In der Milchviehhaltung effizienter werden ARBEITSPRODUKTIVITÄT UND ARBEITSORGANISATION Vielfach reagieren Landwirte auf Milchpreissenkungen mit einer Steigerung des Produktionsvolumens ohne sich jedoch Gedanken über die zusätzliche Arbeitsbelastung zu machen. Mit der Steigerung kann zwar das Einkommen gehalten werden, der Arbeitszeitaufwand steigt jedoch ebenfalls. Kurzfristig ist der zusätzliche Aufwand vielleicht verkraftbar, kann aber längerfristig zu einem wahren (gesundheitlichen) Problem werden. Die menschliche Arbeit stellt neben dem Boden und dem Kapital den wichtigsten Produktionsfaktor auf jedem Landwirtschaftsbetrieb dar. Sowohl die Steigerung der Arbeitsproduktivität als auch die Verringerung der körperlichen Arbeitsbelastung sollte daher zu den Zielen eines jeden Betriebsleiters gehören. Hierzu gehört dann neben der hohen Effizienz («Die Dinge richtig tun») in der einzelbetrieblichen Arbeitserledigung vor allem auch ein hohes Mass an Effektivität («Die richtigen Dinge tun»). Eine professionelle Arbeitserledigung ist auf vielen Betrieben schon gegeben. Ein grosses Verbesserungspotenzial ist aber noch bei bei der Effektivität gegeben. Das Ziel ist schlussendlich die Verbesserung der Lebensqualität und aller damit verbundenen sozialen Aspekte. Ohne den Einsatz des Produktionsfaktors Arbeit ist keine Produktion und damit auch keine Produktivität möglich. Die Arbeitsproduktivität ist ein Mass für das Verhältnis zwischen Output (z. B. Milchmenge in kg) und Input (z. B. Arbeitsstunden in AKh) innerhalb eines Produktionsprozesses. Wichtig ist dabei, dass der Was nützt eine hohe Arbeitsproduktivität ohne Lebensqualität (Fotos: agrafoto.com). Wenn der Vater nicht unentgeltlich hülfe, wäre vieles nicht rentabel. Auch im Alltag kurze Verschnaufpausen einschalten. Landwirtschaftliche Forschung + Beratung Milchviehhaltung
Warum die Arbeitsproduktivität steigern? Grafik 1: Kennzahlen im internationalen Vergleich 14 12 1 8 6 4 2 Schweiz Dänemark Deutschland Spanien Frankreich Mittlere Arbeitsproduktivität (kg/akh) Italien Quelle: BFS 24, Eurostat; Situationsbericht DBV Der Vergleich zeigt, dass Länder mit günstigen Betriebsstrukturen (viel Fläche, hoher Tierbesatz je Betrieb) meistens einen niedrigen Arbeitszeitbedarf je Einheit und damit verbunden auch eine bessere Arbeitsproduktivität aufweisen. DK =Direktkosten SZ = Schuldzinsen PZ = Pachtzinsen EK = Eigenkapital Input vollumfänglich in die Betrachtungen einbezogen wird. In der Milchviehhaltung bedeutet dies, dass neben den täglichen Arbeiten (Melken, Füttern, Misten, Kälber- und Jungviehhaltung) auch die nichttäglichen Arbeiten (Futterbau, Reparaturen, Reinigung, Klauenpflege etc.) berücksichtigt werden. Daneben sind auch noch alle anfallenden Managementtätigkeiten (z. B. Kontrollen, Anträge, Buchhaltung, etc.) einzubeziehen. Erst ausgehend davon kann die Arbeitsproduktivität korrekt berechnet werden. In der Schweiz liegt die Arbeitsproduktivität in der Milchviehhaltung derzeit bei ca. 5 kg Milch/AKh. Der Durchschnitt in der EU liegt bei ca. 8 kg Milch/AKh, allerdings mit grossen Schwankungen zwischen 4 und 13 kg Milch/AKh (Grafik 1). Spitzenbetriebe erreichen wesentlich höhere Arbeitsproduktivitäten mit bis zu 28 kg Milch/AKh. Dazu sind allerdings meist hohe Investitionen und/oder das Auslagern ganzer Arbeitsverfahren (Silageernte, Gülleausbringung) an Lohnunternehmer oder Maschinenringe notwendig. Auch der Verzicht