Eigenwirtschaftlichkeit

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Transkript:

Eigenwirtschaftlichkeit Aktuelles Problem: Welche Anforderungen sind an die Übernahme von Betriebsmitteln zu stellen? BAG bisher: Maßgeblich ist die Eigenwirtschaftlichkeit der Nutzung durch den Übernehmer (BAG 11.12.1997 AP BGB 613a Nr. 171) Unproblematisch bei Eigentumserwerb Problematisch bei bloßer Überlassung. Hier war darauf abzustellen, ob der Übernehmer mit den Betriebsmitteln unternehmerisch tätig werden kann, also z.b. auch am Markt auftreten kann, Wartungskosten trägt (Chancen und Risiken). BAG 11.12.1997 AP BGB 613a Nr. 171 auch solche Gebäude, Maschinen, Werkzeuge oder Einrichtungsgegenstände als sächliche Betriebsmittel zuzurechnen, die nicht im Eigentum des Betriebsinhabers stehen, sondern die dieser aufgrund einer mit Dritten getroffenen Nutzungsvereinbarung zur Erfüllung seines Betriebszwecks einsetzen kann. Wesentlich ist, daß dem Berechtigten Betriebsmittel zur eigenwirtschaftlichen Nutzung überlassen sind. Erbringt der Auftragnehmer dagegen nur eine (Dienst)Leistung an fremden Geräten und Maschinen innerhalb fremder Räume, ohne daß ihm die Befugnis eingeräumt ist, über Art und Weise der Nutzung der Betriebsmittel in eigenwirtschaftlichem Interesse zu entscheiden, können ihm diese Betriebsmittel nicht als eigene zugerechnet werden. Dr. Stefan Greiner, Universität zu Köln 1

Carlito Abler Seit EuGH 20.11.2003 NZA 2003, 1385 ist die Eigenwirtschaftlichkeit der Nutzung nicht mehr ausschlaggebend. Fremdvergabe von Catering-Aufgaben im Krankenhaus. Wechsel des Auftragnehmers. Die Kantineneinrichtung, die Eigentum des Krankenhauses ist, wird weiterbenutzt. Der EuGH bejaht einen Betriebsübergang wg. Weiternutzung der sächlichen Betriebsmittel. Das Urteil verdeutlicht, dass bereits die Nutzung der bei dem outsourcenden Unternehmen vorhandenen sämtlichen Betriebsmittel für einen Betriebsübergang ausreichen kann. Die bloße Auftragsnachfolge bleibt jedoch weiterhin ausgeklammert. Güney-Görres Sicherheitspersonal am Flughafen Düsseldorf. Bundesinnenministerium: Auftragsvergabe an privaten Sicherheitsdienst (Securicor); schließlich anderweitige Vergabe (Kötter). Luftsicherheitsgerät wird jeweils vom BMI zur Verfügung gestellt (Torsonden, Gepäckband mit automatischer Röntgensichtung, Handsonden, Sprengstoffspürgeräte. Wartung durch BMI. Securicor kündigt Mitarbeitern. Betriebsübergang Securicor > Kötter? EuGH 15.12.2005 NZA 2006, 29 Vgl. auch BAG 13.6.2006 NZA 2006, 1101 (Flughafen- Gepäckkontrolle) Dr. Stefan Greiner, Universität zu Köln 2

BAG 13.6.2006 NZA 2006, 1101 Nach der Entscheidung des EuGH [Güney Görres] spielt es keine Rolle, ob vom Auftraggeber zur Verfügung gestellte Betriebsmittel eigenwirtschaftlich vom Auftragnehmer genutzt werden können. Die genannten sächlichen Betriebsmittel sind auch unverzichtbar, denn ohne sie könnte die Streithelferin die Kontrolltätigkeiten nicht auftragsgemäß verrichten. Ihr Einsatz macht den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs aus. Die Geräte und Anlagen sind darüber hinaus auch und gerade identitätsprägend, wenn sie auf dem freien Markt nicht erhältlich sind und ihr Gebrauch vom Auftraggeber zwingend vorgeschrieben ist. Als wesentlicher immaterieller Aktivposten des (Teil-)Betriebs der Beklagten im Zeitpunkt des Übergangs ist der Auftrag mit der Bundesrepublik anzusehen. Zwar ist die reine Auftragsnachfolge nicht als Betriebsübergang anzusehen; im Rahmen der Gesamtschau spielt es jedoch eine Rolle, dass nicht andere immaterielle Aktiva für den Teilbetrieb der Beklagten wesentlich waren. Die Kundschaft der Beklagten ist auf die Streithelferin übergegangen. Bei Neuvergabe eines Auftrags besteht die Kundschaft nämlich in dem Auftraggeber, der identisch bleibt Die Tätigkeiten vor und nach dem Übergang sind ähnlich. Soweit die Streithelferin vorgetragen hat, dass sie mit anderen Schichtplänen arbeite, ist dies nicht erheblich. Die Arbeitszeitmodelle der Beschäftigten, die eine Kontrolle der Fluggäste durchführen, sind für die Identität des Betriebs nicht prägend. Ob eine in sonstiger Weise anders geartete Arbeitsorganisation einem Betriebsübergang entgegenstehen würde, kann dahinstehen, Letztlich kam es zu keiner Unterbrechung der Tätigkeit, denn die Streithelferin hat die Fluggastkontrolle am 1. Januar 2004 nahtlos übernommen. Wahrung der Identität Fortführung als eigenständiger Betrieb oder selbständiger Betriebsteil Voraussetzung für Wahrung der Identität BAG 6.4.2006 NZA 2006, 1039: Die Arbeitnehmerin war als Bistro-Stewardess im Rahmen eines Franchisevertrages zwischen ihrer Arbeitgeberin und der DB mit der Bewirtschaftung der Bistro Cafes im Interregio betraut. Der Franchisevertrag wurde nach dem Fahrplanwechsel 2002 nicht mehr fortgeführt. Mit dem Fahrplanwechsel wurden die 16 bisher von der Arbeitgeberin bewirtschafteten Interregiozüge mit Bistroabteilen durch sechs ICE- Züge mit Restaurantwagen und zehn IC-Züge mit Bistroabteilen ersetzt. Die Bewirtschaftung dieser Züge wurde einem anderen Franchisenehmer übertragen. Die Arbeitgeberin kündigt das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitnehmerin, weil der Franchisevertrag über die Dauer des gegenwärtigen Fahrplans hinaus nicht verlängert werde, so dass sie die Zugbewirtschaftung im Dezember 2002 einstellen müsse. Dr. Stefan Greiner, Universität zu Köln 3

