Wissensmanagement. 1 Wissen. 1.1 Definition Wissen. 1.2 Information und Wissen



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Wissensmanagement 1 Wissen 1.1 Definition Wissen Wissen bedeutet nach Probst, Raub und Romhardt "... die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen. Wissen stützt sich auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesen jedoch immer an Personen gebunden". 1 1.2 Information und Wissen Die Begriffe Information und Wissen werden häufig synonym verwendet. Zur Unterscheidung der Begrifflichkeiten Zeichen, Daten Informationen und Wissen lassen sich folgende Beziehungen darstellen: 2 Zeichen sind zusammenhanglose Datenelemente, z.b. Ziffern oder Buchstaben. Daten werden durch Zeichen nach bestimmten Regeln (Syntax) dargestellt. Daten sind neutral ohne Hinweis auf einen Kontext. Informationen sind Daten, die in einem bestimmten Zusammenhang stehen, eingeordnet und verdichtet wurden. Wissen entsteht durch die Aufnahme von Informationen und deren Verarbeitung in einem Kontext, der auch aus Erfahrungen besteht. Dies macht den Umgang mit Wissen sehr aufwändig. Information kann aus zwei Perspektiven betrachtet werden: syntaktisch (Umfang) und semantisch (Bedeutung): Die Darstellung syntaktischer Information findet sich in der Analyse des Informationsflusses von Shannon und Weaver (1949). Wichtiger für die Wissensbeschaffung ist der semantische Aspekt von Information, da Information als ein Fluss von Botschaften, der im Zusammentreffen mit menschlichem Handeln verbunden ist. Sowohl Information als auch Wissen hängen vom jeweiligen Kontext ab und entstehen dynamisch aus sozialer Interaktion. 3 Wissenstypen Es existieren zahlreiche Interpretationen des Begriffs Wissen. Polanyi wies auf die Bedeutung des impliziten Wissens (tacit knowledge) hin. Damit ist gemeint, dass die menschlichen Gedanken Komponenten umfassen, die nur mittelbar, nebenbei registriert werden und dass die Denkprozesse auf dieser Basis beruhen. Das implizite Wissen ist, so Polanyi, die Grundlage des sog. objektiven Wissens. 4 Nach Nonaka und Takeuchi kann man das Wissen in explizites und implizites Wissen unterteilen. Dabei wird der Begriff des impliziten Wissens in den Mittelpunkt der Wissensschaffung im Unternehmen gestellt. Implizites Wissen ist das Wissen, das durch Erfahrung gelernt wird und indirekt durch Metaphern und Analogien mitgeteilt wird. Im Unternehmen steht dieses für das nicht niedergeschriebene Wissen, das "Wissen, das in sich in den Köpfen der Mitarbeiter befindet" und eine wertvolle Informationsressource darstellt. Sie stellen damit die unterschiedlichen Ansätze in der Unternehmensführung westlicher und japanischer Unternehmen heraus. Während sich das westliche Management am expliziten Wissen orientiert, haben japanische Manager gelernt, implizites in explizites Wissen umzuwandeln. 5 1 Probst, Raub, Romhardt 1999, S. 46 2 vgl. Davenport, Prusak 1998, S. 26 ff. 3 vgl. Nonaka, Takeuchi 1997, S. 71 4 vgl. Polanyi 1966 5 vgl. Nonaka, Takeuchi 1997 1