auf einzelne Arbeitsverfahren kann die Arbeitsproduktivität deutlich verbessern. Hierzu gehören beispielsweise der Verzicht auf die Stallfütterung im Sommer bei Vollweide oder die Selbstfütterung am Flachsilo im Winter. Aus dem Vergleich mit dem benachbarten Ausland können ebenfalls mögliche Ursachen für die niedrigen Arbeitsproduktivitäten in der Schweiz abgeleitet werden. Es sind dies zum Beispiel die vergleichsweise kleinen schweizerischen Produktionsstrukturen, die relativ starke Parzellierung der landwirtschaftlichen Nutzflächen sowie die verhältnismässig aufwändigen Rationen. Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsproduktivität lassen sich hieraus ableiten. Da sich aber die Produktionsstrukturen und auch die Parzellierung mittelfristig nicht wesentlich ändern werden, bleibt oft nur der Ausweg über verschiedene Formen der überbetrieblichen Zusammenarbeit von der gemeinschaftlichen Silageernte bis hin zur Betriebsgemeinschaft. Grafik 2: Vergleich der einzelnen Kostenstellen von 147 Talbetrieben Rp./kg Milch 4 35 3 25 2 15 1 5 Österreich Grossbritanien Kraftfutter Futterbau Tierarzt /KB Div. DK EU Arbeitskräfte (AK) je Betrieb LN: 25.6 ha Anzahl Kühe: 25.7 Verkaufte Milchmenge: 163 615 kg Direktkosten Kont. zahlung Geb./ Maschinen Be- Allg. Einr./ Mel. triebsk. Quelle: M. Höltschi und S. Moser - LBBZ-Hohenrain, LBL-Lindau 3 2.5 2 1.5 1.5 Fremde Strukturkosten Eigene Strukturkosten SZ PZ Löhne Zinsanspruch EK Lohnanspruch Ausgehend von regionalen Arbeitskreisen in der Milchviehhaltung kann der eigene Betrieb mit anderen verglichen, Unterschiede und Schwachstellen erkannt und Optimierungsmöglichkeiten diskutiert werden. Anhand von Vollkostenrechnungen aus diesen Arbeitskreisen wird auch deutlich, wie gross der Anteil der Arbeitskosten an den Gesamtkosten der Milchproduktion ist und damit, welche Bedeutung eine optimale Arbeitsverwertung hat (Grafik 2). Die Arbeitszeit am Computer nicht unterschätzen (Foto: agrarfoto.com). Der erste Schritt bei der Arbeitsorganisation ist immer eine konkrete und realistische Zielsetzung. Diese kann auch schon als vorweg genommenes Erfolgserlebnis oder Vision interpretiert werden. Ist das Ziel gesetzt, muss über den Weg dorthin entschie- Die Arbeit stellt den grössten Anteil an den Produktionskosten auf Schweizer Milchviehbetrieben im Mittelland. Arbeit kostet dreimal mehr als Maschinen. 3 UFA-Revue 1/6
Arbeitsorganisation und Zeitplanung Zur Erstellung eigener Berechnungen steht auf den Homepages von www.fat.ch www.agff.ch www.profi-lait.ch AGFF, FAT und Profi-Lait ein Berechnungsblatt zur Verfügung. Damit kann jeder den Arbeitszeitbedarf und die Arbeitsproduktivität des eigenen Betriebs berechnen. Zudem sind dort auch weitere Checklisten abrufbar. Grafik 3: Arbeitsanlyse- und rationalisierung Tätigkeit, Aufgabe Ist die unbedingt nötig? Muss ich die Aufgabe/ Tätigkeit selbst erledigen? Führe ich die Aufgabe/ Tätigkeit optimal aus? Quelle: REFA, 1984 ja ja ja nein nein nein den werden. Die Ziele sollten schriftlich festgehalten werden. Arbeitsplanung kostet zwar Zeit und wird von vielen Bauern heute noch als Zeitvergeudung angesehen. Sie hilft aber, die Ziele einzuhalten, damit Zeit zu sparen und so schliesslich die Arbeitszufriedenheit zu steigern. Ausserdem lässt sich durch die schriftliche Planung der Kopf für wesentlichere Dinge freihalten. Die Arbeitsplanung wird auch vom Netzwerk der europäischen Milchproduzenten