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Transkript:

Ethik und eigene Werte in der rechtlichen Betreuung zwischen Bevormundung und Assistenz 13. Thüringer Betreuungstag - 25 Jahre Betreuungsrecht Bilanz und Perspektiven Dr. phil. Arnd T. May M.A. Krämerbrücke 33 I 99084 Erfurt Telefon +49 700 BIOETHIK (24 63 84 45) I info@ethikzentrum.de I www.ethikzentrum.de 1901 BGB Umfang der Betreuung, Pflichten des Betreuers (1) Die Betreuung umfasst alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betreuten nach Maßgabe der folgenden Vorschriften rechtlich zu besorgen. (2) Der Betreuer hat die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht. Zum Wohl des Betreuten gehört auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten. (3) Der Betreuer hat Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft und dem Betreuer zuzumuten ist. Dies gilt auch für Wünsche, die der Betreute vor der Bestellung des Betreuers geäußert hat, es sei denn, dass er an diesen Wünschen erkennbar nicht festhalten will. Ehe der Betreuer wichtige Angelegenheiten erledigt, bespricht er sie mit dem Betreuten, sofern dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft. (c) Dr. May, info@ethikzentrum.de 1

Philosophie als Suche nach der Weisheit Sokrates 469-399 v.u.z. Mäeutik = Hebammenkunst (Technik des zielführenden Fragens) Aristoteles 384-322 v.u.z Platon 428/427 348/347 v. Chr. Höhlengleichnis (von Sokrates erzählt) Kardinaltugenden Tapferkeit Besonnenheit Weisheit Gerechtigkeit Ethik Eudaimonia (Glück: gutes, gelungenes Leben) Arete (Tugend, Vortrefflichkeit, Bestzustand) Phronesis = praktische Vernünftigkeit, durch die der Handelnde in konkreten Situationen die richtige Entscheidung trifft Philosophie Logik Wissenschaft des folgerichtigen Denkens Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie Ethik Ästhetik Naturphilosophie Metaphysik Philosophie des Geistes (c) Dr. May, info@ethikzentrum.de 2

Abgrenzung Moral / Ethik MORAL ureigene Einstellung (Position) zur Frage nach der richtigen/ falschen oder guten/ schlechten Handlung oder Unterlassung. Werthaltungen, die das Handeln einer Person oder Gruppe bestimmen ANGEWANDTE ETHIK Ethik ist die analytische und/oder orientierende Reflexionstheorie moralischer und sittlicher Rechtfertigungsstrategien menschlichen Verhaltens und organisationeller Strukturen Dilemma Philippa Foot, 1967: Trolley / Weichenstellerfall Ein Straßenbahnwagen ist außer Kontrolle geraten und rast auf 5 nichtsahnende Bahnarbeiter zu. Sie stehen an einer Weiche und können den Wagen auf ein anderes Gleis leiten, auf dem aber ein Bahnarbeiter steht. Entscheiden Sie sich, die Weiche umzulegen, oder unterlassen Sie es, zu handeln? (c) Dr. May, info@ethikzentrum.de 3

Adaption des Weichenstellerfalls Automatisiertes und vernetztes Fahren, Ethikkommission 2017 Adaption des Weichenstellerfalls Automatisiertes und vernetztes Fahren, Ethikkommission 2017 (c) Dr. May, info@ethikzentrum.de 4

Adaption des Weichenstellerfalls Automatisiertes und vernetztes Fahren, Ethikkommission 2017 Formen der Ethik Ethik: Was soll ich tun? (I. Kant) Ethik Normative Ethik Metaethik Deskriptive Ethik Teleologische Ethik Deontologische Ethik Utilitarismus Tugendethik (c) Dr. May, info@ethikzentrum.de 5

Autonomie Epoche der Aufklärung auto nomos Selbstgesetzgebung Leitidee der Moderne mit antiken Bezügen Autonomie ist Ausdruck des modernen sittlichen Freiheitsbewußtseins Leitbild einer Gesellschaft mündiger Bürger, die einander wechselseitig achten und solidarisch für ihr Recht eintreten facere bonum (etwas Gutes bewirken) Immanuel Kant (1724-1804) Philosoph der Aufklärung sapere aude Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstands zu bedienen! Kategorischer Imperativ: handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde. (Immanuel Kant: AA IV, 421) Tom Beauchamp / James F. Childress Principles of Biomedical Ethics 7. Auflage 2013 Vier Prinzipien mittlerer Reichweite Respekt vor Autonomie (autonomy) Schadensvermeidung (non-maleficience) Fürsorge (beneficence) Gerechtigkeit (justice) Georgetown-Mantra (c) Dr. May, info@ethikzentrum.de 6

