Die Dogmatik des Anlageberatungsvertrags Legitimation der strengen Rechtsprechungslinie von Bond bis Ille./. Deutsche Bank



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Transkript:

Marc-Philippe Weller* ) Die Dogmatik des Anlageberatungsvertrags Legitimation der strengen Rechtsprechungslinie von Bond bis Ille./. Deutsche Bank Die zunehmende Verschärfung der Pflichten in der Anlageberatung durch die Rechtsprechung wird in jüngerer Zeit mitunter sehr kritisch gesehen. Beispielsweise erachtet die FAZ die jüngste BGH- Entscheidung in der Sache Ille./. Deutsche Bank als hanebüchen. Dieser Kritik wird im Folgenden entgegengetreten. Aufbauend auf einer Darstellung des aktuellen Meinungsstands zu den Anforderungen in der Anlageberatung soll aufgezeigt werden, dass der Anlageberatungsvertrag dogmatisch als Vertrag der Fremdinteressenwahrung zu qualifizieren ist. Dies unterscheidet ihn grundlegend von Verträgen des Interessengegensatzes, wie etwa dem bloßen Wertpapierverkauf. Unter Berücksichtigung dieser dogmatischen Einordnung ist die strenge Rechtsprechungslinie von Bond bis Ille./. Deutsche Bank durchaus gerechtfertigt. Inhaltsübersicht I. Problemstellung und These II. Der Anlageberatungsvertrag 1. Inhalt 2. Zustandekommen 3. Pflichten des Anlageberaters 3.1 Aufsichtsrechtliche Pflichten (WpHG) 3.2 Die vertragliche Beratungspflicht 3.2.1 Anlegergerechte Beratung *) Dr. iur., Universitätsprofessor am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Unternehmensrecht und Europäisches Wirtschaftsrecht an der Universität Mannheim und Direktor des dortigen Instituts für Unternehmensrecht. Der Beitrag geht auf einen Vortrag zurück, den der Verfasser in Bayreuth auf einer Tagung zum Thema Anlegerschutz und Stabilität der Finanzmärkte gehalten hat und der im gleichnamigen Tagungsband erscheinen wird. Gedankt sei Frau Natalia Bitter (Wissenschaftliche Mitarbeiterin) und Herrn Jörg Weber (Wissenschaftlicher Mitarbeiter) für die wertvolle Hilfe bei Erstellung des Manuskripts. III. IV. 3.2.2 Objektgerechte Beratung 3.2.3 Interessenkonflikte Kritik an der BGH-Rechtsprechung Dogmatische Rechtfertigung der strengen Beratungsanforderungen 1. Ausgangspunkt: Die Einteilung der Verträge nach ihrer Interessenstruktur 1.1 Verträge des Interessengegensatzes 1.2 Verträge der Fremdinteressenwahrung 2. Der Anlageberatungsvertrag als Vertrag der Fremdinteressenwahrung 2.1 Rechtsnatur 2.2 Konsequenzen 2.2.1 Aufsichtsrecht 2.2.2 Vertragsrecht V. Zusammenfassung in Thesenform I. Problemstellung und These Die Anlageberatung schlägt insbesondere seit der Finanzkrise hohe Wellen. 1) Dabei kann man der Rechtsprechung nicht vorwerfen, mit Anlageberatern zu nachlässig umzugehen; vielmehr wurden die rechtlichen Anforderungen an die Anlageberatung von der Judikatur zunehmend verschärft, zuletzt durch das auch in der breiten Öffentlichkeit prominent wahrgenommene Urteil des BGH in der Rechtsache Ille Papier Service GmbH./. Deutsche Bank vom 22. 3. 2011. Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat hat hier einem mittelständischen Unternehmen, das insbesondere Handtücherautomaten mit Sensoren herstellt, einen Schadensersatzanspruch gegen die Deutsche Bank zugesprochen; Letztere habe ihre Pflichten bei der Beratung über den Abschluss eines von ihr 1) Vgl. z. B. Baum/Reiter/Methner, Abkassiert Die skandalösen Methoden der Finanzbranche, 2009.

