y, s. y Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau y* V. Die Aktivität des Staates c* s. y* WS 2007/08 f(k) (n+δ)k s. f(k) Pflichtlektüre: Blanchard, O. (2006), Macroeconomics. 4. Aufl. S. 45-63. Frenkel, M. und K.D. John (2006), Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, 6. Aufl. S. 25-27, 41-45, 52-53, 55. Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. Worth Publishers: S. 262-266. McDowell, M. et al. (2006), Principles of Economics, S. 717-730. Wohltmann, H.-W. (2000), Grundzüge der makroökonomischen Theorie. 3. Aufl. S. 105-125. k* k 168 169 Zu den öffentlichen Haushalten zählen die Gebietskörperschaften und die Sozialversicherungen. Alle öffentlichen Haushalte bilden den Sektor Staat. Im Rahmen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ist zu berücksichtigen, dass öffentliche Haushalte Güter produzieren. Dies sind z.b. Dienstleistungen, wie Landesverteidigung, Rechtssicherheit und Bildung. Hierbei können keine Lagerbestandsänderungen entstehen, da Dienstleistungen nicht lagerfähig sind. Staatskonsum beinhaltet nicht Güter mit investivem Charakter. Ausgaben für öffentliche Infrastruktur gehören Allerdings sind die Kosten der Bereitstellung (z.b. Abschreibungen) dem Staatskonsum zuzurechnen. Zur Produktion werden vom Staat Güter und Dienstleistungen von Unternehmen und privaten Haushalten gekauft (V) und Arbeitsleistungen unselbständig Beschäftigter bezogen (F). Es sind ferner Abschreibungen auf Investitionsgüter (D) im Produktionskonto zu berücksichtigen. Produktionskonto des öfftl. Haushalts Käufe v. Vorleist. (V) 70 225 Konsumausgaben Abschreibungen (D) 30 des Staates (G) Wertschöpfung (F) 125 somit nicht zum Staatskonsum. 170 171
Es existieren keine Verkäufe der Produktion an andere Wirtschaftssubjekte. Stattdessen ist - der Empfänger der Leistung häufig nicht bekannt, - die Produktion unentgeltlich bereitgestellt und - einzelne sollen oder können von der Nutzung solcher Güter nicht ausgeschlossen werden. Die Bezeichnung Konsumausgaben des Staates unterstellt daher, dass die Endverbraucher kollektiv die Produktion konsumieren. Reine Transferzahlungen werden hiervon ausgenommen, da diese nicht im Austausch für gegenwärtig produzierte Güter oder Dienste geleistet werden. 172 Manche Dienstleistungen des Staates gehen auch als Vorleistung in den Produktionsprozess der Unternehmen und privaten Haushalte ein. Eine statistische Abgrenzung zwischen Konsum und Vorleistungen ist aber nicht möglich. Daher wird die gesamte Produktion vereinfachend als Konsum bezeichnet. Es ergibt sich ferner die Schwierigkeit der Bewertung der staatlichen Leistungen. Da keine Marktpreise existieren, wird die Bewertung zu Herstellungskosten vorgenommen. Durch die Bewertung zu Herstellungskosten kann das Produktionskonto keinen Gewinn ausweisen. 173 Die Finanzierung erfolgt weitgehend über Zwangsabgaben (direkte und indirekte Steuern, Sozialbeiträge). Über die öffentlichen Haushalte vollzieht sich der überwiegende Teil der Einkommensumverteilung in der Volkswirtschaft. Zinszahlungen auf ausstehende Verbindlichkeiten werden als reine Einkommensumverteilung betrachtet, nicht als Faktoreinkommen, welches aus dem Produktionsprozess resultiert. Das Einkommen wird verwendet für Transferzahlungen an die privaten Haushalte (Sozialleistungen; R) und an Unternehmen (Subventionen; Z). 174 Nach Abzug von R und Z ergibt sich das verfügbare Einkommen des öffentlichen Haushalts, welches er für Konsum, Zinszahlung auf ausstehende Verbindlichkeiten und Ersparnis verwenden kann. Einkommenskonto des öfftl. Haushalts Transferzahlungen (R) 45 195 Direkte Steuern und Konsumausgaben des Sozialabgaben (T d ) Staates (G) 225 Zinsen 5 Ersparnis (S st ) 20 100 Indirekte Steuern abzgl. Subventionen (T i -Z) 175
