7 Schlussbetrachtung und Ausblick



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Transkript:

293 7 Schlussbetrachtung und Ausblick Nach der Beantwortung der Leitfrage im vorangegangenen Kapitel soll abschließend eine Zusammenfassung der Ergebnisse erfolgen, bevor auf die Limitationen der Arbeit eingegangen und weiterer Forschungsbedarf aufgezeigt wird. 7.1 Zusammenfassung der Ergebnisse Das Ziel der Arbeit bestand in der Beantwortung der Leitfrage, ob Gütesiegel ein geeignetes Instrument zur Schaffung von Vertrauen im Online-Handel sind und wie ggf. deren optimale Ausgestaltung unter Berücksichtigung kulturrelevanter Aspekte erfolgen müsste. Dazu bedurfte es in einem ersten Schritt der Abgrenzung und der Analyse des Einsatzgebietes von Internet-Gütesiegeln, dem Online-Handel. Die Analyse machte deutlich, dass sich der Online-Handel nicht nur in den beiden untersuchten Ländern (Deutschland und Spanien), sondern europaweit langsamer entwickelt hat, als Wissenschaftler, Unternehmen(-sberatungen) und weitere Institutionen prognostiziert hatten, und dass seine Bedeutung gemessen am Einzelhandelsumsatz noch relativ gering ist. Der Online-Handel wird dominiert von Online- Händlern, die bereits vor seinem Aufkommen existierten, über stationäre Betriebstypen oder Katalogversandhandel verfügen und sich durch eine hohe Reputation und Markenbekanntheit auszeichnen. Die große Mehrheit der Konsumenten beschränkt seine Online-Käufe auf wenige (ein bis fünf) Online-Händler und fragt hauptsächlich Reise- und Personenbeförderungsdienstleistungen nach. Dabei genießen die Konsumenten in Europa einen weitgehend harmonisierten hohen gesetzlichen Verbraucherschutz bei Online-Käufen. Unterschiede zwischen Deutschland und Spanien manifestieren sich insbesondere in einem deutlich geringeren Online-Handels-Niveau in Spanien und unterschiedlichen Bezahlverfahren. Während in Deutschland die Zahlung auf Rechnung bevorzugt wird, dominiert in Spanien die Bezahlung per Kreditkarte. Diese Befunde warfen die Frage auf, ob die Gründe für das niedrige Online- Handels-Niveau vordringlich auf der Nutzenseite zu suchen sind, d. h., der Konsument sieht keine Vorteile gegenüber anderen Einkaufsformen, oder ob die spezifischen Risiken im Online-Handel (und ein damit einhergehender Vertrauensmangel) dafür ausschlaggebend sind. Auf Basis der Analyse von Sekundärliteratur

294 ließen sich sechs idealtypische Vorteile des Online-Handels identifizieren: (1) Verbesserte Kaufentscheidungen durch effizienteren Zugang zu mehr Informationen, (2) Zugang zu mehr Alternativen im Kaufentscheidungsprozess, (3) Höhere Preistransparenz und niedrigere Preise, (4) Bequemlichkeits- und Zeitvorteile, (5) Stärkung der Machtposition des Kunden und (6) Neue Leistungsangebote. Diese Vorteile werden gemäß den Ergebnissen empirischer Studien auch von einem nennenswerten Teil der Konsumenten wahrgenommen. 