Anstelle der Geschwindigkeit v tritt die Winkelgeschwindigkeit ω, wobei

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Transkript:

Inhalt 1 9 Dynamik der Drehbewegung 9.1 Rotation eines Massenpunktes um eine feste Achse 9. Arbeit und Leistung bei der Drehbewegung 9.3 Erhaltungssätze 9.4 Übergang vom Massenpunkt zum starren Körper 9.4.1 Massenträgheitsmoment des starren Körpers 9.4. Trägheitsmoment regelmäßiger Körper bei Rotation um eine Schwerpunktachse 9.4.3 Trägheitsmomente bei anderen Achsen 9.1 Rotation eines Massenkörpers Um Drehungen (Rotationen) um den Schwerpunkt (center of gravity) eines Körpers zu beschreiben, müssen wir die Näherung eines einzelnen Massenpunktes verlassen. Ein starrer Körper sei aus Massenpunkten zusammengesetzt, die sich relativ zueinander nicht bewegen. Wenn die Drehachse in einem Koordinatensystem feststeht, bildet man Analogien zu den Begriffen Geschwindigkeit, Kraft, Masse, Impuls und Energie, die wir für lineare Bewegungen bereits kennen gelernt haben. Anstelle der Geschwindigkeit v tritt die Winkelgeschwindigkeit ω, wobei v =ω r Die Kraft, die auf eine Drehachse wirkt, ist gleich dem Produkt aus der die Masse angreifenden Kraft und dem Abstand des Ansatzpunktes zur Drehachse. Diese Größe wird Drehmoment (torque) genannt und üblicherweise mit M bezeichnet. Die Richtung von M ist wie die von ω senkrecht zum Abstandsvektor r und zur angreifenden Kraft F. M = r F M = r F sin α, wobei α der Winkel zwischen r und F ist.

9.1 Rotation eines Massenkörpers 3 So wie die Masse nach dem. Newton'schen Axiom für die gegebene Kraft angibt, wie groß die resultierende Beschleunigung ist ( F = m g), beschreibt das Massenträgheitsmoment J (moment of inertia) (Bem.: J ist im Allgemeinen ein Tensor.) die Winkelbeschleunigung, die aufgrund eines bestimmten Drehmomentes auftritt. Das Trägheitsmoment gibt sozusagen an, wie viel Masse sich wie weit von der Drehachse befindet. dω M = J = J α Im konkreten Beispiel einer Punktmasse, die im Abstand r um eine Drehachse rotiert, lässt sich obige Gleichung im Fall eines rechten Winkels zwischen r und F schreiben als dv dω r m = J dω dω r m = J 9.1 Rotation eines Massenkörpers 4 Damit erhalten wir für das Trägheitsmoment für einen um eine Achse rotierenden Massepunkt JMP = m r Massenträgheitsmoment eines Massepunktes Die Einheit des Drehmoments ist kg m [ M] = N m = s Die Einheit des Trägheitsmomentes ist [ J ] = kg m J = r dm Die Berechnung des Trägheitsmomentes eines beliebig starren Körpers kommt später. Allgemein gilt jedoch Für viele starre Körper findet man das Trägheitsmoment tabelliert.

9.1 Rotation eines Massenkörpers 5 Ferner benötigen wir den Drehimpuls L (angular momentum), der proportional dem Impuls p und dem Abstandsvektor r ist und wieder auf beiden senkrecht steht. L = r p Stehen r und p senkrecht, kann man mit p = m v vereinfachen auf L = r p = m ( r v) = m ( r ω r) = m r ω L = m r ω Die Einheit des Drehimpulses ist kg m [ L] = s Das zweite Newton'sche Axiom bei Drehbewegungen können wir aus der Ableitung von L herleiten. 9.1 Rotation eines Massenkörpers 6 d d dr dp dr dp L = ( r p) = p+ r = m v + r = r F d d L = t M v v= 0 = : F Die zeitliche Änderung des Drehimpulses ist gleich der Summe der angreifenden Drehmomente.