EDF (European Dairy Farmers) als wichtiges Element um Zeit zu sparen aufgeführt. Die betriebliche Arbeits- und Zeitplanung sollte mehrstufig erfolgen. Dies bedeutet eine Aufteilung in strategische und taktische Ziele. Langfristige Ziele wie zum Beispiel die Erstellung eines neuen Kälberstalles sind in eine strategische Zielsetzung einzubeziehen. Mittel- und kurzfristige Ziele wie zum Beispiel regelmässige Klauenpflege oder auch die Einführung von wöchentlichen Arbeitsbesprechungen, gehören dagegen zu den taktischen Zielen (Checkliste 1). Bei der Ausgestaltung der verschiedenen Stufen der Arbeitsplanung sind immer auch Freiräume (z. B. für Unvorhergesehenes) einzuplanen: diese entsprechen ohne weiteres bis zu 2 % der totalen Arbeitszeit. Routinearbeiten können bei der Arbeitsplanung sehr gut über Checklisten, welche auch zur Qualitätssicherung dienen, eingeplant werden (Checkliste 1). Diese Checklisten können gleichzeitig für den Lehrling oder den Betriebshelfer als Notfallhandbuch dienen. Damit die Arbeitsorganisation über diese Checklisten funktioniert, ist auch eine Kontrolle des Erreichten notwendig. Auch diese sollte möglichst schriftlich erfolgen, damit erreichte Ziele «abgehakt» werden können. Anschliessend ist es auch erlaubt, das Erlebte als Erfolg wahrzunehmen und sich selbst und andere zu belohnen. Die Arbeits- und Zeitplanung sollte immer realistisch sein. Besonders junge und hochmotivierte Landwirte nehmen sich oft zu viel vor und sind nachher enttäuscht, wenn sie ihre eigenen Ziele nicht einhalten können. Neben der verbesserten betrieblichen Arbeitsorganisation bietet die schriftliche Zeitplanung mit Hilfe von Checklisten auch noch die direkte Möglichkeit zur Schwachstellenanalyse (Checkliste 2). Über die schriftliche Planung wird mittelfristig jede Arbeitserledigung ständig hinterfragt und im ständigen Vergleich mit SOLL-Vorgaben (z. B. Wirz-Handbuch) verbessert. Ausgehend von der Zeitplanung und der damit verbundenen Selbstkontrolle lassen sich dann Optimierungsstrategien ableiten. Innerhalb dieser Phase müssen alle Gewohnheiten und vorgefassten Meinungen revidiert werden: Zeit sparen verlangt Hinterfragen, Umdenken und Vereinfachung (Grafik 3). Der Erfolg kann in jeder Planungsphase über Checklisten überprüft werden. Das Optimierungspotenzial eines beliebigen Arbeitsverfahrens kann damit voll ausgeschöpft und die Arbeitszufriedenheit gesteigert werden, ohne die Qualität der Endprodukte aus den Augen zu verlieren. eliminieren delegieren rationalisieren realisieren Durch die Analyse von einzelnen Arbeits- und Produktionsverfahren können Rationalisierungspotenziale und Schwachstellen aufgedeckt werden. Für die Wahl des Fütterungssystems spielen neben der Arbeitszeitersparnis auch noch andere Faktoren eine wichtige Rolle, z. B. die Mechanisierungskosten (Foto: agrarfoto.com). UFA-Revue 1/6 31
Checkliste 1: Arbeitsorganisation und Zielsetzungen Arbeitsplanung kurzfristig (Tages- oder Wochenplanung) Arbeit Soll Ist Bemerkungen (Beispiele) Wird jeder Arbeitstag geplant? Morgen wird der Melkstand gründlich gereinigt. Am Samstag werden Kühe trocken gestellt. Am Montag werden die Kälber enthornt. Wird die Arbeitsplanung schriftlich durchgeführt? Mein Tagesplan hängt in der Milchküche aus. Alles was aufgeschrieben ist, brauche ich nicht im Gedächtnis zu behalten. Sind alle Arbeitsabläufe genau definiert? Zufälle und Unvorhergesehenes kommen von selber. Wissen