733 Jedoch lassen sich nicht alle Vorteile ohne weiteres von den Nutzern auch tatsächlich realisieren. Dies ist vordringlich auf die Webseiten- und Informationsflut im Internet zurückzuführen, die besonders für Nutzer ohne ausreichende Interneterfahrung und bestimmte Kompetenzen ein Hindernis darstellen kann. 734 Des Weiteren zeigten die Untersuchungen, dass der Online-Handel entgegen der Meinung in der Wissenschaft fast ausschließlich ein nationales Phänomen ist, was u. a. darin begründet liegt, dass zahlreiche Online-Händler Konsumenten aus anderen Ländern gar nicht die Möglichkeit bieten, bei ihnen einzukaufen. Spanier kaufen dabei häufiger grenzüberschreitend ein als Deutsche und geben dafür mehr Geld aus. Den Vorteilen des Online-Handels stehen die folgenden idealtypischen Risiken gegenüber: (1) Privatheitsrisiken, (2) Mangelnde Beurteilbarkeit des Online- Händlers und der angebotenen Leistungen, (3) IT-Sicherheitsrisiken, (4) Kulturelle Risiken, (5) Erfüllungsrisiken sowie (6) Risiken bedingt durch die Neuartigkeit der eingesetzten Technologie und bestimmter Leistungen. Diese Risiken erfahren eine breite Wahrnehmung unter den Internetnutzern, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Online-Käufer oder Nichtkäufer handelt. Der Frage, inwieweit die Konsumenten diesen Risiken tatsächlich ausgesetzt sind, wird in der Literatur, die Vertrauen im Online-Handel zum Thema hat, kaum Beachtung geschenkt. Untersuchungsergebnisse zeigen, dass der (potentielle) Online-Käufer in nennenswertem Maße Erfüllungs- und Privatheitsrisiken ausgesetzt ist. Ebenso sind die Risiken hinsichtlich der mangelnden Beurteilbarkeit des Händlers und der auf der Website dargebotenen Informationen größer als dies aufgrund der besonderen Charakteristika des Online-Handels notwendig wäre. Hinzu kommen bei grenzüberschreitenden Käufen kulturelle Risiken. Dagegen scheinen die IT-Sicherheits- 733 734 Dies gilt besonders für die Vorteile zwei, drei und vier. Außerdem ließen sich keine Belege finden, dass das Preisniveau im Online-Handel grundsätzlich niedriger ist.

295 risiken im Zusammenhang mit dem Bezahlvorgang für die Konsumenten, trotz deren sehr ausgeprägter Risikowahrnehmung, nicht größer zu sein, als dies in der realen Welt auch der Fall ist. Insgesamt deuten die Befunde zu Nutzen und Risiken des Online-Handels darauf hin, dass die Gründe für das geringe Ausmaß des Online-Handels primär auf der Risiko- und weniger auf der Nutzenseite liegen. Für die Vertrauensbildung bedeuten diese Ergebnisse, dass vertrauensbildende Institutionen ihre Wirkung differenziert nach Online-Händlern entfalten müssen, da ein generelles Vertrauen in alle Online-Händler unbegründet wäre. Daraus folgte für den weiteren Gang der Untersuchung die Notwendigkeit, Vertrauen zu definieren und zu konzeptualisieren, um die für die Vertrauenssituation im Online-Handel relevanten Aspekte herausarbeiten zu können. Um dem komplexen und allgegenwärtigen Phänomen Vertrauen gerecht zu werden, wurde ein multidimensionaler vertrauenstheoretischer Ansatz zugrunde gelegt, nach dem Vertrauen (zwischen Personen) als eine soziale Einstellung verstanden wird, die bestimmte vertrauensvolle plurale Erwartungen markiert und mit einer vertrauensvollen Handlungsentscheidung einhergeht. Dabei ist die Vertrauenssituation dadurch gekennzeichnet, dass zwischen Vertrauensnehmer und -geber Verbundenheit im Hinblick auf geteilte Ziel- und Wertvorstellungen herrscht. Die im Hinblick auf die Untersuchung zentrale Funktion von Vertrauen besteht darin, dass Vertrauen es dem Vertrauensgeber ermöglicht, in einer mit Unsicherheit und Risiko behafteten kontingenten Situation mit dem Gefühl zu handeln, als ob subjektive Sicherheit vorliegt, oder dass Vertrauen wahrgenommene Risiken zumindest soweit