Mit Fermentation zum langen Genuss Bakterien als Meisterköche

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Transkript:

Mit Fermentation zum langen Genuss Bakterien als Meisterköche

Freilaufende Bakterien Beste Bedingungen für die Richtigen Wenn Möhren, Kartoffeln und Co. zu lange im Lager liegen, setzt meist ein Umsetzungsprozess ein, der keine Freude macht: Fäulnisbakterien und Schimmelpilze machen das Gemüse ungenießbar. Denn wo Lebensmittel sind, reich an Kohlenhydraten und ausreichend feucht, sind auch Mikroorganismen. In jedem Haushalt tummeln sich ganze Gesellschaften dieser kleinsten Lebewesen. Damit sich die aus menschlichem Blickwinkel Richtigen darunter ihren Teil des Lebensmittels holen und uns ein wohlschmeckendes und gesundheitlich unbedenkliches Produkt zurücklassen, muss normalerweise nachgeholfen werden. Verhältnismäßig einfach ist es beim Sauerteig, der sich meist mit etwas Geduld regelrecht aus dem Nichts schaffen lässt. Aus Mehl und warmem Wasser wird schon nach Tagen ein Brei, der höchst lebendig Blasen schlägt. Wie stark es blubbert und wie schnell die Zahl der Bläschen wieder abnimmt, sogar eventuell einem weißen Belag weicht, hängt von der Temperatur, und den im Mehl und der Umgebung vorhandenen Bakterien und Hefekulturen ab. Schon etwas deutlicher greift man bei der Produktion von Sauerkraut oder Salzgurken ein und erhöht durch Sauerstoffentzug die Chancen der erwünschten Milchsäure- bakterien. Allein mit diesen einfachen Möglichkeiten, Zugabe von Bakterienkulturen aus vorhandenen Lebensmitteln, Luft- und Feuchtigkeitsmanagement und vor allem der Temperaturregulierung kann die Besiedelung und damit Umsetzung von Milch, Wurst und Gemüse effektiv gesteuert werden. Eine weitere Möglichkeit, noch sicherer an das gesetzte Ziel zu kommen, bietet die Lebensmitteltechnologie: längst gibt es käuflich zu erwerbende Sauerteig-, Jogurt- oder sonstigen sogenannten Starter-Kulturen. Diese sind in der Regel ausgewählte und kontrollierte Organismengemeinschaften, die zugesetzt, schon allein durch ihre zahlenmäßige Übermacht gute Chancen haben, eventuell vorhandene ungewollte Keime im Kampf um den Nährstoff zu verdrängen und so durch ihre Aktivität das angestrebte Lebensmittel in optimaler Qualität zu erzeugen.

Fermentiertes Gemüse Saure Salzgurken Gemüse eignet sich sehr gut für die Fermentierung und hat eingelegt auch in Deutschland eine lange Tradition. Kein Wunder: bevor es in jedem Haushalt Kühlschränke und Gefriertruhen gab, Südfrüchte nicht eben mal auf dem Nachhauseweg eingekauft werden konnten, sorgte das eingemachte Gemüse für die nötigen Vitamine im Winter. Die Fermentation erhöht sogar den Gehalt an bestimmten Vitaminen, senkt ihn allerdings bei einigen Substanzen auch. Das empfindliche Vitamin C wird im Sauerkraut von ca. 46 mg im Kohl auf 20 mg ungefähr halbiert, auch Vitamin B 1 findet sich im Sauerkraut in geringerer Menge als im Ausgangs-Weißkohl. Anders sieht es bei den Vitaminen B 2 und B 6 aus. Ersteres wird deutlich erhöht, der Gehalt von Letzterem von 0,11 mg auf ca. 0,21 mg sogar verdoppelt. Vitamin K ist im Weißkohl nicht nachweisbar, nachdem die Milchsäurebakterien am Werk waren, sind es pro 100 Gramm Sauerkraut etwa 1,54 mg. Neben dem Klassiker Sauerkraut werden auch eingelegte Gurken und fermentierter Kürbis bis heute häufig verzehrt. Wer es mit dem Fermentieren selbst versuchen möchte, aber vor dem Krauthobeln und Krautpressen zurückschreckt, kann mit Gurken schnelle Erfolge mit minimalem Einsatz erzielen. Dazu kleine Einlegegurken kaufen oder anbauen. Waschen und in ein Glas mit Schraub- oder Bügelverschluss legen. Etwas Dill oder auch Senf- und Pfefferkörner verbessern den Geschmack des Endprodukts. Dann eine 3-prozentige Wasserlösung herstellen (30 Gramm Salz auf einen Liter, am besten in warmem Wasser auflösen) und die Gläser füllen, so dass die Gurken vollständig mit der Salzlake bedeckt sind. Damit die Gurken nicht schwimmen, mit einem ins Glas passenden Unterteller o.ä. beschweren. Das Glas so verschließen, dass überflüssige Gase entweichen können, also entweder den Schraubverschluss lose auflegen, oder einen vom Gasdruck zu öffnenden Bügelverschluss verwenden. Nach zwei Wochen schmecken die Gurken je nach Temperatur - schon ziemlich fermentiert. Nach etwa drei bis vier Wochen sind sie schön glasig und durchfermentiert. Diese durch die Umsetzung der Milchsäurebakterien zart säuerlich schmeckenden Gurken, sind die wahren sauren Gurken. Nicht zu verwechseln mit den in Essig eingelegten Gurken. Hier sorgt der Essig, nicht die Fermentierung, für die lange Haltbarkeit.

