Ermittlung der Kapitalanforderungen für das Spreadrisiko Beim Spreadrisiko handelt es sich um das Risiko, dass sich der Wert der Basiseigenmittel aufgrund von Bewegungen der Marge aktueller Marktzinsen gegenüber der risikofreien Zinskurve oder deren Volatilität verändert. Die Berechnung des Spreadrisikos Die Berechnung der Kapitalanforderung für das Spreadrisiko erfolgt als die direkte Summe der Kapitalanforderungen für das Anleihen- Spreadrisiko von Anleihen und Krediten (bonds), der Kapitalanforderung für das Kreditverbriefungsrisiko (securitisation) und der Kapitalanforderung für Kreditderivate (cd credit derivatives). SCR sp = SCR sp bonds + SCR sp securitisation + SCR sp cd. Für das Anleihen-Spreadrisiko und das Kreditverbriefungsrisiko werden Kapitalkosten auf Positionsebene berechnet, für Kreditderivate erfolgt die Bestimmung über zwei Szenarioberechnungen. Anleihen und Kredite In diese Kategorie fallen alle Anleihen und Kredite sowie Bankeinlagen ausgenommen Sichteinlagen, die nicht der Kapitalanlage dienen. Das beinhaltet nach dem Durchsichtsprinzip auch Positionen in Funds und strukturierten Produkten. Hypothekardarlehen dagegen sind ausgenommen und werden im Ausfallrisiko berücksichtigt. Die Kapitalanforderung für ein solches Darlehen i beträgt seinen Marktwert zum Stichtag des Berichts multipliziert mit einem Stressfaktor. Das Anleihen-Spreadrisiko bestimmt sich über die folgende Formel SCR sp bonds = i stress i * MV i Der Stressfaktor hängt von der Bonitätsstufe, der modifizierten Duration und der Art der Anlage ab. Die Bonitätsstufe wiederum ist ein Wert von 0 bis 6 und ermittelt sich in der Regel über das Rating einer in der Europäischen Union förmlich anerkannten Ratingagentur (ECAI - External Credit Assessment Institution).
Der Stressfaktor in Prozent berechnet sich grundsätzlich über folgende Formel stress i = min (a i +b i * (dur i m i ), 100) dur i ist die modifizierte Duration in Jahren oder 1, sofern diese kleiner als ein Jahr ist. Die Werte a i, b i und m i werden dabei der folgenden Tabelle entnommen, je nachdem in welches Durations-Intervall dur i fällt. Parametertabelle: Abb. 1: Parametertabelle
Schuldverschreibungen im Sinne von Art. 52 (4) der Richtlinie 2009/65/EWG haben durch ihre Absicherung eine besonders niedrige Ausfallwahrscheinlichkeit, so dass, falls sie eine Bonitätsstufe 0 oder 1 besitzen, die Parameter noch niedriger nach folgender Tabelle gewählt werden. Abb. 2: Parameter Schuldverschreibungen Durch eine Besicherung der Anleihe kann der Wert stress i ebenfalls reduziert werden, maximal um die Hälfte, wenn der risikoadjustierte Wert der Sicherheit mindestens genauso hoch wie der Marktwert der Anlage ist. Staatsanleihen von Staaten der OECD, dem EWR und von der europäischen Zentralbank sowie Staaten mit einer Bonitätseinstufung von 0 oder 1 besitzen kein Spreadrisiko. Falls ein Versicherungsunternehmen, dem keine ECAI-Bonitätsstufe zugeordnet ist, Anleihen ausgibt, wird die Kapitalanforderung dieser Anleihen aus der Bedeckungsquote und der Mindestkapitalanforderung des Versicherungsunternehmens bestimmt. Ist die Mindestkapitalanforderung mindestens 100%, wird zunächst eine Bonitätsstufe über folgende Tabelle mit Hilfe der Bedeckungsquote ermittelt: Abb. 3: Tabelle Bedeckungsquoten Für eine nicht in der Tabelle vorkommende Bedeckungsquote wird die Bonitätsstufe linear interpoliert oder für die Randbereiche konstant extrapoliert. Ist die Mindestkapitalanforderung kleiner als 100%, wird immer eine Bonitätsstufe von 5 zugeordnet. Anschließend werden die Parameter für die Kapitalanforderungsformel der Parametertabelle entnommen. Bei einer ungeraden Bonitätsstufe wird die Kapitalanforderung für die nächstkleinere und für die nächsthöhere Bonitätsstufe berechnet und dann zwischen den Ergebnissen wieder