Betriebliche Suchtprävention Wo und wann ist Handeln notwendig Arbeitsrecht & betriebliche Suchtprävention Wege aus dem Labyrinth - Ein Gewinn für alle! Elisabeth Wienemann Fachtag RABS Verden 07.09.2011
Blick auf den gewählten Themenausschnitt 1. Einordnung des Themas 2. Riskanter Konsum und Suchtgefährdung 3. Ansatzpunkte für Interventionen 4. Rolle der Führungskraft Haltung und Entscheidung 5. Gespräche und Interventionen 6. Betriebliches Unterstützersystem Seite 2
Entwicklung des betrieblichen Gesundheitsmanagements Arbeitsschutz 1884 Unfallversicherungsgesetz 1905 Unfallverhütungsvorschriften 1911 RVO 1973 Arbeitssicherheitsgesetz 1989 Europäische Richtlinie 391 1996 Arbeitsschutzgesetz Prävention arbeitsbed. gesundheitl.gefahren Sozialberatung Suchtprävention 1890-1910 Alkoholprävention im Betrieb 1904 Betriebsfürsorge Betr. "Vertrauenspers." 1947 USA betriebliche Alkoholprogramme ab 1972 EAP-Programme ab 1975 BRD Alkoholprogramme in Betrieben ab 1995 Betriebliche Suchtpräventionsprogramme Gesundheitsförderung BGF 1986 Ottawa Charta ab 1988 BRD Betriebliche Gesundheitsförderung 1997 Luxemburger Deklaration 2000 Krankenkassen: 20 SGB V Unfallkassen SGB VII Betrieblicher Umweltschutz 1987 Art. 130 r EG-Vertrag 1996 EG Öko Audit VO Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) 2004 SGB IX 84 Abs. 2 2006 Allgemeines Gleichstellungsgesetz 2007 Rentenalter 67 Bewältigung des Demografischen Wandels 2009 Auslaufen der Altersteilzeit Seite 3
Betriebliches Suchtpräventionsprogramm Steuerungsgremium Arbeitskreis Suchtprävention / Gesundheit Seite 4
Wann ist Handeln notwendig? Gesundheitliche Gefährdungen am Arbeitsplatz Stress Alkohol Burnout Erschöpfung riskanter Konsum Medikamente Drogen Vielarbeit Arbeitssucht Konflikte Ärger Arbeitsplatzunsicherheit Zeitdruck schlechte Arbeitsbedingungen Monotonie Lärm hohe Konzentration Führungskultur ungünstige Arbeitszeiten Überforderung Konkurrenz Seite 5
Elisabeth Wienemann Fachtag RABS Verden 07.09.2011 Seite 6
Risikokonsum Alkohol Bildungsgruppe Untere Bildungsgruppe Männer 18-29 30-64 Jahre Mittlere Bildungsgruppe 2010 RKI Seite 7
Stress am Arbeitsplatz und die Rolle von Alkohol, Drogen und Medikamenten Medikamente, illegale Drogen, Nikotin werden eingesetzt, um schmerzfrei und fit zu sein Alkohol, Medikamente, illegale Drogen, Nikotin werden eingesetzt zur Entspannung und Problembewältigung bei Dauerstress und Überforderung Alkohol und Nikotin werden eingesetzt, um sich zu entspannen und dafür zu belohnen, dass man die Anforderungen eines anspruchvollen Alltags bewältigt hat. "Ich darf mich doch wohl belohnen dürfen mit einem Glas Wein" Seite 8
Alkohol Konsummuster (in Mengen reinen Alkohols) Konsum Männer Frauen Maßnahmen Risikoarm 0 24 g (DHS) 0 30 g (WHO) 0 12 g (DHS) 0 20 g (WHO) Punktnüchternheit am Arbeitsplatz 30 60 g 20 40 g Aufklärung über gesundheitliche und soziale Risiken Schädigend > 60 g Alkohol > 40 g Alkohol Beratungsangebote, Less-drinking Programme, SKOLL Abhängig keine Grenzwerte Entwöhnungstherapie Abstinenz Seite 9
Ansatzpunkte für betriebliche Suchtprävention und Interventionen Elisabeth Wienemann Fachtag RABS Verden 07.09.2011 Seite 10