Die nachstehende Tabelle stellt die zwei Wissenstypen dar: Tabelle 1: Eigenschaften der zwei Wissenstypen 6 Implizites Wissen (subjektiv) Erfahrungswissen (Körper) Gleichzeitiges Wissen (hier und jetzt) Analoges Wissen (Praxis) Explizites Wissen (objektiv) Verstandeswissen (Geist) Sequentielles Wissen (da und damals) Digitales Wissen (Theorie) Wissensumwandlung Die Umwandlung von impliziten zum expliziten Wissen, so die Autoren, sei eine wesentliche Voraussetzung für die Schaffung neuen Wissens. Dabei finden verschiedene Formen der Wissensumwandlung statt: Tabelle 2: Formen der Wissensumwandlung 7 Wissensumwandlungsprozess Bezeichnung Interpretation Vom impliziten zum impliziten Wissen Sozialisation Weitergabe und Vermittlung von implizitem Wissen durch gemeinsame Erfahrungen und gemeinsames Arbeiten Vom impliziten zum expliziten Wissen Externalisierung Vorhandenes, an Einzelindividuen gebundenes implizites Wissen wird für andere nachvollziehbar, zugänglich und damit explizit gemacht Vom expliziten zum expliziten Wissen Kombination Überführung von explizitem Wissen in neues und verändertes explizites Wissen und damit die Schaffung von neuem, originärem Wissen Vom expliziten zum impliziten Wissen Internalisierung Vorhandenes, zugängliches und strukturiertes explizites Wissen wird internalisiert (personalisiert), d.h. in implizites und damit anwendungsfähiges Wissen umgewandelt 1.3 Wichtige Wissenskomponenten Wissen basiert auf der Verarbeitung von Information. Davenport und Prusak beschreiben die wichtigsten Komponenten, die die Entstehung von Wissen ausmachen: 8 Erfahrungen: Formelle und informelle Lerninhalte; vertraute Muster werden erkannt und Verbindungen zu früheren Ereignissen werden hergestellt Lebenswahrheiten: Wahrheitsgehalt real erfahrener Situationen; im Gegensatz zu theoretischen Erkenntnissen Komplexität: Wissen ist zur Bewältigung von Komplexität imstande; Wissen bewältigt Komplexität auf komplexe Weise Urteilsvermögen: Wissen beurteilt nicht nur Vergangenes, sondern ermöglicht auch Anpassung an Neues; Wissen entwickelt sich ständig weiter. Faustregeln und Intuition: Internalisierte Erfahrungen laufen ohne Bewusstwerdungsprozess automatisch ab. Wissen hat damit Geschwindigkeitsvorsprung zu bieten. Wertvorstellungen und Überzeugungen: Die Wertvorstellungen und Überzeugungen der MitarbeiterInnen haben erheblichen Einfluss auf das Wissen in Organisationen. Sie sind integrale 6 Nonaka, Takeuchi 1997, S. 73 7 in Anlehnung an Nonaka, Takeuchi 1997 8 vgl. Davenport, Prusak 1998, S. 34-44 2

Wissensbestandteile, da sie weitgehend bestimmen, was Wissensträger sehen, aufnehmen, schlussfolgern etc. 1.4 Die Wissenstreppe Wissen bildet also aus Erfahrungen, Wertvorstellungen, Kontextinformationen und Fachwissen einen Rahmen zur Beurteilung und Eingliederung neuer Erfahrungen und Informationen. Entstehung und Anwendung von Wissen finden im Kopf statt und sind damit direkt an eine Person gebunden. Der Anwendungsbezug führt zum Können, das durch Wollen zum Handeln wird. Wird kontextabhängig richtig gehandelt, dann liegt Kompetenz vor. Kompetenz führt durch Einzigartigkeit zur Wettbewerbsfähigkeit. Dieser Sachverhalt wird durch die sog. "Wissenstreppe" beschrieben. 9 Abbildung 1: Die Wissenstreppe - vom Zeichen zur Wettbewerbsfähigkeit 10 1.5 Wissen als Wettbewerbsfaktor Die Veränderung der Gesellschaft zur Wissensgesellschaft zeichnet sich nach Drucker dadurch aus, dass das Wissen als vierter Produktionsfaktor zu den zu den traditionellen Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Boden hinzugekommen ist und die wichtigste Ressource darstellt. 11 Nach Nonaka und Takeuchi gilt, dass der internationale Wettbewerb durch Wissensvorsprünge gekennzeichnet ist und Wissen damit einen Wettbewerbsvorteil darstellt. 