119 BetrVG, 240 StGB. Strafurteil wegen Behinderung einer Betriebsratswahl



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Leitsatz: OLG Dresden, 2. Strafsenat, Beschluss vom 08. Dezember 2010, Az. 2 Ws 347/10

Transkript:

Tipps für Betriebsräte wesentlichen Betriebsteil handeln. Lediglich das Arbeitsgericht Mçnchen (22.2.2000, AiB 2000, S. 766) hat soweit ersichtlich bislang eine dem vorliegenden Beschluss vergleichbare Entscheidung getroffen, in der die Wesentlichkeit eines Betriebsteils unter Anwendung einer qualitativen Betrachtungsweise bejaht wurde. Das Arbeitsgericht Mçnchen hat in der vorgenannten Entscheidung die Ausgliederung der Reinigungsleistungen in einem Hotelbetrieb an Dritte als den Kernbereich der Betriebsorganisation betreffend verstanden. Selbst wenn dort die Zahlengrenzen fçr einen Personlabbau, der eine Betriebsånderung darstellt, noch nicht erreicht ist, liegt in der Ausgliederung der Zimmerreinigung in einem Hotelbetrieb eine Betriebsånderung im Sinne von 111 Satz 2 Nr. 4 BetrVG. Dies im Wesentlichen deswegen, weil die Reinigungsaufgabe in einem Hotelbetrieb zu einem Kernbereich des Dienstleistungsangebots gehært und nicht lediglich ein Anhångsel des operativen Geschåfts ist. Erfreulicherweise hat das Arbeitsgericht in der vorliegenden Entscheidung in åhnlicher Weise eine weitergehende Hilfestellung fçr die Argumentation von Betriebsråten in Bezug auf das Vorliegen einer Betriebsånderung auch fçr den Fall gegeben, dass bei Personalabbaumaßnahmen des Arbeitgebers, bei denen bei quantitativer Betrachtungsweise der Tatbestand der Betriebsånderung nicht erfçllt ist, wegen der Qualitåt der in Frage kommenden Betriebsabteilung dennoch von einer Betriebsånderung gesprochen werden kann. Es kommt fçr Betriebsråte in von derartigen Maßnahmen betroffenen Betrieben nunmehr darauf an, herauszuarbeiten, dass die betroffene Abteilung unter Berçcksichtigung der Hauptleistung, die das jeweilige Unternehmen am Markt erbringt, eine Primårfunktion mit ausfçllt und nicht lediglich unterstçtzende Funktionen hat. Anzumerken bleibt, dass der Arbeitgeber im vorliegenden Fall das Beschwerdeverfahren vor dem LAG Hamburg gefçhrt hat, im Termin zur mçndlichen Verhandlung vor dem LAG angesichts der Tatsache, dass das Gericht durchblicken ließ, dass es die Entscheidung des Arbeitsgerichts beståtigen wçrde, seine Beschwerde zurçckgenommen hat. Wolfgang Brinkmeier Fachanwalt fçr Arbeitsrecht in Hamburg www.arbeitnehmeranwaelte.de 119 BetrVG, 240 StGB Strafurteil wegen Behinderung einer Betriebsratswahl 1. Kündigt ein Vorgesetzter einer Beschäftigten an, für den Fall, dass sie einen von ihm gewünschten Änderungsvertrag zum Zweck der Versetzung nicht unterzeichne, dass dies als Arbeitsverweigerung ausgelegt werde und sie mit Kontrollen und Beanstandung fingierter Mängel rechnen müsse, und unterschreibt die Beschäftigte daraufhin, so liegt eine Nötigung im Sinne des 240 StGB vor. 2. Erfolgt das Erzwingen des Änderungsvertrages im Zusammenhang mit von den Vorgesetzten ausdrücklich nicht gewünschten Betriebsratswahlen mit dem Erfolg, dass das aktive und passive Wahlrecht der Versetzten durch die Unterschrift entfällt, liegt hierin zusätzlich eine strafbare Handlung im Sinne des 119 BetrVG. 3. Die Androhung eines Übels, wie eines Verlustes des Arbeitsplatzes oder sonstiger Unannehmlichkeiten, ist gerade dann verwerflich im Sinne des 108 AiB 2008 Heft 2 aib-web.de Passwort fçr Februar: Rostock

