Nr. 3. Susanne Dettmer und Adelheid Kuhlmey

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Transkript:

Berichte aus dem Arbeitsbereich Ausbildungs- und Professionsforschung am Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft an der Charité - Universitätsmedizin Berlin Nr. 3 Karriere- und Lebensplanung angehender Ärztinnen und Ärzte. Ergebnisse einer Befragung von Studierenden der Humanmedizin im Praktischen Jahr (KuLM-Studie) Susanne Dettmer und Adelheid Kuhlmey 2009

Karriere- und Lebensplanung angehender Ärztinnen und Ärzte Susanne Dettmer & Adelheid Kuhlmey Einleitung Angesichts der Diskussion um einen drohenden Ärztemangel in Deutschland und angesichts tief greifender struktureller Veränderungen im Gesundheitssystem kommt der beruflichen Laufbahnplanung junger Ärztinnen und Ärzte eine hohe versorgungs- und berufspolitische Relevanz zu. Um die Einflussfaktoren auf die Laufbahnplanung angehender Ärztinnen und Ärzte zu untersuchen, wird am Institut für Medizinische Soziologie der Charité - Universitätsmedizin Berlin eine prospektive Längsschnittuntersuchung zur Karriere- und Lebensplanung in der Medizin (KuLM-Studie) durchgeführt. In die Studie einbezogen werden Studierende der Humanmedizin an der größten Medizinischen Fakultät Deutschlands vom Beginn ihrer Ausbildung bis zum Studienabschluss sowie angehende Absolventen über den Zeitraum ihres Berufseinstiegs und ihrer fachlichen Spezialisierung. Im Mittelpunkt dieses Beitrags stehen die Ergebnisse der ersten Querschnittserhebung der angehenden Absolventen (n=239). Es wurden Medizinstudierende einbezogen, die sich zum Zeitpunkt der Erhebung im Praktischen Jahr (PJ) befanden bzw. die ihr PJ bereits abgeschlossen hatten und unmittelbar vor ihrem letzten Staatsexamen standen. Die Daten wurden in standardisierter Form im Rahmen einer Online-Befragung erhoben. Frauen sind in der Stichprobe mit 63,2% vertreten. Das durchschnittliche Alter der Befragten beträgt 28 Jahre. Ein Vergleich der Teilnehmerstichprobe mit der Gesamtpopulation der PJ-ler ergab keine Abweichungen hinsichtlich der Merkmale Geschlecht, Alter und Abiturdurchschnittsnote. Die Ergebnisse dieser Erstbefragung bilden im Sinne einer Bestandsaufnahme gleichzeitig den Ausgangspunkt für die geplanten Folgebefragungen der angehenden Ärztinnen und Ärzte. 1. Berufliche Zukunftsplanung Planung der Facharztausbildung Die Facharztausbildung ist ein wesentlicher Aspekt der ärztlichen Laufbahnplanung. Eine Weiterbildung zum Facharzt bzw. zur Fachärztin ist die Voraussetzung für eine spätere Niederlassung in der ambulanten Patientenversorgung. Auch für andere Karrierepfade wie z.b. für die klinische Laufbahn (Aufstieg zum Oberarzt und Chefarzt) ist die fachärztliche Weiterbildung notwendige Voraussetzung. In den klinischen Fächern ist die Facharztausbildung außerdem notwendig, um habilitieren zu können und somit Voraussetzung für eine Universitätskarriere. Entsprechend der Bedeutung eines Facharztabschlusses für die ärztliche Laufbahnentwicklung streben 93,2% der PJ-ler an der Charité Universitätsmedizin Berlin eine Facharztausbildung an. Das favorisierte Facharztgebiet ist die Innere Medizin. Insgesamt etwa ein Fünftel der Befragten streben in erster, zweiter und dritter Wahl eine internistische Weiterbildung an (1. Wahl: 21,9%; 47 von 215 Nennungen). Die Plätze zwei und drei der Erstwahl 1