alle Beteiligten was sie zu tun haben (Instruktion)? Auch Familienarbeitskräfte mit einbeziehen. Jeder muss wissen, was zu tun ist. Sind Freiräume eingeplant? Unvorhergesehenes (Reparaturen, Abkalbehilfe). Gibt es auf meinem Betrieb feste Arbeitszeiten? Wichtig für Vertreter und Berater. Arbeitsplanung langfristig (hres- oder Lebensplanung) Besteht eine hresplanung? Ist die Teilnahme an Fortbildungskursen geplant? Sind Freiräume eingeplant? Dieses hr bauen wir einen neuen Kälberstall. Dieses hr verlegen wir Bodenleitungen für die Weidetränken. Ich habe mich zu einem Rhetorik-Kurs angemeldet. Dieses hr machen wir Ferien in Neuseeland. Checkliste 2: Schwachstellenanalyse und Arbeitsorganisation Arbeit Soll Ist Bemerkungen (Beispiele) MELKEN Feste Melkzeiten Wie lang ist eine Melkzeit? < 1.5 h 12 Stunden Rhythmus optimal. Konzentrationsfähigkeit nimmt ab. Wartezeit für Kühe nimmt zu. Gruppenbildung sinnvoll. Melkeinheit je AK beim Melken (Anbindestall) 3 4 Melkeinheit je AK beim Melken (Laufstall) bis 12 Keine Wartezeiten/kein Stress. Keine Wartezeiten/kein Stress. Hilfsmittel beachten. Wie viel Wartezeit fällt beim Melken an? < 1 Min. Wartezeit verleitet zu unnötigen Tätigkeiten. Wie viel Blindmelkzeit fällt an? Wie viel Kühe müssen maschinell oder von Hand nachgemolken werden? < 1% Wie häufig muss der Melker den Melkstand beim Melken verlassen? max. 2 Blindmelken schadet Eutergesundheit. Auf Laktationsstadium achten. Allenfalls zu Beginn um den Milcheinlauf in den Tank zu kontrollieren und am Ende für die letzte Gruppe. 32 UFA-Revue 1/6
Arbeit Soll Ist Bemerkungen (Beispiele) Wie viel Prozent der Kühe kommen freiwillig in den Melkstand? 9% Wie viele Kühe haben stark verschmutzte Euter/Zitzen? Wie häufig muss eine Schlagfessel angelegt werden? Wie viele Kühe sind mit Antibiotika behandelt? Geraden Melkstandeingang einrichten. Boxenpflege/Lägerreinigung beachten. Problem analysieren. (Junge Kühe, Fliegen, Kriechstrom) Gesundheitsstatus der Herde beachten. Wie viele Kühe koten im Melkstand oder beim Verlassen des Melkstandes? Ist ein Warteraum vorhanden? Wie ist die Beleuchtungssituation im Melkstand? Wie hoch ist der Lärmpegel im Melkstand? Gibt es Vibrationen durch die Vakuumpumpe? <1 Gruppe OK OK Nein Deutliches Zeichen für Problem. Insbesondere bei grösseren Tierbeständen sinnvoll. Zeitung lesen möglich, Zitzenkontrolle möglich. Normales Gespräch im Melkstand möglich. Hand an Gestänge gibt kein «Kribbeln». FÜTTERUNG Wie viele Grundfutterlagerplätze sind vorhanden? 2 Ein Heulager, ein Silolager. Wird Grundfutter automatisiert vorgelegt (Verteilwagen, Futtermischwagen)? Wie häufig wird Grundfutter vorgelegt? 2 bis 3 Wie häufig wird Grundfutter nachgeschoben? 4 bis 6 Wie viele Futterachsen sind vorhanden? 1 bis 2 Ab 4 Kühen ist zweimalige Vorlage arbeitswirtschaftlich sinnvoller, als zu häufiges Nachschieben. Nachschieben mechanisieren. 1 Futterachse Milchkühe, 1 Futterachse Jungvieh. Sind alle Futterachsen befahrbar? Aus wie vielen Komponenten besteht die Sommerfütterung? (Eingrasfutter, Weide, Silage) max. 2 Je mehr Komponenten, desto mehr Arbeit (Problematik: Weide, Eingrasen, Heu, Silage). Wie hoch ist der tägliche Rüstzeitanteil bei der Fütterung? Sind Grundfutter- und Kraftfutterlagerplätze in unmittelbarer Nähe zueinander angeordnet? Wie häufig erfolgt die Fütterungsplanung? <1 AKh monatlich Grundfutterentnahme mechanisieren. Lange Wegstrecken vermeiden. Milchkontrollliste beachten MISTEN/EINSTREUEN Wie häufig findet tägliche Boxenpflege statt? 