Die Gesundheitsreform aus Sicht der sozialen Krankenversicherung



Ähnliche Dokumente
Veränderungen in der Kranken- und Rentenversicherung. Dr. Felix Welti Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik in Europa der CAU

Praxistage Gesundheitsversicherung statt Krankenkasse - Ist der Weg das Ziel? Ein Plus für UnternehmerInnen

Fakten, die für die PKV sprechen.

Kanton Basel-Stadt Qualität unserer Versorgungsstruktur

Demografie als Herausforderung für die Krankenversicherung

Politischer Auftrag des Nationalen Krebsprogrammes aus Bundessicht

Fakten, die für die PKV sprechen.

stationär Insgesamt Pflegestufe I Pflegestufe II Pflegestufe III Insgesamt

Wie müssen die Rahmenbedingungen verändert werden? Anreizstrukturen beim Zugang zu Reha-Leistungen aus ökonomischer Sicht

Asymmetrische Informationen Musterlösung Aufgabe 7.3 und 7.5

Das niederländische Gesundheitssystem

Januskopf Gesundheitswesen

CHECK-IN-PAKET. Informationen zur Aufnahme

Pro Jahr werden rund 38 Millionen Patienten ambulant und stationär in unseren Krankenhäusern behandelt, statistisch also fast jeder zweite Deutsche.

MERKBLATT Zuschuss zu den Versicherungsbeiträgen der Kranken- und Pflegeversicherung zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit ( 26 SGB II)

Bürger fordern mehr Investitionen in die Infrastruktur

Das heutige Umlagesystem der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) steht vor großen Problemen:

Neues Finanzierungsmodell für die privaten Krippen

Die deutsche Vereinigung bis Positionen der Bürgerinnen und Bürger. Berlin, 23. Juni 2015

Ideenskizze für die Nutzung einer IPv6-Infrastruktur zur Vitaldatenüberwachung von Menschen:

Engagiert Erfahren Erfolgreich. Hauptversammlung Umfrage Patientenwünsche Sachsen

Diana Delnoij NIVEL, Utrecht

Gründe für Staatseingriffe im Gesundheitswesen: Allgemeines

Handlungsoptionen für soziale Sicherung weltweit Ansätze für eine universelle globale Absicherung im Krankheitsfall

Vertragsärztliche Tätigkeit eine berufsrechtsfreie Zone?

Klinisch-Therapeutisches Institut Hamburg

Führungsstile Überblick. Ihr Führungsstil bestimmt Ihren Erfolg

Alle Menschen brauchen einen Hausarzt. Hausärzte für die Schweiz heute und in der Zukunft

Medikalisierung oder Kompression? Wie die demographische Entwicklung auf die Krankenversicherung wirkt?

30 Fragen zur Sozialversicherung

Gesundheitspolitik im internationalen Vergleich Reformmodelle und Reformerfahrungen in den Niederlanden

Gerechte und zukunftssichere Altersvorsorge

Wie machen es die anderen? Beispiel Schweiz. Dr.med. Thomas Maier Chefarzt St. Gallische Kantonale Psychiatrische Dienste Sektor Nord

Gründe für fehlende Vorsorgemaßnahmen gegen Krankheit

Lean Six Sigma im Health-Care - Ist Gesundheit ein Produkt? Ist der Patient ein Kunde? -

Tarif vitas1 Zusatzversicherung für gesetzlich Versicherte mit stationären Leistungen

Patientenverfügung - und ihre Bedeutung für alle Beteiligten

ZAHLEN UND FAKTEN ZUFRIEDENE VERSICHERTE IN DER PKV HOLGER, FACHARZT ZUFRIEDENE VERSICHERTE IN DER GKV

(J7, Osterrelchlscher Sta"" dte b und. i g!9 : i7 Jfl&PC. ...-GE/19... r1.. q /SN - b\/hg Betrifft G ZENTWUflF

Ökonomie im Gesundheitswesen

Rahmenbedingungen der ERASMUS-Mobilität: kleine Versicherungskunde. ERASMUS-Regionaltagungen in Osnabrück und Bamberg am 29./ und 06./07.10.