belegen die Kinderheilkunde (14,9%) und die Neurologie (8,8%). Die Plätze zwei und drei der Zweitwahl belegen die Chirurgie (14,3%) und die Anästhesiologie (11,2%). Die Plätze zwei und drei der Drittwahl belegen die Allgemeinmedizin (13,6%) und die Anästhesiologie (11,3%) - (Abb. 1 3). Abbildung 1 (n=215) Facharztrichtung 1. Wahl 3 2 21,9% 14,9% 1 8,8% 8,4% 7,9% 7,0% 4,7% 4,2% Innere Medizin Kinderheilkunde Psychiatrie Neurologie Chirurgie Gynäkologie Allgemeinmedizin Anästhesiologie Abbildung 2 (n=196) Facharztrichtung 2. Wahl 3 23,5% 2 1 14,3% 11,2% 10,2% 7,1% 6,1% 4,6% 4,6% Innere Medizin Chirurgie Anästhesiologie Allgemeinmedizin Kinderheilkunde Neurologie Psychiatrie Radiologie Abbildung 3 (n=177) Facharztrichtung 3. Wahl 3 2 1 18,1% 13,6% 11,3% 7,3% 7,3% 5,6% 5,1% 5,1% Innere Medizin Neurologie Allgemeinmedizin Anästhesiologie Kinderheilkunde Chirurgie Orthopädie Psychiatrie 2

Die drei am häufigsten gewünschten Facharztgebiete der Frauen sind bei der Erstwahl die Innere Medizin (20,1%), die Kinderheilkunde (17,9%) und die Gynäkologie (12,7%). Die Männer favorisieren hier die Innere Medizin (24,7%), die Chirurgie (11,1%) und die Kinderheilkunde (9,9%) - (Abb. 4). Abbildung 4 Facharztrichtung 1. Wahl Top 3 nach Geschlecht 3 2 1 20,1% 17,9% 12,7% 24,7% 11,1% 9,9% Innere Medizin Innere Medizin Chirurgie Kinderheilkunde Gynäkologie Kinderheilkunde Weiblich Männlich Das wichtigste Motiv für die Wahl des Facharztgebietes ist die Entsprechung des Faches mit den eigenen Fähigkeiten und Interessen (W: 8; M:83,2%), das zweitwichtigste Motiv sind positive Erfahrung mit dem Fach (W: 53,9%; M: 53,7%). Auf Platz drei findet sich bei weiblichen Studierenden die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (W: 26,1%) und bei männlichen Studierenden die Zukunftsträchtigkeit des Fachgebietes (M: 4). Somit geben doppelt so viele Männer wie Frauen (19,9%) die Zukunftsträchtigkeit des Fachgebiets als Beweggrund an (p=.000) (Abb. 5). Abbildung 5 8 4 Die drei am häufigsten genannten Beweggründe für die Wahl des Facharztgebietes nach Geschlecht 8 Entspricht eigenen Fähigkeiten & Interessen 83,2% 53,9% 53,7% 26,1% 4 Positive Erfahrung Vereinbarkeit Beruf & Familie Entspricht eigenen Fähigkeiten & Interessen Positive Erfahrung Zukunftsträchtig Weiblich Männlich Eine insgesamt eher untergeordnete Rolle bei den Motiven für das Facharztgebiet spielen hervorragende Verdienstmöglichkeiten und das Prestige des Gebiets, wobei sich auch hierbei Frauen und Männer sehr deutlich unterscheiden: Während nur 4,2% der Frauen den Verdienst und 3,0% das Prestige als Beweggrund benennen, tun dies etwa 10% der Männer (Verdienst: 9,5%, p=.091/ Prestige: 12,6%, p=.003). 3

Vorstellungen zu zukünftigen Tätigkeitsbereichen und Arbeitszeiten Knapp die Hälfte der Studierenden strebt die Anstellung in einem Klinikum oder Krankenhaus an (45,5%), fast ebenso viele die Selbständigkeit in eigener Praxis, Gemeinschaftspraxis oder in einem Medizinischen Versorgungszentrum (4). Jeweils etwas mehr als ein Viertel der Befragten wünscht sich die Anstellung in einer Praxis oder einem Medizinischen Versorgungszentrum (26,2%), sowie eine Kombination aus Anstellung in einer Klinik und selbständiger ambulanter Tätigkeit (29,2%). Eine Anstellung in einer Forschungseinrichtung ohne Krankenversorgung favorisieren 6,2% der Studierenden, 5,5% sind noch unentschlossen. Etwa ein Siebtel der angehenden Ärztinnen und Ärzte plant die Anstellung in einer universitären oder außeruniversitären Forschungseinrichtung. Alternative Tätigkeitsfelder (unter Sonstiges subsumiert) wie (Pharma-) Industrie, Gesundheitsmanagement, Öffentliches Gesundheitswesen, Journalismus/Verlagswesen) - erreichen lediglich Werte im unteren einstelligen Prozentbereich (Abb. 6). Abbildung 6 (Mehrfachnennungen) 5 25,0% 4 Selbständig in Praxis, Gemeinschaftspraxis, MVZ In welchem Beschäftigungsverhältnis würden Sie später am Liebsten arbeiten? 26,2% Angestellt in Praxis oder MVZ 45,4% Angestellt in Klinikum oder Krankenhaus 29,2% Angestellt stationär und selbständig ambulant 8,5% Angestellt in einem Unternehmen 6,2% 5,0% 5,5% Angestellt in Forschungseinrichtung (ohne Krankenversorgung) Sonstiges Weiss noch nicht Eine wichtige Rolle für das Gesundheitssystem eines Landes spielt die Planung der angehenden Ärztinnen und Ärzte, zukünftig im Ausland zu arbeiten. In der Gruppe der befragten PJler an der Charité Universitätsmedizin Berlin geben mehr als ein Drittel der Befragten (36,9%) an, eine Tätigkeit im Ausland zu planen. Annähernd die Hälfte der Befragten ist dagegen noch unsicher (46,1%) und lediglich 17% planen derzeit keine Auslandstätigkeit (Abb. 7). 4

