240107 SE Feministische Diskursanalyse WS 10/11 Diskursanalyse. Ein Verfahren zur kritischen Rekonstruktion von Machtbeziehungen Stefan Vater (Verband Österreichischer Volkshochschulen)
TEIL 1: diskursive Realitäten Look at the women, aren t they pretty! >Gendered Realities< Sprache, Wirklichkeit, Dominanz Film
Stichworte zur feministischen Linguistik/Sprachanalyse/Diskursanalyse Sprache ist verbunden mit/durchzogen von Strukturen (patriarchalischer) Herrschaft Dies betrifft alle >Aspekte< der Sprache: Langue (Sprachsystem), Parole (Praxis) und findet sich auf inhaltlicher, struktureller und kontextueller Ebene. [Link]
Die sprachliche Unsichtbarkeit von Frauen behindert ihre Identifikationsmöglichkeiten.< (Gisela Klann-Delius) Passivität (Passivkonstruktionen, Attribuierung, Rollen,...) Naturbezug, Emotionalität, bildliche Darstellung (Haltung, Mimik,..)
TEIL 2: theoretische Grundannahmen Sprache und Wirklichkeit
4.01 Der Satz ist ein Bild der Wirklichkeit Ludwig Wittgenstein, Tractatus Logico- Philosophicus 1921 Bildet Sprache die Wirklichkeit ab? Spiegelt Sprache die Gesellschaft wieder?
Die sprachliche Mannigfaltigkeit ist nichts Festes, ein für allemal Gegebenes; sondern neue Typen der Sprache, neue Sprachspiele, wie wir sagen können, entstehen und andre veralten und werden vergessen. (...) Das Wort Sprachspiel soll hier hervorheben, dass das Sprechen der Sprache ein Teil ist einer Tätigkeit, oder einer Lebensform. Führe dir die Mannigfaltigkeit der Sprachspiele an diesen Beispielen, und anderen, vor Augen: Befehlen, und nach Befehlen handeln Beschreiben eines Gegenstandes nach dem Ansehen, oder nach Messungen Herstellen eines Gegenstandes nach einer Beschreibung (Zeichnung) Berichten eines Herganges Über den Vorgang Vermutungen anstellen Eine Hypothese aufstellen und prüfen Darstellen der Ergebnisse eines Experimentes durch Tabellen und Diagramme Eine Geschichte erfinden; und lesen Theater spielen Reigen singen Rätsel raten Einen Witz machen; erzählen Ein angewandtes Rechenexempel lösen Aus einer Sprache in die andere übersetzen Bitten, Danken, Fluchen, Grüßen, Beten. [1]. [1] Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen (PU), 23, 1953.
A)Peformative Aspekte. How to do things with words Sprache dient nicht nur der Abbildung, Beschreibung oder Kommunikation: Sprache tut, konstruiert, stellt her! Ludwig Wittgenstein: Sprachspiel, PU 23 John L. Austin: Sprechaktheorie Judith Butler: Performativität
B) Sprache und Wirklichkeit: Linguistisches Relativitätsprinzip (1950er) Zit. nach. Benjamin Lee Whorf, Sprache Denken Wirklichkeit, Reinbek 2003, 74 Cp. Robin Lakoff, Language and Womens Place, 1975
Sprechen wird hier als Tätigkeit verstanden, die die Umwelt und das Denken konstituiert und verbunden ist mit einem regelmässigen Tun. Performativität/Wirkmächtigkeit Performanz#1: Saskia Hölbling - Volker Gerhardt: Der Sinn des Sinns
Butler verwendet den Begriff der Performativität in Anlehnung an John L. Austin, der diejenigen Akte als performative Sprechakte bezeichnet, die das, was sie benennen, in Kraft setzen oder herstellen. Diskurs hat performative Wirkung durch Wiederholung, das wiederholte Zitieren von Normen und entfaltet so die Wirkung von Materialität. Diskurs kann daher nicht in einzelne, absichtsvoller Akt zerlegt werden, sondern ist vielmehr eine sich ständig wiederholende und zitierende Praxis. Sprechakte erzeugen durch diese Praxis eine Wirklichkeit, verschleiern gleichzeitig aber ihre Geschichtlichkeit und ihren Bezug auf Konventionen. Politik des Performativen, Butler skizziert die Grundzüge einer ein Konzept politischer Subversion (in subversive Wiederholungen). Durch Umdeutung, Verschiebung und Variation derjenigen Konventionen, die den Rahmen für den Wiederholungszwang bilden (Hate Speech (79)). Diskurs (...) ist auch nicht bloß das, was die Kämpfe oder Systeme der Beherrschung übersetzt, er ist dasjenige, worum und womit man kämpft." Foucault Ordnung D, 8; zit. nach: Huffschmid 2001, 39.