12 1.6 Management in der Wissensschaffung Nonaka und Takeuchi erklären außerdem, dass die zwei traditionellen Führungsansätze - das hierarchische (top-down) und das partizipative (bottom-up) Management - für die Schaffung der von Unternehmenswissen notwendigen dynamischen Interaktion zu restriktiv seien. Sie propagieren ein neues Modell für die Steuerung der Wissensschaffung, das sog. "Middle-up-down-Management". Das mittlere Management, das in westlichen Unternehmen häufig entlassen wurde, spielt dabei eine zentrale 9 Mittelmann 2001 10 North 1999, S. 41 11 vgl. Drucker 1993 12 vgl. Nonaka, Takeuchi 1997, S. 18 3

Rolle, da der Wissensbeschaffungsprozess somit von der Mitte ausgeht und hierarchisch übergeordnete und untergeordnete Kräfte einbezogen werden können. 13 2 Definition Wissensmanagement Raub bezeichnet Wissensmanagement (Knowledge Management) als " die Gesamtheit der Modelle und Konzepte, welche die strategische Bedeutung von Wissen als organisationale Ressource herausarbeiten sowie Techniken und Instrumente zur bewussten Gestaltung wissensrelevanter Prozesse in Organisationen entwickeln." 14 Eine weitere Definition ist der Enzyklopädie Wikipedia entnommen: "Wissensmanagement beschäftigt sich mit den Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Wissensbasis eines Unternehmens. Unter der Wissensbasis eines Unternehmens werden alle Daten und Informationen, alles Wissen und alle Fähigkeiten verstanden, die diese Organisation zur Lösung ihrer Aufgaben in einer zunehmend komplexeren und schnelllebigeren Wirtschaft benötigt. Das Wissen innerhalb eines Unternehmens wird dabei als Produktionsfaktor verstanden, der neben Kapital, Arbeit und Boden tritt. 15 Als Vorläufer des Wissensmanagements wird die Idee des "organisationalen Lernens 16 " betrachtet, wobei das organisationale Lernen stärker theorieorientiert ist und seinen Schwerpunkt auf Organisation und Personalmanagement legt; das Wissensmanagement hingegen wird als stärker praxisorientiert wahrgenommen. Die Konzepte des Wissensmanagements analysieren die Bedeutung des Wissens auf der individuellen, der Gruppen- und der organisationalen Ebene. 17 2.1 Bausteine des Wissensmanagements Für die Prozesse des Wissensmanagements sind zahlreiche Modelle entwickelt worden. Das bekannteste ist das sog. "Bausteinmodell" nach Probst, Raub, Romhardt, das die zentralen Prozesse des Wissensmanagements aus strategischer und operativer Perspektive zusammenfasst. Den strategischen Rahmen bilden dabei die Formulierung (Definition) von Wissenszielen und die Bewertung von Wissen. Die operativen Prozesse bilden die Identifikation, Erwerb, Entwicklung, Verteilung, Nutzung und Bewahrung von Wissen und werden als "Bausteine des Wissensmanagements" bezeichnet. Da Wissen ein immaterieller Produktionsfaktor ist, gibt es größere Probleme bei dessen Management als bei den klassischen Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Boden. 18 In der nachstehenden Abbildung werden die "Bausteine des Wissensmanagements" dargestellt. 13 vgl. Nonaka, Takeuchi 1997, S. 141-148 14 Raub 2001 15 Wikipedia 2004, Stichwort: Informationsmanagement und Wissensmanagement 16 Zum "organisationalen Lernen" gehören nach Argyris und Schön: 1. das Anpassungslernen 2. das Veränderungslernen (double-loop-learning) 3. das Problemlösungslernen. - In: Organizational Learning. a theory of action perspective, 1978. - vgl. Infed 2004 17 vgl. Raub 2001, S. 3543 18 vgl. Probst, Raub, Romhardt 1999, S. 51-61 4