2 Boxenpflege spart Arbeitszeit beim Melken ein. Wie wird entmistet? autom. Von Hand nur Zwischengänge reinigen. Wie häufig muss eingestreut werden? (je Woche) 1 2 Wie viele Kühe koten in die Boxen? Wie viele Kühe liegen auf dem Gang/den Spalten? Zwischenlager im Boxenbereich für 1 Woche ideal. Steuerungseinrichtung einstellen. Boxenlänge/-breite, Nackenrohr. Wie häufig erfolgt Klauenpflege pro hr? 2 x Vorbeugen. Wie viele Kühe gehen lahm? Klauenpflege. Brunstbeobachtung? 2 3/d Regelmässige Brunstbeobachtung schafft Freiraum. UFA-Revue 1/6 33
Beispiele von drei Milchwirtschaftsbetrieben Melken im 12- Stunden-Rhythmus ist optimal. Keine Wartezeiten beim Melken bedeuten weniger Stress für die Kühe (Foto: agrafoto.com). 1. Betriebsgemeinschaft Ruch/Gansner in Mauren Die Betriebsgemeinschaft hat ihren Standort im Kanton Thurgau in der Nähe von Weinfelden. Es handelt sich um einen Milchviehbetrieb mit zusätzlichem Ackerbau. Insgesamt werden 65 Milchkühe mit einer mittleren hresleistung von 75 kg im Boxenlaufstall gehalten. Das Jungvieh wird im Vertrag aufgezogen. Die bewirtschaftete Fläche beträgt ca. 45 ha. Silage und Heu bilden die Futtergrundlage. Die Silageernte erfolgt unter Zuhilfenahme eines Lohnunternehmers in Flachsilos. Die Futterentnahme erfolgt mit einer stationären Fräse in einen angehängten Mischwagen. Die Vorlage der Mischsilage erfolgt ganzjährig und täglich. Im Sommer erfolgt Weidegang auf die hofnahen Flächen. Gemolken wird in einem modernen Autotandemmelkstand mit sechs Melkplätzen. Die Gemeinschaftsform wird von den Betriebsleitern als sehr vorteilhaft angesehen, da einerseits die Verantwortung für den Betrieb auf mehrere Schultern verteilt ist und andererseits freie Wochenenden problemlos möglich sind. Ausserdem sind Arbeitsspitzen so viel einfacher zu bewältigen. Allerdings bedingt die erfolgreiche Zusammenarbeit auf dem Betrieb eine klare Absprache mit klaren Regelungen, wer für welche Bereiche verantwortlich ist. Ausserdem muss man auch als Betriebsleiter in der Lage sein, Fehler einzugestehen. Grafik 4: Arbeit in der Milchviehhaltung Relative Anteile der einzelnen Arbeiten am Gesamtzeitbedarf je Kuh und hr Kälberbetreuung 1% Misten/ Einstreuen 2% Melken 41% Management und Sonderarbeiten 28 % Quelle: FAT Fachbereich Arbeitswirtschaft Füttern 19 % Laufstall, Ganzjahressilage: 75 kg Zeitbedarf je Kuh und hr: 46 AKh (n=6) Arbeitsproduktivität: 162 kg Milch/AKh 2. Walter Bachmann in Schmidrüti Der Betrieb liegt im Kanton Zürich in der Bergzone 2. Es handelt sich um einen Biobetrieb mit dem Schwerpunkt Futterbau und Milchviehhaltung auf einer Fläche von 16.5 ha. Insgesamt werden 12 Milchkühe im Anbindestall gehalten. Die mittlere hresmilchleistung liegt bei ca. 55 kg. Gemolken wird mit einer Eimermelkanlage und 2 Melkeinheiten. Die Futtergrundlage besteht vorwiegend aus Heu und Grassilage. Der Hallenstall mit integrierten Hochsilos und Greiferkrananlage bietet die ideale Voraussetzung für eine ergonomische Futtervorlage während der langen Winterfütterungsphase. Im Sommer erfolgt täglicher Weidegang. Zusätzlich wird aber noch eingegrast. Alle Tätigkeiten auf dem Betrieb werden in Eigenregie durchgeführt. Die Mechanisierung ist mit einer durchgehenden Bergmechanisierungskette gut auf die stark hängigen und teilweise sehr kleinen Parzellen ausgerichtet. Sie besteht aus