Stand: Juni 2014 Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie Ab dem 13. Juni 2014 gilt ohne Übergangsfrist die neue EU-Verbraucherrechterichtlinie. Das Gesetz verpflichtet insbesondere den Onlinehandel zur Einhaltung von neuen Reglungen bei dem Abschluss von Verträgen mit Verbrauchern. Änderungen ergeben sich aber auch für den Händler vor Ort. Anpassungen an die neue Rechtslage sind für alle potentiell betroffenen Unternehmen Pflicht, ansonsten drohen Abmahnungen, Unterlassungsklagen oder auch Schadensersatzansprüche. Kernpunkte der europäischen Reform sind dabei die Einführung erheblicher Informationspflichten für alle Verbraucherverträge und eine vollständige Neuregelung vom Widerrufsrecht im Fernabsatz (Onlinehandel). Weitere Änderungen und Klarstellungen bringt das neue Recht bezüglich bestimmter Zusatzentgelte und Nebenkosten. So ist z. B. festgelegt, dass dem Verbraucher eine unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit eingeräumt werden muss. Zuschläge für die Verwendung alternativer Zahlungsarten, bspw. Kreditkarten, dürfen nicht über die Kosten hinausgehen, die dem Unternehmer tatsächlich entstehen. Ferner ist es den Händlern zukünftig untersagt, Kunden- Hotlines zu einem bereits geschlossenen Vertrag vorzuhalten, für deren Nutzung der Verbraucher ein Entgelt zu entrichten hat, das den Grundtarif des Telekommunikationsdienstes übersteigt. Für den Handel mit digitalen Inhalten bringt die Reform spezielle Reglungen. Mit diesem Merkblatt möchten wir Ihnen einen (nicht vollständigen) ersten Überblick zu den wesentlichen Neuregelungen geben. Industrie- und Handelskammer Erfurt Postanschrift: Industrie- und Handelskammer Erfurt Postfach 90 01 55 I 99104 Erfurt Büroanschrift: Arnstädter Straße 34 99096 Erfurt Tel. 0361 3484-0 Fax 0361 3485-950 E-Mail: info@erfurt.ihk.de Internet: www.erfurt.ihk.de FL000-005-08
A) Informationspflichten der stationären Händler gegenüber Verbrauchern 1) die wesentlichen Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung in dem für den Datenträger und die Waren oder Dienstleistungen angemessenen Umfang, hierzu gehören zum Beispiel: - Marke / Hersteller / Ausführung / Typ - Preis / Maße / Farbe / TÜV - Datum der Herstellung (Die Aufzählung ist nicht abschließend) 2) die Identität des Händlers, beispielsweise den Handelsnamen und die Anschrift des Ortes, an dem er niedergelassen ist, sowie seine Telefonnummer 3) den Gesamtpreis der Waren und Dienstleistungen einschließlich aller Steuern und Abgaben sowie ggf. alle zusätzlichen Fracht,- Liefer- oder Versandkosten 4) ggf. die Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen, Liefertermin, Beschwerdemanagement 5) den Hinweis auf das Bestehen eine gesetzlichen Mängelhaftungsrechts für Waren 6) ggf. Informationen über die Bedingungen von Kundendienstleistungen und Garantien 7) ggf. Informationen über: - die Laufzeit der Vertrages - Kündigung von unbefristeten Verträgen - automatisch verlängernde Verträge 8) ggf. Informationen über Funktionsweise digitaler Inhalte und Schutzmaßnahmen 9) ggf. Informationen über das Zusammenspiel von digitalen Inhalten mit Hard- und Software, wenn - sie wesentlich sind - dem Unternehmer bekannt sind - oder bekannt sein müssen Die Informationen müssen dem Kunden vor seiner Vertragserklärung in klarer und verständlicher Weise zu Verfügung gestellt werden. In welcher Form der Händler seine Kunden informieren muss, hat der Gesetzgeber offen gelassen. Die Informationspflichten können durch einen Aushang im Ladenlokal, an den Produkten selbst oder auf andere geeignete Weise erfüllt werden. Die oben genannten Informationspflichten gelten nicht bei Geschäften des täglichen Lebens, die sofort erfüllt werden. Hierzu gehören zum Beispiel Lebensmitteln, Zeitungen oder Kosmetik. 2/2
