DNotI Deutsches Notarinstitut Fax - Abfrage Gutachten des Deutschen Notarinstituts Dokumentnummer: 1121# letzte Aktualisierung: 14. Juni 2004 Gutachten BGB 890, 2. VermRÄndG Art. 12 Abs. 1 Nr. 1; HofV Vereinigung eines Anteiles an einem ungetrennten Hofraum mit einem Grundstück II. Fragestellung Kann ein eigenständig gebuchter Anteil an einem ungetrennten Hofraum mit einem Grundstück vereinigt werden, so daß an beiden bisher selbständigen Grundstücken nunmehr ein einheitliches Wohnungseigentum begründet werden kann? III. Zur Rechtslage 1. Keine Vereinigung mit Miteigentumsanteil möglich a) Eine Vereinigung nach 890 Abs. 1 BGB i.v.m. 5 GBO ist lediglich zwischen mehreren Grundstücken möglich (oder auch zwischen Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten) (statt aller vgl. Haegele/Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 10. Aufl. 1993, Rn. 621 ff.). Dasselbe gilt für eine Zuschreibung nach 890 Abs. 2 BGB. b) Nach ganz einhelliger Meinung ist die Vereinigung eines Grundstücks mit einem Miteigentumsanteil an einem anderen Grundstück nicht möglich (KG OLGE 9, 328; OLG Düsseldorf, DNotZ 1963, 753; OLG Hamburg, NJW 1965, 1765; OLG Saarbrücken, OLGZ 1972, 129, 132; BayObLG, BayObLGZ 1993, 297; Demharter, GBO, 21. Aufl. 1995, 5 GBO Rn. 5; KEHE/Eickmann, GBO, 4. Aufl. 1991, 5 GBO Rn. 10; Meikel, Grundbuchrecht, 7. Aufl. 1986, 5 GBO Rn. 16, 20; MünchKomm-Wacke, 2. Aufl. 1986, Deutsches Notarinstitut Kaiserstraße 23 97070 Würzburg Telefon 09 31 / 3 55 76-0 Telefax 09 31 / 3 55 76-225 br gut0197 r1/1121.doc
Seite 2 zum Schreiben vom 14.06.04 890 BGB Rn. 12; Palandt/Bassenge, 56. Aufl. 1997, 890 BGB Rn. 2; Soergel/Stürner, 12. Aufl. 1989, 89 BGB Rn. 7; Staudinger/Gursky, 13. Aufl. 1996, 890 BGB Rn. 14). Denn ansonsten wäre entweder der vereinigte Miteigentumsanteil doppelt gebucht oder es blieben lediglich die nichtvereinigten Miteigentumsanteile auf dem anderen Grundbuchblatt zurück. Nach ganz h. M. gilt auch dann nichts anderes, wenn die Miteigentumsanteile nach 3 Abs. 4 und 5 GBO ausnahmsweise getrennt auf den Grundbuchblättern der jeweiligen Miteigentümer gebucht sind (anderer Ansicht lediglich Bünger, NJW 1964, 583 und NJW 1965, 2095). 2. Rechtsnatur des ungetrennten Hofraumes a) Entscheidend ist also, ob der Anteil am ungetrennten Hofraum als Grundstück im Rechtssinn anzusehen ist oder lediglich als Miteigentumsanteil an einem Grundstück. Ungetrennte Hofräume finden sich in den ehemals preußischen Provinzen des Beitrittsgebietes. Dabei handelt es sich vor allem um Grundstücke im Innenstadtbereich, die zwar in ihren Außengrenzen, nicht aber hinsichtlich der innerhalb der Hofräume befindlichen einzelnen Grundstücksflächen vermessen und katastermäßig erfaßt sind. Eine nähere Bezeichnung oder die konkreten Lage und Größe der einzelnen Teilflächen geht aus dem Grundbuch nicht hervor. Diese Besonderheit geht auf die Mitte des vorigen Jahrhunderts zurück, als der preußische Staat ein amtliches Verzeichnis als Grundlage für die Grundsteuererhebung benötigte, die dafür durchzuführende Grundstücksvermessung aber nicht überall schnell genug vornehmen konnte. In den Städten wurde die Steuer daher als Gebäudesteuer erhoben, wobei die Grundstücksgröße außer Betracht blieb. Daher unterblieb auch (vor allem in den östlichen