Technologische Entwicklungen Anatomie Anästhesie Chirurgie antiseptische Wundbehandlung Herz-Lungen-Maschine (Leipzig 1885, Marburg 1958, Charite 1960) Organtransplantation: erste HTX Dezember 1967, erfolgreiche Nierentransplantationen ab 1954 Penizillin Röntgenstrahlung Dialyse Insulin Impfstoffe Psychiatrie (Johann Chr. Reil, Halle) Arztethik Hippokratischer Eid Nürnberger Kodex 1947 Genfer Ärztegelöbnis / Deklaration von Genf Weltärztebund Bundesärztekammer Landesärztekammern (c) Dr. May, info@ethikzentrum.de 7

Pflegeethik Die Pflegende teilt mit der Gesellschaft die Verantwortung, Maßnahmen zugunsten der gesundheitlichen und sozialen Bedürfnisse der Bevölkerung, besonders der von benachteiligten Gruppen, zu veranlassen und zu unterstützen. Die Pflegende zeigt in ihrem Verhalten professionelle Werte wie Respekt, Aufmerksamkeit und Eingehen auf Ansprüche und Bedürfnisse, sowie Mitgefühl, Vertrauenswürdigkeit und Integrität. Vorsorgedokumente / Entscheidungsträger (c) Dr. May, info@ethikzentrum.de 8

Vorsorgedokumente / Entscheidungsträger Der Patient muss die nötige Urteilskraft und Willensfreiheit besitzen, um die Tragweite seiner Erklärung zu erkennen und das Für und Wider verständig gegeneinander abzuwägen. 1. Der Patient/ die Patientin = erklärter Patientenwille im Bedarfsfall vom Betreuungsgericht bestellt 2. Betreuerin/ Betreuer oder Bevollmächtigte/Bevollmächtigter 3. Ärztin/ Arzt vom Patienten beauftragt orientiert am mutmaßlichen Willen (Simon, Geißendörfer in May et al. Passive Sterbehilfe: besteht gesetzlicher Regelungsbedarf, 2002) Selbstbestimmung und Fürsorge Autonomie Fundamentalausstattung des Menschen Selbstbestimmung Manifestation der Autonomie als Entscheidung Volker Gerhardt Selbstbestimmung ist das Grundprinzip des menschlichen Lebens In ihr verwandelt der Mensch den Grundimpuls des Lebendigen überhaupt, nämlich die Selbstorganisation, in einen bewussten Umgang mit seinem eigenen Dasein. In der Selbstbestimmung kommt die Freiheit des Menschen zu ihrem praktischen Ausdruck. Gerhardt V: Selbstbestimmung in der Biopolitik, vorgänge 2006, Heft 3, 38 (c) Dr. May, info@ethikzentrum.de 9

Selbstbestimmung und Fürsorge Die Kriterien für die individuelle Bewertung einer Handlung, Entscheidung oder allgemein von Einstellungen sind unterschiedlich! Menschen besitzen die Freiheit zu unvernünftigen Entscheidungen. Ethische Fragen in der Medizin Körpermodifikationen Ästhetische Operationen Haare: Dauerwelle, Tönung, Entfernung der Locken, Einflechten von Echthaar, auszupfen, Veränderungen der Länge Wimpern: teilweise durch unechte ersetzt Korsetts, feste Mieder Haut: permanentes Make-up, Tätowierung, Durchstechung, Ohrlöcher werden erweitert, Veränderungen der Hautoberfläche durch Brandmale oder Brandmarken (Branding), Implantieren von körperfremden Materialien unter die Haut (z.b. RFID) (c) Dr. May, info@ethikzentrum.de 10

Ethische Fragen in der Medizin Sexuelle Identität Homosexualität LPartG seit 2001 Transsexualität Transgender Störung der Geschlechtsidentität Geschlechtsangleichende Operationen Intersexualität Selbstbestimmung und Fürsorge Kann ich heute wissen, was ich morgen will? Willensäußerungen als einwilligungsfähiger Mensch (t 1 ) und Äußerungen in der Krankheitsphase (t 2 )? Person in t 1 = Person in t 2 Kontinuitätstheorie Zeitpunkt t 1 Zeitpunkt t 2 Person in t 1 Person in t 2 Diskontinuitätstheorie Krankheitsphase = neue Person P 2 à Sagt ein Blick mehr als tausend Worte? Patientenverfügung als Mittel der Verlängerung der Selbstbestimmung oder Instrument der Selbstversklavung? (c) Dr. May, info@ethikzentrum.de 11