Abbildung 2: Bausteine des Wissensmanagements 19 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Probst, Raub, Romhardt und Raub. 20 Definition von Wissenszielen Wissensziele haben die Aufgabe, dass organisationale Lernprozesse eine Richtung erhalten und Erfolg und Misserfolg von Wissensmanagement überprüfbar gemacht werden. Die Definition von Wissenszielen kann auf normativer, strategischer oder operativer Ebene erfolgen. Im normativen Kontext geht es um die Bestimmung von Führungs- und Verhaltensregeln, die einen produktiven Umgang mit Wissen fördern. Aus strategischer Sicht steht die Bestimmung organisationalen Kernwissens (Kernkompetenzen) im Vordergrund. Beide Zielebenen lassen sich in operative Teilziele umsetzen. Unternehmenskulturelle Ziele lassen sich in Form eines Wissensleitbildes manifestieren, müssen allerdings, um überzeugend zu wirken, vom Management mitgetragen werden. Wissen identifizieren Die Identifikation von Wissen ist extern und intern von Bedeutung. Extern steht die Gewinnung von Wissen über Kunden, Lieferanten und Konkurrenten im Vordergrund. Intern geht es um die Erzielung von Transparenz über in der Organisation bestehendes Wissen. Instrumente, wie z.b. Wissenslandkarten oder sog. "Yellow Pages", die die Kompetenzen einzelner Mitarbeiter verzeichnen, werden häufig verwendet. Außerdem werden informationstechnische Lösungen zum Aufbau interner Wissensnetze und zum Austausch digitaler Texte und Graphiken und die Entwicklung sinnvolle Internet- Suchstrategien angestrebt. Wissen erwerben Wissenserwerbungsstrategien können sich auf explizites oder implizites Wissen beziehen. Explizites Wissen kann beispielsweise über den Kauf von Software, Handbüchern etc. erworben werden. Für den Erwerb impliziten Wissens spielen die Abwerbung kompetenter Mitarbeiter, der Einkauf von Experten und Beratern oder der Einbezug ehemaliger Mitarbeiter eine wichtige Rolle. Wissenserwerb zwischen Organisationen erfolgt häufig durch den Aufbau kollaborativer Strategien in Form von Joint Ventures, strategischen Allianzen, Fusionen und Akquisitionen. 19 Probst, Raub, Romhardt 1999, S. 58 20 vgl. Probst, Raub, Romhardt 1999 und Raub 2001, S. 3543-3545 5

Unterschieden wird außerdem zwischen dem Erwerb von direkt verwendbaren Wissen und der Akquisition von Wissenspotentialen, deren Nutzen erst langfristig überprüfbar ist und damit auch ein gewisses Risiko darstellt. Wissen entwickeln Wissensentwicklung ist die bewusste Produktion von intern noch nicht vorhandenen Fähigkeiten und dient dem Aufbau neuen Wissens. Es betrifft sowohl die Forschung und Entwicklungsabteilungen als auch die Bereiche, in denen Wissen für das Unternehmen erstellt wird. Implizites Wissen muss durch Externalisierung nutzbar gemacht werden. Dazu gehören Förderung der Kreativität und individueller Problemlösungskapazitäten, das Sichtbarmachen des kollektiven Wissens, die Nutzung von Wissen aus der Vergangenheit. Wissensinstrumente für die kollektive Wissensentwicklung sind beispielsweise Think Tanks, Lernarenen, Erstellung von Lessons Learning. Wissen verteilen Die Wissensverteilung ist für das Wissensmanagement von besonderer Bedeutung. Sie entscheidet über die zentralen Wettbewerbsfaktoren wie Zeit und Qualität. Die Aufgaben der Wissensverteilung lassen sich in drei Bereiche einteilen: 1. Multiplikation von Wissen durch rasche Verteilung auf eine Vielzahl von Mitarbeitern 2. Sicherung und Teilung vergangener