Sauerkraut Einfach selber machen Für einen 5-Liter-Gärtopf werden 6 Kilo dünngeschnittener Weißkohl benötigt. Die Kohlköpfe zunächst von den äußeren, schadhaften Blättern befreien und säubern. Mit einem scharfen Küchenmesser den Kohl in Viertel teilen und den Strunk herausschneiden. Kraut in feine Streifen schneiden oder mit einem Krauthobel hobeln. Anschließend das Kraut in eine saubere Wanne füllen und mit 1 bis 2 Prozent Salz mischen. Das Salz hindert störende Bakterien im Wachstum, bis dies die zunehmend saure Umgebung alleine schafft. Nach 60 Minuten (wenn genügend Lake ausgetreten ist) den Kohl samt Lake in den Gärtopf füllen und immer wieder mit der Faust fest anpressen, damit keine Luftblasen im Kraut bleiben. Das Kraut bis unter den Rand des Topfes füllen, sodass die Steine zum Beschweren gerade noch hineinpassen. Die Steine fest auf das Kraut drücken. Sie müssen mit der Lake vollständig bedeckt sein. Nach dem Verschließen des Gärtopfes, die Rinne mit abgekochtem Wasser füllen. Der Gäransatz wird 14 Tage bei 18-20 C vergoren. Schon nach drei bis vier Tagen beginnt das Kraut leicht säuerlich zu schmecken. Gekühlt hält sich das fermentierte Kraut einige Monate lang. Wichtig: Vor dem Umsetzen in den Kühlschrank, das Wasser aus der Rinne entfernen. Beim Abkühlen entsteht im Gärtopf ein Unterdruck, der die gesamte Flüssigkeit aus der Rinne in das Topfinnere saugen würde. Erst wenn der Topf sich akklimatisiert hat, die Rille wieder mit sauberem Wasser füllen.