Provinzen) oftmals eine Vermessung der innerstädtischen Grundstücke, statt dessen behalf man sich mit einer bloßen Vermessung der Außengrenzen verschiedener zusammenstoßender Grundstücke zum öffentlichen Straßennetz. Bei Einführung des Grundbuches sah dann Art. 2 der preußischen Verordnung betreffend das Grundbuchwesen vom 13.11.1899 (Preußische Gesetzessammlung, S. 519) vor, daß die Grund- und Gebäudesteuerbücher als amtliches Verzeichnis der Grundstücke im Sinne von 2 Abs. 2 GBO dienen sollten. An dieser Rechtslage änderte sich weder während des Deutschen Reiches noch zu DDR- Zeiten etwas (zur historischen Entwicklung und zur Rechtslage vor Erlaß der Hofraumver-
Seite 3 zum Schreiben vom 14.06.04 ordnung vgl. auch unser Gutachten, DNotI-Report 12/1995, S. 105; sowie Böhringer, DtZ 1991, 272, 276; Frenz, DNotZ 1992, 809; Schmidt-Räntsch, VIZ 1992, 163; Ufer, DNotZ 1992, 777). Durch Art. 12 Abs. 1 Nr. 1 des 2. VermRÄndG (2. VermRÄndG) wurde der Bundesjustizminister ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates eine Rechtsverordnung über die grundbuchmäßige Behandlung von Anteilen an ungetrennten Hofräumen zu erlassen. Dies erfolgte in der Hofraumverordnung (HofV) vom 24.09.1993 (BGBl 1993 I, S. 1658) (zur neuen Rechtslage vgl. auch Böhringer, DtZ 1994, 100; derselbe VIZ 1994, 63; Meikel/Böhringer, Grundbuchrecht, Sonderband Neue Bundesländer, 1995, S. 860 ff.). b) Im Deutschen Reich und auch noch zu DDR-Zeiten wurden die Anteile am ungetrennten Hofraum allgemein als Grundstücke behandelt. Nach der Wiedervereinigung und vor Inkrafttreten der Hofraumverordnung war dies von der Rechtsprechung teilweise in Zweifel gezogen worden. So vertrat etwa das Bezirksgericht Erfurt die Auffassung, daß ein Anteil an einem ungeteilten Hofraum erst dann zum Grundstück werde, wenn er mit seiner ehemaligen Gebäudesteuerrollennummer ins Grundbuch eingetragen werde, wie dies das fortgeltende preußische Landesrecht vorschreibe (Bezirksgericht Erfurt, DNotZ 1992, 804 mit Anmerkung Frenz). Sofern der Anteil am ungetrennten Hofraum dort aber eingetragen war, stellte er ein Grundstück im Rechtssinn dar. Nach Inkrafttreten der Hofraumverordnung ergibt sich die formelle Grundbuchfähigkeit der Anteile an ungetrennten Hofräumen aus 1 Abs. 1 HofV. Als amtliches Verzeichnis des Anteils am getrennten Hofraum gilt dabei das alte Gebäudesteuerbuch oder, falls ein solches nicht mehr vorhanden ist, der letzte steuerliche Einheitswertbescheid des Grundstückes ( 1 Abs. 1 HofV). Falls es auch keinen steuerlichen Einheitswertbescheid gibt, sieht die HofV mehrere ersatzweise Nachweisersatzmöglichkeiten vor ( 1 Abs. 2 HofV). Damit ist klargestellt, daß auch der Anteil am ungetrennten Hofraum ein Grundstück im Rechtssinne ist (so auch BMJ, Grundbuchinfo 2/1994, S. 46; Böhringer, DtZ 1994, 100, 101; derselbe, VIZ 1994, 63, 64). Denn Grundstück im materiell-rechtlichen wie im grundbuchrechtlichen Sinn ist jeder räumlich abgegrenzte Teil der Erdoberfläche, der im Bestandsverzeichnis des Grundbuches gesondert gebucht ist (statt aller vgl. Palandt/Bassenge, a.a.o., Überblick vor 873 BGB Rn. 1). Der ungetrennte Hofraum besteht aus mehreren, tatsächlich getrennten, lediglich nicht getrennt vermessenen Grundstücken. Der Anteil an einem solchen ungetrennten Hofraum ist eines dieser unvermessenen Grundstücke, nicht etwa bloß der Miteigentumsanteil an einem Grundstück, da dem Inhaber ein räumlich real abgegrenzter Teil zusteht und nicht ein bloßer ideeller Bruchteil