B) Informationspflichten der Online-Händler gegenüber Verbrauchern vor Vertragsschluss 1) die wesentlichen Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung in dem für das Kommunikationsmittel und die Waren oder Dienstleistungen angemessenen Umfang 2) die Identität, beispielsweise seinen Handelsnamen und die Anschrift des Ortes, an dem er niedergelassen ist, sowie seine Telefonnummer und ggf. seine Telefaxnummer und E-Mail-Adresse sowie ggf. die Anschrift und die Identität des Unternehmens, in dessen Auftrag er handelt 3) den Gesamtpreis der Waren und Dienstleistungen einschließlich aller Steuern und Abgaben sowie ggf. alle zusätzlichen Fracht,- Liefer- oder Versandkosten 4) im Falle eines unbefristeten Vertrages oder eines Abonnement-Vertrages den Gesamtpreis des Angebots 5) die Kosten für den Vertragsschluss genutzten Fernkommunikationstechnik (wie zum Beispiel eine Kundenhotline), soweit dem Verbraucher Kosten entstehen, die über die Kosten für die bloße Nutzung des Kommunikationsmittels hinausgehen 6) die Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen, inkl. Liefertermin und ggf. das Verfahren des Unternehmens für den Umgang mit Beschwerden 7) das Bestehen eines gesetzlichen Mängelhaftungsrecht 8) ggf. das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und Garantien 9) ggf. die Laufzeit des Vertrages oder die Bedingungen der Kündigung unbefristeter Verträge oder sich automatisch verlängernder Verträge 10) ggf. die Mindestdauer der Verpflichtung, die der Verbraucher mit dem Vertrag eingeht 11) ggf. die Umstände der Stellung einer Kaution durch der Verbraucher 12) Punkt 8 und 9 - siehe stationärer Handel 13) ggf. die Möglichkeit des Zugangs zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren 14) - die Bedingungen, die Fristen, das Verfahren des Widerrufsrechts (Hierfür kann der Unternehmer die Muster-Widerrufsbelehrung verwenden.) - das Muster-Widerrufsformular - ggf. mit dem Hinweis, dass der Verbraucher die Kosten für die Rücksendung der Waren zu tragen hat, sofern der Unternehmer die Kosten nicht freiwillig übernimmt Der Online-Händler muss dem Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung die Informationen klar und verständlich auf seiner Homepage zur Verfügung stellen. 3/2
C) Informationspflichten der Online-Händler gegenüber Verbrauchern im Zeitpunkt bzw. nach dem Vertragsschluss 1) Spätestens bei dem Beginn des Bestellvorganges muss der Unternehmer klar und deutlich angeben, ob Lieferbeschränkungen bestehen und welche Zahlungsmittel akzeptiert werden. 2) Der Unternehmer hat den Zugang der Bestellung unverzüglich auf elektronischem Weg zu bestätigen (in der Regel per E-Mail). 3) Der Unternehmer ist verpflichtet, dem Verbraucher eine Bestätigung des Vertrages, in der der Vertragsinhalt wiedergegeben ist, innerhalb einer angemessenen Frist nach Vertragsschluss, spätestens bei der Lieferung der Ware auf einem dauerhaften Datenträger (z.b. Papier oder E-Mail) zu überlassen. D) Widerruf bei Fernabsatzverträgen (Onlinehandel) Bei Fernabsatzverträgen (wie zum Beispiel dem Online-Handel) hat der Gesetzgeber im Rahmen der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie weitreichende Änderungen für den Fall des Widerrufs vorgenommen. 1. Widerrufsfrist Die Widerrufsfrist wird für alle Mitgliedstaaten auf 14 Tage ab Erhalt der Ware und seiner ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht festgelegt. Bei Lieferung in mehreren Teillieferungen oder Stücken ist der Tag der Besitzerlangung an der letzten Teillieferung oder des letzten Stücks maßgebend. 