Dr. Olaf Otting, Gleiss Lutz Büro Frankfurt Dieser Artikel ist erschienen in: INSIGHT Newsletter by heuer-dialog.de, Nr. 4, Dezember 2007 Die Ahlhorn-Entscheidung des OLG Düsseldorf Konsequenzen für die Praxis Sind demnächst alle kommunalen Grundstücksgeschäfte ausschreibungspflichtig? Ist Stadtentwicklung nur noch im Rahmen europaweiter Vergabeverfahren denkbar? Müssen begonnene Verfahren neu aufgerollt werden? Sind geschlossene Verträge nichtig? Diese Fragen stellen sich Kommunen und Projektentwickler nach der spektakulären Ahlhorn -Entscheidung des OLG Düsseldorf. Eines vorab: Eine Eintagsfliege wird die Entscheidung vom 13.06.2007 (VII-Verg 2/07) nicht bleiben. Für Dezember sind zwei weitere Entscheidungen des OLG Düsseldorf zu erwarten, die die Handlungsspielräume präzisieren, das Rad aber gewiss nicht zurückdrehen werden. Was ist neu an der Rechtsprechung? Gemäß 99 Abs. 3 GWB ist unter einem öffentlichen Bauauftrag ein Vertrag über die Ausführung oder die gleichzeitige Planung und Ausführung eines Bauwerks gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen zu verstehen. Bislang bestand weitgehend Einigkeit darin, dass von einem Auftrag im Sinne des Vergaberechts nur gesprochen werden kann, wenn ein Beschaffungsbezug vorliegt. Das OLG Düsseldorf verlangt nun aber nicht mehr, dass der Vertragspartner Bauwerke für die Gemeinde errichtet. Für die Annahme eines öffentlichen Bauauftrages i.s.d. Vergaberechts soll es ausreichen, dass sich ein Bauträger dazu verpflichtet, Objekte nach den Vorgaben der öffentlichen Hand zu verwirklichen. Ob der öffentliche Auftraggeber einen eigenen Bedarf befriedigen will, ist unerheblich. Ein eigener Beschaffungszweck des öffentlichen Auftraggebers ist damit zukünftig keine Tatbestandsvoraussetzung mehr für den Begriff des öffentlichen Bauauftrags. In einem ähnlichen Sinn hatte sich auch der EuGH in der Entscheidung Roanne (Urt. v. 18.01.2007 Rs. C-220/05) geäußert. Maßgeblich für das Kriterium eines öffentlichen Bauauftrages ist damit zukünftig ausschließlich das Merkmal einer Bauverpflichtung des Auftragnehmers nach den Vorgaben des Auftraggebers.
Bauauftrag auch, wenn kein Entgelt der Kommune an den Investor gezahlt wird? Gem. 99 Abs. 1 GWB muss der Bauauftrag entgeltlich sein. Der Begriff der Entgeltlichkeit ist weit auszulegen. Er umfasst nicht nur Leistungen in Geld, sondern jegliche Art geldwerter Leistungen, zu denen sich der öffentliche Auftraggeber im Gegenzug für die Ausführung eines Bauauftrages verpflichtet. Der Entscheidung Teatro alla Bicocca lässt sich entnehmen, dass es der EuGH für die Bejahung der Entgeltlichkeit grundsätzlich auch als ausreichend anerkennt, wenn die öffentliche Hand im Gegenzug für die Errichtung der Erschließungsanlagen darauf verzichtet, den anderenfalls geschuldeten Erschließungsbeitrag zu erheben. Danach ist davon auszugehen, dass auch echte Erschließungsverträge, bei denen die Gemeinde die Erschließung auf den Projektentwickler überträgt und eine Beitragspflicht damit erst gar nicht entsteht, ausschreibungspflichtig sind (so bereits VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 20.06.2002 1 VK 27/02). Bei einer Verpflichtung zur Errichtung von Erschließungsanlagen liegt damit grundsätzlich immer ein entgeltlicher, öffentlicher Bauauftrag vor. Gleiches gilt nach neuerer Rechtsprechung nunmehr auch für die Bauverpflichtung von Objekten, die vom Investor nach Fertigstellung verkauft, vermietet oder verpachtet werden sollen. Bereits vor dem Beschluss des OLG Düsseldorf in Sachen Ahlhorn war anerkannt, dass der Begriff des Bauauftrages i.s.d. 99 Abs. 3 GWB auch die sog. Baukonzession umfasst, bei der die Gegenleistung anstelle einer Vergütung in dem anschließenden Nutzungsrecht oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht. Nach der Roanne-Entscheidung des EuGH und der Ahlhorn-Entscheidung des OLG Düsseldorf ist nunmehr klar, dass das zu zahlende Entgelt auch in den Einnahmen bestehen kann, die der Investor durch die Veräußerung