192 Weller, Die Dogmatik des Anlageberatungsvertrags ZBB 3/11 konstruierten Zinssatz-Swap-Vertrags verletzt. 2) Die Bank, so der BGH, hätte über den Interessenkonflikt aufklären müssen, der aus der Struktur des empfohlenen Produkts resultierte, wonach die Zinswette praktisch nur für den Kunden ein Verlustrisiko in sich barg, während die Bank ihr Wettverlustrisiko durch eine entsprechende Gestaltung des Produkts minimiert hatte. 3) Der BGH setzt damit seine strenge Rechtsprechungslinie zur Anlageberatung fort, die ihren Ausgangspunkt in der berühmten Bond-Entscheidung im Jahr 1993 4) nahm. Seither gilt die Maxime der anleger- und objektgerechten Beratung (näher unter II). Das Bond-Urteil stieß seinerzeit noch auf breite Zustimmung. 5) Dagegen wird die zunehmende Verschärfung der Anlageberatungspflichten in jüngerer Zeit mitunter sehr kritisch gesehen; die Anforderungen an Anlageberater würden überspannt. 6) Die FAZ erachtet die BGH-Entscheidung Ille./. Deutsche Bank sogar als hanebüchen 7) (unter III). Dieser Kritik ist zu widersprechen. Im Folgenden soll vielmehr die These vertreten werden, wonach sich die strenge Rechtsprechungslinie mit der Fremdinteressen-Dogmatik des Anlageberatungsvertrags rechtfertigen lässt. 8) Anders als ein Kaufvertrag, bei dem der Verkäufer seine eigenen Interessen verfolgen darf und auf die fremden Interessen des Käufers grundsätzlich keine Rücksicht zu nehmen braucht (Vertrag des Interessengegensatzes), ist der Anlageberatungsvertrag ein Vertrag der Fremdinteressenwahrung. Bei diesem ist der Berater in erster Linie den (fremden) Interessen seines Kunden verpflichtet, während die eigenen (Vergütungs-)Interessen hinten anzustellen sind. Interessenkonflikte vertragen sich mit der Dogmatik der Fremdinteressenwahrung schon im Ansatz nicht. Um diese These würdigen zu können, muss die allgemeine Vertragsdogmatik näher beleuchtet werden, welche alle Verträge nach Parteiinteressen klassifiziert und sie in drei große Gruppen einteilt: in (1.) Verträge des Interessengegensatzes (z. B. Kaufverträge), (2.) Verträge der Interessengemeinschaft (z. B. Gesellschaftsverträge) und (3.) Verträge der Fremdinteressenwahrung (z. B. Geschäftsbesorgung und Treuhand), zu denen auch der Anlageberatungsvertrag gehört. 9) Wie zu zeigen sein wird, unterliegt der Fremdinteressenwahrer, hier der Berater, rigideren Pflichten als ein bloßer Verkäufer (dazu unter IV). Im Einzelnen: II. Der Anlageberatungsvertrag 1. Inhalt Der Anlageberatungsvertrag ist kein gesetzlich geregelter Vertragstyp; er wurde vielmehr im Rahmen der Vertragsfreiheit durch Rechtsprechung und Wissenschaft ausgeformt. 10) Der Berater schuldet die Abgabe einer persönlichen Anlageempfehlung, die anleger- und objektgerecht sein muss. 11) Abzugrenzen ist der Beratungsvertrag sowohl von der bloßen Auskunft, die sich in einer Tatsachenmitteilung erschöpft, als auch von der Aufklärung, bei der neben der Tatsachenmitteilung noch deren Erläuterung hinzutritt. 12) Die Anlageberatung basiert auf einer Aufklärung, geht jedoch über diese hinaus, was zu den deutlich strengeren Anforderungen führt, welche die Rechtsprechung an die Anlageberatung adressiert. Bei der Beratung kommen nämlich eine subjektive Eigenbewertung der Anlage sowie mit Blick auf die persönlichen Bedürfnisse des Anlegers eine Empfehlung, etwa eine Kauf-, Verkauf- oder Halteempfehlung, hinzu. 