Jede Äußerung verweist auf kollektive Gefüge. Es wird dann klar, daß es eine Individuation der Aussage und eine Subjektivierung der Äußerung nur in dem Maße gibt, in dem das unpersönliche kollektive Gefüge sie fordert und determiniert. [1] Nicht die Subjekte der Äußerung, sondern ein kollektives Gefüge, das in seiner Konsequenz die jeweiligen Prozesse der Subjektivierung, die Zuweisung von Individualität und ihre wechselnde Verteilung in der Rede oder im Diskurs determiniert [2], bildet den Bezugspunkt. [1] + [2] Gilles Deleuze/Félix Guattari, Milles Plateaus, 112.
TEIL 3: Diskurs Was ist Diskurs? (vgl. M.Jäger)
Diskurs ist eine institutionell verfestigte Redeweise, insofern eine solche Redeweise schon Handeln bestimmt und verfestigt und also schon Macht ausübt. Jürgen Link (1983), vgl. M. Jäger 2004 Der Begriff Diskurs bezeichnet bei Foucault eine Praxis. Diskursive Praxis meint die Praxis der symbolischen Herstellung von Gegenständen, deren Materialisierung sowie deren Re-Produktion durch Konstitution von Bedeutung und Sinn in einer komplexen gesellschaftlichen Praxis (Bublitz 1993, Geschlecht der Moderne, 9) Diskurse erscheinen bei Foucault als symbolische Ordnungen, die sich zwischen die fundamentalen Codes einer Kultur, die ihre Sprache, ihre Wahrnehmungsschemata, ihren Austausch, ihre Techniken, ihre Werte, die Hierarchie ihrer Praktiken beherrschen, und wissenschaftliche Theorien und Erklärungen schieben (ebenda 12)
Die symbolischen Ordnungen einer gesellschaftlichen Kultur(epoche) beinhalten ein historisches Archiv der Geschlechterverhältnisse. Es bezeichnet das Gesetz dessen, was über das Verhältnis der Geschlechter zu einem bestimmten Zeitpunkt gedacht oder gesagt werden kann. (Bublitz 1993, 15) Wahrheit ist als ein Ensemble von geregelten Verfahren für Produktion, Gesetz, Verteilung und Weitergabe von Aussagen errichtet. (Foucault, Dispositive 41)
Dispositive sind bei Foucault ein entschieden heterogenes Ensemble, das Diskurse, Institutionen, architektonische Einrichtungen, reglementierte Entscheidungen, Gesetze, administrative Maßnahmen, wissenschaftliche Aussagen, philosophische, moralische oder philanthropische Lehrsätze, kurz: Gesagtes ebensowohl wie Ungesagtes, umfasst. Soweit die Elemente des Dispositivs. Das Dispositiv selbst ist das Netz, das zwischen diesen Elementen geknüpft werden kann [1]. [1] Foucault Dispositive, 120.
Teil 4: Analyse von Diskurs Nach M. Foucault
Vgl. Jäger 138
QDA Analyse der Schlussformen / Argumentationsstruktur Analyse der geregelten Aussagepraxen Abgesteckte Möglichkeitsräume an einzelnen Textstellen. Valenzanalyse Externe Verwendungen Axiomatik (Grundbegriffe um die Texte kreisen) Analyse der Bedeutungsfelder Offenheit/Geschlossenheit des Textes Sichtbarkeiten Sprachliche Struktur
ENDE
Langue: Lexikon (General, Landeshauptmann, Putzfrau, ) Movierung (Arzt/Ärztin, Hexe/Hexer,..) Maskuliner Genus als Norm (generischer Maskulinum) (Indefinit)-Pronomen (jemand, niemand, keiner ) Äquvalenz [Die Partei, (...) sein Image] Parole: Luise Pusch Phraseologien, Bildlichkeiten, androzentrischer Sprachgebrauch, semantische Asymetrien Bezeichnungen von Gruppen als männlich sobald ein Mann dabei ist. Männliche Bezeichnung aufwertend. Sexismus Rollenstereotypen Phonologie Nonverbale Kommunikation [Back]
Frauen haben nicht die gleiche Chance sich als Angesprochen, Gemeint zu empfinden (durch semantische und andere Asymetrien) >Frauensprachen< (empirisch): Wortschatz verniedlichend, liebenswürdig, emotional, Frageintonation, Unschärfemarkierer, Korrektes Sprechen, überhöfliches Formulieren,... (Samel) dominante vs. Nicht-dominante SprecherInnenposition (vgl Senta Trömel-Plötz)
Was wesentlich privat ist, oder scheint, hat keinen Besitzer Wittgenstein WA, 3/42/150 In unserer Sprache ist eine ganze Mythologie niedergelegt Wittgenstein WA, 3/277/13 Die Sätze, die dies Weltbild beschreiben, könnten zu einer Art Mythologie gehören. Und ihre Rolle ist ähnlich der von Spielregeln, und das Spiel kann man auch rein praktisch, ohne ausgesprochene Regeln lernen. (ÜG 95)
Vorschläge für geschlechtergerechtes Deutsch: Beidnennung/Splitting Neutralisieren Gener. Femininum Rollenstereotype und androzentrische Bildlichkeiten/Phraseologien vermeiden Reflexivität bezüglich eigener Sprache Analytische Aspekte / Strategische Vorgaben