reduziert, dass vertrauensvolle Erwartungen entstehen und vertrauensvolle Handlungen erfolgen können. Da Vertrauen geteilte Ziel- und Wertvorstellungen einschließt, hat auch die Kultur, die maßgeblich durch Normen und Werte bestimmt wird, einen Einfluss auf Vertrauen. Dabei können in Anlehnung an den vertrauenstheoretischen Ansatz von Fukuyama vertrauensarme Kulturen, zu denen Spanien gehört, und vertrauensreiche Kulturen, z. B. Deutschland, unterschieden werden. Die Vertrauenssituation im Online-Handel ist für den Konsumenten verglichen mit derjenigen im traditionellen, stationären Handel (z. B. ein Kauf bei Karstadt oder El Corte Inglés) mit besonderen Risiken und Kontingenzen behaftet, und es bieten sich weniger und darüber hinaus neue Anhaltspunkte, damit sich Vertrauen

296 einstellen kann. Neben gemeinsamen normativen Überzeugungen, die für jegliches Vertrauen in Institutionen grundlegend sind, ist für den (potentiellen) Online- Käufer neben der Website des Online-Händlers der wichtigste Anhaltspunkt die Marke bzw. Reputation. Folglich ist Vertrauen insbesondere für neu gegründete Dotcom-Online-Händler schwer zu erlangen, da der Reputationsaufbau hohe Investitionen und Zeit erfordert. Als Alternative oder Ergänzung haben Online- Händler die Möglichkeit, die Dienstleistung von Gütesiegelanbietern als vertrauensbildende Institutionen in Anspruch zu nehmen, um das Vertrauen der Kunden zu gewinnen. Was sich hinter dieser Dienstleistung verbirgt, wurde anhand drei deutscher und vier spanischer Gütesiegelprogramme sowie dem europäischen Euro-Label- System erläutert. 735 Unter den deutschen Siegeln fiel die Auswahl auf die Siegel von Trusted Shops, dem EHI Retail Institute und dem TÜV SÜD. Bei den spanischen handelt es sich um die Siegel von IQUA, Confianza Online, AENOR und APTICE. 736 Grundsätzlich sind Internet-Gütesiegel Wort- und/oder Bildzeichen, die der Online-Händler zur Kennzeichnung auf seinen Webseiten einsetzt und die von einer unabhängigen Institution, dem Gütesiegelanbieter, herausgegeben werden. Gegenüber dem (potentiellen) Online-Käufer geben sie in verdichteter Form darüber Auskunft, dass der betreffende Online-Händler die vom Gütesiegelanbieter festgelegten Vergabekriterien einhält. Auch wenn die Vergabekriterien der hier analysierten Gütesiegelprogramme variieren, weisen sie einen gemeinsamen Kern auf. Bestandteil aller Programme sind die gesetzlichen Informations- und Ausgestaltungs- sowie Datenschutzpflichten für Online-Händler. Daneben muss der Händler Maßnahmen für eine sichere Abwicklung der Bezahlung ergreifen, und alle Programme bieten eine Alternative Streitschlichtung an. Des Weiteren stellt ein grundlegender Bestandteil aller Gütesiegelprogramme das Vergabeverfahren einschließlich seiner Kontrollmechanismen dar. Das Vergabeverfahren legt fest, ob und wenn ja auf welche Art und Weise die Einhaltung der Vergabekriterien überprüft wird, damit das Siegel verliehen werden kann (z. B. Prüfung der Website des Online-Händlers). Durch die Kontrollmechanismen soll die Einhaltung der 735 736 Die Gütesiegel wurden mittels eines vierstufigen Auswahlprozesses selektiert. IQUA Agencia de Calidad de Internet, AENOR Asociación Española de Normalización y Certificación, APTICE Asociación para la Promoción de las Tecnologías de la Información y del Comercio Electrónico.