Abbildung 7 (n=225) Planen Sie eine Tätigkeit im Ausland? 4 36,9% 46,1% 2 17,0% Ja Weiss noch nicht Nein Die beliebtesten Länder für eine Auslandstätigkeit sind für die befragten angehenden Ärzte und Ärztinnen die Schweiz mit 14,5% der insgesamt 165 Nennungen, dicht gefolgt von Großbritannien mit 13,9%. Es folgen die USA, Schweden und Frankreich mit jeweils unter 10% (Abb. 7). Die beliebteste Region ist Europa mit 82,4% der Nennungen. Mit einigem Abstand folgen der englischsprachige Raum (38,2%), Skandinavien (2), Nordamerika (15,2%) sowie Australien/Neuseeland (7,3%). Abbildung 8 (n=165; Mehrfachnennungen) In welchem anderen Land würden sie später gerne arbeiten? (Top 5, Land) 2 14,5% 13,9% 1 9,7% 7,3% 6,1% Schweiz England / GB USA Schweden Frankreich Die drei am häufigsten angegebenen Gründe für das Interesse an einer Tätigkeit im Ausland sind die Vergütung (43,1%), die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (38,1%) und die Arbeitszeiten (37,3%). Ebenfalls häufig genannt werden die Charakteristika des Landes (33,5%) und die Organisationsstruktur (3). Auf die Gesundheitspolitik entfallen 16,2% der Nennungen. Humanitäres Engagement. Humanitäres Engagement spielt in 11,5% der Fälle eine entscheidende Rolle. Von nachrangiger Bedeutung sind für die Befragten das Prestige (5,0%) und die eigene Herkunft, bzw. verwandtschaftliche Beziehung (4,6%). Unter Sonstiges werden am häufigsten die Ausbildungsqualität (33,3%), private Gründe, wie z. B. eine Partnerschaft (23,8%), sowie eine positive Erfahrung genannt (Abb. 9). 5

Abbildung 9 (Mehrfachnennungen) 4 2 Warum würden Sie später gerne im Ausland arbeiten? 43,1% 38,1% 37,3% 33,5% 3 Vergütung Vereinbarkeit Beruf & Familie Arbeitszeiten Charakteristika des Landes Organisationsstruktur, Arbeitsklima 4 2 16,2% Gesundheitspolitik 11,5% 5,0% 4,6% 8,8% Humanitäres Engagement Prestige Herkunft/ Verwandtschaft Sonstiges Die Länge der Arbeitszeiten ist ein wichtiger Bestandteil der späteren Arbeitsbedingungen für angehende Ärztinnen und Ärzte. Sie wurden gefragt, welche wöchentliche Arbeitszeit sie sich in den ersten Berufsjahren wünschen und welche Arbeitszeit sie tatsächlich erwarten. Bei den Arbeitszeitwünschen ergab sich im Durchschnitt eine Arbeitszeit von 40,5 Wochenarbeitsstunden (Standardabweichung: 9,38 Stunden). Die erwartete Arbeitszeit ist jedoch wesentlich höher: sie wird im Schnitt mit 53,3 Wochenarbeitsstunden angegeben (Standardabweichung: 19,97 Stunden). Dabei unterscheiden sich Männer und Frauen in ihren Einschätzungen nicht. Abbildung 10 Gewünschte und erwartete Arbeitszeit (Stunden/Woche) 60 40 40,5 53,3 20 0 Arbeitszeit gewünscht Arbeitszeit erwartet 6