240 Abs. 2 StGB, wenn sie zum Zwecke der Verhinderung oder Erschwerung von Betriebsratswahlen erfolgt. 4. Kommt eine eingeleitete Betriebsratswahl aufgrund einer versuchten Nötigung im Sinne des 240 Abs. 3 StGB nicht zustande, ist es wegen des letztendlichen Taterfolges unangemessen, den Strafrahmen von einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstraße gemäß den 22 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB für die Versuchstat(en) zu mildern. (Leitsåtze der Verfasser) Strafurteil des Landgerichts Marburg vom 12.5.2007 2 Ns 2 Js 18719/05 und des Amtsgericht Marburg vom 21.12.2006 59 Ds 2 Ns 2 Js 18719/05 Sachverhalt Einschüchterungen und Repressalien durch Führungskräfte Der Gesamtbetriebsrat einer bundesweit firmierenden Drogeriekette bestellte Ende 2005 einen 3-kæpfigen Wahlvorstand sowie Ersatzmitglieder zur Wahl eines Betriebsrats in einem bis dahin betriebsratslosen Verkaufsbezirk mit rund 30 Filialen. Nach Bekanntgabe sahen sich Mitglieder des Wahlvorstandes massiven Repressalien und Einschçchterungen durch Fçhrungskråfte des Unternehmens ausgesetzt. Infolge schieden zwei der drei Wahlvorstandsmitglieder aus dem Unternehmen aus, zur Einleitung der Wahl kam es nicht mehr. Die Gewerkschaft Ver.di stellte zunåchst Strafantrag gemåß 119 BetrVG, die weiteren beteiligten Arbeitnehmerinnen nahmen jedoch von ihrem Vorhaben der Betriebsratswahl Abstand. Der Verkaufsbezirk ist bis heute betriebsratslos. In der Strafsache gegen A, E und H wegen Nætigung wird die Berufung mit der Maßgabe verworfen, dass die Zahl der Tagessåtze bezçglich des Angeklagten A auf 90 Tagessåtze, bezçglich der Angeklagten E auf 80 Tagessåtze und bezçglich der Angeklagten H auf 85 Tagessåtze herabgesetzt wird Entscheidungsgrçnde Das Strafmaß Der strafrechtlich relevante Sachverhalt Das Landgericht Marburg hat damit das Urteil des Amtsgerichts Marburg vom 11.12.2006 am 10.5.2007 weitestgehend beståtigt. Der verheiratete Angeklagte mit zwei Kindern im Alter von 15 und 16 Jahren und einem Nettoeinkommen von 2.100 e wurde rechtskråftig zu 90 Tagessåtzen zu je 50 e verurteilt, also insgesamt 4.500 e. Hinzu kommen Verfahrenskosten. Der verheiratete Angeklagte E mit zwei Kindern im Alter von 16 und 14 Jahren und einem Nettoeinkommen von 2.300 e wurde damit zu 80 Tagessåtzen zu je 60 e, also insgesamt 4.800 e verurteilt. Die verheiratete Angeklagte H mit einem Nettoverdienst von 1.600 e wurde verurteilt zu 85 Tagessåtzen zu je 50 e, also zu 4.250 e zzgl. den entsprechenden Verfahrenskosten. Das Strafmaß des Amtsgerichts lag um 20 bis 40 Tagessåtze hæher. Der Angeklagte E ist als Verkaufsleiter, der Angeklagte A und die Angeklagte H als Bezirksleiter/in in Filialen fçr Drogeriemarktartikel tåtig. Die Angeklagten sind bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Die Verhandlungen vor dem Landgericht Marburg hat zu folgenden Feststellungen gefçhrt:»am 27.9.2005 stellte der Gesamtbetriebsrat der Firma (...) einen Wahlvorstand nach 17 des Betriebsverfassungsgesetzes [auf]. (...) Zu Wahlvorstandsmitgliedern wurden die in den innerhalb des Wahlbezirkes gelegenen Filialen (...) Beschåftigten S, E und K bestellt. Am 30.9.2005 suchten daraufhin die Angeklagten E und A die Geschådigte S in der von ihr gefçhrten Verkaufsfiliale in (...) auf. Nachdem sie zunåchst mit ihr çber die Fçhrung der Filiale, unter anderem Beanstandungen hinsichtlich der Pausenplåne, besprochen hatten, wurden die Angeklagten von der Zeugin S gefragt, ob der Besuch und die Beanstandungen etwas mit der von ihr beabsichtigten Teilnahme an den Betriebsratswahlen zu tun håtten. Nachdem dies die Angeklagten zunåchst verneinten, teilten sie je- aib-web.de Passwort fçr Februar: Rostock AiB 2008 Heft 2 109