297 Kriterien über die Laufzeit der Programme, i. d. R. ein oder mehrere Jahre, sichergestellt werden. Als letzter Baustein beinhalten alle Gütesiegelprogramme einen Maßnahmenkatalog mit Strafen, die bei Verstößen gegen die Vergabekriterien zur Anwendung kommen (z. B. der Entzug des Siegels). Die vergleichende Analyse der Gütesiegelprogramme zeigte, dass sowohl die Anzahl der Kunden (von 6 bis 1.700) als auch die Preise (von 174 bis 30 Tsd. Euro) einer sehr großen Spannweite unterworfen sind. Mit Ausnahme des Euro-Label- Systems haben fast alle Programme eine nationale Ausrichtung. Am Euro-Label- System beteiligten sich zum Zeitpunkt der Analyse jeweils ein Gütesiegelanbieter aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Spanien, Italien und Polen. Als Teilnehmer am Euro-Label-Programm verpflichten sie sich, die Euro-Label-Standards einzuhalten. Damit der Konsument ihre Zugehörigkeit erkennen kann, ergänzen sie ihr Gütesiegel um das Euro-Label-Zeichen. Der deutsche Euro-Label-Vertreter ist das EHI. Die Analyse der Gütesiegel zeigte weiterhin, dass um die Jahrtausendwende eine wahre Gütesiegelschwemme zu beobachten war und die Zahl der Programme zu diesem Zeitpunkt sicherlich im dreistelligen Bereich lag. Mittlerweile ist eine Reihe von Gütesiegelprogrammen wieder verschwunden und es kommen nur noch wenige neue hinzu. Auf den Websites der Online-Händler sind neben Internet- Gütesiegeln viele andere Wort- und Bildzeichen zu sehen, so dass auch von einer Wort- und Bildzeichenschwemme auf den Websites gesprochen werden kann, die die Wiedererkennung von Internet-Gütesiegeln erschwert. Als letzter Schritt erfolgte die Beantwortung der Leitfrage anhand eines mehrstufigen, umfangreichen Kriterienkataloges. Gütesiegel sind nur dann geeignet, begründet Vertrauen aufzubauen, wenn sie drei notwendige Bedingungen erfüllen: (1) Sie müssen die Risiken im Online-Handel abdecken, (2) der Konsument muss die Gütesiegel (wiederer-)kennen und (3) wissen, welche Inhalte hinter dem Gütesiegelprogramm stehen. Für den nationalen Online-Handel erfüllen die erste und wichtigste notwendige Bedingung alle hier untersuchten Gütesiegelprogramme. Dagegen wird die zweite Bedingung nur vom TÜV SÜD und AENOR weitgehend erfüllt, da beide zumindest Wiedererkennungsraten von über 50 Prozent in der hier durchgeführten Befragung erreicht haben. Noch unbefriedigender sind die Befunde hinsichtlich der Kenntnis der Gütesiegelprogramme. Mit Ausnahme von AENOR haben die Befragten, die immerhin alle über Internet- und Online-Kauf-

298 Erfahrung verfügen, falsche oder keine konkreten Vorstellungen, was sich hinter einem Gütesiegelprogramm verbirgt. 737 Besorgniserregend ist besonders, dass unter den deutschen Befragten über die Hälfte der Ansicht ist, die Gütesiegel beziehen sich auch auf die Waren und Dienstleistungen, die der Online-Händler anbietet. Empirische Befunde zeigen, dass unter denjenigen, die Internet-Gütesiegel kennen, d. h. zumindest schon mal gesehen haben, eine vertrauenssteigernde Wirkung nur bei (deutlich) weniger als der Hälfte der Befragten eintritt. Wenn überhaupt, dann entfalten Gütesiegel nur indirekt eine vertrauenssteigernde Wirkung. Sie geht darauf zurück, dass Online-Händler im Rahmen des Zertifizierungsprozesses für gesetzliche und Kundenbelange sensibilisiert werden und diesbezüglich Maßnahmen ergreifen (müssen). Daneben können Internet-Gütesiegel auch nicht zertifizierte Händler dazu bringen, sich den Standards der zertifizierten Händler anzupassen, um im Wettbewerb besser bestehen zu können. Auf der Makroebene sind Gütesiegel daher gegenwärtig kein geeignetes Instrument, um begründet Vertrauen in nationale Online-Händler zu schaffen. Aus der Mikroperspektive können sie dagegen sehr wohl geeignet sein, Vertrauen in einen Online-Händler zu schaffen, vorausgesetzt der (potentielle) Online-Käufer kennt das Siegel und das dahinter stehende Programm. Die Analyse von den Determinanten mit direkter Wirkung auf die Vertrauensbildung machte deutlich, dass es den Gütesiegeln bzw. Gütesiegelanbietern insbesondere an Reputation und Markenbekanntheit mangelt. Daneben ist nicht transparent, ob die Vergabekriterien eingehalten werden und welche Maßnahmen einschließlich möglicher Sanktionen tatsächlich von den Gütesiegelanbietern durchgeführt werden, um die Durchsetzung zu gewährleisten. Bedenklich erscheint ebenfalls, wenn die Existenz des Gütesiegelprogrammes maßgeblich von den Einnahmen des Verkaufes der Dienstleistung an den Online-Händler abhängt. Die Abhängigkeit könnte verhindern, dass Entscheidungen im Sinne des Konsumenten getroffen werden. Für den grenzüberschreitenden Online-Handel erfüllen die Gütesiegelprogramme, mit Ausnahme von Trusted Shops und dem EHI aufgrund seiner Teilnahme am 737 In Spanien konnten aufgrund einer zu geringen Rücklaufquote keine (signifikanten) Ergebnisse bezüglich der Kenntnis der Gütesiegelprogramme von IQUA und Confianza gewonnen werden.

