Impfen und Kindeswohl

Ähnliche Dokumente
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt Jahrgang 2014 Nr... ausgegeben am

Kindschafts- und Namensrechtsänderungsgesetz 2013

Die wichtigsten Reformbereiche

Die ethischen Grundlagen des Impfens. 11.März 2014 Dr. med. Christiane Fischer, MPH Mitglied des DER 1

5 Ob 103/10y. B e s c h l u s s

Bürgerliches Gesetzbuch -Wichtige Normen aus dem Kindschaftsrecht

Kindeswohlgefährdung. Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung.

Cytomegalie & Co. Häufige Virusinfektionen in der Schwangerschaft. Deutsches Grünes Kreuz e.v.

Wichtige Gesetzesstellen im Wortlaut. Anhang zur Broschüre Was tue ich wenn es zur Trennung kommt?

Eltern und Kinder. Rechte und Pflichten. Stand: Jänner Amt der Oö. Landesregierung Abt. Kinder- und Jugendhilfe Bahnhofplatz Linz

Obsorge- und Kontaktrechte. Mag. Mariella Mayrhofer

> Menschenrechte Elternrechte

Neues Sorgerecht. Das Kindeswohl. Beiblatt zur infra-scheidungsbroschüre von Recht auf persönliche Anhörung

I N F O R M A T I O N

Positionspapier Obsorge

-Kindeswohlgefährdung? - Kontaktaufnahme zum Jugendamt. wann dürfen wir uns melden?

a) wenn der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, dass das mindestens 14 Jahre alte Kind dieser Übertragung widerspricht, oder

Prof. Dr. med. Michael Günter Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie. Sommersemester 2014

Häusliche Gewalt. Kinder als Opfer, Zeugen und Täter. Fortbildungsveranstaltung Kitzbühel, BH Kitzbühel Jugendwohlfahrt

Kindschafts- und Namensrechts- Änderungsgesetz 2013 KindNamRÄG 2013

Kinder aus suchtbelasteten Familien

Die Berücksichtigung des Kindeswohls im Zusammenhang mit der Scheidung

Impfen Eine gesamtgesellschaftliche Verpflichtung? Ethische Aspekte

Gesundheitsvorsorge in der Schule

Die Aufsichtspflicht der Eltern uber ihre Kinder i. S. d. 832 Abs. 1 BGB

Verbleib eines Pflegekindes in der Bereitschaftspflegefamilie Von Rechtsanwalt Steffen Siefert, Köln

Wozu impfen? Was Eltern über

DGUV Information WavebreakMediaMicro/Fotolia. Medikamentengabe in Kindertageseinrichtungen

Medikamentengabe in Schulen

Die Adoption. = Annahme an Kindes Statt = Wahlkindschaft. 179 ff ABGB. I. Begründung der Adoption

Langtext Inhaltsübersicht. I. Die bisherige Entwicklung II. Kein Zusammenhang zwischen rechtlicher "Zuständigkeit" und

DGUV Information photophonie/fotolia. Medikamentengabe in Schulen

Stellungnahme des Deutschen Vereins zum Gesetzentwurf zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei der Gefährdung

Kindschafts- und Namensrechts- Änderungsgesetz 2013

Inhaltsverzeichnis. Trentinaglia, HB Vermögensverwaltung im Kindschafts- und Sachwalterrecht VII

Arbeitsmedizinische Vorsorge in Kindertagesstätten

Fragen zum Familienrecht

Eltern. & Kind. zum Inhalt. Rechtsinformation Tipps Adressen. Ihre rechtlichen Beziehungen

Leitfaden für die Jugendwohlfahrt. für Sozial- und Familienpädagog/inn/en, Pflegeeltern, Kinderdorfeltern

Schweizerisches Zivilgesetzbuch

Obsorge und Unterhalt: rechtliche Belange

6. Besprechungsfall. Welche Rechte hat Endres gegen Achtlos und Ratlos?

Elterliche Sorge gem b BGB.