Erfahrungen 3. Simultaner Wissensaustausch zur Entwicklung neuen Wissens Instrumente der Wissensverteilung beruhen auf organisationalen, personellen und informationstechnologischen Grundlagen. In der Informationstechnologie spielen die Nutzung von Intranet und Groupware-Applikationen eine wichtige Rolle. Auf organisationaler Ebene ist der Best-Practice-Transfer z.b. durch Bildung von Benchmarking- und Best-Practice-Teams, Best-Practice-Netzwerken und die Bewertung der Best-Practices durch interne Audits eine zentrale Aufgabe der Wissensverteilung im Unternehmen. Probleme bei der Wissensverteilung entstehen vor allem bei Macht- und Vertrauensfragen. Wissen nutzen Die effiziente Nutzung bestehenden Wissens ist Ziel von Wissensidentifikation und Wissensverteilung. Nutzerorientierung muss dabei immer im Vordergrund stehen. Dazu gehören beispielsweise eine nutzergerechte Gestaltung des Arbeitsumfeldes (z.b. Info-Centren) und die nutzergerechte Aufbereitung von Dokumenten. Wissensnutzung kann man als "Implementierungsphase" des Wissensmanagement-Prozesses bezeichnen. Hier wird das Wissen in Resultate umgewandelt. Wissen bewahren Eine wichtige Aufgabe des Wissensmanagements ist, Wissensverlusten vorzubeugen. Zentrale Wissensträger (Personen) müssen dauerhaft an die Organisation gebunden werden. Verlassen sie die Organisation, so kann die Nutzung ihres impliziten Wissens nur durch Weitervermittlung an andere Mitarbeiter oder fortgesetzten Kontakt zu ihnen gesichert werden. Der Verlust expliziten Wissens kann vor allem durch Dokumenten- und Informationsmanagement verhindert werden. Der Grad der Strukturierung eines Dokuments entscheidet über die "Erinnerungsfähigkeit". Der Wissensbewahrungsprozess kann in die Phasen Selektion, Speicherung und Aktualisierung unterteilt werden. Wissen bewerten Wissensbewertung ist eine grundlegende Voraussetzung zur Einschätzung der Effizienz von Wissensmanagement und informiert darüber, ob Wissensziele angemessen formuliert und Wissensmanagement-Maßnahmen erfolgreich durchgeführt wurden. Für die Wissensbewertung existieren In- 6

strumente, wie z.b. Indikatorensysteme. Diese richten sich neben der direkten Bewertung des sog. "intellektuellen Kapitals" auf den Einfluss organisationaler Effektivität und Effizienz aus. 3 Wissensmanagement in Bibliotheken 3.1 Bibliothekare als Wissensmakler Bibliothekare haben als "Wissensarbeiter" in langer Tradition das Know-how zum Ordnen und Auffinden von Informationen erworben und besitzen damit kompetente Voraussetzungen zur Bewältigung von explizitem Wissen, insbesondere dann, wenn es um Standardisierung, Kategorisierung und Formalisierung von Wissen und Information geht. Auf diesen bereits vorhandenen Basiskompetenzen lässt sich aufbauen und mit geeigneten Weiterqualifikationen können Bibliothekare in Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Hochschulen entscheidend dazu beitragen, das Wissensmanagement zu unterstützen. Davenport und Prusak beschreiben eine wichtige Funktion von Bibliothekaren in Unternehmensbibliotheken. Dort agieren sie häufig indirekt als Wissensmakler. Da Unternehmensbibliotheken von der gesamten Organisation genutzt werden, haben Bibliothekare Kontakte zu vielen Mitarbeitern und erfahren vieles über die im Unternehmen vorhandenen Wissensressourcen. Diese Art der Informationsvermittlung geschieht häufig informell, insbesondere dann, wenn Verbindungen zwischen Personen zur Vermittlung von Experten hergestellt werden. Häufig werden diese Fähigkeiten von Managern unterschätzt. Eine Ursache dafür liegt darin, dass der Gewinn für das Unternehmen, den sie durch ihre Vermittlung erzeugt haben schwer zu bemessen ist, da informelle Werte in der traditionellen Buchhaltung nicht mit Kennziffern erfasst werden können. 