299 Euro-Label-System, noch nicht einmal die erste notwendige Bedingung: die Abdeckung der kulturellen Risiken. Die Berücksichtigung kulturspezifischer Aspekte zeigt dem vertrauenstheoretischen Ansatzes von Fukuyama entsprechend, dass es vertrauensreichen Ländern schwerer fällt, ausländischen Online-Händlern und Gütesiegeln zu vertrauen. Vertrauensarme Länder empfinden ausländische Gütesiegel dagegen mehrheitlich als genauso vertrauensvoll oder sogar vertrauensvoller. Dabei dürfte die Reputation des Landes, aus dem das betreffende Siegel stammt, einen großen Einfluss ausüben. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse ist es aus Sicht bestimmter Gütesiegelanbieter, insbesondere aus vertrauensreichen Ländern, problematisch, dass die Konsumenten das Siegel vielfach einem falschen Herkunftsland zuordnen. Ein optimales Gütesiegelprogramm (Teil 2 der Leitfrage) sollte unter Berücksichtung der Umsetzbarkeit insbesondere vier Aspekte gewährleisten: 1) Das Gütesiegelprogramm stammt von einem Gütesiegelanbieter, der bereits über (relevante) Reputation und Markenbekanntheit verfügt. 2) Der Gütesiegelanbieter hat ausreichende Ressourcen, um die Existenz und vor allem die Inhalte des Gütesiegelprogrammes zu kommunizieren. 3) Das Programm deckt die Risiken im Online-Handel ab. 4) In das Gütesiegelprogramm ist eine unabhängige Institution eingebunden, die eine Alternative Streitschlichtung anbietet. Die Beschlüsse sind für den Online-Händler bindend und werden veröffentlicht. Bei Gütesiegelprogrammen, die den grenzüberschreitenden Online-Handel mit einbeziehen, muss das Programm auch die kulturellen Risiken abdecken und eine entsprechende Verbreitung im Ausland finden. Außerdem muss anhand des Siegels auf die (intendierte) Herkunft geschlossen werden können. 738 738 Ob die tatsächliche Herkunft oder eine andere mit dem Siegel signalisiert werden sollte, hängt davon ab, ob der Gütesiegelanbieter aus einem vertrauensarmen oder -reichen Land stammt und welches die Zielländer des Gütesiegels sind.

300 7.2 Limitationen der Arbeit Empirische Untersuchungen sind grundsätzlich mit Limitationen verbunden. Die hier erzielten Ergebnisse sind nicht repräsentativ für die Grundgesamtheit der deutschen bzw. spanischen Online-Käufer, da in der vorliegenden empirischen Untersuchung ausschließlich Studierende befragt wurden. 739 Trotzdem können die Befunde als aussagekräftig angesehen werden, da Studierende eine wichtige Schicht der Internetnutzer und Online-Käufer darstellen und in ihrem Profil dem typischen Online-Käufer recht nahe kommen. 740 Darüber hinaus ist es für ländervergleichende Studien wichtig, dass die Analyse auf Basis möglichst homogener Stichproben erfolgt, um ausschließen zu können, dass nachgewiesene Unterschiede (oder Gemeinsamkeiten) aus Differenzen in den Stichproben resultieren. 741 Dieses lässt sich durch den Rückgriff auf Studierende mit vertretbarem Aufwand gewährleisten. Im Folgenden sollen die wichtigsten Abweichungen aufgezeigt werden. Dazu wird in einem ersten Schritt die Stichprobe der hier durchgeführten empirischen Untersuchung mit den Stichproben der Studien verglichen, die für die vorliegende Arbeit als (Sekundär)Leitstudien verwendet wurden. 