13) Die Beratung bezieht sich in der Regel auf eine singuläre Anlageentscheidung; im Unterschied zum Vermögensverwaltungsvertrag 14) handelt es sich bei der Anlageberatung also nicht um ein Dauerschuldverhältnis. Dies hat zur bedeutenden Konsequenz, dass den Berater grundsätzlich keine nachwirkende Pflicht trifft, den Kunden über ex post eintretende negative Umstände zu informieren. 15) Für die Beratung schuldet der Kunde/Anleger grundsätzlich ein Entgelt, 16) dies folgt nicht zuletzt aus 354 HGB. 17) Dem Berater steht es natürlich frei, auf das Entgelt zu verzichten. In praxi ist es häufig nicht Gegenstand einer gesonderten Zahlung durch den Kunden, so dass ein Laie den Eindruck erhalten mag, die Beratung sei kostenfrei. Tatsächlich wird das Entgelt jedoch häufig in Order- oder Depotentgelte eingepreist oder über Provisionen 18) generiert. 19) 2) BGH ZIP 2011, 756 = WM 2011, 682; vgl. hierzu Klöhn, ZIP 2011, 762; Lieder, GWR 2011, 175. Zur Funktionsweise und rechtlichen Zulässigkeit von Spread Ladder Swaps generell Roller/Elster/Knappe, ZBB 2007, 345; Köndgen/ Sandmann, ZBB 2010, 77. 3) BGH ZIP 2011, 756 = WM 2011, 682, 683. 4) BGHZ 123, 126 = ZBB 1994, 44 (Heinsius, S. 47) = ZIP 1993, 1148 = NJW 1993, 2433, dazu EWiR 1993, 857 (Köndgen); hierzu Escher-Weingart, JZ 1994, 104; Klanten, JA 1994, 57; Kunz, DZWiR 1994, 199; Lauer, BuW 1994, 315; Wittkowski, EWiR 1994, 57. 5) Arendts, DStR 1997, 1649; Köndgen, EWiR 1993, 857; Mutter, MDR 1994, 233; Raeschke-Kessler, WM 1993, 1830. 6) Vgl. z. B. Benedict, ZIP 2005, 2129; Habersack, WM 2010, 1246, 1253, Korrekturbedürftigkeit der Kickback-Rechtsprechung; Heinsius, ZBB 1994, 47, 55; Rößler, NJW 2008, 554, 556; Schäfer/Müller, Haftung für fehlerhafte Wertpapierdienstleistungen, 1999, S. 57. 7) Jahn, FAZ vom 23. 3. 2011, S. 14. 8) hnlich für den Bereich der Kickbacks bereits Sethe, in: Festschrift Nobbe, 2008, S. 769, 776 ff., 781. 9) Sethe, Anlegerschutz im Recht der Vermögensverwaltung, 2005, S. 99 ff.; Sethe (Fußn. 8), S. 769, 781; Klöhn, ZIP 2011, 762; Staudinger/Martinek, BGB 2006, Vorbem. 662 ff. Rz. 30, 33. 10) Hannöver, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl., 2007, 110 Rz. 18, 22. 11) Zu den Pflichten des Anlageberaters im Einzelnen nachfolgend unter II 3. 12) Hannöver (Fußn. 10), 110 Rz. 21, 33; Weber, in: Fischer/Klanten, Bankrecht, 4. Aufl., 2010, S. 948. Auch für Auskunft und Aufklärung gilt 31 Abs. 2 WpHG: Alle Informationen... müssen redlich, eindeutig und nicht irreführend sein. 13) Hannöver (Fußn. 10), 110 Rz. 21; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, 5. Aufl., 2009, 31 Rz. 45, 53. 14) Ausführlich zur Abgrenzung Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, 2006 sowie Benicke, Das Recht der Vermögensverwaltung, in: Vermögensverwaltung. Bankrechtstag 2006 (Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung), S. 3 ff.; Sethe (Fußn. 9), S. 17 f., 26 f., 47, 51, 99 ff.; Balzer, in: Derleder/ Knops/Bamberger, Handbuch Bankrecht, 2. Aufl., 2009, 51 Rz. 2; 15) Weber (Fußn. 12), S. 948. 16) Weber (Fußn. 12), S. 946. 17) 354 Abs. 1 HGB: Wer in Ausübung seines Handelsgewerbes einem anderen Geschäfte besorgt oder Dienste leistet, kann dafür auch ohne Verabredung Provision und, wenn es sich um Aufbewahrung handelt, Lagergeld nach den an dem Orte üblichen Sätzen fordern. (Hervorhebung durch Verf.). 18) Zur Problematik der Kickbacks nachfolgend unter II 3.2.3. 19) Weber (Fußn. 12), S. 946.