2. Einschätzungen und Bewertungen zum Gesundheitssystem Ein wichtiges Anliegen der Befragung war auch die Erhebung eines Stimmungsbildes zu den Reformen im Gesundheitswesen sowie die Erhebung eventueller Einflüsse des Gesundheitssystemwandels auf die Karriereplanung. Zunächst stellte sich die generelle Frage des Interesses an Politik. Solch ein Interesse geben signifikant mehr Männer als Frauen an (W: 33,8%; M: 54,5%; p=.001). Speziell für gesundheitspolitische Fragen interessieren sich gut die Hälfte der Befragten (W: 50,3%; M: 59,1%) (Abb.11). Für rund ein Viertel der Frauen und etwa ein Sechstel der Männer kommt es darauf an, ob sie selbst von den gesundheitspolitischen Entscheidungen betroffen sind hier zeigt sich eine Tendenz (W: 25,8%; M: 15,9%; p=.051). Nur eine Minderheit beschäftigt sich nicht mit gesundheitspolitischen Fragen. Insgesamt 5,0% weil sie davon ausgehen, dass sie sowieso keinen Einfluss auf politischen Entscheidungen haben, weitere 7,1% weil sie sich nicht für Politik interessieren. Abbildung 11 (Mehrfachnennungen) 6 4 2 Beschäftigen Sie sich mit gesundheitspolitischen Fragen? 59,1% 50,3% Ja - Gesundheitspolitik ist für mich als Arzt relevant 33,8% 54,5% Ja - Generelles Interesse an Politik 4,0% 6,8% Nein - Kein Einfluss auf politische Entscheidungen 6,0% 9,1% Nein - Kein Interesse an Politik 25,8% 15,9% Es kommt darauf an, ob ich selbst betroffen bin 5,3% 2,3% Sonstiges Weiblich Männlich Die Pauschalbewertung der aktuellen Reformen des Gesundheitssystems wird von Frauen und Männern sehr unterschiedlich vorgenommen: Frauen beurteilen die Reformen signifikant schlechter als Männer (W: 61,8%; M: 46,3%; p=.000). Ein positives Urteil geben sogar nur 0,7% der Frauen und 12,2% der Männer ab. Neutral bewerten rund zehn Prozent der Frauen und ein Fünftel der Männer die Reformen (W: 11,1%; M: 20,7%). Dass es so wie bisher einfach nicht weitergehen kann, finden 15,3% der Frauen und 12,2% der Männer. Weiß nicht sagen 11,1% der Frauen und 8,5% der Männer (Abb. 12). 7

Abbildung 12 (n=226; p=.000) Wie bewerten Sie die aktuellen Reformen des Gesundheitssystems? 8 6 4 2 61,8% 46,3% 12,2% 11,1% 20,7% 15,3% 12,2% 11,1% 8,5% 0,7% Vorw iegend positiv - Chance für Verbesserung Vorw iegend negativ - Verschlechterung Neutral - Keine w esentliche Veränderung So w ie bisher kann es einfach nicht w eitergehen Weiss nicht Weiblich Männlich Als Auswirkung der aktuellen Entwicklungen im Gesundheitssystem sehen 43,9% der Befragten keine direkten Einflüsse auf ihre beruflichen Pläne. Etwas mehr als ein Viertel zieht einen Wechsel des Studienfaches in Betracht (27,2%). 40,2% beziehen zumindest alternative Tätigkeitsfelder wie Journalismus oder die Pharmazeutische Industrie in ihre beruflichen Pläne mit ein. Bemerkenswert ist, dass sich mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen im Gesundheitssystem für mehr als die Hälfte der Befragten die Wahrscheinlichkeit einer späteren Tätigkeit im Ausland erhöht (59,0%). Gleichwohl geben nur 7,9% der Befragten an, sich in ihren beruflichen Plänen verunsichert zu fühlen. Zwischen den Geschlechtern zeigen sich hierbei keine Unterschiede (Abb. 13). Abbildung 13 (Mehrfachnennungen) 6 4 2 Wenn Sie an die aktuellen Entwicklungen im Gesundheitssystem denken, dann... 58,9% 59,1% 45,0% 42,0% 29,5% 37,7% 44,3% 25,8% 11,4% 6,0% 4,6% 5,7%...verunsichert Sie das in Ihren beruflichen Plänen beinflusst das nicht Ihre beruflichen Pläne überlegen Sie das Studienfach zu w echseln denken Sie auch über alternative Tätigkeitsfelder nach w ird eine spätere Tätigkeit im Ausland w ahrscheinlicher Sonstiges Weiblich Männlich 3. Das Verhältnis von Berufs- und Privatleben und private Zukunftsplanung Für die überwiegende Mehrheit der Befragten ist eine Balance zwischen beruflichem und privatem Lebensbereich von großer Wichtigkeit für ihre zukünftige Lebensgestaltung. Fast zwei Drittel der Befragten nehmen an, dass Ihnen das Privatleben genauso wichtig sein wird, wie der berufliche Lebensbereich (62,2%). Etwa ein weiteres Drittel geht sogar davon aus, dass der private Lebensbereich eine größere Bedeutung haben wird als der berufliche Lebensbe- 8