742 Für Deutschland ist dies die bevölkerungsrepräsentative telefonische Befragung von TNS Infratest, die im Frühjahr 2006 durchgeführt wurde. Leider weist der 10. Faktenbericht des Projektes Monitoring Informations- & Kommunikations-Wirtschaft, in dem die Teilergebnisse der Studie dargestellt sind, nur die Merkmale Alter und Geschlecht aus. 743 Danach sind die Online-Käufer hauptsächlich in den Gruppen der 14- bis 739 740 741 742 743 Dies trifft auf die Mehrheit der wissenschaftlichen empirischen Untersuchungen zum Thema Vertrauen im Online-Handel zu, die hier ausgewertet wurden. In der hier durchgeführten empirischen Studie wurde auf Anreizsysteme verzichtet, um die Qualität der Antworten sicherzustellen. Vgl. Kapitel 2, Abschnitte 2.2.3.1 und 2.2.3.2 sowie Bauer; Fischer; Sauer (2000), S. 1144; Kimery; McCord (2002a), S. 70; Odom; Kumar; Saunders (2002), S. 236; Saarenpää; Tiainen (2005), S. 5ff. Dabei muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass mit zunehmender Reife des Online-Handels, die Schicht der Studierenden einen immer kleineren Anteil an den Online-Käufern in der Bevölkerung einnimmt, z. B. weil die Zahl der älteren Online-Käufer überproportional wächst. Dieser Trend wird sich fortsetzen, da unter den Studierenden kaum noch Zuwächse möglich sind. Vgl. Tsikriktsis (2002), S. 106; Vgl. Kapitel 2, Abschnitt 2.2.1. Es wird jeweils auf die aktuellste Version der Sekundärleitstudien zurückgegriffen. Hierbei gilt es zu beachten, dass die Befragten in den Studien von TNS Infratest und Red.es nicht wie in der hier durchgeführten empirischen Studie nach Nationalität ausgewählt wurden, sondern nach Wohnsitz in Deutschland bzw. Spanien. Vgl. TNS Infratest (2007), S. 283f., 388f. sowie Kapitel 2, Abschnitt 2.2.1.

301 29-jährigen und der 30- bis 39-jährigen zu finden. 744 Die Mehrheit der Online- Käufer ist männlich (58,9 Prozent), während nur 34,3 Prozent der Frauen online einkaufen. In der Stichprobe der hier durchgeführten empirischen Untersuchung fallen 99,4 Prozent der Teilnehmer in die Altersgruppe der 14- bis 29-jährigen und der Männer-Frauen-Anteil beträgt 64,8 zu 35,2 Prozent. D. h., der Altersdurchschnitt liegt unter dem der TNS Infratest Studie, jedoch liegt die Mehrheit der Online-Käufer in beiden Studien in derselben Altergruppe. Hinsichtlich des Geschlechtes ist eine fast exakte Übereinstimmung gegeben. Wie die Tabelle 7.1 zeigt, sind auch unter den Spaniern die Befragten jünger als in der spanischen Referenzstudie von Red.es, wobei die Mehrheit der Online- Käufer in beiden Studien in dieselben Altersgruppen fällt. Die Geschlechterverteilung und die Internetnutzung weisen geringe Abweichungen auf. Bezüglich der Online-Kauferfahrung fällt auf, dass in der hier durchgeführten Studie der Anteil der Befragten in der Kategorie über drei Jahre Kauferfahrung um 17 Prozent niedriger liegt. Bei den Online-Auslandskäufen weisen die Befragten hier einen um 8,5 Prozent geringen Anteil auf. Eigene empirische Untersuchung, Spanier Red.es, Spanien Untersuchungsjahr 2007 2006 Alter 15- bis 24-jährige: 73% 25- bis 34-jahrige: 27% Geschlecht männlich: 53,1% weiblich: 46,9% Internetnutzung täglich: 70,5% 3-6 Tage pro Woche: 25,3% seltener: 4,2% Online-Kauferfahrung seit über 3 Jahren: 11,6% seit 3 Jahren: 14,7% seit 2 Jahren: 28,4% seit 1 Jahren: 35,8% Ich weiß es nicht: 9,5% Auslandskäufe Ja: 32,6% Nein: 67,4% 15- bis 24-jährige: 33,3% 25- bis 34-jahrige: 33,9% männlich: 59,4% weiblich: 40,6% täglich: 67,9% 3-6 Tage pro Woche: 20,3% seltener: 11,7% seit über 3 Jahren: 28,8% 2-3 Jahre: 15,2% 1-2 Jahre: 24,7% bis zu einem Jahr: 29,3% Ich weiß es nicht: 0,6% Ja: 41,1% Nein: 57,1% Tabelle 7.1: Vergleich der Stichproben empirischer Studien (Quelle: Red.es (2007), S. 18ff., 41) Auch wenn dazu keine Daten in der hier durchgeführten Studie erhoben wurden, kann weiterhin davon ausgegangen werden, dass Studierende über ein geringeres 744 In der Gruppe der 14- bis 29-jährigen kaufen 72 Prozent online ein, in der Gruppe der 30- bis 39-jährigen 64,8 Prozent. Vgl. TNS Infratest (2007), S. 284.

