Über die Bestimmung der linearen Teiler einer algebraischen Form. Von F. HOCEVAR aus Graz. In den zahlreichen Arbeiten über die linearen Teiler der Formen beschäftigte man sich bisher in der Regel nur mit solchen Formen, deren sämtliche Faktoren linear sind. Den Gegenstand meines Vortrages bilden nun beliebige Formen, somit auch solche, welche irreduktible Faktoren verschiedener Grade enthalten, und ich will auf zwei verschiedenen Wegen, welche allerdings zum Teil zusammenfallen, zeigen, wie man die linearen Faktoren solcher Formen bestimmen kann. 1. Nach beiden Methoden muß zunächst die gegebene Form von ihren vielfachen Faktoren befreit werden. Zu diesem Zwecke sieht man nach, ob die Form eine Variable enthält, deren höchste Potenz von gleichem Grade ist wie die Form. Ist keine solche Variable vorhanden, so kann man durch eine umkehrbare lineare Substitution bewirken, daß einige oder auch sämtliche Variable der erwähnten Forderung genügen. Ich kann also ohne Einschränkung der Allgemeinheit annehmen, daß die vorgelegte Form F(x i7 x 2,--- x n ), n>2, wenn sie vom ) ton Grade ist, auch das Glied mit xf enthält. Dividiert man nun die Form F durch den größten gemeinsamen Teiler der Form und ihrer Ableitung nach x l9 so erhält man, wie ich vor kurzem bewiesen habe*), eine Form f(x 1, x 2, x n ), weiche dieselben irreduktiblen Faktoren enthält wie F, jedoch jeden nur in der ersten Potenz. Es genügt also die linearen Faktoren der letzteren *) Hocevar, Über die Zerlegbarkeit algebraischer Formen in lineare Faktoren, Wiener Sitzungsberichte, Februar 1904, pag. 409 428.
152 li. Tell: Wissenschaftliche Vorträge. Form zu bestimmen, und man hat dann nur noch ihre Multiplizität in der ursprünglich gegebenen festzustellen. Die so erhaltene Form /' ist zu ihrer Ableitung nach x t teilerfremd. 2. Die erste der beiden Methoden zur Bestimmung der linearen Teiler, welche ich hier mitteilen will, beruht auf folgendem Satze: I. Kennt man ein spezielles Wertsystem #. = a. (i = l, 2,... n), für welches ein linearer Teiler der Form f verschwindet und alle übrigen (linearen und nichtlinearen) Teiler von Null verschieden sind, so ist hierdurch jener lineare Teiler bestimmt und zwar ausgedrückt durch Der Zeiger Null soll hier und im folgenden andeuten, daß die Variablen x durch die speziellen Werte a ersetzt sind. Beweis. Es sei n der lineare Teiler der Form f, welcher für x ( = a t (i = 1, 2,--- n) verschwindet. Ist nun f<=uv, somit df dv. so folgt durch die Substitution x % = a i (i = 1, 2, n) c a\- <<> und da nach der Voraussetzung v 0 =j= 0 ist, u = '/ % xap- ) v «m \ dx Jo Damit ist der Satz I bewiesen, da bei der Bestimmung eines Teilers ein konstanter Faktor nicht in Betracht kommt. Für n 3 hat dieser Satz folgende geometrische Bedeutung (und eine analoge für w - 4): Hat die Kurve f= 0 einen geradlinigen Zweig und kennt man die Koordinaten x i = a irgend eines seiner Punkte, durch welchen kein anderer Zweig der Kurve hindurchgeht, so ist hierdurch die Gleichung