oder die Nutzung der zu errichtenden Bauwerke in Gestalt einer Vermietung erzielt. Diese Einnahmen sind bei der Berechnung des Schwellenwertes in Höhe von 5.278.000 EUR, oberhalb dessen erst die Ausschreibungspflicht entsteht, zu berücksichtigen. Es kommt damit nicht darauf an, ob der Investor sich über einen Verkauf oder über eine Vermietung der von ihm entsprechend den Erfordernissen der öffentlichen Hand bebauten Grundstücke refinanzieren will. In beiden Fällen liegt nach der zitierten Rechtsprechung die erforderliche Entgeltlichkeit vor. Welche Bedeutung hat das für Immobiliengeschäfte mit Gemeinden? Die Veräußerung eines Grundstücks kann an sich unter keinem Gesichtspunkt einen Bauauftrag darstellen. Wird sie jedoch mit Vorgaben für die Errichtung eines Bauwerks verknüpft, soll aufgrund des wirtschaftlichen Zusammenhangs auch das Grundstücksgeschäft ausschreibungspflichtig sein. Jedenfalls bei den Verträgen, die eine Bauverpflichtung enthalten liegt ein öffentlicher Bauauftrag i.s.d. Vergaberechts vor. 2
Muss nun immer ausgeschrieben werden? Eine Ausschreibungspflicht besteht nur, wenn kein Ausnahmetatbestand eingreift. Gem. 3 a Nr. 6 lit. c bzw. 3 Nr. 4 lit. a VOB/A besteht eine Ausnahmemöglichkeit immer dann, wenn der Bauträger ein Ausschließlichkeitsrecht an dem Grundstück besitzt. Hierzu gehören neben dem Eigentum und sonstigen dinglichen Rechten an dem Grundstück nach herrschender Ansicht auch schuldrechtliche Ansprüche auf ein Gründstück (z.b. in Gestalt eines Vorkaufsrechts). Die Ausnahmevorschrift des 3 a Nr. 6 lit. c VOB/A führt zwar nicht dazu, dass das Vergaberechts nicht anwendbar ist. Nach dieser Vorschrift ist im Fall eines Ausschließlichkeitsrecht aber ein sog. Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Teilnahmewettbewerb zulässig, das praktisch einer freihändigen Vergabe entspricht Und was kann man bei der Vertragsgestaltung tun? Bei zukünftigen Abschlüssen von Grundstückskaufverträgen ist darauf zu achten, dass der Vertrag keinerlei Bauverpflichtungen enthält. Schädlich ist insoweit sowohl die Verpflichtung, ein Bauwerk in einer bestimmten Art und Weise oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu errichten, als auch die Verpflichtung, bestimmte Erschließungsmaßnahmen durchzuführen. Den Gemeinden kommt es häufig darauf an, zu verhindern, dass das Bauland nur als Spekulationsobjekt erworben und unbebaut weiter veräußert oder über einen längeren Zeitraum überhaupt nicht genutzt wird. Um diesen Befürchtungen entgegenzutreten, könnte eine abstrakte, nicht auf ein konkretes Vorhaben bezogene Bauverpflichtung vereinbart werden. Auch bei dieser Gestaltung besteht jedoch ein vergaberechtliches Risiko, da derzeit nicht abzusehen ist, ob die Rechtsprechung zukünftig nicht maßgeblich nur auf die Bauverpflichtung als solche abstellen wird; sollte es dazu kommen, wäre jede Form einer Bauverpflichtung, also auch eine inhaltlich unbestimmte bzw. auf den Bebauungsplan verweisende Bauverpflichtung aus vergaberechtlicher Sicht ein Problem. Sicherer wäre es, der Gemeinde ein zwar zeitlich begrenztes, inhaltlich jedoch unbedingtes Rücktrittsrecht einzuräumen. Problematisch an einem solchen Recht ist, dass das die jeweilige Gemeinde in diesem Fall das Grundstück selbst dann zurückverlangen kann, wenn die geplante Bebauung bereits erfolgt ist. 3
Der Autor Dr. Olaf Otting Mendelssohnstraße 87 D-60325 Frankfurt Tel. +49 69 95514-544 Fax +49 69 95514-198 olaf.otting@gleisslutz.com www.gleisslutz.com Dr. Olaf Otting, geboren 1965. Bankkaufmann. Studium in Bielefeld und Münster. Promotion 1997. Seit 1997 Rechtsanwalt im Büro Stuttgart, seit 2003 im Büro Frankfurt. Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Mitglied der Bankrechtlichen Vereinigung, der Gesellschaft für Umweltrecht (GfU) und des Verwaltungsrechtsausschusses des DAV. Schwerpunkte Vergaberecht, Immobilienrecht, Privatisierungen und Public Private Partnerships, Bankaufsichtsrecht. 4
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