302 Einkommen verfügen, als der typische Online-Käufer. Dies kann neben der Kaufhäufigkeit auch die Wahl des Online-Händlers beeinflussen. Im zweiten Schritt soll für die hier durchgeführte empirische Untersuchung auf die Unterschiede der beiden nationalen Stichproben eingegangen werden. Während der Altersdurchschnitt fast identisch ist, treten deutliche Abweichungen bei den Merkmalen Studiengang und Geschlecht auf. 745 Darüber hinaus zeigt sich trotz weitgehender Übereinstimmung, dass Deutsche das Internet häufiger nutzen, ihre Internetkenntnisse höher einschätzen und im letzten Jahr häufiger online eingekauft haben. 746 Deutlicher sind die Unterschiede hinsichtlich der Dauer der Online-Kauferfahrung. Hier verfügen die Deutschen über eine längere Erfahrung als die Spanier. 747 Vergleichsweise gering sind dagegen die Abweichungen bei der Anzahl der Online-Händler, die für Online-Käufe besucht wurden. 748 Weiterhin gilt es zu berücksichtigen, dass spanische Studierende in der Regel über ein geringeres frei verfügbares Einkommen verfügen als Deutsche. Grundsätzlich ist die Situation eines deutschen und eines spanischen Studierenden jedoch sehr ähnlich, so dass die Abweichungen der Stichproben insgesamt als relativ gering eingestuft werden können. 749 Abschließend soll noch auf zwei weitere Limitationen in Bezug auf die Befunde der Arbeit hingewiesen werden, die unabhängig von der empirischen Untersuchung sind. Internet-Gütesiegel befinden sich immer auf der Webseite eines Online-Händlers. Die Webseite als solche, d. h. alle anderen Elemente der Webseite, erzeugt unabhängig vom Gütesiegel auch eine bestimmte vertrauensvolle Einstel- 745 746 747 748 749 Vgl. Anhang IX, Fragen E1-E4. Vgl. Anhang IX, Fragen A1, A2, B1. Bei der Einschätzung der Internetkenntnisse gilt es zu beachten, dass diese vom unterschiedlichen Vertrauensniveau der beiden Länder beeinflusst werden könnte. D. h., trotz gleicher Kenntnisse eines Deutschen und eines Spaniers könnten sie eine unterschiedliche Selbsteinschätzung vornehmen. Vgl. Anhang IX, Frage B2. Vgl. Anhang IX, Frage B3. Von allen Fragen der hier durchgeführten empirischen Untersuchung hat nur die Frage D2 keine verwertbaren Ergebnisse geliefert und wurde daher in der vorliegenden Analyse nicht berücksichtigt. Vgl. Anhang IX, Frage D2. Die Indikatoren stammen aus einer empirischen Analyse von Cheung und Lee. Vgl. Cheung; Lee (2000), S. 3ff. Ein Grund dafür, dass der erste Indikator (D2-A) kein theoriekonformes Ergebnis geliefert hat, könnte darin bestehen, dass es sich bei den Befragten ausschließlich um Studierende handelt. In Spanien leben Studierende vergleichsweise häufig bei den Eltern und es ist nicht üblich, mit Eltern über persönliche bzw. intime Angelegenheiten zu sprechen wie z. B. die Partnerschaft. Bezüglich der Bedeutung selbstexplorativer Äußerungen für die Vertrauensbildung vgl. Kapitel 4, Abschnitt 4.3.