C. Vorträge in den Sektionssitzungen: Hocevar. 153 jenes geradlinigen Zweiges bestimmt; es ist die Gleichung der Tangente an die Kurve f = 0 mit dem Punkte x i = a t als Berührungspunkt. 3. Um nun sämtliche linearen Teiler der Form /' zu bestimmen, setze man in der Gleichung /' = 0 X '2 = a 2> X 3 = C h> ' * ' X n == a n' Die Werte a seien so gewählt, daß die entsprechenden Werte von x lf d. h. die Wurzeln der Gleichung welche mit x 1 = a^1\ a^\ ^W bezeichnet werden sollen, voneinander verschieden sind. Dies ist stets möglich, ja sogar im allgemeinen der Fall, da f zur Ableitung nach x t teilerfremd ist und die Diskriminante der obigen Gleichung für ao*"" 1 Wertsysteme der a von NuU verschieden ist und nur für oo n ~ 2 Wertsysteme verschwindet. Hat nun die Form /' einen linearen Teiler, so verschwindet derselbe für eines der Wertsysteme x x = a^), z 2 = a 2,... x n = a % (i-l,8,.--m) und alle anderen Teiler der Form sind für dasselbe Wertsystem von Null verschieden. Somit ist nach dem Satze I der lineare Teiler mit einem der Ausdrücke (A-l,2,-.-«0 identisch. Das gleiche gilt von jedem anderen linearen Teiler. Man erhält somit sämtliche linearen Teiler der Form f, indem man aus den eben berechneten linearen Ausdrücken jene herausgreift, welche Teiler der Form f sind, was sich durch direkten Versuch feststellen läßt. Das eben entwickelte Verfahren ist, wie man sieht, sehr einfach und führt stets zum Ziele. Es haftet ihm jedoch die Unbequemlichkeit an, daß der erforderliche Rechnungsaufwand und insbesondere der Grad der aufzulösenden Gleichung vom Grade der Form und nicht von der Anzahl der linearen Teiler abhängt. Wenn also z. B. eine Form m ten Grades keinen linearen Teiler besitzt, so muß man, um dies nach unserem Verfahren zu konstatieren, dennoch eine Gleichung m*** Grades auflösen, die entsprechenden m linearen Ausdrücke berechnen und die Form durch jeden derselben dividieren. 4. Von diesem Mangel ist die zweite Methode frei, welche
154 IL Teil: Wissenschaftliche Vorträge. auf gewissen Eigenschaften der Hesseschen Determinante beruht. Da für das Zerfallen einer quadratischen Form in lineare Faktoren notwendig ist und hinreicht, daß alle dreizeiligen Minoren ihrer Determinante, somit auch ihrer Hesseschen Determinante verschwinden, so ist die Vermutung gerechtfertigt, daß auch bei Formen höherer Grade das Vorhandensein linearer Teiler durch die dreizeiligen Minoren ihrer Hesseschen Determinante angezeigt wird. In der Tat bestehen die Sätze: II. Jeder lineare Teiler einer Form ist zugleich ein Teiler aller dreizeiligen Minoren ihrer Hesseschen Determinante. Beweis. Es sei also Dann ist f ~" v > *-*«*«> fik = Wt + c k v i + uv ik- ± fuxfi,jyr =H+KU + Lit 2 + Mu*. Darin bedeuten H, K, L, M leicht zu berechnende Formen, von denen die erste identisch verschwindet.*) III. Jeder nichtlineare Teiler einer Form, welcher zugleich ein Teiler aller dreizeiligen Minoren ihrer Hesseschen Determinante ist, läßt sich in lineare Faktoren zerlegen. Beweis. Mit Benutzung der im 3 bestimmten Nullstellen der Form /' erhält man aus der Gleichung f = 0 für x t die Potenzreihen *-*«+(*-«.)( -),+ +(*.-«o(!^ (2-l,2,...m). Es sei nun v ein Teiler k ten Grades von /*, also etwa /'= vw. Dann sind 1c der obigen Potenzreihen, etwa die A = 1,2, & entsprechenden, identisch mit jenen, die man für x t aus der Gleichung v = 0 mit Benutzung der A = 1, 2, 1c entsprechenden Nullstellen von f erhält. Aus der Gleichung f = 0 folgt durch Differentiation und mit Anwendung der Eulerschen Relationen die Formel**) tu flh flß J^ l ^ \ f f /\ 8«,k (l-l)y 1 «, Z^,.'«'«"ß > a,[i j / r f lai Iah laß («,0-8,3,..-n). *) Vgl. a. a. 0., pag. 411. **) Vgl. a. a. 0., pag. 416.