Vererbung und Epilepsie

18 Fragenkatalog. 1. Durch welche Begriffe wurde Mündigkeit, Unmündigkeit und Vormundschaftsbehörde abgelöst?

SCHEULEN RECHTSANWÄLTE

Haftpflicht aus Aufsichtsführung

ZKJF. Konzept zum Begleiteten Umgang

Gewalt im Kindesalter

Was heißt hier schon normal? Hilfe für Kinder psychisch kranker Eltern

Uni aktiv-plus 2016 Vorsorge. Das neue Erbrecht Patientenverfügung Vorsorgevollmacht. Johannesgasse 25 in 2486 Pottendorf Hauptstraße 4

Gewalt in der Pflege

Betreuung, Vorsorgevollmacht

gefaßt: Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters wird mangels der Voraussetzungen des 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Vorbemerkung: Stand Juli unter freundlicher Mitwirkung von

Wichtige Impfungen für Senioren. Vortrag für Mitarbeiter und Bewohner von Pflegeeinrichtungen

1 Jugendwohlfahrtsgesetz ERSTER TEIL Grundsatzbestimmungen 1. HAUPTSTÜCK Allgemeine Bestimmungen Aufgabe der öffentlichen Jugendwohlfahrt

AP 10: Adoption, Vormundschaft, Betreuung, Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung

Inhaltsverzeichnis. Forensische Psychiatrie im Privatrecht. 1 Privatrechtliche Grundlagen B.-R. Kern

Impfen. Wir haben ein Recht darauf! ÖGKJ. Fachärztin & Facharzt für Kinder & Jugendliche von 0-18 Jahren

Gewalt im Kindesalter

Betreuungsvertrag. zwischen. den Eltern (Sorgeberechtigten) ... Herrn/Frau ... Straße/Ort. Telefon dienstlich. und. der Tagesmutter/dem Tagesvater

Kindeswohlgefährdung: Erkennen, gesetzliche Grundlagen und Vorgehen

Referat von Marc Spescha vom Fachveranstaltung von Frabina in der Stiftung Progr. Präsentation von Marc Spescha 1

Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe

Privatrecht - Begriff

Das Pflegekind im Umgangsverfahren

Handreichung Kinderschutz

Impfschutz im ersten Lebenshalbjahr

L Familiennachzug zu Flüchtlingen

Vorlesung Familienrecht. Univ.-Prof. Dr. Michael Bydlinski, Hofrat des OGH

Impfen. Fortbildungsveranstaltung für MPA 22. März Dr. med. R. Christen; Thun

210.0 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)

B e g r ü n d u n g :

Familienrecht im Wandel und der Umgang mit Vielfalt im Familienkonflikt aus Sicht eines Familienrichters

I N F O R M A T I O N

Mutterschutz. Fragestellungen und die Praxis aus Betriebsärztlicher Sicht

MS und Impfungen. DAS KLEINE IMPF-1x1. DAS KLEINE IMPF-1x1. Christian Lampl. Abteilung für Allgemeine Neurologie und Schmerzmedizin

Aufgaben und Inanspruchnahme einer insofern erfahrenen Fachkraft Art der Meldung Schutzplan Datenschutz

Familienpsychologische Gutachten

Brandenburgisches Oberlandesgericht

Reisemedizinische Beratung

Psychisch kranke Eltern und ihre Kinder: Institutionelle Zusammenarbeit am Beispiel des Bezirks Mitte

In Äthiopien leben unzählige Kinder in einfachsten Verhältnissen auf der Straße. Adoption.

Umfrage zum Thema: Gemeinsames und alleiniges Sorgerecht

gesund + wohlgenährt PARADIGMENWECHSEL IN DER ALLERGIEPRÄVENTION MSc. Oec. troph. Monika Ziebart Freising,

Praxisratgeber zur Betreuung und Beratung von

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen ( 71 Abs 3 AußStrG).

Berufsverband Österreichischer Psychologinnen und Psychologen Möllwaldplatz 4/4/ Wien. wegen: Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2012

Worauf ist aus Kindessicht bei Obsorgeentscheidungen zu achten?

Herzlich Willkommen zur Veranstaltung. Alkoholabhängige Eltern, Erziehungsfähigkeit und Möglichkeiten der Hilfen für das Kind

Resilienz Kinder widerstandsfähig machen

Beratung für Familien mit einem psychisch erkrankten Elternteil

EINVERSTÄNDISERKLÄRUNG ZUR SCHUTZIMPFUNG

Inhaltsverzeichnis. 1. Teil Allgemeine Bestimmungen. 1. Abschnitt Systemleistungen

Handbuch der Forensischen Psychiatrie

Labortests für Ihre Gesundheit. Vorsorge-Impfungen bei Kindern 29

Transkript:

ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Helga Jesser-Huß Institut für Zivilrecht, Ausländisches und internationales Privatrecht Impfen und Kindeswohl Schutzimpfungen rechtliche, ethische und medizinische Aspekte Wien, 18. September 2014

2

173 ABGB (1) Einwilligungen in medizinische Behandlungen kann das einsichts- und urteilsfähige Kind nur selbst erteilen; im Zweifel wird das Vorliegen dieser Einsichts- und Urteilsfähigkeit bei mündigen Minderjährigen vermutet. Mangelt es an der notwendigen Einsichtsund Urteilsfähigkeit, so ist die Zustimmung der Person erforderlich, die mit der Pflege und Erziehung betraut ist. 3

