Shahid-Beheshti-Universität Fakultät für Literatur und Humanwissenschaften Abteilung der deutschen Sprache und Literatur Masterarbeit Die Bedeutung des Theaters im Kommunikativen DaF-Unterricht Betreuerin: Dr. Narjes Khodaee vorgelegt von Soheyla Hassan Zadeh Pashang Januar 2013 1
Einleitung Nach der Neuorientierung der Fremdsprachendidaktik und -methodik Anfang der 70er Jahre wurde die Zielsetzung des modernen Fremdsprachenunterrichts neu formuliert. Die Pragmalinguistik hat ihre Wirkung auf Unterrichtsmethoden ausgebreitet, in dem Sinne, dass man die Sprache nicht mehr als ein geschlossenes System der sprachlichen Formen betrachtete, sondern als Aspekt menschlichen Handelns (vgl. Neuner 1993: 88). So wurde die Kontaktaufnahme mit anderen Menschen und gegenseitige Verständigung als wichtigste Funktion der Sprache definiert und infolge dessen die Befähigung zur Kommunikation zum neuen Lernziel des Fremdsprachenunterrichts erklärt. Zum Erreichen dieses Lernziels wurde Mitte der 70er Jahre die Kommunikative Methode entwickelt, die eine lernerzentrierte Lehrmethode ist und in der die Förderung der Kommunikativen Kompetenz im Mittelpunkt steht. Bei der Kommunikativen Methode ist die Lehrerperspektive durch die Lernerperspektive ersetzt. Die Lernenden sollen im Unterricht nicht mehr das lernen, was die Lehrkraft ihnen anzubieten und zu vermitteln hat, sondern was sie benötigen, um sich in der Zielsprachengesellschaft zurechtzufinden und mit anderen kommunizieren zu können. Der Erwerb einer Fremdsprache lässt sich mit dem Eintritt in eine neue Welt vergleichen, die neue Rahmenbedingungen hat. Um sich in der neuen Sprachwelt ohne Missverständnisse verständigen zu können, ist es erforderlich sich zuerst an die Rahmenbedingungen der Umgangssprache sowie in den Alltagssituationen des Zielsprachenlandes anzupassen bzw. zu integrieren. Mit der Beseitigung der Hemmungen auf dem Weg der Integration werden die Probleme beim Fremdspracherwerb zum großen Teil vermindert. Dieser Mangel wurde von der Verfasserin der vorliegenden Arbeit in ihrer 5-jährigen Praxis als Lehrkraft auf dem Gebiet Deutsch als Fremdsprache sehr oft beobachtet. Das wichtigste Problem bei den erwachsenen Deutschlernenden im Iran, ist das Bleiben in der Welt der Muttersprache mit ihren sprachlichen Strukturen, was gewissermaßen die Lernflexibilität der Lernenden mindert. Der Grundgedanke beim Schreiben der vorliegenden Arbeit bestand darin, die Möglichkeiten herauszuarbeiten, durch welche die Sprachlernenden sich direkt mit der Fremdsprache auseinandersetzen können. Dazu hat sich die Idee entwickelt, möglichst realitätsnahe Alltagssituationen durch das theatralische Spiel im Unterricht zu simulieren, in denen die Sprachlernenden die Rollen aus dem Alltagsleben übernehmen und ihre Persönlichkeit im Rahmen der Rollen zum Ausdruck bringen. 2
Nach der Entwicklung des Theaters im letzten Jahrhundert haben sich die Grundprinzipien, Aufgaben und Ziele des Theaterspielens geändert. In dem Sinne, dass das Theater außer dem Erfüllen der künstlerischen Ziele, auch soziale sowie politische Aufgaben übernommen hat und zur Bühne der Kommunikation in der Gesellschaft geworden ist. Diese Entwicklung leitet die Verfasserin dahin, die Frage aufzuwerfen, ob das Theater als eine Unterrichtsmethode zur Förderung der Kommunikationskompetenz im Kommunikativen DaF-Unterricht umgesetzt werden kann und ihre Hypothese in der vorliegenden Arbeit liegt darin, dass diese Frage mit Ja beantwortet wird. Ziel dieser Forschungsarbeit soll es sein, die Funktion des Mediums Theater aus unterschiedlichen linguistischen, pädagogischen, lernpsychologischen sowie neurobiologischen Perspektiven zu betrachten und die Potenziale der theatralischen Übungen zur Förderung der sprachlichen Kompetenzen zu überprüfen. Was in der vorliegenden Arbeit unter dem Begriff Theater verstanden wird, sind vor allem die szenischen Spiele, die Alan Maley und Alan Duff Anfang der 80er Jahre im Schulbereich zur Förderung des freien Sprechens im Fremdsprachenunterricht dargestellt haben. Sie haben Spielvorschläge ausgearbeitet, die die Sprachlernenden zu selbstsicherer Natürlichkeit und Echtheit des Ausdrucks befähigen sollen (vgl. Maley 1981: 5). Im selben Jahr hat Werner Ingendahl dafür plädiert, szenische Spiele als eine schulische Lernform zu betrachten, weil sie im Deutschunterricht in allen Aufgabenbereichen hilfreich sein können. Er hat eine Spieltheorie vorgestellt, nach welcher das Spiel als eine pädagogische Handlungsform begründet werden kann (vgl. Ingendahl 1981: 7). Im praktischen Bereich hat Ingo Scheller 1998 im Rahmen seines Modells Einphasige Lehrerausbildung zahlreiche Projekte über das szenische Spiel in schulischer und außerschulischer Bildungsarbeit durchgeführt und es als eine Lernform in beiden Bereichen dargestellt. Er hat versucht, die Verfahren des szenischen Spiels systematisch zu begründen. In diesem Zusammenhang entstand das Konzept des erfahrungsbezogenen Unterrichts, der nach Scheller die Phantasien, Erlebnisse und Erfahrungen von Schülern zum Ausgangs- und Bezugspunkt inhaltsbezogener Unterrichtsprozesse macht (vgl. Scheller 1998: 9). 2003 hat Susanne Even neue Vermittlungsformen des fremdsprachlichen Grammatikunterrichts durch dramapädagogische Ansätze unter dem Begriff Dramagrammatik zur Diskussion gestellt. Sie hat in ihrer 3