C. Vorträge in den Sektionssitzungen: Hocevar. 155 Wenn also v ein Teiler sämtlicher dreizeiligen Minoren von ist, so hat man C 2 X 1 _ GrV _ Gf _ jj,. dx.dx k f t» f^io H(f) worin G eine gewisse ganze Funktion bedeutet und U eine gebrochene Funktion, deren Nenner nur die Faktoren f\ und w enthält. Aus der letzten Gleichung folgt weiter worin V eine gebrochene Funktion bedeutet, deren Nenner nur die Faktoren f t und w enthält u. s. f. Da nun an den den Werten A=l, 2, h entsprechenden Nullstellen von /' diese Form verschwindet, hingegen f ± und w von Null verschieden sind, so fallen in den aus v = 0 für x 1 erhaltenen Potenzreihen alle Glieder von höherer als der ersten Ordnung weg und u zerfällt also in lauter lineare Faktoren. W. z. b. w. Aus den Sätzen II und III folgt der Satz: IV. Der größte gemeinsame Teiler einer Form und aller dreizeiligen Minoren ihrer Hesseschen Determinante ist zugleich das Produkt aller linearen Teiler der Form. Auf Grund dieses Satzes kann man die linearen Teiler einer Form auch auf folgende Weise bestimmen: Man berechnet mittels des Euklidschen Algorithmus den größten gemeinsamen Teiler T der Form f und aller dreizeiligen Minoren von H(f) und zerlegt ihn dann nach der ersten Methode in seine (linearen) Faktoren. Ist T vom Grade / ', so enthält die Form h lineare Teiler und man hat in diesem Falle nur eine Gleichung & ten Grades aufzulösen. Ist T = f, so zerfällt /' in lauter lineare Faktoren. Für das Zerfallen einer Form /* in lauter lineare Faktoren ist also notwendig und hinreichend, daß alle dreizeiligen Minoren von H(f) durch /" teilbar sind.*) Ist T konstant, so besitzt die Form keinen linearen Teiler. Dies kann man also auch schon behaupten, wenn /' zu einem dreizeiligen Minor von H (f) teilerfremd ist. 5. Der Satz IV ist für n = 3 in unveränderter Form gut brauchbar und lautet in diesem Falle: Der größte gemeinsame Teiler einer ternären Form und ihrer Hesseschen Determinante ist zugleich das Produkt der linearen Teiler der Form. Für n > 3 erfordert jedoch die Anwendung des Satzes IV wegen *) Dieser Satz wurde a. a. 0., pag. 419, direkt abgeleitet.
156 H. Teil: Wissenschaftliche Vorträge. der großen Anzahl der dreizeiligen Minoren überaus langwierige Rechnungen. Diese Anzahl beträgt im allgemeinen Falle wncm. somit für n = 4, 5, 6, beziehungsweise 10, 55, 210, Es läßt sich nun zeigen, daß eine weit geringere Anzahl der dreizeiligen Minoren zur Berechnung des T ausreicht, wenn man sich des folgenden Satzes bedient: V. Ist in einer Matrix, deren Elemente ganze Funktionen der Variablen x 19 x 2} x n sind, irgend eine r-zeilige Determinante d teilerfremd zu einer ganzen Funktion v, welche keine vielfachen Faktoren enthält, und ist jede (r+ l)-zeilige Determinante der Matrix, welche aus d durch Hinzufügung einer Zeile und einer Spalte entsteht, durch v teilbar, so sind auch alle übrigen (r+ l)-zeiligen Determinanten der Matrix durch v teilbar. Dieser Satz ist dem bekannten Kroneckerschen Satze*), durch welchen man die Berechnung des Ranges einer Determinante mit konstanten Elementen abkürzen kann, nachgebildet und wird mit Hilfe desselben und von Stetigkeitsbetrachtungen bewiesen.**) Aus dem Satze V ergibt sich durch Spezialisierung der Satz VI. Ist in H(f) der Diagonalminor 2±f a f» zu f teilerfremd, so ist der gr. g. Teiler von /' und der ( ) Minoren E±fiifnfa? («, ß = 3, 4, - n) auch ein Teiler aller übrigen dreizeiligen Minoren von H(f). Somit genügt es zur Berechnung des Produkts der linearen Teiler einer Form für n = 4, 5, 6, beziehungsweise nur 3, 6, 10, dreizeilige Minoren von H(f) zu verwenden, wenn man zuvor einen zu f teilerfremden zweizeiligen Diagonalminor von H (f) gefunden hat. *) Kronecker, Journ. f. Math., 72; auch Baltzer, Determinanten, 4. Aufl., pag. 73. **) In der Diskussion bemerkte Herr Landsberg, daß dieser Satz schon in der im 99. Bande des Crelleschen Journals publizierten Abhandlung Kroneckers und zwar in allgemeinerer Form enthalten sei.