303 lung. Dies kann die Wirkung des Gütesiegels unterstützen, aber auch konterkarieren. 750 Dieser Effekt wurde hier nicht berücksichtigt. Des Weiteren kann auf Basis empirischer Befunde, die Vertrauen in Gütesiegel nachweisen, nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass dies (stets) zu einer Vertrauenshandlung führt (d. h. einem Online-Kauf), denn Einstellung und Verhalten korrelieren nicht grundsätzlich. 751 7.3 Ausblick In der vorliegenden Arbeit erfolgte erstmals eine umfassende Analyse deutscher und spanischer Internet-Gütesiegel, wodurch sich zahlreiche weitere Forschungsfragen ergeben, die in Kapitel 6 bereits benannt wurden. Des Weiteren besteht folgender Forschungsbedarf: Eine Untersuchung der vertrauensbildenden Wirkung von Gütesiegeln aus Sicht der Online-Händler. Darunter fallen u. a. die Fragen, ob Gütesiegel messbare Auswirkungen haben, welche Motive für bzw. gegen den Einsatz von Gütesiegeln sprechen und was zur Entscheidung für ein konkretes Gütesiegel geführt hat. Für den grenzüberschreitenden Online-Handel stellen sich zusätzlich die Fragen, warum international agierende Online-Händler in manchen Ländern Siegel verwenden und in anderen nicht und ob zwischen den Ländern Unterschiede in der Wirkung festgestellt werden können. Eine Analyse der vertrauensbildenden Wirkung von Institutionen zur Beaufsichtigung und Beratung von Gütesiegelanbietern, wie zum Beispiel das Öffentliche Online-Vertrauenskennzeichen in Spanien. Darüber hinaus wurde mit der ländervergleichenden Analyse ein neues Forschungsfeld für vertrauensbildende Institutionen erschlossen. Um hier weitere Erkenntnisse zu gewinnen, bieten sich die folgenden Untersuchungsschwerpunkte an: Es bedarf einer weiteren empirischen Überprüfung des vertrauenstheoretischen Ansatzes von Fukuyama. Dabei sollten die Untersuchungen auf andere Länder ausgeweitet werden. Besonders anbieten würden sich Italien, da Fukuyama dieses Land ausführlich behandelt und kulturelle Ähnlichkeiten mit Deutschland vorhan- 750 751 Vgl. Kapitel 3, Abschnitt 3.2.1.2. Vgl. Dunn (2005), S. 2, 7.

304 den sind, sowie im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Online-Handel und Internet-Gütesiegel auch die USA, Großbritannien und China, da die Befunde hier ergeben haben, dass dies die bevorzugten Länder für Auslandskäufe sind. Weiterhin sind Untersuchungen notwendig, wie das Vertrauensniveau innerhalb eines Landes variiert und welche Bestimmungsfaktoren dabei von Relevanz sind (z. B. in der Vergangenheit unterschiedliche kulturelle Einflüsse in verschiedenen Regionen). Für Länder mit einem hohen Anteil an Ausländern und Menschen mit Migrationshintergrund, wie zum Beispiel Deutschland, sollten auch diese Merkmale im Hinblick auf die Vertrauensbildung analysiert werden. Ebenso würde es sich anbieten, weitere vertrauenstheoretische Ansätze zu identifizieren und ihre Anwendbarkeit auf den Online-Handel und auf unterschiedliche vertrauensbildende Institutionen zu prüfen. Insgesamt scheint die Wissenschaft dem Online-Handel gegenwärtig mehr Interesse und Bedeutung beizumessen als der Konsument. Wissenschaftler scheinen sich dabei deutlich intensiver mit ausgewählten Aspekten des Online-Handels zu beschäftigen, als dies der (potentielle) Online-Käufer gewillt ist zu tun. Denn der Konsument hat wenig Zeit für die Informationssuche und vertraut deshalb etablierten Marken, bleibt bei bewährten Konsumgewohnheiten oder kauft einfach das Gleiche wie Freunde oder Angehörige. 752 Im Hinblick auf (die Summe aller) Internet-Gütesiegel zeigen die Befunde hier, dass zumindest für Europa keine strahlende Zukunft zu erwarten ist, wie die Forscher Cook und Luo folgern, sondern eher eine wechselhafte bis bewölkte. 753 752 753 Niejahr (2007b), S. 25. Vgl. Cook; Luo (2003), S. 83 ( The future of Web seals is bright. ).