Daten in Verbindung mit Alkoholkonsum EU-Staaten 8 Mio Arbeitstage mindestens gehen im Jahr in GB verloren durch Alkoholkonsum 94% Beschäftigte geben an, Alkoholkonsum sei an der Entstehung von sozialen Problemen am Arbeitsplatz beteiligt 15% geben an, schon mal betrunken bei der Arbeit gewesen zu sein 34% ab und zu verkatert zur Arbeit zu kommen 10% davon sogar einmal im Monat 15% Selbstständige geben an, ihren PKW auch nach 3 Gläsern alkoholischer Getränke noch selbst zu steuern A. Köppe, FASE Focus on Alcohol Safe Environment 2010 Seite 11
Spätintervention: bei Suchterkrankung Seite 12
Arbeitgeber- / Arbeitnehmerpflicht im Arbeitsschutz 7 Befähigung für Tätigkeiten BGV A1 GUV V A1 (2) Der Unternehmer darf Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen. 15 Allgemeine Unterstützungspflichten und Verhalten (2) Versicherte dürfen sich durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können. (3) Absatz 2 gilt auch für die Einnahme von Medikamenten. Seite 13
Frühzeitige Intervention bei Auffälligkeiten Seite 14
Dauerstress, Erschöpfung bei Führungsfrauen "Die Frauen sind erschöpft auf eine Weise, die sich durch Urlaub und Pause nur wenig beheben lässt. Sie haben große Mühe, sich zu motivieren. Die Arbeit hat ihren Glanz verloren. Kontakte sind nur noch anstrengend. Und viele, viele brauchen Stimmungsaufheller. Sie trinken zu viel und viele nehmen Tabletten. Die Ursachen liegen nicht nur darin, dass sie eine anstrengende und verantwortungsvolle Aufgabe haben. Sie müssen ja in einer Situation bestehen, in der sie hoch sichtbar sind und das auf doppelte Weise: sie sind hoch sichtbar aufgrund ihrer Stellung als Führungskraft und dann noch einmal als Frau. Sie sind auf doppelte Weise Außenseiterinnen." (Cornelia Edding 2010) Seite 15
Arbeitgeberpflicht im Arbeitsschutz 3 Grundpflichten des Arbeitgebers ( 3 ArbSchG) (1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen... sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. 4 Allgemeine Grundsätze ( 4 ArbSchG) (1) Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden... wird; (2) Gefahren sind an der Quelle zu bekämpfen "... gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse..." Seite 16
Arbeitnehmerpflichten im Arbeitsschutz 16 Besondere Unterstützungspflichten ( 16 ArbSchG) (1) Die Beschäftigten haben dem Arbeitgeber oder dem zuständigen Vorgesetzten jede von ihnen festgestellte unmittelbare erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit sowie jeden an den Schutzsystemen festgestellten Defekt unverzüglich zu melden. Seite 17
Arbeitgeber- / Arbeitnehmerpflicht im Arbeitsschutz Um Unterstützungspflichten nachzukommen müssen... a)...die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die sicherheitsrelevanten und gesundheitlichen und Gefährdungen durch Suchtmittel informiert werden Einweisung, Unterweisung, Information bei Einstellung Hinweis auf Medikamente bei Rückkehr aus Krankheitszeit b)...führungskräfte über Gefährdungen informiert und geschult sein, um in begründeten Fällen angemessen zu intervenieren Verfahren vereinbaren zum Vorgehen bei akuter Beeinträchtigung Qualifizierung der FK für frühzeitige Interventionen Gesprächsleitfäden, Handlungsanleitungen, Stufenplan c)...beschäftigte bei der Gestaltung gesunder und dem Abbau Sucht fördernder Arbeitsbedingungen beteiligt werden Gefährdungsbeurteilung unter Beteiligung der Mitarbeiter Mitarbeiterworkshops, Gesundheitszirkel Seite 18