9. Arbeit und Leistung bei der Drehbewegung 7 Die geleistete Arbeit ist analog zur linearen Arbeit ( W = F s bzw. W = Fd s) und definiert als Drehmoment mal gedrehter Winkel ϕ W = M ϕ bzw. W = Mdϕ wobei der Vektor ϕ wie bei Drehbewegungen üblich senkrecht auf der Ebene steht, in der um den Winkel ϕ gedreht wird. Die geleistete Arbeit ist wie bei der linearen Arbeit ein Skalar. Die kinetische Energie heißt bei Drehbewegungen Rotationsenergie Erot (rotational energy), und wir können den Ausdruck für die einfache Punktmasse im Abstand r zur Drehachse herleiten. Deren kinetische Energie ist 1 1 1 1 Ekin = m v = m ω r = m r ω = J ω 1 1 Erot = J ω = J ω Damit wird allgemein für die Rotationsenergie unter Verwendung des Trägheitsmomentes J 9. Arbeit und Leistung bei der Drehbewegung 8 In Analogie kann die Leistung definiert werden: dw d dm dϕ dϕ P = = ( M ϕ ) = ϕ+ M = M = M ω P = M ω dm = 0 Die Leistung ist damit das Skalarprodukt von Drehmoment und Winkelgeschwindigkeit (Bem.: P = F v). Damit können wir jetzt zusammenfassend folgende Analogien zwischen Translation und Rotation angeben:

9.3 Erhaltungssätze 9 Neben den bisherigen Erhaltungsgrößen in einem geschlossenen System kommt jetzt eine dritte Größe nämlich der Gesamtdrehimpuls dazu, sodass für die Mechanik folgende wichtigen Größen erhalten werden: a) die Gesamtenergie b) der Gesamtimpuls c) der Gesamtdrehimpuls 9.4 Übergang vom Massenpkt. zum starren Körper 10 9.4.1 Massenträgheitsmoment des starren Körpers Ein beliebiger starrer Körper rotiert um die Achse A. Wir betrachten den Körper aus vielen Massenpunkten zusammengesetzt, d. h. m1, m,.... Sie haben die Abstände r, r,... von der Achse. 1 i i J Das Massenträgheitsmoment eines Massenpunktes J = m r. Das Massenträgheitsmoment des gesamten Körpers ist dann die Summe der Massenträgheitsmomente der einzelnen Massenpunkte i, d. h. K N J = m r i = 1 i i Wir machen die Unterteilung feiner, d. h. N, Σ, m dm K JK = r dm Massenträgheitsmoment eines starren Körpers i

9.4 Übergang vom Massenpkt. zum starren Körper 11 Die Masse eines Körpers können wir durch seine Dichte ρ ausdrücken, da ρ= mv ρ= dmdv dm=ρ dv Damit wird K K J = ρ r dv und für einen homogenen starren Körper mit ρ =const. JK =ρ r dv K Massenträgheitsmoment eines homogenen starren Körpers Das Massenträgheitsmoment eines Körpers hängt ab: 1) von seiner Massenverteilung, d. h. von seiner Form. ) von der Lage der Drehachse. Meist geht diese durch den Schwerpunkt des Körpers (Schwerpunktachse). 3) von der Dichteänderung des Materials, falls es nicht homogen ist. 9.4 Übergang vom Massenpkt. zum starren Körper 1 9.4. Trägheitsmoment regelmäßiger Körper bei Rotation um eine Schwerpunktachse Die Trägheitsmomente regelmäßiger Körper, z. B. Zylinder, Kugel, Kegel, Quader, usw. lassen sich berechnen. Beispiel: Vollzylinder Zyl R R 3 J = ρ r dv =ρ r dv =ρ r h π r dr = π ρ h r dr Zyl 0 0 R 4 4 R 1 r = π ρ h = π ρ h = π ρ h R R 4 4 0 ρ VZyl = mzyl 1 JZyl = mzyl R Massenträgheitsmoment eines Vollzylinders mit dem Radius R

9.4 Übergang vom Massenpkt. zum starren Körper 13 9.4 Übergang vom Massenpkt. zum starren Körper 14