einem Motormäher mit hydrostatischem Fahrantrieb und einem Messerbalken mit 2.5 m Arbeitsbreite. Zum Bearbeiten und Schwaden steht ein leichter Zweiachsmäher mit angehängtem Kreiselheuer sowie angebautem Bandrechen zur Verfügung. Der Zweiachsmäher kann über ein Doppelmesser-Frontmähwerk auch zum Mähen eingesetzt werden. Das Laden und Transportieren erfolgt mit einem sehr leistungsfähigen Transporter mit grossem Aufbauladegerät. Der Transporter wird mit den entsprechenden Aufbaugeräten ebenfalls zum Misten und Güllen eingesetzt. Für die hofnahen Flächen steht ebenfalls noch eine ältere Gülleverschlauchungsanlage zur Verfügung. Für was braucht der Landwirt am meisten Zeit? Die Grafik 4 zeigt es und dadurch ergibt sich auch eine bessere Planung mit realistischen Zielen. Das Pressen der Ballen macht ein Berufskollege von Moriz (Foto: FAT). 3. Lucas und Siegbert Moriz in Geisingen/Deutschland Der Betrieb liegt auf der Baar zwischen Schwarzwald, Hegau und Schwäbischer Alb auf eine Höhe von 66 m. Mit 2.5 Arbeitskräften werden rund 2 ha LN bewirtschaftet. Der Zugkraftbesatz liegt bei 12 kw/1 ha. Bedeutendster Betriebszweig ist die Milchviehhaltung. Der Herdbuchzuchtbetrieb hält 6 Fleckviehkühe mit einer Milchleistung von 75 kg/kuh und hr bei 4.3 % Fett und 3.6 % Eiweiss. Die Zwischenkalbezeit der Herde liegt bei einem hr. Alle weiblichen Kälber werden selber aufgezogen. Nicht für die Bestandsergänzung benötigte Aufzuchtrinder werden als Zuchtvieh vermarktet. Der Futterbau umfasst 11 ha mittelintensiv bis extensiv genutzte Naturwiesen. Die Bergung der Grassilage erfolgt ausschliesslich mit Grossballen. Das Pressen der Ballen erledigt ein Berufskollege. Die anderen Arbeiten (inkl. Ballen wickeln) werden eigenständig durchgeführt. Auf rund 9 ha Ackerland werden neben Futtergetreide und Silomais noch Raps, Brotweizen und Braugerste angebaut. Der Mähdrusch sowie die Silomaisernte sind an einen Lohnunternehmer vergeben. Das Strohpressen übernimmt ein Berufskollege. Zusätzlich wird noch für andere Betriebe der Pflanzenschutz ausgebracht (Einsatzfläche weitere rund 1 ha) und im Lohn Silageballen gewickelt (ca. 5 Ballen/hr). 34 UFA-Revue 1/6
Warum diese Unterschiede? In den vorliegenden Vergleich wurden bewusst drei unterschiedliche Betriebstypen einbezogen. Der schweizerische Talbetrieb wird als Betriebsgemeinschaft an einem günstigen Standort bewirtschaftet und weist niedrige Arbeitszeitbedarfswerte bzw. hohe physische Arbeitsproduktivitäten auf (Grafik 5). Der deutsche Vergleichsbetrieb wird mit weniger Arbeitskräften rationell bewirtschaftet und hat mit seiner Futterbergungsstrategie (ausschliesslich Quaderballen) eine hohe Arbeitsproduktivität (Grafik 5). Aus der Sicht der Arbeitswirtschaft besteht auf den schweizerischen Betrieben noch ein grosses Rationalisierungspotenzial. Weitergehende Analysen, vor allem in den Bereichen Melken, Fütterung und Futterbau, lohnen sich. Die Berücksichtigung der politischen Vorgaben in der Schweiz (z. B. Weidegang, Einstreu) ist dabei zwingend notwendig. Eine Reduktion des Arbeitszeitbedarfs je Kuh ist auch bei uns anzustreben, um den knappen und teuren Produktionsfaktor Arbeit optimal zu verwerten. Der Bergbetrieb zeigt ein weiteres Stück schweizerische Realität. Nicht jeder kann hohe Arbeitsproduktivitäten erreichen. Trotz Mechanisierung in der Aussenwirtschaft bleibt auf vielen Betrieben immer noch ein grosser Anteil an zeitintensiver Handarbeit