ZBB 3/11 Weller, Die Dogmatik des Anlageberatungsvertrags 193 2. Zustandekommen Für den Anlageberatungsvertrag gilt das Prinzip der Formfreiheit. 20) Zustande kommt er regelmäßig durch Aufnahme eines Beratungsgesprächs, dabei ist es unerheblich ob die Gesprächsinitiative vom Berater oder vom Kunden ausgeht. 21) Soweit Direktbanken in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen das Zustandekommen eines Anlageberatungsvertrags ausschließen, wird dieser Ausschluss stillschweigend aufgehoben, wenn ein Mitarbeiter der Direktbank auf Fragen des Kunden zu Anlageprodukten eingeht. 22) Die Informationspflichten des 31 Abs. 3 WpHG i. V. m. 5 Abs. 2 WpDVerOV 23) sowie die im Jahr 2010 neu eingeführte Aufzeichnungspflicht in 34 Abs. 2a WpHG (Erstellung eines Protokolls nach jeder Anlageberatung) 24) ändern nichts an der Formfreiheit, es handelt sich um öffentlich-rechtliche Pflichten, deren Missachtung nicht etwa zur Unwirksamkeit des Beratungsvertrags führt. 3. Pflichten des Anlageberaters 3.1 Aufsichtsrechtliche Pflichten (WpHG) Im WpHG finden sich umfangreiche Verhaltenspflichten für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, etwa in 31 WpHG die Pflicht zur sorgfältigen und gewissenhaften, auf Sachkenntnis beruhenden und interessenkollisionsfreien Beratung. 25) Es handelt sich dabei um Aufsichtsrecht, welches die Wertpapierdienstleistungsunternehmen im vertikalen, öffentlich-rechtlichen Verhältnis zum Staat bindet. 26) Im privatrechtlichen Horizontalverhältnis zwischen der Bank und dem Anleger entfalten die WpHG-Bestimmungen nach (noch) h.m. indes keine unmittelbare Wirkung zu Gunsten des letzteren, 27) sie sind insbesondere keine Schutzgesetze i. S. d. 823 Abs. 2 BGB. 28) Sie bilden also im Fall ihrer Verletzung durch den Berater keine eigenständige Anspruchsgrundlage des Kunden gegen die Bank. 29) Allerdings strahlen die im WpHG normierten Pflichten insofern auf das Horizontalverhältnis zwischen Kunde und Bank aus, als sie den Inhalt der aus dem Beratungsvertrag entspringenden Leistungs- und Rücksichtspflichten nach 241 Abs. 1 und 2 BGB konkretisieren. 30) Sie kommen mithin (nur, aber immerhin) dann zum Tragen, wenn schon ein Vertragsverhältnis zwischen dem Kunden und der Bank besteht. In Ermangelung eines Vertrags, etwa wenn der Kunde die Kaufempfehlung einer Bank lediglich in der Zeitung oder im Internet liest und die Wertpapiere dann über ein anderes Kreditinstitut erwirbt, hat er sofern die Kaufempfehlung unter Missachtung der WpHG-Anforderungen erfolgte gegen die (erst-)empfehlende Bank regelmäßig keine Schadensersatzansprüche. 31) Dies zeigt, welche Bedeutung die Existenz eines Anlagevertrags für eine etwaige spätere Haftungsrealisierung hat. 3.2 Die vertragliche Beratungspflicht Die aus dem Anlageberatungsvertrag entspringenden Pflichten haben die generelle Stoßrichtung, Informationsdefizite des Kunden abzubauen, um ihn in die Lage zu versetzen, eine eigenverantwortliche und für ihn sinnvolle Anlageentscheidung zu treffen. Demgegenüber führt die Beratung nicht zu einer Risikoübernahme, d. h., die Bank nimmt dem Kunden das wirtschaftliche Risiko der Anlage (welches z. B. aus dem allgemeinen Marktumfeld bzw. der Börsenkursentwicklung resultiert) nicht ab; dieser bleibt vielmehr selbst dafür verantwortlich. Wird die Beratungspflicht verletzt, erwächst dem Kunden ggf. ein Schadensersatzanspruch aus 280 Abs.1 BGB, 32) der nach Maßgabe der 195, 199 BGB verjährt. 33) Im Rahmen der Haftungsrealisierung kommt die Rechtsprechung dem Kunden mit der Vermutung aufklärungskonformen Verhaltens entgegen; die Bank habe den Kunden im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als hätte er das empfohlene Geschäft nicht abgeschlossen, 34) d. h. er erhält über 249 BGB den Erwerbspreis Zug um Zug gegen Übertragung des Anlageprodukts an die Bank erstattet. 