Der depressive Patient Suizidalität PD Dr. med. Henrike Wolf Oberärztin PDGR Depressionssymposium, 26.10.2017 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 1 KOMPETENT UND GEMEINSAM FÜR LEBENSQUALITÄT 100 Jahre Trauer und Melancholie Depressionssymposium, 26.10.2017 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 2 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 1
Rein phänomenologischer Ansatz: Die heutigen Depressionskritierien Suizidgedanken bis zu 80% 4-15% suizidieren sich Anhaltend über die meiste Zeit des Tages, mindestens 2 Wochen Depressionssymposium, 26.10.2017 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 3 Häufige Manifestation depressiver Erkrankungen - nicht nur bei älteren Menschen! Depressionssymposium, 26.10.2017 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 4 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 2
Anzeichen einer schweren, melancholischen Depression ( somatisches Syndrom / major depression ) (schwere) Freudlosigkeit Früherwachen 2h früher als gewöhnlich Morgentief Ausgeprägte psychomotorische Hemmung oder Agitiertheit Deutlicher Appetitverlust Gewichtsverlust (mehr als 5%) Deutlicher Libidoverlust ICD-10 Kriterien des Somatischen Syndroms Depressionssymposium, 26.10.2017 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 5 Entstehungsbedingungen depressiver Erkrankungen Biographische Belastung Körperliche Faktoren, Hirnalterung Veränderungen im Gehirn -Botenstoff-Imbalance, hormonale Veränderungen Genetische Belastung Persönlichkeit (Typus melancholicus) Äussere Belastungen Intrapsychische Konflikte Psychische Symptome/ Verhalten Neurobiologische Indikatoren Kortisol-Übergewicht, REM-Schlaf-Störung, Depressionssymposium, 26.10.2017 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 6 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 3
Therapiesäulen in der Depressionsbehandlung Psychotherapie Pharmakotherapie Nichtpharmakologische, biologische Verfahren Beziehung! (unspezifische Wirkfaktoren) Verhaltenstherapie, Psychoanalytisch/ Tiefenpsychologische Verfahren Antidepressiva Phasenprophylaktika Zusätzlich: Benzodiazepine, Neuroleptika Lichttherapie Schlafentzugstherapie Elektrokrampftherapie Schilddrüsenhormone PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin Depressionssymposium, 26.10.2017 7 Ziele der Depressionsbehandlung nach E.und M. Bleuler, Lehrbuch der Psychiatrie, 11.Auflage, 1969 1) Suizid verhindern 2) Körperliche Ursachen behandeln 3) Verkürzung/Linderung der depressiven Episode 4) Vermeidung von Rückfällen Depressionssymposium, 26.10.2017 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 8 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 4
Suizid und Suizidalität - Begriffsbestimung Sui zid = Selbsttötung; vom Lat. sui seiner [selbst], und caedere [er]schlagen, töten, morden Suizidalität (nach Wolfersdorf): Suizidalität ist die Summe aller Denk-, Erlebens-, und Verhaltensweisen von Menschen oder Gruppen von Menschen, die in Gedanken, durch aktives Handeln, Handelnlassen oder passives Unterlassen den eigenen Tod anstreben bzw. als möglichen Ausgang einer Handlung in Kauf nehmen Depressionssymposium, 26.10.2017 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 9 Suizidalität persönliche Betrachtung, vier Fälle 1 ein Freund 2 der Fall des Professors 3 mein erster Patient 4 Trennungsschmerz Depressionssymposium, 26.10.2017 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 10 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 5