BAG 6.4.2006 NZA 2006, 1039 Die Beklagte zu 2) hat die Bistrobewirtschaftung jedenfalls deshalb nicht übernommen, weil sie die Bewirtschaftung vollständig in ihre Organisationsstruktur eingegliedert hat, so dass innerhalb ihrer Bewirtschaftung aller ca. 800 Züge der Deutschen Bahn kein organisatorisch abgrenzbarer Betrieb oder Betriebsteil geblieben ist. Es fehlt daher an der unveränderten Fortführung der wirtschaftlichen Einheit. Mit der sofortigen vollständigen Umstrukturierung nutzt der Erwerber nicht eine im Vorgängerbetrieb vorhandene Arbeitsorganisation ( er legt sich nicht ins gemachte Bett ). Weitergeltung von TV/BV Vorrangig: Abs. 1 Satz 3: (Anwendbare) Regelung durch (ggf. anderen) TV oder BV Bei TV: Voraussetzung ist kongruente Tarifbindung von AN und Erwerber (str., hm; vgl. ErfK/Preis 613a Rn. 119). BV gilt einfach kraft Betriebszugehörigkeit. Bestehende BVen werden übernommen, wenn der Erwerber betriebsverfassungsrechtlich in die Pflichten des Veräußerers eintritt. Das soll der Fall sein, wenn die Betriebsidentität gewahrt bleibt, die wirtschaftliche Einheit, die beim BÜ ihre Identität wahrt, also zugleich eine betriebsratsfähige Einheit ( 1, 4 BetrVG) ist. Deshalb (ifd. 4 BetrVG) auch bei Betriebsteilübergang (vgl. BAG 18.9.2002 NZA 2003, 670, str.). Auffangregelung: Abs. 1 Satz 2: Transformation in Individualvereinbarung Dr. Stefan Greiner, Universität zu Köln 4

Fortgeltung von Tarifverträgen nach dem Übergang eines Betriebs(-teils) Tarifvertrag galt vor dem Übergang k o l l e k t i v r e c h t l i c h Kollektivrechtliche Fortgeltung bei beidseitiger kongruenter Tarifbindung ( 3, 5 TVG) Änderungsmöglichkeiten: Kündigung Ablauf der vereinbarten Geltungsdauer Tarifvertrag galt vor dem Übergang k o l l e k t i v r e c h t l i c h, Voraussetzungen f. kollektivrechtliche Fortgeltung (-) Individualrechtliche Fortgeltung ( 613a I 2 BGB) Verschlechterungsverbot für die Dauer eines Jahres (Änderungsvertrag/Änderungskündigung) Ausnahme 1: Beim Erwerber gilt ein anderer (Haus- oder Verbands-) Tarifvertrag ( 613a I 3 BGB) und übernommene AN sind/werden Mitglied der Gewerkschaft, die den beim Erwerber geltenden TV geschlossen hat. Ausnahme 2: Beim Erwerber gilt ein anderer (Haus- oder Verbands-) Tarifvertrag ( 613a I 4 Alt. 2 BGB) und einzelvertragliche Vereinbarung der Anwendung dieses TV. Ausnahme 3: Tarifvertrag läuft vorher wegen Ablaufs der vereinbarten Geltungsdauer aus oder hätte (bei Unterbleiben des Betriebsübergangs) gekündigt werden können ( 613a I 4 Alt. 1 BGB). Verschlechterung durch Änderungsvertrag/-kündigung vor Ablauf der Jahresfrist möglich. Dr. Stefan Greiner, Universität zu Köln 5