9.4 Übergang vom Massenpkt. zum starren Körper 15 9.4.3 Trägheitsmomente bei anderen Achsen Bei den bisher betrachteten Beispielen ging die Drehachse durch den Schwerpunkt S des Körpers und fiel mit einer Hauptsymmetrieachse zusammen. Allgemein gilt: Das Massenträgheitsmoment hängt von der Lage der Drehachse ab. 9.4.3.1 MTM bei parallel verschobenen Drehachsen Satz von Steiner Ein Körper habe bei Rotation um eine Achse S durch seinen Schwerpunkt das bekannte Massenträgheitsmoment (MTM) J S. Bei Rotation um eine zu S parallele Achse A, die von S den Abstand a hat, gilt: S A A S J = J + m a Satz von Steiner 9.4 Übergang vom Massenpkt. zum starren Körper 16 Beispiel: Vollzylinder rotiert um eine Achse am Mantel M (d. h. a = R). Mit J J S M 1 = m R 1 JM = m R + m R 3 = m R und dem Satz von Steiner wird R M

9.4 Übergang vom Massenpkt. zum starren Körper 17 9.4.3. Trägheitsmomente um beliebige Achsen durch den Schwerpunkt Hauptträgheitsachsen am Beispiel eines Quaders: A1 = Achse mit dem größten Trägheitsmoment; J1 = Jmax A1 A3 A3 = Achse mit dem kleinsten Trägheitsmoment; J3 = Jmin A = weitere Achse zu A und A mit Trägheitsmoment J, wobei J J J. 1 3 3 1 A 1 A A 3 9.4 Übergang vom Massenpkt. zum starren Körper 18 Definitionen: { } { J J J J J } A, A, A = Hauptträgheitsachsen mit A A A =,, = = Hauptträgheitsmomente 1 3 1 3 1 max 3 min Erweiterung auf beliebig geformte Körper: Bem.: jeder Körper hat drei Hauptträgheitsachsen A = Hauptträgheitsachse mit größtem J : J = J A Hauptträgheitsachse mit kleinstem : A Hauptträgheitsachse mit mittlerem senkrecht zu A und A 1 1 max A1 A3 3 = J J1= Jmin = J 1 3 a) Die Hauptträgheitsachsen symmetrischer Körper fallen mit seinen Hauptsymmetrieachsen zusammen. b) Bei rotationssymmetrischen Körpern fallen die Trägheitsmomente zweier Hauptachsen zusammen. c) Für eine Kugel, einen Würfel und einen Zylinder mit l = 3 R gilt : J = J = J 1 3

9.4 Übergang vom Massenpkt. zum starren Körper 19 Beliebige Schwerpunktsachsen Ein Körper möge um eine beliebige Achse A durch seinen Schwerpunkt S rotieren. Wie groß ist das Trägheitsmoment um diese Achse? Die Achse A schließt mit den drei Hauptachsen A 1, A und A 3 die Winkel α 1, α und α 3 ein. Für das Trägheitsmoment um A gilt: A = 1 cos α 1+ cos α + 3 cos α3 J J J J Deviations- oder Zentrifugalmomente Bei Rotation um eine beliebige Achse A treten Zentrifugalmomente auf, die die Achse zu kippen versuchen. Bei festen Achsen werden sie von den Achslagern aufgenommen. Bei Rotation um eine Hauptachse treten keine Deviationsmomente auf. 9.5 Kreiselkräfte, Kreisel, Kreisel-Präzession 0 Drehmoment senkrecht zur Drehachse In diesem Abschnitt wollen wir uns dem komplizierten Problem zuwenden, welche Bewegungen ein starrer Körper sowohl ohne äußere Kräfte als auch unter dem Einfluss von Drehmomenten ausführt, wenn er nicht durch eine festgehaltene Achse in seinen Freiheitsgraden eingeschränkt wird. Man nennt einen solchen um freie Achsen rotierenden starren Körper Kreisel. Auf einen Kreisel mit dem Drehimpuls L wirkt die Kraft FG ein, die die Achse des Kreisels zu kippen versucht. Die Achse kippt jedoch nicht in Richtung der Kraft, sie weicht vielmehr in einer dazu senkrechten Richtung aus. Kreiselkäfte Die Kraft FG erzeugt einen Drehmomentstoß M d t, der nach hinten zeigt. Die zugehörige Drehimpulsänderung d L hat die gleiche Richtung. Der Drehimpulsvektor L weicht in Richtung d L aus.