Tatfeststellungen doch der Zeugin im Verlauf des Gespråchs mit, dass ihre Mitwirkung bei den bevorstehenden Betriebsratswahlen nicht erwçnscht sei und forderten sie auf,»so etwas«zu unterlassen. Andernfalls kænnten ihr Unannehmlichkeiten, wie Versetzungen oder»verlassen der Firma«drohen, weil eine Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat nicht mæglich und nicht erwçnscht sei. Als die Zeugin S nicht weiter auf das Gespråch einging und das Bçro verlassen wollte, wurde ihr von den Angeklagten gesagt, es gåbe»mittel und Wege, dies zu verhindern«. Die Zeugin S reagierte jedoch nicht auf die Drohungen Am 7.10.2005 wurde die Geschådigte S zu einem weiteren Gespråch mit den Angeklagten A und H im Bçro der von ihr geleiteten Filiale (...) gebeten. Dabei verlangten die beiden Angeklagten von der Zeugin S einen Ønderungsvertrag zu unterzeichnen, mit dem ihre Versetzung an eine andere außerhalb des Wahlbezirkes gelegene Filiale (...) bewirkt wurde. Auf die Frage der Zeugin S, ob dies mit ihrer Tåtigkeit fçr den Betriebsrat zu tun habe, verneinten dies die Angeklagten und gaben als Grund fçr die Versetzung gesundheitliche Probleme der bisherigen (...) Filialleiterin (...) an, welche die Zweigstelle (...) çbernehmen solle. In Wahrheit kam es ihnen jedoch darauf an, durch Entfernung der Geschådigten aus dem Wahlbezirk (...) deren Engagement fçr die Bildung eines Betriebsrats zu verhindern. Als die Geschådigte, welche in der Vergangenheit zwar ihr Interesse an der Leitung einer græßeren Filiale (...) bekundet hatte, an der Filiale in (...) jedoch nicht interessiert war, mit der Unterzeichnung des Vertrags zægerte, sagten die Angeklagten zu ihr, dass sie an ihrem Arbeitsplatz denken solle. Ansonsten mçsse man sich»was anderes einfallen lassen«und man kænne ihr Arbeitsverweigerung nachsagen. Unter dem Druck dieser Øußerung unterschrieb die Zeugin S sodann den Ønderungsvertrag, widerrief ihre Zustimmung aber am nåchsten Tag. Gleichwohl eine Reaktion auf ihren Widerspruch erhielt sie nicht trat die Zeugin ihre Arbeitsstelle in (...) am 17.10.2005 an. Am 4.11.2005 suchte der Angeklagte A die Geschådigte E, die sich wie oben dargestellt, ebenfalls bei der Bildung des Betriebsrates engagiert, in der von dieser geleiteten Verkaufsstelle (...) auf. Nachdem sich das Gespråch zunåchst um Beanstandungen bei der Filialfçhrung drehte, fragte der Angeklagte A die Geschådigte E, warum sie vorhat, einen Betriebsrat zu grçnden. Auf deren Versuche, ihm die Beweggrçnde zu schildern, teilte der Angeklagte A der Zeugin mit, dass Betriebsråte bei der Firma (...) grundsåtzlich nicht erwçnscht seien, da sie nur Kosten verursachen und gegen die Firma arbeiten wçrden. Auf die Erwiderung der Zeugin, dass man nicht vorhabe, gegen die Firma (...) zu arbeiten, sagte der Angeklagte, dass nach seinem Dafçrhalten Mitarbeiter des