)(g, h ) := (g h(g ), hh ). Diese Gruppe heißt das semidirekte Produkt von G mit H bzgl. h h.

248 Der Beweis von 6.1.9 zeigt, daß die Diedergruppe semidirektes Produkt einer zyklischen Gruppe der Ordnung m mit einer zyklischen Gruppe der Ordnung 2 ist. Ü 6.1.1 Zeigen Sie, daß die oben definierte Abbildung auf F (M) F (M) wohldefiniert ist.