21 In einer anderen Publikation nennen die Autoren weitere Ursachen: Bibliotheken agieren häufig nach heute nicht mehr zeitgemäßen Konzepten ("Warehouse model"), indem sie ihre Arbeitsschwerpunkte auf das klassische Sammeln und Erschließen von Publikationen legen. Die Autoren fordern eine stärkere Beteiligung der Bibliotheken im Wissensmanagement sowie ein neues Selbstverständnis der Bibliothekare. Sie stellen ein neues Modell ("Network-model") vor und geben Empfehlungen, wie die zukünftigen Tätigkeiten von "Information professionals aussehen sollten. Die Empfehlungen konzentrieren sich vor allem auf die Informationsvermittlung. Einerseits müssen das Wissen und die Erfahrung der Mitarbeiter genutzt und vermittelt werden, anderseits sollten Bibliothekare Aktivitäten zur Filterung und Verteilung wichtiger Informationen unternehmen. Dazu gehören z.b. Push-Dienste, Current-Awareness-Dienste. Weitere Empfehlungen konzentrieren sich auf den Auf- und Ausbau von Netzwerken und die Entwicklung von Informationsarchitekturen. Als letzten Punkt betonen die Autoren, dass der Unternehmensführung Notwendigkeit und Nutzen von Informationsdienstleistungen immer wieder verdeutlicht werden müssen. 22 3.2 Vermittlung von Informationskompetenz Einen anderen Ansatz vertritt Koenig. Wissensmanagement in Bibliotheken bedeutet seiner Ansicht nach vor allem die Vermittlung von Informationskompetenzen an die Nutzer. Er stellt fest, dass Manager und wissenschaftlich tätige Personen für die Informationsbeschaffung nur ca. 20-25% ihrer Arbeitszeit aufwenden. Die Ursache liegt einerseits am Zeitmangel, anderseits an dem Gefühl, nach einer bestimmten Recherchezeit genügend Informationen gefunden zu haben. Die Art der gefundenen Informationen spielt dann nur noch eine untergeordnete Rolle. Die offensichtliche Notwendigkeit von 21 vgl. Davenport, Prusak 1998, S. 73-78 22 vgl. Davenport, Prusak 1993 7

Benutzerschulungen, aber auch von Kommunikation, vom Browsing und Serendipity bei der Informationsbeschaffung werden klar herausgestellt. 23 In einer Tabelle veranschaulicht Koenig, dass das Gebiet des Wissensmanagements in Bibliotheken in Bezug auf die Vermittlung von Informationskompetenz sehr weit gefächert ist. Gleichzeitig werden damit die neuen Aufgaben und Anforderungen an die Bibliothekare herausgestellt. Tabelle 3: Gebiete der Wissensmanagementstrategien im Hinblick auf die Vermittlung von Informationskompetenzen 24 Direkte, gezielte Informationssuche Exploit (verwerten) Browsing, Serendipity (zufällig gefundene Informationen) Explore (erforschen) Kodifizierung (Sammeln) Interne und externe Datenbanken Informationsarchitektur Informationsservice, -dienstleistungen Best practices, lessons learned HARVEST (Sammeln) Unternehmenskultur Current Awareness Datenbanken Alerting Services Datamining Best practices PULL HUNTING ("jagen") Personalisierung Findmittel, Anleitungen Current Awareness Schulungen Groupware PUSH HARNESS (Nutzbarmachung) Unternehmenskultur Orte der Kommunikation (Bibliothek, Info-Center) Virtuelle Treffpunkte (Chats, Foren) Tagungen, Dienstreisen