reich (31,7%). Dass umgekehrt der Beruf wichtiger sein wird als das Privatleben nehmen dagegen nur 6,1% der Befragten an, wobei es überraschenderweise keine signifikanten Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt (Abb. 14). Abbildung 14 (n=230) 8 6 4 Wie wichtig wird Ihnen später vermutlich der berufliche im Vergleich zum privaten Lebensbereich sein? 31,7% 62,2% 2 6,1% Variante A: Beruflich > Privat Variante B: Privat > Beruflich Variante C: Beruflich = Privat Als ein wichtiger Aspekt der privaten Zukunftsplanung wurde außerdem die Familienplanung thematisiert. 87,7% der angehenden Ärztinnen und Ärzte wünschen sich Kinder. Noch unentschieden sind 8,7% und keinen Kinderwunsch geben lediglich 3,7% der Befragten an (Abb. 15). Im Schnitt wünschen sich die angehenden Ärztinnen und Ärzte 2,3 Kinder. Abbildung 15 (n=219) Möchten Sie später (weitere) Kinder haben? 10 8 87,7% 6 4 2 8,7% 3,7% Ja Weiss noch nicht Nein Als günstigen Zeitpunkt für die Geburt nennen die Befragten mehrheitlich den Zeitraum direkt nach dem Studium (64,9%). Ein Zehntel plant die Geburt(en) während der Facharztausbildung (10,1%) und 6,7% der Befragten möchten die Kinder noch während des Studiums bekommen. Einen anderen Zeitpunkt ziehen 13,0% der Befragten in Betracht (Abb. 16). 9

Abbildung 16 (n=208) 8 6 4 2 Welchen Zeitpunkt ziehen Sie für die Geburt(en) in Erwägung? 6,7% Während des Studiums 64,9% Direkt nach dem Studium 10,1% Während der Facharztausbildung 5,3% 13,0% Anderer Zeitpunkt Die Betreuung der Kinder würde rund die Hälfte der Befragten gerne gleichberechtigt mit dem Partner übernehmen (53,6%). Ein Drittel plant, Betreuungsangebote zu nutzen (33,0%). Nur eine Minderheit gibt an, die Betreuung der Partnerin/dem Partner überlassen zu wollen (6,2%), wobei sich hierbei ein tendenzieller Geschlechterunterschied zeigt: mehr Männer als Frauen wollen die Betreuung der Kinder der Partnerin/dem Partner überlassen (W: 2,2%; M: 13,7%; p=.014). Die Betreuung der Kinder selbst zu übernehmen planen lediglich 3,8% der Befragten (Abbildung 17). Abbildung 17 (n=209; p=.014) Betreuung der Kinder nach Geschlecht 6 4 2 55,1% 50,7% 34,6% 30,1% 5,1% 1,4% 13,7% 2,2% 2,9% 4,1% Betreuung selbst übernehmen Partner/in übernimmt Betreuung Nach Abschluss der Facharztausbildung Gleichberechtigt mit Partner/in Betreuungsangebote nutzen Sonstiges Weiblich Männlich Für die zukünftige Lebensgestaltung sind die persönlichen Ziele von zentraler Bedeutung. Als wichtigste persönliche Zielsetzungen werden von den Befragten die Facharztausbildung (20,6%), der erfolgreiche Studienabschluss (19,8%) und die berufliche Entwicklung (15,9%) genannt (Abb. 18). 10