Beihilfe zu Aufwendungen, die im Ausland entstanden sind

1. Weniger Steuern zahlen

Die Krankenversicherung. Versicherte Finanzierung Geschichte Leistungen Organisation

Von FttC zu FttB: Der Weg zur nächsten Ausbaustufe

BEVÖLKERUNGS- UND UNTERNEHMERBEFRAGUNG»VERMÖGENSTEUER UND EIGENTUM«

Grundwissen Wirtschaft Antwort 1. Grundwissen Wirtschaft Frage 1 Unser Gesundheitswesen. Grundwissen Wirtschaft Antwort 2

Letzte Krankenkassen streichen Zusatzbeiträge

Qualitätsoffensive im Gesundheitswesen: vom Koalitionspapier in die Versorgungspraxis.

Soziale Absicherung der Existenzgründer. Workshop Gründer- und Jung- Unternehmer- Messe der IHK Köln in Leverkusen

Nachhaltiges Gesundheitssystem

Ärztliche Versorgung im Ländlichen Raum

Tagung Qualitätsmedizin Schweiz Wahlfreiheit vs. gezielte Patientensteuerung: Ansätze einer Krankenversicherung

Inhaltsverzeichnis: Schema 08: Gesetzliche Krankenversicherung

Sehr geehrte Gäste, Eigenbeteiligung, Selbstzahler und Zuzahlung sind die neuen Schlüsselwörter. stationären und ambulanten Badekur geht.

Glaube an die Existenz von Regeln für Vergleiche und Kenntnis der Regeln

c) Insbesondere: Zusatzbeiträge

Finanzierungsprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung

Arzt und Patient im Spannungsfeld zwischen Medizin, Ethik, Ökonomie und Politik

DAS GRÜNE REZEPT. Für eine sichere Medikation mit rezeptfreien Arzneimitteln

Gesundheitsreform 2003 Der Wurf des Jahrtausends?

Exkurs: Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen

Perinatalzentren.org:

Unterstützte Kommunikation aus Sicht der Sozialmedizin

ELGA: Wie sich die IT-Industrie die Zukunft des Gesundheitswesens vorstellt

mehrmals mehrmals mehrmals alle seltener nie mindestens **) in der im Monat im Jahr 1 bis 2 alle 1 bis 2 Woche Jahre Jahre % % % % % % %

Standort-Betrachtung: Realitäten und Trends im Gesundheitswesen

Naturgewalten & Risikoempfinden

Mit Ergänzungsversicherung machen Sie Ihren Krankenschutz komplett.

Eine Bestandsaufnahme nach dem ersten Jahr Morbi-RSA

Tarife der Allianz Krankenversicherung

Welchen Weg nimmt Ihr Vermögen. Unsere Leistung zu Ihrer Privaten Vermögensplanung. Wir machen aus Zahlen Werte

Konzeption Clara - Ökumenischer Kinder- und Jugendhospizdienst Mannheim

Workshop Fundraising, Spenden & Sponsoring. 16. Juni 2014 Dr. Robin Rumler Präsident

Knappschaft Gesundheitsmanagement Bochum

BETRIEBLICHES GESUNDHEITSMANAGEMENT Ihr Weg zum gesunden Unternehmen

Mitarbeiter, Kunden und Partner im Fokus der Qualitätssicherung logistischer Kooperationen

Stärkung des Selbstbestimmungsrechts als Korrektiv im Gesundheitswesen?

Prof. Dr. Stefan Greß. Die Finanzierung der GKV auf dem Prüfstand Was ist zumutbar?