Brainstorming HYPOTHESIZE Seine Empfehlungen lauten deshalb: Vermittlung von Informationskompetenz für die Benutzer Schulungsprogramme an die Benutzerbedürfnisse anpassen Praktische Nutzerschulung direkt an den entsprechenden Datenbanken anstelle theoretischer Ausführungen Als Ansprechpartner für Hilfestellung während der Recherche zur Verfügung stehen Auf Wunsch weitere Recherchen durchführen Informationsumgebungen schaffen, die insbesondere das Browsing und Serendipity erleichtern Förderung der Kommunikation 23 vgl. Koenig, 2001 24 in Anlehnung an Koenig, 2001, S. 145 8

4 weiterführende Quellen 4.1 Links Competence Center zum Thema Wissensmanagement http://www.competence-site.de/wissensmanagement.nsf Community of Knowledge http://www.community-of-knowledge.de/ Cominfo 2004 http://www.cominfo2004.de/ 4.2 Fachzeitschriften Wissensmanagement - das Magazin für Führungskräfte http://www.wissensmanagement.net/ Electronic Journal of Knowledge Management http://www.ejkm.com/index.htm 9

5 Literatur- und Quellenangaben Anmerkung: Alle Links sind am 09.05.04.2004 auf Aktualität geprüft worden. 1. [Davenport, Prusak 1993] Davenport, Thomas; Prusak, Laurence : Blow up the corporate library. - 1993. In: Knowledge management : libraries and librarians taking up the challenge / ed. by Hans- Christoph Hobohm. - München : Saur, 2004. - (IFLA publications ; 108). - S. 11-19 2. [Davenport, Prusak 1998] Davenport, Thomas; Prusak, Laurence: Wenn Ihr Unternehmen wüßte, was es alles weiß... : das Praxisbuch zum Wissensmanagement. - Landsberg/Lech : mi, Verl. Moderne, Industrie, 1998 Orig.-Ausg.: Working knowledge, 1998 3. [Drucker 1993] Drucker, Peter: Die postkapitalistische Gesellschaft. - Düsseldorf [u.a.] : Econ- Verl., 1993 4. [Infed 2004] Infed: the encyclopedia of informal education, 2004: "Chris Argyris: theories of action, double-loop learning and organizational learning" http://www.infed.org/thinkers/argyris.htm 5. [Koenig 2001] Koenig, Michael: Knowledge management, user education, and librarianship. - 2001. In: Knowledge management : libraries and librarians taking up the challenge / ed. by Hans- Christoph Hobohm. - München : Saur, 2004. - (IFLA publications ; 108). - S. 137-150 6. [Mittelmann 2001] Mittelmann, Angelika: Wissensmanagement. - 2001 http://www.artm-friends.at/am/km/km-d/km-index-d.html 7. [Nonaka, Takeuchi 1997] Nonaka, Ikujiro; Takeuchi, Hirotaka: Die Organisation des Wissens : Wie japanische Unternehmen eine brachliegende Ressource nutzbar machen. - Frankfurt am Main : Campus-Verl., 1997 Orig.-Ausg.: The knowledge-creating company, 1995 8. [North 1999] North, Klaus: Wissensbasierte Unternehmensführung : Wertschöpfung durch Wissen. - 2. Aufl. - Wiesbaden : Gabler, 1999 9. [Probst, Raub, Romhardt 1999] Probst, Gilbert; Raub, Steffen; Romhardt, Kai: Wissen managen: Wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen. - 3. Aufl. - Wiesbaden : Gabler, 1999. 10. [Polanyi 1966] Polanyi, Michael: Implizites Wissen. - 1. Aufl. - Frankfurt am Main : Suhrkamp, 1985 Orig.-Ausg.: The tacit dimension, 1966 11. [Raub 2001] Raub, Steffen: Wissensmanagement. In: Gabler-Wirtschafts-Lexikon. - 15., vollständig überarb. und aktual. Aufl. Wiesbaden : Gabler, 2001. 8. - V-Z. - S. 3543-3546 12. [Wikipedia 2004] Wikipedia : Die freie Enzyklopädie Abschnitt: Informationsmanagement und Wissensmanagement, 2004 http://de.wikipedia.org/wiki/informationsmanagement_und_wissensmanagement 10