9.5 Kreiselkräfte, Kreisel, Kreisel-Präzession 1 Drehimpulsänderung durch das Drehmoment. Kräfte und Drehmoment auf den Kreisel. 9.5 Kreiselkräfte, Kreisel, Kreisel-Präzession Beispiele für Kreiselkräfte: 1) Radfahren: Fahrer bringt Kippmoment auf (legt sich in die Kurve) Drehmoment weist nach hinten. ) Diskuswurf: Wegen des Dralls hat der Diskus vom Scheitelpunkt der Wurfparabel einen Ausstellwinkel α, d. h. der Diskus erfährt den Auftrieb einer Tragfläche. 3) Der kräftefreie Kreisel: Schnell rotierender rotationssymmetrischer Körper in kardanischer Aufhängung: Drei zueinander senkrecht stehende Achsen: A 0, A x, A y A 0 = Haupt-Rotationsachse, Figurenachse R i = innerer Rahmen R a = äußerer Rahmen R f = fester Rahmen Kräftefreier Kreisel: keine Drehmomente greifen an den Rahmen R i und R a an.

9.5 Kreiselkräfte, Kreisel, Kreisel-Präzession 3 R i Drehimpulserhaltung : (Drallsatz) L0 bleibt konstant, d. h. L0 behält seine Richtung bei, wenn der Kreisel insgesamt, d. h. der feste Rahmen R bewegt wird. f A x A 0 Anwendung: Kurskreisel zur Richtungssteuerung von Flugzeugen, Schiffen, Raketen, Torpedos, R a A y Rf Kräftefreier symmetrischer Kreisel in kardanischer Aufhängung. 9.5 Kreiselkräfte, Kreisel, Kreisel-Präzession 4 Kreiselkompass Er beruht darauf, dass ein über seinem Schwerpunkt drehbar aufgehängter Kreisel seine Drehachse parallel zur Drehachse der Erde zu stellen sucht. Zur Erklärung dieser Kreiselwirkung greifen wir auf die besonderen Eigenschaften eines Kreisels zurück. Der Einfachheit halber denken wir uns dabei einen Kreisel in west-östlicher Richtung auf dem Erdäquator aufgestellt (Stellung I). Mit der Erddrehung wird er nach einer bestimmten Zeit in die Stellung II gedreht worden sein. Da er die Tendenz hat, seine Achsenrichtung beizubehalten, wird bei der Art der Aufhängung sein Schwerpunkt angehoben. Daher übt die Schwerkraft ein Drehmoment auf ihn aus, das den Kreisel samt Lagerung zurückzudrehen versucht (kleine schwarze Pfeile). Infolgedessen ändert sich die Richtung der Drehachse (des Dralles) in Richtung des Momentes, d. h. im gezeichneten Falle senkrecht zur Zeichenebene. Dies bedeutet eine Ausrichtung des Kreisels in nord-südlicher Richtung. Schiffe sind weitgehend mit Kreiselkompassen, die einen verhältnismäßig leichten Anschluss von Tochterkompassen ermöglichen, ausgestattet.

9.5 Kreiselkräfte, Kreisel, Kreisel-Präzession 5 Kreiselkompass (Fortsetzung) 9.5 Kreiselkräfte, Kreisel, Kreisel-Präzession 6 4) Kreisel mit konstantem Drehmoment Ein konstantes Drehmoment M greift senkrecht zur Figurenachse A 0 am inneren Rahmen R i an und erzeugt dadurch das Zusatzgewicht G = m g ( M0 = Ri G). Wegen M = dl d t erzeugt M0 eine konstante Drehimpulsänderung dl d t, die dieselbe Richtung wie M hat. L weicht also dauernd in Richtung dl d t aus (Gegenuhrzeigersinn), 0 d. h. der äußere Rahmen dreht sich um die senkrechte Achse A y. Der Kreisel präzediert, d. h. er vollführt eine Präzessionsbewegung mit konstanter Winkelgeschwind igkeit ω P.

9.5 Kreiselkräfte, Kreisel, Kreisel-Präzession 7 Berechnung von ω P : dϕ L 0 dl dl M dϕ= = L0 L0 dϕ M ω P = = L 0 M M Ri m g ω P = = = L J ω J ω 0 1 ωp, ω d. h. je schneller der Kreisel rotiert desto langsamer präzediert er. 9.5 Kreiselkräfte, Kreisel, Kreisel-Präzession 8 R i M 0 A x R a Rf A 0 L 0 A y Kräftefreier symmetrischer Kreisel in kardanischer Aufhängung.