Tarifvertrag galt vor dem Übergang i n d i v i d u a l r e c h t l i c h (kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme) Individualrechtliche Fortgeltung ( 613a I 1 BGB) Änderungsmöglichkeiten: Änderungsvertrag oder Änderungskündigung Verschlechterungsverbot des 613a I 2 BGB gilt nicht Verbot der Änderungskündigung wegen des Betriebsübergangs ( 613a IV BGB) Unterrichtungspflicht Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer so zu informieren, dass jener sich über die Person des Übernehmers und über die in 613a Abs. 5 BGB genannten Umstände ein Bild machen kann. Er soll durch die Unterrichtung eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung seines Widerspruchsrechts erhalten. Da dies Sinn und Zweck der Vorschrift des 613a Abs. 5 BGB ist, ist es folgerichtig, den Beginn des Laufs der Widerspruchsfrist nicht nur dann zu verneinen, wenn überhaupt keine Unterrichtung erfolgt ist, sondern auch dann, wenn keine ordnungsgemäße Unterrichtung vorliegt Der Inhalt der Unterrichtung richtet sich nach dem Kenntnisstand des Veräußerers und Erwerbers zum Zeitpunkt der Unterrichtung Die erteilten Informationen müssen zutreffend sein. BAG 13.7.2006 NZA 2006, 1268 Dr. Stefan Greiner, Universität zu Köln 6

Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers, 613a VI BGB Adressat: Bisheriger Arbeitgeber (Betriebsveräußerer) oder Betriebserwerber Form: Die Erklärung des Widerspruchs hat schriftlich ( 126 I BGB) zu erfolgen Eine Begründung ist nicht erforderlich Frist: Innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach 613a V BGB Nur eine formgerechte und vollständige Unterrichtung setzt den Lauf der Widerspruchsfrist in Gang Bei fehlender, formwidriger oder unvollständiger Unterrichtung besteht das Widerspruchsrecht unbefristet Zur Fristwahrung muss der schriftliche Widerspruch des Arbeitnehmers dem bisherigen Arbeitgeber oder dem Erwerber innerhalb der Monatsfrist gem. 130 BGB zugehen. Wirkung des Widerspruchs hm: Rückwirkung (aa Rieble NZA 2004, 1) Vgl. LAG Köln 11.06.2004 (LAGE 613a BGB 2002 Nr. 5): 1. Auch nach Einfügung der Absätze 5 und 6 in 613a BGB ab 01.04.2002 hat der Widerspruch Rückwirkung. 2. Nach den Grundsätzen des faktischen Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer für die Zeit zwischen Betriebsübergang und Erklärung des Widerspruches Anspruch auf Vergütung gegen den Betriebserwerber. 3. Ein Anspruch gegen den Veräußerer aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges ist nicht gegeben. Dr. Stefan Greiner, Universität zu Köln 7

Möglichkeit einer betriebsbedingten Kündigung durch den bisherigen Arbeitgeber nach ordnungsgemäßer Ausübung des Widerspruchsrechts 1. Kündigungsverbot des 613a IV BGB 2. Kündigungsgrund i.s.d. 1 II KSchG 3. Weiterbeschäftigungsmöglichkeit i.s.d. 1 II KSchG 4. Sozialauswahl gem. 1 III KSchG Kündigungsverbot des 613a IV BGB Betriebsübergang Betriebsteilübergang Greift nicht ein, denn wesentlicher Grund der Kündigung ist nicht der Betriebsübergang als solcher, sondern die Weigerung des Arbeitnehmers, für den Erwerber zu arbeiten. Dr. Stefan Greiner, Universität zu Köln 8

Kündigungsgrund i.s.d. 1 II KSchG Betriebsübergang Betriebsteilübergang Gestaltende unternehmerische Entscheidung: Veräußerung des Betriebs/Betriebsteils Arbeitsplatz ist zukünftig beim Erwerber angesiedelt Beschäftigungsmöglichkeit beim Veräußerer ist in ihrer bisherigen Ausgestaltung dauerhaft weggefallen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit i.s.d. 1 II KSchG Betriebsübergang Betriebsteilübergang Freier Arbeitsplatz in einem anderen unternehmensangehörigen Betrieb Kündigung nicht sozial gerechtfertigt Freier Arbeitsplatz in dem beim Veräußerer verbliebenen Betriebsteil Kündigung nicht sozial gerechtfertigt Freier Arbeitsplatz in einem anderen unternehmensangehörigen Betrieb Kündigung nicht sozial gerechtfertigt Dr. Stefan Greiner, Universität zu Köln 9

Sozialauswahl gem. 1 III KSchG Betriebsübergang Betriebsteilübergang Keine Sozialauswahl erforderlich, da 1 III KSchG betriebsbezogen, aber gesamter Betrieb auf Erwerber übergegangen Sozialauswahl zwischen dem widersprechenden Arbeitnehmer und den Arbeitnehmern des beim Veräußerer verbliebenen Betriebsteils erforderlich. Wichtig: Rechtsprechungsänderung BAG 31.5.2007 NZA 2008, 33 Dr. Stefan Greiner, Universität zu Köln 10