Betriebsrats von der Gewerkschaft»Gehirnwåsche«bekommen wçrden. Als die Zeugin weiterhin nicht von ihrem Vorhaben abrçckte, forderte der Angeklagte A sie auf, die Firma im beidseitigen Einverståndnis freiwillig zu verlassen, wobei er ihr eine Abfindung und ein gutes Zeugnis in Aussicht stellte. Ansonsten mçsse sie mit»verstårkten Kontrollen«rechnen, bei denen man z.b. abgelaufene Ware oder andere Mångel entdecken wçrde. Dies wçrde sofort zu einer Abmahnung fçhren. Sie wisse ja, dass sie nach drei Abmahnungen ohne Abfindung und ohne gutes Zeugnis entlassen werden kænne. Bei der Firma (...) zu bleiben, kænne er ihr nicht empfehlen. Weiterhin besagte der Angeklagte A gegençber der Zeugin, dass die Versetzung der Geschådigten S nach (...) nur erfolgt war, um die Betriebsratsgrçndung zu verhindern. Die Zeugin E weigerte sich jedoch, die Firma zu verlassen.«das Landgericht folgte im Ûbrigen den Feststellungen des Amtsgerichts, das bereits feststellte,»ein weiteres Indiz fçr die beabsichtigte Einschçchterung bzw. Entfernung betriebsmåßig aktiver Arbeitnehmer ergibt sich aus der sicher gestellten»checkliste-kçndigung 6.96/V8«, welche im Rahmen der Beweisaufnahme in Augenschein genommen wurde. Hieraus ist die Stellungnahme zur 110 AiB 2008 Heft 2 aib-web.de Passwort fçr Februar: Rostock

Rechtliche Gründe für die Verurteilung des Angeklagten A Rechtliche Gründe für die Verurteilung des Angeklagten E Rechtliche Gründe für die Verurteilung der Angeklagten A Kçndigung: MA ist BR-måßig aktiv geworden. MA erhålt eine einmalige Abfindung von 1.750 e. MA sollte nicht wieder eingestellt werden. Freistellung vom 1.11. bis 30.11.2005!«ersichtlich.«Die Checkliste-Kçndigung wurde im Rahmen einer polizeilichen Durchsuchung aufgefunden. Die strafrechtliche Wertung hålt das Gericht fest:»der Angeklagte A hat sich der gemeinschaftlichen Nætigung sowie der versuchten Nætigung gemåß den 240 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, 22, 23, 25 StGB schuldig gemacht. Er hat am 7.10.2005 gemeinsam mit der Angeklagten A die Geschådigte S durch Drohung mit einem empfindlichen Ûbel zum Unterschreiben des Ønderungsvertrags genætigt. Dabei musste die Zeugin S die Hinweise der Angeklagten, wenn sie das nicht mache, dann mçsse man sich etwas anderes einfallen lassen, man kænne ihr Arbeitsverweigerung nachsagen, als Drohung mit einer fristlosen Kçndigung wegen angeblicher Arbeitsverweigerung auffassen. Unter diesem Druck unterschrieb sie daraufhin die von ihr in dieser Form nicht gewollte kurzfristige Versetzung nach (...). Die Nætigung war auch rechtswidrig. Die Versetzung der Zeugin diente der Entfernung aus dem Wahlbezirk (...) und damit der Verhinderung der weiteren Tåtigkeit bei der Betriebsratswahl, so dass sich die Verwerflichkeit bereits aus dem beabsichtigten Verstoß gegen 119 BetrVG begrçndet. Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgrçnde sind nicht ersichtlich. Gegençber der Geschådigten E hat der Angeklagte A am 4.11.2005 damit gedroht, unangemeldete Kontrollen mit der Entdeckung abgelaufener Ware und anderen Mångeln durchzufçhren, welche zur Abmahnung und einer darauf beruhenden spåteren Kçndigung ohne Abfindung und, ohne gutes Zeugnis fçhren wçrde. Er hat der Zeugin damit fçr diese klar verståndlich mit einem Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund fingierter