linear interpoliert. Des Weiteren gilt noch eine 2015 beschlossene Erleichterung zur Investition in Infrastrukturanlagen. Um solche Investitionen zu fördern, die einen Beitrag zur Stärkung von Infrastrukturprojekten leisten, wurde eine neue Anlageklasse der Infrastrukturvermögenswerte geschaffen. Sofern es sich um eine Anleihe handelt, die als qualifiziertes Infrastrukturinvestment gilt und eine Bonitätseinstufung von mindestens 3 besitzt (oder noch keine) und nicht zum Kapitalanlagen-Portfolio einer Matching-Anpassung gehört, wird die Kapitalanforderung mit folgenden Parametern berechnet:
Abb. 4: Tabelle Infrastrukturvermögen Verbriefungen Eine Verbriefung ist laut EU-Verordnung Nr. 575/2013 ein Geschäft oder eine Struktur, die das mit einer oder mehrerer Risikopositionen verbundene Kreditrisiko in Tranchen unterteilt. Klassische Beispiele für Verbriefungen sind Pfandbriefe oder hypothekenbesicherte Wertpapiere (MBS mortgages backed securities). Verbriefungspositionen werden für die Berechnung in drei Kategorien (Typ-1-Verbriefungspositionen, Typ-2-Verbriefungspositionen und Wiederverbriefungspositionen) unterteilt und für jede Gruppe separat die Kapitalanforderung berechnet. Eine Verbriefungsposition gilt als Typ-1- Verbriefungspositionen, wenn sie eine Liste von 20 Kriterien erfüllt, die in der Delegiertenverordnung, Artikel 177, Absatz 2, aufgelistet werden. Die Kriterien beziehen sich größtenteils auf Bewertung, Markt, Besicherung, Höchstrangigkeit der Tranche, vertragliche Struktur und Serviceleistungen der Anlage. Eine Verbriefung gilt als Wiederverbriefungspositionen, wenn mindestens eine der zugrunde liegenden Forderung eine Verbriefungsposition ist und das verbundene Risiko wieder in Tranchen unterteilt wird. Wenn eine Verbriefungsposition keine Wiederverbriefungsposition ist und nicht die Kriterien einer Type-1-Verbriefungspostion erfüllt, wird sie als Type-2-Verbriefungspositionen eingestuft. Die Kapitalanforderung für eine Verbriefungsposition i beträgt ihren Marktwert multipliziert mit einem Stressfaktor. SCR sp securitisation = i stress i * MV i Der Stressfaktor in Prozent für die Kapitalanforderung berechnet sich über folgende Formel stress i = min (b i * dur i, 100)
dur i ist auch hier die modifizierte Duration in Jahren oder 1 sofern diese kleiner als ein Jahr ist. Der Wert b i wird dabei der folgenden Tabelle entnommen, je nach Bonitätsstufe und dem Typ, dem die Verbriefungsposition zugewiesen wurde: Abb. 5: Verbriefungspositionen Derivate Als Spread-Derivate gelten alle Derivate, deren Wert von der Marge aktueller Marktzinsen gegenüber der risikofreien Zinskurve oder deren Volatilität abhängt, z.b. Credit Default Swaps, Total Return Swaps oder Credit Default Optionen. Zur Berechnung der Kapitalanforderung werden nur die Spread-Derivate herangezogen, die nicht Teil einer Risikominderungsstrategie innerhalb des Portfolios, also spekulativer Natur, sind. Für das Schockszenario Spreadverengung wird die aktuelle Marge gegenüber der risikofreien Zinskurve für alle Ratings und alle Laufzeiten um 75% reduziert. Für das Schockszenario Spreadausweitung wird sie abhängig von der Bonitätsstufe des zugrunde liegenden Instruments um einen absoluten Prozent-Betrag für alle Laufzeiten erhöht: Bonitätsstufe Anstieg 0 1,3 1 1,5 2 2,6 3 4,5 4 8,4 5 16,2 6 16,2 keine 5 Abb. 6: Marge Spreadausweitung Für alle relevanten Derivate i wird pro Szenario eine Bewertung vorgenommen: PV i, down PV i und up PV i. Die Kapitalanforderung für Spreadderivate ist dann der größere Wertverlust in den beiden Schockszenarien gegenüber dem Basisszenario: SCR sp cd = max ( i PV i - i down PV i, i PV i - i up PV i, 0) Es werden drei Szenarien definiert: Das aktuelle Marktumfeld und darüber hinaus die Schockszenarien Spreadverengung und Spreadausweitung.
