Zum Mythos der Chancengleichheit: Reichtum und Armut in Österreich

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Transkript:

Zum Mythos der Chancengleichheit: Reichtum und Armut in Österreich Verkehrsforum Waldviertel Waidhofen a. d. Thaya 11.9.2015 Wilfried Altzinger Wirtschaftsuniversität Wien / Forschungsinstitut Economics of Inequality www.wu.ac.at/ineq altzing@wu.ac.at

Equality of Opportunity When children inherit a substantial degree of their economic status this generates widespread perceptions of unfairness and lack of opportunity. OECD 2008, 204 2

Einkommens- und Vermögensungleichheit I. Einkommen: 1. Arbeitseinkommen 2. Kapitaleinkommen II. Vermögen: 1. Sach- und Finanzvermögen 2. Bildungsvermögen ( Humankapital ) 3

4 World Top Incomes Database ( )

The 1 percent Saez, Emmanuel; Summary for the broader public "Striking it Richer: The Evolution of Top Incomes in the United States", updated September 2013

Anteil der Top-Einkommen am Gesamteinkommen (Lohneinkommen, brutto); Österreich, 1994-2012 Year Top 10% Top 5% Top 1% Top 0.1% 1994 28,43% 17,90% 6,02% 1,34% 1995 28,16% 17,69% 5,91% 1,28% 1996 28,41% 17,88% 5,98% 1,28% 1997 28,63% 18,11% 6,16% 1,38% 1998 29,29% 18,70% 6,58% 1,53% 1999 29,33% 18,63% 6,48% 1,53% 2000 29,75% 19,11% 6,92% 1,83% 2001 29,26% 18,53% 6,40% 1,49% 2002 29,25% 18,47% 6,31% 1,44% 2003 29,38% 18,54% 6,34% 1,44% 2004 29,44% 18,59% 6,40% 1,52% 2005 29,69% 18,77% 6,50% 1,57% 2006 29,89% 18,95% 6,64% 1,68% 2007 30,13% 19,16% 6,77% 1,77% 2008 30,31% 19,23% 6,84% 1,71% 2009 30,45% 19,22% 6,72% 1,61% 2010 30,48% 19,24% 6,76% 1,64% 2011 30,59% 19,32% 6,83% 1,69% 2012 30,48% 19,39% 6,86% 1,71% 6 1995/2012 8,2% 9,6% 16,1% 34,5%

Einkommens- und Vermögensungleichheit I. Einkommen: 1. Arbeitseinkommen 2. Kapitaleinkommen II. Vermögen: 1. Sach- und Finanzvermögen 2. Bildungsvermögen ( Humankapital ) 8

Household Finance and Consumption Survey (HFCS) Erhebung der OeNB; koordiniert von EZB (2010/11) freiwillige Haushaltserhebung der obere Rand der Verteilung ist nur unzureichend abgedeckt Die vergessenen Superreichen Der Standard, 5.10.2012 9

10 HFCS

Einkommensanteil 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 Lorenzkurven von Einkommen und Vermögen Einkommen (Haushalt) Vermögen (Haushalt) Gini=0.38 Gini=0.76 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 Bevölkerungsanteil Österreich Q: HFCS 2011

Hohe Korrelation von Einkommen und Vermögen

Inequalities in Europe, 2010 Source: Piketty, 2014, 247pp. Percentiles Labor Income Labor and Capital Income Capital Ownership 91-100 25% 35% 60% 100 7% 10% 25% 91-99 18% 25% 35% 51-90 45% 40% 35% 1-50 30% 25% 5% Gini 0,26 0,36 0,67

Vermögensungleichheit Wie entsteht Vermögen? Was vermag Vermögen? Vermögenskonzentration und Chancengleichheit (Gefährdung der Demokratie) 14

Wie entsteht Vermögen? Vermögen "ursprüngliche" Akkumulation Schenkungen / Erbschaften Vermögenseinkommen Sparen Aneignung Erträge aus Unternehmen Unselbständige Einkommen Enteignung Vermietung, Verpachtung Selbständige Einkommen Privatisierung Kursgewinne/- verluste Zinsen und Dividenden 15

Zur Verteilung von Erbschaften und Schenkungen, Österreich 2010

Vermögensfunktionen: Vermögen vermag. 17 Schwerpunkt: Household Finance and Consumption Survey des Eurosystems 2010 Erste Ergebnisse für Österreich Fessler, Mooslechner, Schürz Geldpolitik und Wirtschaft Q3/12 (S.29)

Warum Ungleichheit unsere Gesellschaft gefährdet Armut: Mangel an Verwirklichungschancen (Sen, 2000) Reichtum: Übermaß an Verwirklichungschancen Hohe Konzentration von Vermögen => hohe Konzentration von ökonomischer und politischer Macht Vermögen ist ein Machtfaktor und (zu!) ungleiche Vermögensverteilung somit eine Bedrohung der Demokratie 18

James Meade (1907-1995) nobel price winner 1977 Extreme inequalities in the ownership of property are in my view undesirable quite apart from any inequalities of income they may imply. A man with much property has great bargaining strength and a great sense of security, independence and freedom; he enjoys these things not only vis-á-vis his propertyless fellow citizens but also vis-á-vis the public authorities. James E. Meade (1964, 38); Efficiency, Equality and the Ownership of Property. 19

Einkommens- und Vermögensungleichheit I. Einkommen: 1. Arbeitseinkommen 2. Kapitaleinkommen II. Vermögen: 1. Sach- und Finanzvermögen 2. Bildungsvermögen ( Humankapital ) 20

Wie entsteht Humankapital? Bildung, Einkommen und Vermögen der Kinder Bildung, Einkommen und Vermögen der Eltern Öffentliches Bildungssystem Bildung (und Einkommen) der Eltern (Quantität und Qualität) Vorschule Vermögen (& Erbschaften) Schule 21 Sozialkapital der Eltern (Netzwerke, etc.) Universität

Bildungsmobilität zwischen Eltern und Kindern Jg. d. Eltern: ~1925-1960 22

Offene Fragen 1. Welche Maßnahmen ließen sich treffen um den weiteren Anstieg der Vermögensungleichheit zu stoppen/zu reduzieren? 2. Welche Maßnahmen ließen sich treffen um den Bildungserwerb egalitärer zu gestalten? 3. Welche Maßnahmen ließen sich treffen um die Gefährdung der Demokratie durch Vermögenskonzentration anzuhalten? 23

24 www.wu.ac.at/ineq