Schlüsselpersonen im Präventionsprogramm Führungskräfte, Vorgesetzte Gesundheitsorientiertes Führen Umsetzung von Maßnahmen aus der Betriebsvereinbarung Eingreifen bei Verstoß gegen die Arbeitssicherheit Vorbereitung und Durchführung von Interventionsgesprächen bei Auffälligkeiten Schaffung gesundheitsförderlicher Arbeitsbedingungen Förderung eines verantwortungsvollen Umgangs mit Suchtmitteln - Vorbildverhalten: Null Promille am Arbeitsplatz Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem betrieblichen Unterstützungssystem und den Interessenvertretungen Wiedereingliederung von Beschäftigten nach Krankheit und Rehabilitationsphase Seite 19
Seite 20
Entscheidungsprozess 1 Rückblick vor 1-2 Jahren Arbeitsleistung / -verhalten Erfüllte alle Arbeitsaufgaben selbstständig u. zuverlässig Auch mal über das Soll im Arbeitsvertrag hinaus Hilfreiche Unterstützung bei Sonderaufgaben War souverän im Kundenkontakt PKW zur Arbeit kein Thema Seite 21
Entscheidungsprozess 2 Rückblick vor 1-2 Jahren Soziale Kontakte Eingebunden im kollegialen Umfeld Freundschaftliche Kontakte Gibt kollegiale Unterstützung Im Gespräch mit der Führungskraft Gute Kontakte im Haus Reflexion: Verhalten heute Soziale Kontakte Arbeitet die Person nur noch zurückgezogen? Nehmen Konflikte in ihrem Umfeld zu? Gerede hinter dem Rücken? Möchte niemand mit ihr zusammenarbeiten? Ist sie distanzlos? Seite 22
Entscheidungsprozess 3 Rückblick vor 1-2 Jahren Gesundheit Reflexion: Verhalten heute Gesundheit Durchschnittliche Fehlzeiten oder auch kaum krankheitsbedingte Ausfälle Gesundes Aussehen Wenn Krankheiten vorkamen, wurde im Kollegenkreis offen darüber gesprochen Nehmen gesundheitliche Beschwerden zu? Hat die Belastbarkeit deutlich abgenommen? Gibt das äußere Erscheinungsbild Anlass zur Sorge? Gibt es Krankmeldungen, die Sie stutzig machen? Vgl. Ute Pegel-Rimpl Substanzbezogene Störungen am Arbeitsplatz www.dhs.de > Arbeitsfelder > Arbeitsplatz Seite 23
Entscheidungsprozess 4 Vielfältige Ursachen für Auffälligkeiten Persönliche Lebenskrisen Nachlässigkeit, negative Einstellung zur Arbeit Befindensstörungen Konflikte am Arbeitsplatz Psychische Beeinträchtigungen Riskanter oder schädigender Substanzkonsum, suchtbedingte Verhaltensweisen (pathologisches Spielen, Essstörungen, Arbeitssucht) Seite 24
Entscheidungsprozess 5 Frühzeitige Interventionen sind eine große Chance für Mitarbeiter/innen um sachgerechte Hilfe bei gesundheitlichen und sozialen Problemen zu bekommen Seite 25
Entscheidungsprozess 6 Vorgesetzte nutzen Unterstützungsangebote Clearing - und Service-Funktion der Ansprechperson für Suchtfragen, Sozialberatung, regionale Fachstellen und Beratungseinrichtungen Welche Auffälligkeiten? Welcher Gesprächseinstieg? Einholen von Informationen bei fachlichen Stellen Herstellen des Kontakts zum Beratungssystem Ermutigung Mit dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin ins Gespräch kommen Seite 26
Interventionsleitfaden für Personalgespräche bei Auffälligkeiten Klärungsgespräch Präventionsgespräch und frühzeitige Intervention bei Auffälligkeiten 1. Stufengespräch Präventionsgespräch und frühzeitige Intervention bei Auffälligkeiten welcher Art? in Verbindung mit Suchtmittelgebrauch Seite 27
Grundhaltung der Führungskraft Gespräche mit auffälligen Mitarbeiter/innen gehören ohne Zweifel zu den schwierigsten Personalgesprächen. Wirkungsvoll intervenieren Führungskräfte, die...... wertschätzend auf die auffälligen Personen zugehen können,... überzeugt sind, dass diese Krisen mit Hilfe von Unterstützung meistern können,... wissen, dass Beratung und Therapie hilfreiche Lösungen bieten,... konsequent dabei bleiben Hilfe anzubieten, aber auch wo notwendig - Veränderung einfordern... und der betroffenen Person deutlich machen, worin ihre Verantwortung für eine gute Zusammenarbeit liegt. Seite 28