Die Gegenbuchungen zum Eingang der indirekten Steuern erfolgen im Produktionskonto der Unternehmen oder privaten Haushalte, da diese Zahlungen unmittelbar mit der Produktion und dem Absatz eines Gutes verbunden sind. Die Gegenbuchungen zum Eingang der direkten Steuern erfolgen im Einkommenskonto der Unternehmen oder privaten Haushalte, da diese Zahlungen eine Einkommensumverteilung darstellen. 176 Zur Vereinfachung bezeichnen wir die Unternehmen und privaten Haushalten als privaten Sektor und verwenden zur Kennzeichnung den Index p. Das vom Staat gebildete Vermögen wird im Vermögensänderungskonto abgetragen. Der Staat kann Investitionsgüter vom privaten Sektor kaufen. Diese Investitionen gehen nicht in der laufenden Produktion unter. Hierfür muss der Staat allerdings Abschreibungen vornehmen. Für die staatliche Ersparnis muss eine Gegenbuchung im Vermögensänderungskonto erfolgen. 177 Im Gegensatz zu einem gesamtwirtschaftlichen Vermögensänderungskonto einer geschlossenen Volkswirtschaft muss das eines einzelnen Sektors nicht ausgeglichen sein. Der Staat kann ein Defizit durch Kreditaufnahme finanzieren. In diesem Fall weisen die Vermögensänderungskonten der anderen Sektoren einen Überschuss auf. Vermögensänderungskonto des öfftl. Haushalts Bruttoinvestitionen des Staates (I B St ) 70 30 Abschreibungen (D) 20 Ersparnis (S St ) 20 Finanzierungsdefizit (BD) 178 Werden die jeweiligen Konten für alle Sektoren zu gesamtwirtschaftlichen Konten zusammengefasst, so ergibt sich das unten stehende Flussdiagramm. F 915 T d -R 150 Einkommenskonto C 670 V 400 G 225 Produktionskonto T i -Z 100 b I P b I St S P 100 220 70 D P 140 30 D St S St 20 Vermögensänderungskonto 179
Bei der Bestimmung des Nettoinlandsprodukts können nun zwei verschiedene Preisniveaus zu Grunde gelegt werden. Güter können zu Marktpreisen oder zu Herstellungskosten bewertet werden. Werden indirekte Steuern (abzüglich Subventionen) berücksichtigt, so ergibt sich das Nettoinlandsprodukt zu Marktpreisen: Werden alternativ die indirekten Steuern (abzüglich Subventionen) herausgerechnet, so ergibt sich derjenige Anteil des Inlandsprodukts, welcher dem Volk als Faktoreinkommen zufließt. Es resultiert das Volkseinkommen: Volkseinkommen=F=L+G v +G u (915) Y n M =C+G+In P +In St Y n M =C+G+S P +S St Y n M =F+T i -Z (1015) (Verwendungsseite) (1015) (Aufteilungsseite) (1015) (Verteilungsseite) 180 181 Werden alle Produktionskonten zusammengefasst, so ergibt sich das gesamtwirtschaftliche Produktionskonto: Gesamtwirtschaftliches Produktionskonto Indirekte Steuern./. Subventionen (T i -Z) 100 Abschreibungen (D) 170 Wertschöpfung (F) 915 225 Konsumausgaben des Staates (G) 670 Privater Konsum (C) 220 Private Invest. (I b P ) 70 Staatl. Invest. (I b St ) Y b M 182 Da gilt Y n M =C+G+In P +In St, folgt Y n M-T -C=G+I n i +Z-T d +R P +In St - T i +Z -T d +R. F Der Term auf der linken Seite entspricht der privaten Ersparnis. Damit folgt: S P = I n P +G+In St -T i +Z -T d +R. BD Private Ersparnis und private Nettoinvestitionen können im Ausmaß des Finanzierungsdefizits voneinander abweichen. 183
Wird das Vermögensänderungskonto des Staates (S St +BD= I n St ) mit demjenigen des privaten Sektors (S P = I n P +BD ) aggregiert, so folgt: S=S P +S St = I n P +In St. Ein Anstieg des Staatskonsums (S St sinkt) könnte also entweder zu einem Anstieg der privaten Ersparnis oder zu einem Rückgang der (privaten) Investitionen führen. Wir benötigen eine Theorie, mit der die Wirkung genau bestimmt wird. 184 Für eine modelltheoretische Berücksichtigung des Staates werden folgende Annahmen gemacht. Der Staat fragt das Güterbündel Y für öffentliche Zwecke nach (G). Der Staat erhebt Zwangsabgaben (T=T d ). Dies sind die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Der Staat zahlt Transferzahlungen an private Haushalte (R). Indirekte Steuern (T i ) und Subventionen (Z) werden vernachlässigt. Diese können parallel zu den direkten Steuern (T d ) und Transferzahlungen an Haushalte (R) modelliert werden. 185 Das Gütermarktmodell mit Staat (1) Y S =Y D (2) Y =Y S (3) Y D =C+I+G (4) C=a+cY v ;(a>0, 0<c<1) (5) Y v =Y T+R (6) T=T 0 +ty ;(T 0 >0, 0 t<1) Sechs Gleichungen und sechs endogene Variablen: Y S, Y D, Y, C, Y v, T Exogene Variablen: G, T 0, R; I Parameterinstrument: t Zur Berechnung des Gleichgewichtseinkommens werden die Verhaltenshypothesen, Definitionen und institutionellen Beziehungen in die Gleichgewichtsbedingung (1) eingesetzt: Y = a + c(y T 0 ty + R) + I + G Y ˆ = 1 ( 0 ). 1 c(1 t) a ct + cr+ I + G Multiplikator autonome Komponenten 186 187