Salami, Kassler und Co. Klassiker der europäischen Küche Fleisch fermentieren? Was zunächst exotisch klingt, ist auch in Deutschland zwar nicht mehr so verbreitet wie früher, aber doch immer noch mit einigen Klassikern in den Verkaufstheken der Metzger vertreten. Die Salami gehört zu den bekannten fermentierten Fleischerzeugnissen, aber auch das Kassler, das traditionell gerne mit einem weiteren fermentierten Lebensmittel, dem Sauerkraut, gegessen wird. Vielleicht keine Werbung für fermentierte Lebensmittel, dennoch zu Recht in diese Kategorie gehörig, ist auch eine schwedische Spezialität, der Surströmming, ein in Salzlake vergorener Hering. Doch ob Fisch oder Fleisch, der Unterschied zu anderen fermentierten Lebensmitteln liegt bei tierischen Rohprodukten darin, dass sie praktisch keine Kohlenhydrate, aber sehr viel Eiweiß enthalten und damit keine ideale Lebensgrundlage für die Fermentations-Mikroorganismen bieten. Das erschwert es, die für den Menschen gefährlichen Bakterien in Schach zu halten. Darum muss beim Fermentieren von Fleisch sehr professionell gearbeitet werden. Für erste Fermentations-Versuche in der eigenen Küche ist Fleisch und Fisch aus diesem Grund nicht geeignet. Wer die ersten fermentierten Würste hergestellt hat, verliert sich im Dunkel der Geschichte. Die ersten deutschen Rohwürste sind vermutlich jedoch kaum älter als 150 Jahre. Europäische Emigranten etablierten diese Form der Fleischverarbeitung in den USA, Südamerika, Australien und anderen Teilen der Welt. Wobei das, was in Deutschland Rohwurst heißt, im englischen Sprachraum als Fermented Sausage bekannt ist. Weil sich fermentierte Lebensmittel tatsächlich oft weit vom rohen Zustand entfernen, bezeichnet Prof. Thomas Vilgis, Physiker am Max Planck-Institut, den Fermentierungsprozess auch als molekularbiologischen Kochprozess oder als molekulares Niedrigtemperatur-Garen. Gerade bei den komplexen Umsetzungsprozessen, die bei der Fermentierung von tierischen Lebensmitteln erfolgen, scheint dies durchaus passend.

Fermentiertes Fleisch Starterkulturen bieten Sicherheit Fleisch ist ein hochwertiges, aber auch ein besonders verderbliches Lebensmittel. Kein Wunder, dass weltweit viele Methoden entwickelt wurden, Fleisch haltbar zu machen. Die Fermentierung mit Hilfe von Mikroorganismen erzeugt je nach ausgewählten Mikroorganismenkulturen, dem verwendeten Fleisch und seiner Verarbeitung, aber auch beeinflusst von der Umgebung, etwa der Temperatur und Luftfeuchte, die verschiedensten schmackhaften Rohwürste. Traditionell wurde das Fleisch für die Haltbarmachung zerhackt und vorgesalzen. Dies fördert die Besiedlung von erwünschten Milchsäurebakterien, weil sie weniger empfindlich gegen Salz sind als andere Bakterien. Mitunter impfte man das Fleisch auch mit Brät einer bereits gelungenen Wurst-Charge. Viele ursprünglich eingesetzte Salzarten waren nicht einfach reines Kochsalz, sondern enthielten unterschiedliche Mengen an Kalium- und Natriumnitrat. Das Nitrat wurde während der Fermentation zu Nitrit reduziert und half so bei der Erhaltung der rosa Fleischfarbe und bei der Steuerung des Pökelvorganges. Für die Verarbeitung großer Fleischmenge zu Wurst, die sicher verzehrt werden kann, verließ man sich jedoch schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht mehr nur auf zufällig vorhandene Mikroorganismenkulturen, sondern entwickelte sogenannte Starterkulturen. Aufgaben haben diese zu Beginn des Prozesses zugegebenen Kulturen viele: die wichtigsten sind die ph-wertabsenkung durch Säureproduktion, für die vor allem die Milchsäurebakterien verantwortlich sind und die Nitratreduktion durch Vertreter der Gattung Micrococcus. Nicht zu vernachlässigende Ziele sind aber auch die Schaffung einer guten Konsistenz weicher bei den Streichwürsten, fester bei den Salamis und vor allem auch der Geschmack. Darum arbeitet heute eine bunte, aber ganz bewusst ausgewählte, Mischung an Mikroorganismen dafür, dass am Ende eine leckere und sichere Wurst entsteht.