übrig. In günstigen Tallagen mit ausreichenden Parzellengrössen und guter Befahrbarkeit der Böden kann der technische Fortschritt über den Lohnunternehmereinsatz genutzt werden. Im Bergbetrieb sind ebenfalls Ansätze vorhanden, um Arbeit einzusparen (z. B. hangtaugliche Rundballenpressen). Es sind aber immer noch viele Fragen offen. Hier sind Forschung und Beratung noch stark gefragt. Neben dem rationellen Einsatz des Produktionsfaktors Arbeit sind die qualitativen Aspekte auch einzubeziehen. Wem nützt eine hohe Arbeitsproduktivität, wenn dabei die Lebensqualität auf der Strecke bleibt? Schlussfolgerungen Das Optimierungspotenzial bei der Arbeit in der schweizerischen Milchviehhaltung ist noch längst nicht ausgeschöpft. Die Effizienz ist vorhanden, und international auch erkannt. Aber der Frage nach der Effektivität bei der Arbeitsorganisation und der Arbeitserledigung muss sich jeder Betriebsleiter ständig stellen. Dies bedeutet für den unternehmerischen Erfolg des Einzelbetriebes die Einführung und auch das Beibehalten eines konsequenten Selbstmanagements. Dabei werden auch die Familie und die sozialen Kontakte zwingend berücksichtigt. Es gibt auch noch ein Leben neben dem Landwirtschaftsbetrieb! Hohe Maschinenkosten schmälern die Rendite (agrafoto.com). Grafik 5: Vergleich dreier Betriebe (CH-Tal, D-Tal, CH-Berg) Arbeitszeitbedarf je Kuh und hr (AKh) 7 6 5 4 3 2 1 Melken Füttern Misten Sonderarbeiten Quelle: FAT Fachbereich Arbeitswirtschaft Kälber Futterbau Betrieb «CH-Tal» (65 Milchkühe; Milchleistung ca. 75 kg; Gesamtarbeit: 57 AKh je Kuh; Arbeitsproduktivität: 131 kg/akh) Betrieb «D-Tal» (6 Milchkühe; Milchleistung ca. 75 kg; Gesamtarbeit: 46 AKh je Kuh; Arbeitsproduktivität: 162 kg/akh) Betrieb «CH-Berg» (12 Milchkühe; Milchleistung ca. 55 kg; Gesamtarbeit: 174 AKh je Kuh; Arbeitsproduktivität: 32 kg/akh) Die schweizerische Tal-Betriebsgemeinschaft ist konkurrenzfähig und hat Optimierungspotenzial. Der Bergbetrieb ist nur eingeschränkt mit den Tallagen vergleichbar. Fokus Arbeit 25 von AGFF und Profi-Lait Die Aktivitäten von AGFF und Profi-Lait im hre 25 standen im Zeichen des Schwerpunktthemas «Fokus Arbeit». Die zunehmende Arbeitsbelastung und der damit einher gehende Druck auf die Landwirte und ihre Familien waren die aktuellen Auslöser dieser Kampagne. Die Themen Arbeit, Arbeitsbelastung, Arbeitsproduktivität und Lebensqualität, im Zusammenhang mit dem Zwang zum Wachstum und zur Erschliessung neuer Erwerbskombinationen auf den Landwirtschaftsbetrieben flossen in diverse Aktivitäten von AGFF und Profi-Lait ein: unter anderem wurde im Februar 25 ein Workshop «Arbeitsproduktivität» mit Fachleuten aus Forschung, Beratung und Praxis organisiert, verschiedene Artikel in der landwirtschaftlichen Fachpresse veröffentlicht und der Sonderpreis «Arbeit» im Rahmen des 2. Innovationswettbewerbes an der Messe Suisse Tier in Luzern vergeben. Der Fokus Arbeit wurde auch an verschiedenen Anlässen thematisiert und findet mit dem vorliegenden Merkblatt einen vorläufigen Abschluss. Aktuell und wichtig bleibt das Thema trotzdem: so werden auch in künftigen Aktivitäten von AGFF und Profi-Lait die Arbeitsbelastung auf den Betrieben und mögliche Strategien, wie diese bewältigt werden kann wieder aufgenommen. Autoren Pierre Aeby, Landwirtschaftliches Institut Grangeneuve, 1725 Posieux Matthias Schick, Agroscope FAT, 8356 Tänikon Martin Lobsiger, AGFF, 846 Zürich UFA-Revue 1/6 35