Berücksichtigung des Spreadrisikos in den Quantitative Reporting Templates (QRT) Das Spreadrisiko inklusive Kapitalanforderung wird als Teil des Marktrisikos im Meldeformular 26.01 ausgewiesen. Hier werden alle im Artikel erwähnten Komponenten der Kapitalanforderung sowie der Subkomponenten bzw. im Fall der Derivate auch die einzelnen Szenarien ausgewiesen. Die Kapitalanforderung für Anleihen und Darlehen wird unterteilt in qualifizierte Infrastrukturinvestments und übrige Anleihen und Darlehen ausgewiesen; außerdem die Summe dieser beiden Positionen. Für Verbriefungen werden die totale Kapitalanforderungen für Typ-1-Verbriefungen, Typ-2- Verbriefungen und Wiederverbriefungen separat ausgewiesen sowie die Summen-Aggregation dieser drei Klassen. Für Kredit-Derivate werden sowohl die Ergebnisse der beiden Schockszenarien gemeldet und die daraus resultierende Kapitalanforderung. Schließlich umfasst die Meldung noch das gesamte Spreadrisiko inklusive der Kapitalanforderung als Summe der Kapitalanforderung der drei Submodule. Ausblick Mit der neuen Delegiertenverordnung 2016/467 von September 2015 und die mit ihr verbundenen separaten Berücksichtigung von Infrastrukturinvestitionen liegt die letzte Anpassung in Bezug auf das Spreadrisiko noch nicht lange zurück. Aktuell weisen Staatsanleihen der Zentralregierung oder der Zentralbank von Staaten, die Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) oder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sind, kein Spreadrisiko auf. Das gibt nach Ansicht verschiedener Experten die wirtschaftliche Realität unzureichend wieder. Interne Modelle von größeren Versicherungsunternehmen berechnen daher bereits ein sogenanntes Länderrisiko für staatliche Emittenten. Außerdem verlangt EIOPA bereits eine adäquate Berücksichtigung von risikoreicheren Staatsanleihen im Rahmen des ORSA-Prozesses. In Bezug auf die Probleme, die sich für einzelne EU- Staaten im Zuge der europäischen Schuldenkrise 2010-2013 ergaben, ist anzunehmen, dass diese Bevorzugung gegenüber Unternehmensanleihen politisch gewollt war. Für Anleihen der Zentralregierung oder der Zentralbank eines EU-Mitgliedstaates, die auf die Währung eines anderen Mitgliedstaates lauten, gilt bis zum 31.12.2017 eine Kapitalanforderung von 0.
Im Jahr 2018 gilt für diese Anleihen eine Kapitalanforderung in Höhe von 20 % einer sich für eine normale Anleihe ergebenden Kapitalanforderung. Im Jahr 2019 wird dieser Anteil auf 50 % angehoben. Ab dem Jahr 2020 ist die Sonderbehandlung dann gänzlich aufgehoben. Insbesondere wenn es zu einer weiteren Stabilisierung der Staatshaushalte im europäischen Wirtschaftsraum kommt, erscheint eine entsprechende Anpassung für alle Staatsanleihen innerhalb der folgenden Jahre daher wahrscheinlich.