Anwendungssituationen X Unfall / akute (psychiatrische) Krise Demenz Einwilligungsunfähigkeit Endstadium tödliche Krankheit PVS / apallisches Syndrom Sterbephase 1906a Genehmigung des Betreuungsgerichts bei ärztlichen Zwangsmaßnahmen (1) Widerspricht eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff dem natürlichen Willen des Betreuten (ärztliche Zwangsmaßnahme), so kann der Betreuer in die ärztliche Zwangsmaßnahme nur einwilligen, wenn 1. die ärztliche Zwangsmaßnahme zum Wohl des Betreuten notwendig ist, um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden, 2. der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann, 3. die ärztliche Zwangsmaßnahme dem nach 1901a zu beachtenden Willen des Betreuten entspricht, (c) Dr. May, info@ethikzentrum.de 12

1906a Genehmigung des Betreuungsgerichts bei ärztlichen Zwangsmaßnahmen 4. zuvor ernsthaft, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks versucht wurde, den Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen, 5. der drohende erhebliche gesundheitliche Schaden durch keine andere den Betreuten weniger belastende Maßnahme abgewendet werden kann, 6. der zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsmaßnahme die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich überwiegt und 7. die ärztliche Zwangsmaßnahme im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus, in dem die gebotene medizinische Versorgung des Betreuten einschließlich einer erforderlichen Nachbehandlung sichergestellt ist, durchgeführt wird. 1846 ist nur anwendbar, wenn der Betreuer an der Erfüllung seiner Pflichten verhindert ist. 1906a Genehmigung des Betreuungsgerichts bei ärztlichen Zwangsmaßnahmen (2) Die Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts. (3) Der Betreuer hat die Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme zu widerrufen, wenn ihre Voraussetzungen weggefallen sind. Er hat den Widerruf dem Betreuungsgericht unverzüglich anzuzeigen. (4) Kommt eine ärztliche Zwangsmaßnahme in Betracht, so gilt für die Verbringung des Betreuten gegen seinen natürlichen Willen zu einem stationären Aufenthalt in ein Krankenhaus 1906 Absatz 1 Nummer 2, Absatz 2 und 3 Satz 1 entsprechend. (c) Dr. May, info@ethikzentrum.de 13

132g SGB V: Gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase (1) [Einrichtungen] können den Versicherten in den Einrichtungen eine gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase anbieten. Versicherte sollen über die medizinisch-pflegerische Versorgung und Betreuung in der letzten Lebensphase beraten werden, und ihnen sollen Hilfen und Angebote der Sterbebegleitung aufgezeigt werden. Ethische Fragen in der Medizin Patientenselbstbestimmung Reichsgericht 31.05.1894 [Rep. 1406/94, RGSt 25, S. 375ff.] mit dem Moment solcher Weigerung [gegen die Anwendung jedes einzelnen Heilmittels] des zurechnungsfähigen Kranken oder seiner gesetzlichen Willensvertreter erlischt auch die Befugnis des Arztes zur Behandlung und Misshandlung einer bestimmten Person für Heilzwecke. (c) Dr. May, info@ethikzentrum.de 14

Definition FEM FEM = jede Handlung oder Prozedur, die eine Person daran hindert sich an einen Ort oder eine Position ihrer Wahl zu begeben und/oder den freien Zugang zu ihrem Körper begrenzt durch irgendeine Maßnahme, die direkt am oder in unmittelbarer Nähe des Körpers angebracht ist und nicht durch die Person mühelos kontrolliert oder entfernt werden kann (Leitlinie FEM, Köpke et al. 2015, S. 21). Freiheit wagen Bettseitenschutz Bettgitter (c) Dr. May, info@ethikzentrum.de 15

Gotha, 13.09.2017 Ethische Fragen in der Medizin in vielen Lebensbereichen Patientenautonomie Rechtlicher Betreuer / Vorsorgevollmacht Patientenverfügungen FEM Geisteskrank? Ihre eigene Entscheidung! Ethische Fragen in der Medizin Welchen Tod sterbe ich? Therapiezieländerung Begleiteter Spontanverlauf Beenden / Unterlassen einer lebenserhaltenden Therapie Natürliches Sterben daheim, im Altenheim, auf der Palliativstation, im Hospiz Irreversibler Hirnfunktionsausfall (bis 2015: Hirntod) (c) Dr. May, info@ethikzentrum.de 16