Mångel gedroht, um diese zu einer einvernehmlichen Auflæsung des Arbeitsverhåltnisses zu veranlassen«. Der Angeklagte E hat sich wegen versuchter gemeinschaftlicher Nætigung gemåß den 240 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, 22, 23, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht, in dem er bei dem Gespråch am 30.9.2005 zusammen mit der Angeklagten A der Zeugin S»Unannehmlichkeiten«nåmlich die Versetzung und ein»verlassen der Firma«in Aussicht gestellt hat, was diese als Drohung mit einer Kçndigung fçr den Fall, dass sie sich weiterhin bei der Betriebsratswahl engagiert, auffassen mçsste, um sie zur Unterlassung ihrer Aktivitåten zu veranlassen. Da die Geschådigte nicht auf das Ansinnen der Angeklagten einging, ist die Tat im Versuchsstadium geblieben. Die Tat war auch wegen des in 119 BetrVG verstoßenden Zweckes, Aktivitåten des Betriebsrates zu verhindern bzw. erst gar nicht zur Entstehung kommen zu lassen, verwerflich. Die Angeklagte A hat sich bei dem Gespråch am 30.9. und 17.10.2005 der versuchten gemeinschaftlichen Nætigung und der gemeinschaftlichen Nætigung gemåß 20 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, 22, 23, 25 Abs. 3 StGB schuldig gemacht. Auch 119 BetrVG ist gegeben. Das Landgericht ergånzte die Feststellungen hinsichtlich der Erfçllung von Straftaten auch noch dahingehend, dass es fçr alle Tåter auch feststellte, dass 119 BetrVG erfçllt war. Hinter dieser Feststellung stand alleine die Frage, dass erstinstanzlich noch Zweifel beim Amtsgericht bestanden, ob der Strafantrag der Antrag stellenden Gewerkschaft noch wirksam Bestand hatte. Anmerkung Ungewöhnlicher Fall für das Strafgericht und die Staatsanwaltschaft Den Fall, den das Amtsgericht und das Landgericht Marburg zu entscheiden hatte, mægen Strafgericht und Staatsanwaltschaft dies wird aus dem Wortlaut des Urteils und der Urteilsbegrçndung ungewæhnlich gefunden haben. In diesem Drogerieunternehmen so zeigt eine bundesweite empirische Studie çber Betriebsratswahlen von 2001 bis Mitte 2006 gehæren Wahlbe- und aib-web.de Passwort fçr Februar: Rostock AiB 2008 Heft 2 111

»Grundrecht auf Betriebsräte«-verhinderung jedoch nicht zur Ausnahme, sondern zur Regel. So resultierten von 51 vom Gesamtbetriebsrat bestellten Wahlvorstånden nur 32 Betriebsratswahlen. In 19 Fållen (40 %) scheiterte das Vorhaben durch Einflussnahme der Unternehmensseite. Viele Beschåftigte auch anderer Handelsunternehmen und auch anderer Branchen erleben åhnlichen Druck und Einschçchterung im Vorfeld einer erstmaligen Betriebsratswahl. Ein Gewerkschaftssekretår formulierte es kçrzlich ganz zutreffend wie folgt:»bei erstmaligen Betriebsratswahlen stoßen wir in jçngerer Zeit in 90 % der Fålle auf erheblichen Widerstand und Stærungen durch den Arbeitgeber.«Unter diesen Umstånden Betriebsratswahlen erfolgreich durchzusetzen, erfordert sicherlich einen Mix aus unterschiedlichen Strategien und enge persænliche Unterstçtzung und Begleitung der Wahlvorstandsmitglieder wåhrend Phasen des Angriffs durch den Arbeitgeber. Ver.di engagiert sich seit geraumer Zeit, um Discounter, die Betriebsråte be- und verhindern, auch æffentlich zu brandmarken, die Situation am Arbeitsplatz æffentlich zu machen und das»grundrecht auf Betriebsråte«in einen gesamtgesellschaften Kontext zu stellen. Denn es geht um demokratische Teilhabe. Der