Joghurt selbst gemacht Diese Bakterien mögen s warm Zutaten: - 30-50 g Natur-Joghurt, - 1 Liter Milch Die frische Milch für 15 Minuten auf 90 bis 95 C erhitzen (dadurch werden Bakterien abgetötet und die Beschaffenheit der Milch so verändert, dass sich beim fertigen Joghurt keine Molke an der Oberfläche absetzt). Anschließend lässt man die Milch auf etwa 45 C abkühlen. Jetzt 3 bis 5 % eines gekauften Joghurts (z.b. griechischer Art, Joghurt mild ist ungeeignet) dazugegeben und gut einmischen. Danach die Joghurtmilch in kleinere Gefäße abfüllen und diese verschließen. Die Gefäße zur Reifung bei 42 bis 45 C in den Backofen (oder falls vorhanden in das Joghurt-Gerät) stellen. Nach zwei Stunden und dann jede weitere halbe Stunde kontrollieren, ob die Milch dickgelegt ist. Dazu wird eines der Gläschen vorsichtig geneigt, um festzustellen, ob die Oberfläche in ihrer Lage bleibt oder der Neigung gemäß fließt. Wird Joghurt zur Zeit des Dickwerdens stärker bewegt (geschüttelt), reißt die Struktur und es tritt Molke aus. Sobald der Joghurt dickgelegt ist, können die Gläschen entnommen und gekühlt verwahrt werden. Bevorzugt man einen etwas saureren Joghurt, dann sollte man ihn nach der Dicklegung einige Stunden bei Raumtemperatur abkühlen lassen und erst danach kühlstellen. Im Kühlschrank ist der Joghurt mehrere Tage haltbar. Fehlerhaft ist Joghurt, wenn eine Gärung (Gasbildung) im sauerschmeckenden Joghurt auftritt. Um Verunreinigungen zu vermeiden, sollten alle verwendeten Gerätschaften vor Gebrauch mit kochendem Wasser ab- bzw. ausgespült werden.

Fermentierte Milch Der Klassiker der fermentierten Lebensmittel Auch wenn das Thema Laktose-Intoleranz heute in aller Munde ist, so war das Unvermögen des erwachsenen Menschen den Milchzucker Laktose mit Hilfe des Enzyms Laktase abzubauen, in der Menschheitsgeschichte tatsächlich wesentlich weiter verbreitet als heute. Das Säuern der Milch stellte sich hier als überaus geeignete Methode dar, einerseits das hochwertige Lebensmittel verträglicher und andererseits auch haltbarer zu machen. Die Milchsäurebakterien verbrauchen den Milchzucker, also die Laktose, für ihren Energiegewinn und produzieren Milchsäure, die den Joghurt zunehmend sauer und damit ungeeignet als Nährboden für andere Mikroorganismen macht. Je mehr Milchzucker die Bakterien bei der Bildung von Joghurt umsetzen, umso verträglicher ist das Produkt für Menschen, die einen Mangel am Enzym Laktase haben und umso haltbarer wird die entstehende sauer gelegte Milch. Produkte auf der Basis von fermentierter Milch sind weltweit in unglaublicher Variabilität verbreitet. Pferdemilch, Kamelmilch und natürlich Kuhmilch sind die Rohstoffe für vielerlei Milcherzeugnisse. Ob Kefir aus dem Kaukasus, Viili aus Finnland oder Dahi in Indien überall schätzt man die erfrischenden Milchprodukte. Auch in Deutschland gibt es immer noch ein breites Spektrum fermentierter Milchprodukte, das bis heute mehr oder minder vollständig in den Lebensmittelläden vertreten ist: von der Sauer- oder Dickmilch, über Joghurt und Buttermilch, Quark und Frischkäse, bis hin zu Sauermilchkäse und Hartkäse bei dem zusätzlich Lab eingesetzt wird.