Gotha, 13.09.2017 Ethische Fragen in der Medizin Sterbehilfe / Behandlungsabbruch Bundesgerichtshof 25.06.2010 (2 StR 454/09) 1. Sterbehilfe durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer begonnenen medizinischen Behandlung (Behandlungsabbruch) ist gerechtfertigt, wenn dies dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht ( 1901a BGB) und dazu dient, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen. 2. Ein Behandlungsabbruch kann sowohl durch Unterlassen als auch durch aktives Tun vorgenommen werden. Ein Behandlungsabbruch erschöpft sich nämlich nach seinem natürlichen und sozialen Sinngehalt nicht in bloßer Untätigkeit; er kann und wird vielmehr fast regelmäßig eine Vielzahl von aktiven und passiven Handlungen umfassen (...). Ethische Fragen in der Medizin Übergreifende Themen Klinische Ethikberatung Ziel ist es letztlich, Entscheidungsprozesse hinsichtlich ihrer ethischen Anteile transparent zu gestalten und an moralisch akzeptablen Kriterien auszurichten, d. h. gute Entscheidungen in guten Entscheidungsprozessen zu treffen. (c) Dr. May, info@ethikzentrum.de 17

Patientenwohl als ethischer Maßstab für das Krankenhaus, Stellungnahme 2016 Kapitel 3: Patientenwohl als ethischer Maßstab Die selbstbestimmungsermöglichende Sorge hat die Respektierung und Achtung des Patienten als Person mit eigenen Vorstellungen, Wünschen, Interessen, einer eigenen Geschichte und mit eigenen Rechten zum Ausgangspunkt und schließt an das Adhärenz-Konzept und das Modell der partizipativen Entscheidungsfindung in der Arzt-Patient- bzw. Pflegende-Patient- und Therapeut- Patient-Beziehung an. Demzufolge hat sie eine gelingende Kommunikation zur Voraussetzung, die in Inhalt, Art und bezüglich der Rahmenbedingungen auf den Patienten zugeschnitten sein muss und insbesondere in einem Konzept der informierten und selbstbestimmten Einwilligung des Patienten ihr Ziel findet. TeleEthikBeratung als Komplementärangebot Wenn keine Möglichkeit zur Ethik-Fallberatung zur Verfügung steht, dann kann TeleEthikBeratung (TEB) helfen. Projektpartner: Betreuungsverein Oschersleben (Stephan Sigusch) Zentrum für Angewandte Ethik (Arnd May) (c) Dr. May, info@ethikzentrum.de 18

TeleEthikBeratung Zielgruppe Palliativmediziner Hausärzte Hauptamtliche Betreuer Ehrenamtliche Betreuer (meist Familienangehörige) Bevollmächtigte Andere Therapieberufe TeleEthikBeratung Ablauf 1. Anfrage an E-Mail: info@teleethikberatung.de Tel. 0361 64417 500 2. Bitte geben Sie nach Möglichkeit an: Wie lautet die Fragestellung? Was ist der Konflikt? Um wen geht es? Wie sind Sie beteiligt? Wie eilig sollte die TeleEthikBeratung stattfinden? Wer soll beteiligt sein? 3. Wir nehmen Kontakt mit Ihnen auf und besprechen das weitere Vorgehen (c) Dr. May, info@ethikzentrum.de 19

TeleEthikBeratung konkret Ethik-Fallberatung wird als Videokonferenz durchgeführt ü vertrauliches Gespräch unter Beachtung des Datenschutzes ü verschlüsselte Verbindung Beratungsergebnis wird erstellt bis 31.12.2017 kostenfrei durch eine Projektförderung TeleEthikBeratung info@teleethikberatung.de / 0361 64417 500 (c) Dr. May, info@ethikzentrum.de 20

Literatur May A, Kreß H, Wagner T, Verrel T (Hg.): Patientenverfügungen. Handbuch für Berater, Ärzte und Betreuer, Heidelberg: Springer, 2015 May A, Grützmann T, Brokmann J (Hg.): Patientenverfügungen in der präklinischen Notfallmedizin. Münster: LIT-Verlag 2013 Brokmann J, Grützmann T, Pidun A, Groß D, Roissant R, Beckers S, May A: Vorsorgedokumente in der präklinischen Notfallmedizin, Anästhesist 2014 (63), 23-31 May A: Patientenvorsorge - Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht in Behandlungsentscheidungen, Sprache - Stimme - Gehör 2013 (37), 131-135 May A: Patientenverfügung, in: Gröschner R, Kapust A, Lembcke O (Hg.) Wörterbuch der Würde. München: Fink, 2013, 264-266 May A, Brokmann J: Medizinische und medizinethische Grundlagen der Vorsorgemöglichkeiten, Der Anaesthesist, 2010, 118-125 (c) Dr. May, info@ethikzentrum.de 21