Weiterhin vergleichsweise tiefe Steuerbelastung in der Schweiz

MARKTPLATZ Weiterbildung Frisches zur betrieblichen Weiterbildung und Personalentwicklung

ZAG- Impuls zur Diskussion: Hat die Produktion von Lebensmitteln mit hohen Qualitätsstandards Zukunft?

Die gesetzliche Unfallversicherung. Folie 1. Besser sicher. Die gesetzliche Unfallversicherung.

Weniger (Medizin) ist mehr (Qualität) Schweizerische Gesellschaft für Medizincontrolling Tagung Qualitätsmedizin Schweiz

Home Care Berlin e.v. Beratung und Förderung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV)

Internet of Things. Wirtschaftsforum Olten 18:10-18:50 OVR B135

Welche Anliegen haben die Kantone an die EL-Reform? Die öffentliche Hand zwischen Spardruck und sozialer Verantwortung für die Existenzsicherung.

Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden. (gültig ab )

DAS LEBEN MEHR GENIESSEN

Alterssicherung. Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Die Online-Meetings bei den Anonymen Alkoholikern. zum Thema. Online - Meetings. Eine neue Form der Selbsthilfe?

«Ich will kurzfristig entscheiden, wie ich im Spital liege.» «Ich will im Spital im Zweitbettzimmer liegen.» ÖKK HALBPRIVAT ÖKK FLEX

Presseerklärung. Sparen an der Gesundheit für Eltern und Kinder gefährdet Deutschlands Zukunft. Berlin,

Ein nachhaltiges Gesundheitssystem : politischer Handlungsbedarf

Für (echtes) Bürgergeld!

Tutorium Klinische Psychologie I. Fragen zur Ausbildung und rechtlichen Grundlagen in der Klinischen Psychologie

Aktuelle Themenfelder des MI im Strategischen Gesundheitsmanagement. AOK Niedersachsen Gesundheitsmanagement stationär Qualitätsmanagement

Nachhaltigkeitsstrategien aus Sicht der Krankenkassen

Private Krankenversicherung Quo Vadis?

Transkript:

Gesundheit als wirtschaftliches Gut? Gesundheit stiftet Nutzen Gesundheit = knappes Gut begrenzte finanzielle Mittel daher Steuerung Individuum als Produzent seiner Gesundheit Gesundheit als öffentliches Gut Austauschbarkeit von Gesundheit Gesundheitsmarkt = regulierter Markt

unvollständig/ ungleich Information allgemeiner Gütermarkt relativ vollständig Gleichheit Anbieter/ Nachfrager irrational Individuelle Kaufentscheidung rational eingeschränkt (Zeitpunkt, Leistungsumfang) Markt für Gesundheitsdienstleistungen Konsumentensouveränität vorhanden

Beitragseinnahmen - Erosion Veränderungen 1997 bis 2002 in % +24,4% +18,8% +14,3% +16,4% BIP Versicherungsleistungen KV Beitragseinnahmen KV Arbeitnehmerentgeltsumme

Krankenversicherung - Einnahmen 2002 Ausgaben insgesamt: 10,8 Mrd. Euro Verwaltungsaufwand 358 Mio. Euro Krankengeld 361 Mio. Euro Sonstige Ausgaben 1.071 Mio. Euro Anstaltspflege 3.040 Mio. Euro Mutterschaftsleistungen 448 Mio. Euro Zahnbehandlung/ersatz 687 Mio. Euro Medikamente 2.196 Mio. Euro Ärztliche Hilfe 2.651 Mio. Euro

Krankenversicherung 1997-2002 Steigerung wichtiger Positionen in Prozent 51,5% 22,2% 18,6% 15,2% Ärzte Anstaltspflege Medikamente Beiträge

Hauptursachen für Finanzierungsschwierigkeiten im Gesundheitswesen 1. Anbieterdominanz Asymmetrische Information Irrationales Verhalten der Nachfrager Angebotsinduzierte Nachfrage 2. Angebot teilweise nicht nach Bedarf geplant, nicht vernetzt und nicht koordiniert (z.b. 2 Gammaknifes in Österreich - 1 für ganz Deutschland notwendig)