Seite 4 zum Schreiben vom 14.06.04 an der Gesamtfläche. Die formell erforderliche getrennte Buchung erfolgt beim ungetrennten Hofraum durch das Gebäudesteuerbuch, den Einheitswertbescheid oder einen anderen Ersatz des Grundbuches. Es ist allerdings zu beachten, daß die formale Grundbuchfähigkeit erst durch die Bezeichnung des Anteils im Grundbuch mit der Nummer des Gebäudesteuerbuches oder von Aktenzeichen und Behörde des Einheitswertbescheids ( 2 Abs. 1 HofV) erfolgt (Böhringer, VIZ 1994, 63, 64; ebenso nach der alten Rechtslage Bezirksgericht Erfurt, DNotZ 1992, 804, 807). Diese Bezeichnung ist jedoch von Amts wegen nachzuholen, wenn im jeweiligen Grundbuch eine sonstige Eintragung vorgenommen werden soll ( 2 Abs. 2 Satz 2 HofV). Soweit der Antrag auf Vereinigung für den betreffenden Anteil am ungetrennten Hofraum erfolgt, muß damit von Amts wegen die Bezeichnung des Gebäudesteuerblattes oder ähnlichen im Grundbuch erfolgen, wodurch auch formal ein Grundstück im Rechtssinne vorliegt, so daß der Antrag auf Vereinigung vollzugsfähig wird. c) Im Ergebnis ist daher unserer Ansicht nach eine Vereinigung oder Zuschreibung eines Anteiles am ungeteilten Hofraum mit einem anderen Grundstück möglich. Davon zu unterscheiden wäre die Vereinigung oder Zuschreibung eines bloßen Miteigentumsanteiles an einem solchen Anteil, die nach den allgemeinen Regeln nicht möglich ist. 3. Bodensonderrungsgesetz a) Auch wenn materiell-rechtlich und grundbuchrechtlich damit eine Vereinigung beider Grundstücke möglich ist, bleibt doch das tatsächliche Problem, daß die Grenzen des jeweiligen Anteiles am ungetrennten Hofraum gegenüber den anderen Grundstücken dieses ungetrennten Hofraums in natura möglicherweise nicht genau feststehen. Eine Vermessung wäre meist zu langwierig. Der Gesetzgeber schreibt daher eine Vermessung zwingend erst bis zum Ablauf des Jahres 2010 vor (Böhringer, VIZ 1994, 63, 66). b) Eine schnelle und unbürokratische Abgrenzung ermöglicht nun ein Sonderrungsbescheid nach dem Bodensonderrungsgesetz (vgl. Gutachten, DNotI-Report 12/1995, S. 105, Abschnitt IV; ferner Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, Bodensonderrungsgesetz; Pittack/Puls, Struktur und Inhalt des Bodensonderrungsgesetzes, VIZ 1994, 393; Schmidt-Räntsch/Marcks, Bodensonderung in den neuen Bundesländern, DtZ 1994, 354; ). Durch Sonderrungsbescheid kann bestimmt werden, wie weit sich bei unvermessenem Eigentum amtlich nicht nachweisbare Eigentumsrechte erstrecken ( 1 Nr. 1 Bodensonderrungsgesetz). Oft kann der Sonderrungsplan aufgrund großflächiger Luftbildaufnahmen ohne Ortsbegehung erstellt werden. Der Sonderrrungsplan, bestehend aus einer Grundstückskarte und einer
Seite 5 zum Schreiben vom 14.06.04 Grundstücksliste, dient bis zur Vermessung als amtliches Verzeichnis der Grundstücke im Sinne von 2 Abs. 2 GBO. Die Vorlage dieses Gutachtens an das zuständige AG Rheinberg ist zulässig. Im übrigen ist die Weitergabe an Dritte oder eine Veröffentlichung unzulässig. Literatur BMJ, Verordnung über die grundbuchmäßige Behandlung von Anteilen an ungetrennten Hofräumen, BGBl 1993, 1658