Forschung darauf abgezielt, die Entsinnlichung von Grammatik durch einen dramapädagogisch angelegten Grammatikunterricht aufzuheben (vgl. Even 2003: 17). Theatralische Arbeit in den Sprachunterrichten im Iran wird höchstens als Rollenspiele durchgeführt. Das Theater ist bis jetzt nicht als eine Methode betrachtet worden und dieses Thema wird zum ersten Mal in der vorliegenden Arbeit behandelt. Einige Theaterspiele mit dem Schwerpunkt Deutsch als Fremdsprache werden am Österreichischen Kulturforum in Teheran (ÖKFT) aufgeführt. Obwohl die Aufführungen eine intensive Auseinandersetzung mit der deutschen Sprache sein sollen, gehören sie eher zum ästhetischen Theater, das von einem Theaterregisseur geleitet und meistens von den Theaterstudenten, die Deutsch als Fremdsprache studieren, gespielt wird. Das Programm liegt im kulturellen Rahmen des Instituts und gehört nicht zu seinem Unterrichtsplan. Ein Theater, das gezielt nur auf die Sprache und die Sprachübungen ausgerichtet ist und sich nur an Fremdsprachige richtet, ist zum ersten Mal am ÖKFT von der Wiener Theatergruppe artig im Juli 2012 angeboten worden. In der vorliegenden Arbeit wird ein Bericht über dieses Theater vorgelegt. Da in der vorliegenden Arbeit das Thema des Theaters in Bezug auf die Kommunikative Methode untersucht wird, wird zunächst im 2. Kapitel auf die Sprach- und Kommunikationsmodelle eingegangen. Hier werden die wichtigsten Konzepte, die bis jetzt von unterschiedlichen Forschern ausgearbeitet worden sind, dargestellt und aus der Perspektive des Theaterspielens im Unterricht überprüft. Dabei wird versucht, die didaktischen, pädagogischen und linguistischen Merkmale, die in diesen Konzepten betrachtet werden, mit den Grundlagen des theatralischen Spiels zu vergleichen. Die Feststellung, dass die nonverbale Kommunikation die erste und wichtigste Stufe der Kommunikation ist, begründet die Notwendigkeit, auf die menschliche Fähigkeit zur Bildung der körperlichen Symbole und auf den Ursprung und die Prozesse der Symbolbildung einzugehen. In diesem Zusammenhang wird auch ein Blick auf die unterschiedlichen Kommunikationsphasen geworfen, um diese Phasen in der Gestaltung der Unterrichtsmethoden in Betracht zu ziehen. Das 3. Kapitel widmet sich der Entwicklung des Theaters im 20. Jahrhundert. Nach einer kurzen Vorstellung der unterschiedlichen Theaterarten wird auf das Theater der Unterdrückten und die wichtigsten Elemente der Gestaltung dieses Theaters eingegangen. 4
Im Anschluss daran wird das Freie Theater und dessen Konturen zur Diskussion gestellt und diese mit den Grundlagen der Kommunikativen Methode verglichen. Im 4. Kapitel wird das Thema theatralischer Fremdsprachenunterricht vorgestellt und debattiert, welche Gesichtspunkte unter dem Begriff des theatralischen Spiels zu verstehen sind, warum das Theater zum Fremdsprachenunterricht gehört und was damit erreicht werden kann. Zu einer grundsätzlichen Ergänzung des Themas wird anschließend ein Blick auf die ästhetische Bildung geworfen und der Frage nachgegangen, inwieweit das Theater als ein ästhetisches Medium im Einklang mit relevanten Unterrichtsmethoden im DaF-Unterricht eingesetzt werden kann. Im Anschluss daran wird auf symbolisches Lernen eingegangen und der Blick auf die Hirnleistungen geworfen, die durch das Theater gefördert werden. Zudem werden die neu vorgelegten Forschungsergebnisse der renommierten Hirnforscher Gerald Hüther erläutert, der nachgewiesen hat, dass das Lernen ohne Beteiligung der Gefühle und Begeisterung kaum möglich ist. Kapitel 5 bildet den praktischen Teil der vorliegenden Arbeit, in dem die unterschiedlichen theatralischen Übungsmöglichkeiten präsentiert wurden, die nach den Beobachtungen der Verfasserin während ihrer fünfjährigen Tätigkeit im Bereich des DaF-Unterrichtens, in den iranischen Sprachinstituten ausgeführt worden sind und für künftige DaF- Unterrichtsgestaltung als Muster dienen können. Anschließend sind die Übungsbeispiele vorgestellt, die auf ihren Beobachtugungen und Hospitationen im KREATIVHAUS Berlin, dem theaterpädagogischen Zentrum und Mehrgenerationenhaus im November 2011, und dem Improvisationstheater-Workshop der Wiener Theatergruppe artig zur Sprachförderung der Deutschschüler ab der Stufe A2/2 am Österreichischen Kulturforum in Teheran im Juli 2012 basiert sind. Abschließend werden im Kapitel 6 die Untersuchungsergebnisse der vorliegenden Arbeit zusammengefasst. Dem Anhang ist ein Interview mit der Leiterin des sonderpädagogischen Förderzentrums Schule am Zwickauer Damm in Berlin beigefügt. 5