Brot mit Sauerteig Das duftet... Bakterien sind überall. Ein Gefühl dafür, was dieser Satz bedeutet, bekommt man beim Ansetzen eines Sauerteigs. Nur Mehl und Wasser ist dafür erforderlich. Sonst nichts. Die Hauptakteure bei der Sache, die Milchsäurebakterien, sind immer schon da. Wer allerdings die Geduld für die allmähliche Entwicklung des Sauerteigs nicht hat oder bei der Zusammensetzung der Mikroorganismen-Kulturen auf Nummer sicher gehen will, kann zu den im Handel angebotenen Sauerteig-Kulturen zurückgreifen. Und so einfach geht s: Ungefähr 100 Gramm Roggenvollkornmehl mit so viel lauwarmem Wasser zusammenrühren, dass ein zäher Brei entsteht. Weil beim Vollkornmehl auch die Schale des Getreidekorns enthalten ist, können die auf ihr vorhandenen Mikroorganismen die im Haus vorhandenen Kulturen ergänzen und so für mehr Vielfalt sorgen. Den Teig abgedeckt warmstellen. Wobei 24 bis 30 Grad eine gute Richtgröße ist. Unter 25 Grad werden die Essigsäurebakterien stärker gefördert, über ca. 25 Grad die Milchsäurebakterien. Einmal täglich sollte Luft in den ruhenden Teig gerührt werden. Nach 3 bis 4 Tagen blubbert es normalerweise schon deutlich im Teig und es duftet zart säuerlich. Oft übernehmen dann für eine Zeit die Hefen das Zepter. Der typische Hefe-Geruch überdeckt dann den Milchsäure-Duft. Allerdings nur so lange, bis die immer weiter arbeitenden Milchsäurebakterien genug Milchsäure produziert haben, um wiederum die Oberhand zu gewinnen. Allmählich stellt sich ein stabiles Mikroorganismen-Gefüge ein. Wer nur mal erleben wollte, wie ein Sauerteig entsteht, kann mit diesem Sauerteig direkt backen. 400 Gramm Roggenmehl ergänzen und das Ganze über Nacht durchsäuern lassen. Am nächsten Tag Weizenmehl, Wasser und eine kleinere Menge Hefe hinzugegeben. Salz nicht vergessen ca. 20 Gramm pro 1 Kilo Mehl dann entsprechend eines normalen Hefeteig gehen lassen und in den vorgeheizten Ofen am besten in eine Brotbackform geben (am Anfang so heiß wie möglich, dann allmählich die Temperatur auf ca. 200 Grad absenken). Nach etwa einer Stunde ist das Brot fertig. Wer jedoch Geschmack am Sauerteig-Backen gefunden hat, gibt einen Teil des ursprünglichen Sauerteigs vor der Mehlund Hefezugabe in einem Glas in den Kühlschrank. Wichtig: das Glas unbedingt offen lassen (z.b. Deckel locker darüber legen) die entstehenden Gase würden das Glas sprengen. Im Kühlschrank hält sich der Sauerteig wochenlang.

Fermentiertes Getreide Roggenbrot mit Sauerteig Hefeteig kennt jeder. Sauerteig ist dagegen für viele ein Teig mit sieben Siegeln. Doch wer mit Roggenmehl backt, kommt ohne ihn fast nicht aus. Denn Roggen enthält kein Klebereiweiß. Darum sind Teige aus reinem Roggenmehl eher etwas klebrig und sollten auch nicht zu intensiv geknetet werden. Die Krume in Roggenbroten wird fast ausschließlich durch das Kohlenhydrat Stärke gebildet. Allerdings enthält Roggenmehl vermehrt spezielle Enzyme, die Amylasen, die genau diese Stärkemoleküle abbauen wenn der Teig bereitet wird und wenn die Bedingungen für sie passen. Doch nur intakte Stärke kann das Wasser im Teig binden und ein Gerüst bilden, das während der Gare und des Backens das CO 2 halten kann. Amylasen sind anspruchsvoll, sie mögen es nicht zu kalt, aber auch nicht zu warm. Vor allem aber benötigen sie ein gewisses Maß an Feuchtigkeit. Und eine Umgebung, die weder zu sauer noch zu alkalisch ist. Hier kommt nun der Sauerteig ins Spiel. Vermengt man Mehl mit Wasser, beginnt bei guter Pflege ein Gärprozess, bei dem die natürlicherweise vorhandenen Milchsäurebakterien und Hefen eine symbiotische Kultur bilden. Dabei bauen die Milchsäurebakterien freie Zuckermoleküle ab, die die Hefen selbst nicht verwerten können, die Hefen verstoffwechseln dagegen die Produkte der Milchsäurefermentation. Die Milchsäurebakterien bilden, wie ihr Name schon sagt, Milchsäure, teilweise auch Essigsäure und ein wenig CO 2. Die Hefen bilden CO 2 und eine kleine Menge Alkohol. Letzterer wird von Essigsäurebakterien, die sich ebenfalls im Getreide befinden, in Essigsäure umgewandelt. Das Ergebnis ist ein Sauerteig, der die Amylasen in ihrer Arbeit blockiert und zugleich für ein aromatisches und geschmacklich spannendes Brot sorgt. Denn bei der Sauerteigführung, der Fermentation, entstehen über 300 Aromastoffe, die auch im fertigen Brotlaib enthalten sind.