Grundhaltung der Führungskraft Frühzeitige Gespräche mit auffälligen Mitarbeiter/innen sind eine große Chance, dass diese noch selbstständig umsteuern können. Als Führungskraft... sollten Sie nicht dem Irrtum erleigen, dass sich das Problem schon von alleine löst... In den meisten Fällen wird es durch Warten nur schlimmer für alle Beteiligten und zu einer Gefährdung für die Motivation und die Gesundheit des betrieblichen Umfeldes. Seite 29
Intervention durch Personalverantwortliche Seite 30
Interventionsleitfaden für Personalgespräche bei Auffälligkeiten Klärungsgespräch Klärungsgespräch bei wiederholten Verletzungen arbeitsvertraglicher Pflichten Führungskraft kann Zusammenhang mit Substanzgebrauch nicht (sicher) herstellen Gesprächsnotiz Stufengespräche Verletzungen arbeitsvertraglicher / dienstrechtlicher Pflichten in Verbindung mit riskantem Konsum oder Suchtproblemen In fünf Schritten: Veränderung des Verhaltens u./o. Beratung Hilfeangebote und Sanktionen Dr. Elisabeth Wienemann Wien 11.11.2010 Seite 31
Stufenplan bei sucht-mittel-bedingten Auffälligkeiten 1. Stufe MA + Vorgesetzte/r Rückmeldung Hilfeangebot 2. Stufe MA + Vorgesetzte/r + BR/PR /SchV 3. Stufe 4. Stufe 5. Stufe Rückmeldung Hilfeangebot + Auflagen / Sankt. MA + Vorgesetzte/r + BR/PR/SchV + Pers.abt. Rückmeldung Hilfeangebot + Auflagen + Abmahnung I Fallbegleitung MA + Vorgesetzte/r + BR/PR/SchV + Personalabteilung Rückmeldung Hilfeangebot + Auflagen + Abmahnung II Fallbegleitung MA + Vorgesetzte/r + BR/PR/SchV + Personalabteilung Rückmeldung + Einleitung der Kündigung + Hilfeangebot (Wiederein.) Seite 32
Intervention durch Personalverantwortliche Wertschätzung der Person Konfrontation mit den Fakten Folgen, Erwartung, Auflagen, ggf. Sanktion Hilfeangebote Dauer der Beschäftigung, Status im Betrieb berücksichtigen Beschreibung guter Leistung in der Vergangenheit Botschaft: Sie sind mir wichtig, deshalb spreche ich Sie an! Spiegeln, welche Leistungen sind nicht mehr in Ordnung Wann, wo und mit welchen Auswirkungen gab es Auffälligkeiten? ggf. Zusammenhang mit riskantem Konsum / Suchtproblem herstellen ggf. auf frühere Gespräche / Interventionen verweisen Unmittelbar: Wegnahme von Verantwortung, Auflagen zur Beratung Was soll konkret bis wann anders sein? Mittelfristig: Ermahnung /Abmahnung / Änderungskündigung Langfristig: verhaltens- / personenbedingte Kündigung Interne Hilfe: Ansprechperson für Suchtfragen Externe Hilfe: Beratungsstellen für Suchtgefährdete und -kranke Seite 33
Betriebliches Unterstützersystem Sozialberatung / Suchtberatung / Ansprechpersonen für Suchtfragen Betriebsarzt / Betriebsärztlicher Dienst Schwerbehindertenvertretung Sicherheitsfachkraft Koordinator/in Betriebliches Gesundheits- oder Eingliederungsmanagement, Gesundheitsförderung weitere Unterstützer Personalabteilung Personalvertretung Gleichstellungsbeauftragte Externer Berater / Beratungseinrichtungen Seite 34
Angebote des betrieblichen Unterstützersystems Seite 35
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Viel Erfolg für Ihre Arbeit Weitere Informationen www.wa.uni-hannover.de Seite 36