Y S, Y D, C P 0 S Y S =Y Y D =C+I+G I C + G C=a+c(1-t)Y-c(T 0 -R) Im Rahmen einer komparativen Statik lässt sich die Wirkung einer Veränderung einer autonomen Komponente auf das Inlandsprodukt durch das totale Differential bestimmen: dy = 1 ( 0 ). 1 c(1 t) da cdt + cdr + di + dg Multiplikator Veränderungen der autonomen Komponenten = Impulse 45 ^ Y 0 Y 188 189 Der Anpassungsprozess zum neuen Gleichgewicht lässt sich graphisch illustrieren: G Y Y v C T S Sickerverluste Im Falle einer Erhöhung der autonomen Steuern oder Senkung der Transferzahlungen ergibt sich folgende Anpassung: R Y Y v C T S Sickerverluste 190 Eine Erhöhung der Staatsausgaben geht mit einem erhöhten Budgetdefizit einher. Dieser Anstieg wird jedoch durch den Multiplikatorprozess gedämpft. Für das Budgetdefizit (BD) gilt: BD= G + I n St + R T = G + In St + R T 0 ty. Das totale Differential (mit di n St = dt 0 = dr = dt = 0) erbringt: dbd= dg tdy. Einsetzen für dy erbringt: dbd 1 ( 1 c)( 1 t) = 1 t = > 0; < 1. dg 1 c(1 t) 1 c(1 t) 191
Das Haavelmo Theorem Von einer gleichzeitigen Erhöhung von Staatsausgaben und Steuern geht ein positiver Impuls aus, (Haavelmo 1945). Wir unterstellen eine vollständig durch Steuern finanzierte Steigerung der Staatsausgaben, d.h. dbd = 0; dg = dt 0 > 0. Mit da=dr=di=0 folgt: 1 ( 0 ) 1 c dy = cdt + dg = dg. 1 c(1 t) 1 c(1 t) Werden die Steuern nur pauschal erhoben, ist also der Steuersatz (t) Null, so gilt dy=dg (Haavelmo-Theorem). 192 Der Staat hat hier zusätzlich die Möglichkeit, den Steuersatz, t, zu variieren. Die Auswirkung lässt sich mit Hilfe der zusammengefassten Gleichung analysieren: Y = a + c(y T 0 ty + R) + I + G Bei totaler Differentiation ist nun die Produktregel anzuwenden. Mit da=dt 0 =dr=di=dg=0 folgt: dy = cdy ctdy cydt dy(1 c + ct) = cydt 1 dy = cydt 1 c(1 t) Multiplikator ( ). Impuls 193 Exkurs 1: Das Wirtschaftsministerium hat seine Wachstumsprognose im April 2004 für das laufende Jahr von 1,7% auf 1,4% reduziert. Eine Reduktion des Wachstums um 0,5 Prozentpunkte bewirkt Mindereinnahmen bei den Steuern i.h.v. 2 Mrd.. Noch stärker fallen die Defizite bei den Sozialversicherungen aus. Gemäß einer Faustregel beträgt das Defizit bei der Arbeitslosenversicherung 3 Mrd., weitere 2 Mrd. bei der Arbeitslosenhilfe sowie 0,5 Mrd. bei der Rentenkasse. Welcher Multiplikator ergibt sich, wenn R=R 0 -ry angenommen wird? Was könnte mit dem Begriff automatischer Stabilisator bezüglich der Steuern und der Sozialversicherung gemeint sein? Exkurs 2: Eine erhöhte Verschuldung des Staates führt notgedrungen in der Zukunft zu erhöhten Steuerzahlungen. Wieso ist diese Überlegung im Rahmen der Keynesschen absoluten Einkommenshypothese irrelevant? Könnten zukünftige Steuerzahlungen trotzdem einen Einfluss auf den gegenwärtigen Konsum ausüben? Erläutern Sie dies! Wieso könnte in dieser Hinsicht eine Erhöhung der Staatsausgaben ohne Einfluss auf das Inlandsprodukt bleiben (Ricardianisches Äquivalenztheorem)? 194 195
Exkurs 3: Eine genauere Behandlung der offenen Volkswirtschaft wird in einem späteren Kapitel erfolgen. Im Rahmen der Multiplikatoranalyse lässt sich bereits hier berücksichtigen, dass Konsumprodukte teilweise importiert werden. Ein Anstieg der Konsumausgaben führt dann aber nicht mehr vollständig zu einem Anstieg der inländischen Nachfrage. Ein Anstieg des verfügbaren Einkommens um 1 erhöht den Konsum um c und die Importe um m. Dann steigt die inländische Nachfrage nur um c-m. Im Modell könnte dann die Konsumhypothese (4) modifiziert werden, so dass sie nur die Nachfrage nach inländischen Konsumprodukten erfasst: C i =a+(c-m)y v. 196 Eine autonome Erhöhung der Investitionen induziert nun die folgende Ausweitung des Inlandsprodukts. 1 dy = di. 1 c m (1 t) Der Anpassungsprozess bei einer Steigerung der Exportnachfrage lässt sich graphisch illustrieren: I ( ) Multiplikator Impuls Y Y v C T S J Sickerverluste 197