Abbildung 18 (n=252) Wichtigste Zielsetzung 3 2 20,6% 19,8% 15,9% 14,7% 1 8,7% Facharztausbildung Studienabschluss Berufliche Entwicklung Partnerschaft & Familie Promotion Bei den Zielsetzungen mit der zweitwichtigsten Priorität erfolgt an erster Stelle eine Verschiebung hin zum privaten Lebensbereich. Hier werden Ziele benannt, die sich auf Partnerschaft und Familie beziehen (mit 26,1% aller Nennungen). An zweiter Stelle finden sich Ziele zur beruflichen Entwicklung (20,2%) allgemein und speziell zur Facharztausbildung (15,0%) (Abb. 19). Abbildung 19 (n=253) Zweitwichtigste Zielsetzung 3 2 1 26,1% 20,2% 15,0% 9,5% 8,3% Partnerschaft & Familie Berufliche Entwicklung Facharztausbildung Work-Life- Balance / Gesundheit Promotion Noch stärker im Fokus sind die privaten Interessen bei den drittwichtigsten Zielsetzungen. Auf Platz eins finden sich wiederum Partnerschaft und Familie (25,0%), gefolgt von beruflicher Entwicklung (18,2%) und Work-Life-Balance/Gesundheit auf Platz drei (16,5%) (Abb. 20). Abbildung 20 (n=253) Drittwichtigste Zielsetzung 3 2 1 25,0% 18,2% 16,5% 12,5% 10,1% Partnerschaft & Familie Berufliche Entwicklung Work-Life- Balance/ Gesundheit Facharztausbildung Freunde/ Hobbies 11

4. Zusammenfassung und Fazit Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass die antizipierte Unzufriedenheit mit den ärztlichen Arbeitsbedingungen sehr hoch ist. Ferner wird deutlich, dass die tendenziell negative Einschätzung der Reformen im Gesundheitssystem auch Auswirkungen auf die Zukunftsplanung der angehenden Absolventen hat. Ein unerwartet hoher Anteil von knapp 60% der Befragten erwägt eine spätere ärztliche Tätigkeit im Ausland. Zudem beschäftigen sich in Anbetracht der Reformen 40 % der PJ-ler mit der Option, nicht in der Gesundheitsversorgung, sondern in anderen Branchen tätig zu werden (vgl. Abb.13). Gleichwohl strebt die große Mehrheit (93,2%) der PJ-ler zunächst eine Facharztausbildung an. Auch der Anteil derjenigen, die sich eine kurative Tätigkeit im ambulanten und/oder stationären Bereich wünschen, ist sehr hoch lediglich um die 10% planen zum Erhebungszeitpunkt eine reine Forschungstätigkeit (ohne Patientenversorgung) und die Rate derjenigen, die sich eine Beschäftigung in alternativen Tätigkeitsbereichen wünschen, liegt im unteren einstelligen Prozentbereich (vgl. Abb. 6). Wie wichtig die Vereinbarkeit von beruflichem und privatem Lebensbereich für die jungen Medizinerinnen und Mediziner ist, spiegelt sich nicht nur in den Motiven für eine Auslandstätigkeit wider, sondern auch in der Gewichtung der Lebensbereiche. Für gut 62% der PJ-ler ist der private Lebensbereich genauso wichtig wie der private Bereich und knapp 32% gewichten das Privatleben sogar höher als das Berufsleben. Obwohl wie unsere vorhergehende Befragung der Studienanfänger gezeigt hat - viele Medizinstudierende zu Studienbeginn die Medizin als Berufung empfinden und eine hohe idealistische Motivation zeigen, sind junge Medizinerinnen und Mediziner also nicht (mehr) bereit, ihr Privatleben dem Beruf zu opfern. Eine hohe Bedeutung mit Konsequenzen für den Berufseinstieg und die Facharztausbildung haben insbesondere auch die Befunde zur privaten Lebensplanung der befragten PJ-ler. Ein überraschend hoher Anteil mit 65% der Befragten plant die Gründung einer Familie bzw. die Geburt von Kindern direkt nach dem Studium. Das bedeutet vor dem Hintergrund des hohen und kontinuierlich steigenden Frauenanteils unter den Absolventen der Medizin, dass sich der Berufseinstieg bei einer wachsenden Zahl von Absolventen verzögern wird. Zudem steigt die Notwendigkeit, familiäre und berufliche Anforderungen während der Facharztausbildung miteinander zu vereinbaren. Dieser Befund macht die Notwendigkeit weiterer Verbesserungen der Familienfreundlichkeit ärztlicher Arbeitsbedingungen in Deutschland deutlich. Kontakt: Dr. phil. Susanne Dettmer Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft Charité Universitätsmedizin Berlin Luisenstr. 57, 10117 Berlin E-Mail: susanne.dettmer@charite.de 12