Inhalt der Obsorge 158 Abs 1 Wer mit der Obsorge für ein minderjähriges Kind betraut ist, hat es zu pflegen und zu erziehen, sein Vermögen zu verwalten und es in diesen sowie allen anderen Angelegenheiten zu vertreten; 160 Abs 1 Die Pflege des minderjährigen Kindes umfasst besonders die Wahrung des körperlichen Wohles und der Gesundheit sowie die unmittelbare Aufsicht, die Erziehung besonders die Entfaltung der körperlichen, geistigen, seelischen und sittlichen Kräfte, die Förderung der Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes sowie dessen Ausbildung in Schule und Beruf. 4

Kindeswohl - 138 ABGB 1. eine angemessene Versorgung, sowie eine sorgfältige Erziehung des Kindes; 2. die Fürsorge, Geborgenheit und der Schutz der körperlichen und seelischen Integrität des Kindes; 3. die Wertschätzung und Akzeptanz des Kindes durch die Eltern; 4. die Förderung der Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes; 5. die Berücksichtigung der Meinung des Kindes ; 6. die Vermeidung der Beeinträchtigung, die das Kind durch die Um- und Durchsetzung einer Maßnahme gegen seinen Willen erleiden könnte; 7. die Vermeidung der Gefahr für das Kind, Übergriffe oder Gewalt selbst zu erleiden oder an wichtigen Bezugspersonen mitzuerleben; 8. die Vermeidung der Gefahr für das Kind, rechtswidrig verbracht oder zurückgehalten zu werden oder sonst zu Schaden zu kommen; 9. verlässliche Kontakte des Kindes zu beiden Elternteilen und wichtigen Bezugspersonen sowie sichere Bindungen des Kindes zu diesen Personen; 10. die Vermeidung von Loyalitätskonflikten und Schuldgefühlen des Kindes; 11. die Wahrung der Rechte, Ansprüche und Interessen des Kindes sowie 12. die Lebensverhältnisse des Kindes, seiner Eltern und seiner sonstigen Umgebung. 5

Kindeswohl - 138 ABGB In allen das minderjährige Kind betreffenden Angelegenheiten, insbesondere der Obsorge und der persönlichen Kontakte, ist das Wohl des Kindes (Kindeswohl) als leitender Gesichtspunkt zu berücksichtigen und bestmöglich zu gewährleisten. Wichtige Kriterien bei der Beurteilung des Kindeswohls sind insbesondere 1. eine angemessene Versorgung, insbesondere mit Nahrung, medizinischer und sanitärer Betreuung und Wohnraum, sowie eine sorgfältige Erziehung des Kindes; 2.. 6

Gefährdung des Kindeswohls 181 ABGB (1) Gefährden die Eltern durch ihr Verhalten das Wohl des minderjährigen Kindes, so hat das Gericht, von wem immer es angerufen wird, die zur Sicherung des Wohles des Kindes nötigen Verfügungen zu treffen. Besonders darf das Gericht die Obsorge für das Kind ganz oder teilweise, auch gesetzlich vorgesehene Einwilligungs- und Zustimmungsrechte, entziehen. Im Einzelfall kann das Gericht auch eine gesetzlich erforderliche Einwilligung oder Zustimmung ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen. 7

Kindeswohlgefährdung? geimpftes Kind erleidet Impfschaden nicht geimpftes Kind läuft Gefahr zu erkranken oder erkrankt 8

Impfschaden Immunthrombozytopenie Purpurea nach MMR- Impfung (OGH 1.3.2012, 1 Ob 14/12h) bekanntes Risiko im Promillebereich schicksalshafter Verlauf keine Kindeswohlgefährdung 9

ungeimpftes Kind Impfgegner mit generell ablehnender Haltung gegenüber Impfungen Skepsis/Ablehnung gegenüber bestimmten Impfungen Masern als harmlose Kinderkrankheit Unbehagen/Skepsis allgemeiner Natur wegen Allergierisiko, vermehrten Autismusfällen oä 10

Kindeswohlgefährdung? Frage des Einzelfalls Voraussetzung für Maßnahmen im Bereich der Obsorge ist eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls 11

Zusammenfassung Kinder haben ein Recht auf medizinische Betreuung; dazu zählen auch Impfungen als Prophylaxe. Impfentscheidungen werden familienautonom getroffen. Bei konkreter Kindeswohlgefährdung sind Verfügungen nach 181 geboten. 12