Fall aus Marburg zeigt, dass ein Blick çber den Tellerrand des Arbeitsrechts håufiger notwendig ist und belegt zugleich, dass eine çber den 119 BetrVG hinausgehende Strafverfolgung erfolgreich sein kann. Erfolgreiche Verurteilungen nach 119 BetrVG sind, obwohl die Regelung håufig zitiert wird, bislang rar. Notwendig ist in Strafrechtsangelegenheiten eine engagierte Staatsanwaltschaft und detaillierte Information çber das interne Geschehen. Dies sollte genau dokumentiert werden: Formular Stærung der Betriebsratswahl Datum des Vorgangs: Uhrzeit Beginn: Uhrzeit Ende: Vorname und Name der handelnden Person(en), die die Wahl stæren, mit Titel: Vorname Name betriebliche Funktion Vorname Name betriebliche Funktion Die genaue Beschreibung des Vorgangs (hier ist zum einen zu beschreiben was passierte und dann festzuhalten, was welche Person sagte, soweit wærtliche Zitate verwendet werden, ist das entsprechend zu kennzeichnen, wichtig ist es alle Anwesenden festzuhalten): Nachfolgende Personen waren anwesend (angeben, wenn eine Person nicht die ganze Zeit anwesend war): Das ist vorgefallen (wer hat was zu wem gesagt, wer hat wie gegençber wem gehandelt): (Ergånzungen ggf. auf der Rçckseite) Zeugen (mæglichst Name Vorname Unterschrift): Vorname Name Unterschrift (falls mæglich) Vorname Name Unterschrift (falls mæglich) Das Protokoll wurde erstellt durch: Datum Vorname Name Unterschrift 112 AiB 2008 Heft 2 aib-web.de Passwort fçr Februar: Rostock

Handlungshilfe für Betriebsräte Dass dann erfolgreich vorgegangen werden kann, zeigt die Entscheidung. Hilfreich fçr die Zukunft ist, dass arbeitsrechtliche oft schwer greifbare Drohungen und unterschwellige Ankçndigungen wie das in Aussicht stellen unangemeldeter Kontrollen durch das Gericht»als besonders perfide Einschçchterung«angesehen wurden»bei der der Geschådigten die eigene Machtlosigkeit gegençber ihrem Arbeitgeber unmissverståndlich vor Augen gefçhrt wurde«. Nicht çbersehen werden darf, dass Strafverfahren dauern und die Betriebsratswahl im gegenståndlichen Fall nicht zustande kam. Das Ziel der demokratischen Teilhabe konnte also mit den Mitteln des Strafrechts nicht erreicht werden. Der Missbrauch des Abhångigkeitsverhåltnisses im Arbeitsverhåltnis durch Vorgesetzte wurde also durch die Strafgerichte als Nætigung bzw. versuchte Nætigung festgestellt. Hierbei hat das Landgericht, wie auch das Amtsgericht die versuchte Nætigung als genauso verwerflich angesehen, wie die erfolgreiche Nætigung, weil das Ziel die Verhinderung einer Betriebsratswahl war. Der Verurteilte A ist Verkaufsleiter, die Verurteilten A und E sind Bezirksleiter, die mit einem fast getriebenen Eifer gegen die beabsichtigte Betriebsratswahl vorgingen. Erklåren konnte sich das Gericht dieses Verhalten nur dadurch, dass es davon ausging, dass die Tåter sich unter einem Druck durch die Firmenspitze der Firma sahen. Wåhrend der Betriebsratswahlen sind Vorgånge der verurteilten Art håufig. Um die Vorgånge aufgreifen zu kænnen, ist die genaue Dokumentation (vgl. oben) entscheidend. Eine Gewerkschaftssekretårin oder ein Gewerkschaftssekretår sollten hierbei unbedingt beigezogen werden. Christine Steinicken Rüdiger Helm Beide Rechtanwålte bei www.kanzlei-helm.de www.arbeitnehmeranwaelte.de Agnes Schreieder, Ver.di aib-web.de Passwort fçr Februar: Rostock AiB 2008 Heft 2 113