Suizid und Suizidalität Begriffsbestimmung (nach Wolfersdorf) Suizidalität ist ein zu tiefst menschliches Geschehen und Erleben, das in seiner Komplexität nie vollständig verstehbar sein wird. Alle Erklärungsmodelle psychopathologischer, psychodynamischer, biologischer und/oder sozialer oder spiritueller Art sind von begrenzter Art, mit Respekt vor dem nicht aufdeckbaren Geheimnis des Suizides. Das bedeutet nicht: Man kann sowieso nichts tun. Im Gegenteil, es erfordert die bestmögliche ernsthafte Annäherung an das Verstehen und Verhüten suizidalen Verhaltens. Quelle: Wolfersdorf, Vorlesung Gebrüder Grimm Zieh mit uns fort, sagte der Esel zum Hahn, etwas besseres als den Tod findest Du überall. Depressionssymposium, 26.10.2017 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 11 Suizidraten (Zahl der Selbsttötungen pro 100000 Einwohner) Weltweit sterben pro Jahr etwa eine Million Menschen durch Suizid. Das sind mehr als alle Opfer von Kriegen, Terroranschlägen und Mordfällen zusammen. Depressionssymposium, 26.10.2017 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 12 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 6
Osiander Friedrich Benjamin (1813) Von den Ursachen des Selbstmordes. Aus: Uber den Selbstmord, seine Ursachen, Arten, medicinisch-gerichtliche Untersuchung und die Mittel gegen denselben. Hannover 1813 Der vollkommen gesunde und vollkommen vernünftige Mensch hat eine heftige Liebe zum Leben, und lässet, wie der Satan zu Hiob sagte, Haut für Haut, und alles, was ein Mensch hat, für sein Leben.... Diese Liebe zum Leben aber dauert so lange, als wir an Geist und Körper gesund sind. zit. nach Willemsen R. Der Selbstmord. Köln 2001, S. 122 123] Depressionssymposium, 26.10.2017 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 13 Suizidalität aus Sicht der Psychiatrie In mehr als 90% der Suizide und Suizidversuche hat zuvor eine psychiatrische Erkrankung vorgelegen In den meisten Fällen geht einer Suizidhandlung eine dynamische Denkeinengung (krisenhafter, psychosenaher Zustand) voraus Depressionssymposium, 26.10.2017 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 14 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 7
Depression und Suizidalität 4-15 % mit rezidivierender Depression versterben durch Suizid 20-60 % weisen einen Suizidversuch auf 40-70 % leiden an Suizidideen bei 90 % der Suizidenten psychiatrische Erkrankung im Vorfeld, am häufigsten Depression (40-70 %) Wenn eine Depression vorliegt, dann sollte die Suizidalität immer aktiv exploriert werden! Depressionssymposium, 26.10.2017 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 15 Stadien der Suizidalität Mäßige Suizidgefahr Hohe Suizidgefahr Anzahl betroffener Menschen Passive Todeswünsche Suizidgedanken Suizidideen Suizidpläne Vorbereitungen Suizidale Handlungen Erwägung Ambivalenz Entschluss Depressionssymposium, 26.10.2017 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 16 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 8
Klinisches Vorgehen bei der Beurteilung von Suizidalität Raum für Gespräch Beziehung, Vertrauen Aktives Nachfragen nach suizidalen Symptomen (ohne Angst) Situationsanalyse (ggf. kollaterale Anamnese) Akribische Erhebung/ Erfahrung in der Beurteilung des psychopathologischen Befundes (formale und inhaltliche Denkstörung, Affektivität) Depressionssymposium, 26.10.2017 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 17 Depression und Suizidalität: Kernfragen Offen und präzise nach Suizidalität fragen Passiver Sterbewunsch ( lieber totsein ) Suizidideen aktive Planung? Suizidankündigungen oder drohungen frühere Suizidversuche Depressionssymposium, 26.10.2017 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 18 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 9
Spektrum möglicher Schritte bei Suizidalität Antisuizidpakt schließen Kurzfristige Wiedereinbestellung Facharzt hinzuziehen Angehörige hinzuziehen Kontinuierliche Betreuung zu Hause sicherstellen medikamentöse Entlastung (Benzodiazepine, z.b. Lorazepam 2-4x1 mg) *quantum satis!!! stationäre Einweisung Depressionssymposium, 26.10.2017 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 19 Akute und Basissuizidalität - Checklisten Quelle: Ebner und Lehle Psychiatrie 4/ 2005 Depressionssymposium, 26.10.2017 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 20 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 10
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Depressionssymposium, 26.10.2017 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 21 PD Dr. med. Henrike Wolf, Oberärztin 11