Hauptursachen für Finanzierungsschwierigkeiten im Gesundheitswesen 3. Mangelnde Koordination der Financiers, wobei keine Gesamtverantwortung für die Finanzierung des GW besteht (z.b.spitalsfinanzierung alt durch SV, Gebietskörperschaften, Patienten, Privatversicherungen, Defizitabdeckung durch Träger). 4. Zu wenig Qualitätssicherung und -kontrolle (keine Standards hinsichtlich Struktur-, Ablauf- und Ergebnisqualität; Folgen: Doppel- und Mehrfachuntersuchungen; unwirksame Krankenbehandlungen).

Hauptursachen für Finanzierungsschwierigkeiten im Gesundheitswesen 5. Vielfach keine volkswirtschaftliche Sinnhaftigkeit der Strukturen (jeder Financier will und muss die Kosten in seinem Bereich niedrig halten; gezielte Investitionen in bestimmten Bereichen des GW oder im Sozialbereich könnten allerdings insgesamt die Kosten nachhaltig senken). 6. Keine optimale Prophylaxe Krankheitsverhütung Gesundheitsförderung (Settingansatz, Hilfe zur Selbsthilfe)

Hauptursachen für Finanzierungsschwierigkeiten im Gesundheitswesen 7. Mangelnde Kosten- und Leistungstransparenz (keiner kennt die exakten Kosten; z.b. Spitalsfinanzierung alt) 8. Unwirtschaftliches Arbeiten (kein Kostenbewußtsein bei den Veranlassern der Leistungen; kein Zwang zur Wirtschaftlichkeit z.b. durch Budgets)

Vorschläge 1. Bedarfsorientierte vernetzte und koordinierte Planung für alle Bereiche des Gesundheitswesens (ÖKAP, Ambulanz- Instituts-Stellenpläne) 2. Bessere Koordination der Finanziers bzw. Gesamtverantwortung für die Finanzierung des Gesundheitswesens oder von Teilen desselben

Aufnahmen in Akutkrankenhäusern pro 100 Einwohner 26,7 29,2 23,0 23,1 9,4 11,4 12,0 14,5 14,8 15,1 17,6 18,0 18,1 19,0 19,4 19,7 NL E P IRL GR UK I S EU DK LUX B F D FIN A Jahr 2000 bzw. letztverfügbare Zahl Quelle: WHO

Vorschläge 3. Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen Standards- und Handlungsleitlinien Geräte- und Ausbildungsqualität festlegen Dokumentationspflichten und Ergebniskontrollen stärken Lockerung des Kündigungsschutzes von Vertragsärzten

Vorschläge 4. Volkswirtschaftlich sinnvolle Strukturen schaffen (z.b. ambulant vor stationär bei entsprechender Ressourcenzuteilung) 5. Gesundheitsberichterstattung einführen (keine Zahlenfriedhöfe, sondern gesundheitspolitisch orientiert)

Vorschläge 6. Verbesserung und Stärkung der Krankheitsverhütung und Gesundheitsförderung 7. Kosten- und Leistungstransparenz herstellen 8. Wirtschaftlichkeitskontrollen durchführen Ökonomierichtlinien Kontrolle der Anbieter

Selbstbehalte - Probleme Gesundheitspolitisch kontraproduktiv: abschreckende Wirkung auch bei medizinisch notwendigen Leistungen, Unterkonsum bei Ärmeren Regressive Verteilungswirkung: Selbstbehalte treffen Bezieher niedrigerer Einkommen stärker Unsolidarisch: es zahlen nur die Kranken (20/80) Nachfrageseitiger Ansatz: Im Gesundheitswesen sind Kosten und Effizienz eher durch sinnvolle Angebotssteuerung zu beeinflussen (angebotsinduzierte Nachfrage)