2. Widerrufsrecht bei falscher Belehrung Das sogenannte ewige Widerrufsrecht wird abgeschafft. Im Falle einer fehlenden oder nicht korrekten Widerrufsbelehrung verlängert sich das Widerrufsrecht nach Ablauf der 14-Tages- Frist auf 12 Monate. Nach bisherigem Recht bleibt das Widerrufsrecht unbefristet ("ewig") bestehen, wenn der Verbraucher keine oder eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung erhalten hat. 3. Widerrufserklärung Verbraucher müssen den Widerruf in Zukunft ausdrücklich erklären. Der Händler muss künftig ein Muster-Widerrufsformular zur Verfügung stellen. Der Verbraucher muss dieses allerdings nicht benutzen. Er kann den Widerruf nun auch formlos, z.b. telefonisch, erklären. Ein Widerruf durch kommentarlose Rücksendung der Ware ist nicht mehr möglich. 4/2
4. Kosten der Hinsendung Bei einem vollständigen Vertragswiderruf sind die Hinsendekosten nur noch in Höhe der Kosten des Standardversands zurückzuerstatten. Expressversandkosten sind zukünftig von der Erstattungspflicht ausgenommen. 5. Kosten der Rücksendung Die Rücksendekosten bei Ausübung des Widerrufsrechts sind vom Verbraucher zu tragen, wenn der Händler über diese Rechtsfolge belehrt hat. Der Unternehmer kann (freiwillig) die Kosten der Rücksendung tragen.) 6. Zurückbehaltungsrecht Der Unternehmer kann die Rückerstattung des Kaufpreises verweigern, solange er die Ware nicht erhalten oder der Verbraucher die Rücksendung der Ware nicht nachgewiesen hat. Das ist im Vergleich zum bisherigen Recht ein Vorteil, denn momentan haben sowohl der Unternehmer als auch der Verbraucher das Recht, die eigene Leistung bis zur Erfüllung der Gegenleistung zu verweigern. Dies ist im Versandhandel eine unglückliche Ausgangslage. 7. Erweiterung der Ausnahmen vom Widerrufsrecht Ausnahmen sind z.b. Lieferungen versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind und nicht widerrufen werden können. Auch maßgefertigte Waren oder schnell verderbliche Waren können nicht widerrufen werden. Bei der Lieferung digitaler Inhalte beginnt die Widerrufsfrist mit Vertragsschluss und ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung. In diesem Bereich kann das Widerrufsrecht unter bestimmten Umständen auch vorzeitig erlöschen. 8. Folgen der Ausübung des Widerrufsrechts Der Verbraucher ist an seine Willenserklärung (Abschluss des Vertrages) nicht mehr gebunden. Der Anspruch auf Übereignung der Kaufsache und die Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises entfallen. Bereits empfangenen Leistungen sind spätestens nach 14 Tagen zurückzugewähren. Mit der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie soll der Verbraucherschutz in der EU verbessert werden. Für die betroffenen Unternehmen bringt die Richtlinie in Bezug auf die Informationspflichten mehr Bürokratie. Einige der neuen Regelungen sind in ihrer Auslegung nicht eindeutig. Die EU-Kommission hat angekündigt noch in diesem Jahr einen Leitfaden zu den oben genannten Vorschriften herauszugeben. Sobald das Dokument vorliegt, werden wir dieses Merkblatt aktualisieren. 5/2
Dieses Merkblatt wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt. Die Redaktion übernimmt keine Haftung für Fehler und Weitere Auskünfte erteilt das Geschäftsfeld Recht und Steuern der Industrie- und Handelskammer Erfurt. Ansprechpartner/in: Jens Wessely Recht und Steuern Tel. 0361 3484-192 Fax 0361 3485-972 E-Mail: wessely@erfurt.ihk.de Wolfram Kuschke Betriebsberatung Dienstleistungen Tel. 0361 3484-206 Fax 0361 3485-975 E-Mail: kuschke@erfurt.ihk.de 6/2