35) Gemäß dem Bond-Urteil des BGH muss eine Beratung zwei Kriterien genügen; sie muss anleger- und objektgerecht sein: Eine Bank hat bei der Anlageberatung den gegebenenfalls zu erfragenden Wissensstand des Kunden über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft zu berücksichtigen ( anlegergerechte Beratung); das von ihr danach empfohlene Anlageobjekt muss diesen Kriterien Rechnung tragen ( objektgerechte Beratung). 36) Die damit einher- 20) Zur Formfreiheit als einer der Ausprägungen der Vertragsfreiheit Weller, Die Vertragstreue, 2009, S. 155. 21) BGHZ 123, 126 = ZBB 1994, 44 = ZIP 1993, 1148 = NJW 1993, 2433, 2433. 22) Weber (Fußn. 12), S. 947; a.a. Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., 2010, 8 Rz. 25. 23) Siehe hierzu Fuchs, WpHG 2009, 31 Rz. 132 f., 144 f.; Rothenhöfer, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, 31 WpHG Rz. 148 ff.; Veil, ZBB 2008, 34, 38 f.; Veil, WM 2009, 1585, 1581 f. 24) Hierzu Böhm, BKR 2009, 221; Leuering/Zetsche, NJW 2009, 2856; Maier, VuR 2011, 3; Schäfer, in: Festschrift Hopt, 2010, S. 2427 ff. 25) Näher hierzu Einsele (Fußn. 22), 8 Rz. 32 ff.; Fuchs (Fußn. 23), 31 Rz. 236 ff.; Koller (Fußn. 13), 31; Rothenhöfer (Fußn. 23), 31 WpHG Rz. 48 ff., 227 ff. 26) Einsele (Fußn. 22), 8 Rz. 40a; Koller (Fußn. 13), vor 31 Rz. 2; a.a. Möllers, KK-WpHG, 2007, 31 a. F. Rz. 6 ff. 27) Die Rechtsnatur der 31 ff. WpHG ist umstritten: Während ein Teil des Schrifttums vom öffentlich-rechtlichen Charakter dieser Regeln ausgeht (Koller (Fußn. 13), Vor 31 Rz. 3; Fuchs (Fußn. 23), Vor 31 bis 37a Rz. 56; Schäfer, in: Heidel, Aktienrecht, 3. Aufl., 2011, Vor 31 37 WpHG Rz. 3; Sethe (Fußn. 9), S. 748 f.; Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, Vor 31 ff. WpHG Rz. 12 ff.), vertreten andere die sog. Theorie der Doppelnatur, wonach 31 ff. WpHG sowohl dem öffentlichen Aufsichtsrecht als auch dem Zivilrecht zuzuordnen sind (vgl. Schwintowski, VuR 1997, 83, 85 f.; Mülbert, ZHR 172 (2008), 170, 183 f., Veil, ZBB 2008, 34, 40 f., vgl. auch den Überblick bei Schumacher, Provisionen im Finanzinstrumentenvertrieb durch Kreditinstitute, 2010, S. 29). 28) BGHZ 175, 276, BGH Urt. v. 19.2.2008 XI ZR 170/07, ZIP 2008, 873; Koller (Fußn. 13), vor 31 Rz. 6; Möllers (Fußn. 26), 31 a. F. Rz. 319; Schäfer, WM 2007, 1872 ff. 29) Möllers (Fußn. 26), 31 a. F. Rz. 6 ff. 30) Koller (Fußn. 13), vor 31 Rz. 2; Möllers (Fußn. 26), 31 a. F. Rz. 6 ff. 31) Vgl. Weber (Fußn. 12), S. 947 f. 32) Möllers (Fußn. 26), 31 a. F. Rz. 318. 33) Durch das Schuldverschreibungsgesetz vom 31. 7. 2009 (BGBl I, 2512) wurde 37a WpHG a. F. gestrichen, der noch eine kenntnisunabhängige Verjährung in drei Jahren ab Anspruchsentstehung vorsah; vgl. Weber (Fußn. 12), S. 962. 34) BGH ZIP 1991, 297 = WM 1991, 315, 317, dazu EWiR 1991, 437 (Schwark); BGH ZIP 1991, 1207 = WM 1991, 1410, 1412, dazu EWiR 1991, 873 (Schäfer). 35) Vgl. Bamberger, in: Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch Bankrecht, 2. Aufl., 2009, 50 Rz. 183 ff. 36) BGHZ 123, 126 = ZBB 1994, 44 = ZIP 1993, 1148 = NJW 1993, 2433, 1. Leitsatz.

194 Weller, Die Dogmatik des Anlageberatungsvertrags ZBB 3/11 gehenden Anforderungen sollen im Folgenden skizziert werden, auch wenn sie naturgemäß je nach Einzelfall variieren können. 37) 3.2.1 Anlegergerechte Beratung Als Faustregel gilt: Die Anlage muss zum Kunden passen. 38) Um die diesbezüglich relevanten Informationen zu erhalten, trifft den Berater zunächst eine Erkundigungspflicht über Umstände in der Person des Kunden. Diese bezieht sich (1.) auf den Wissensstand des Kunden über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art. 39) Zu berücksichtigen ist dabei vor allem, ob es sich bei dem Kunden um einen erfahrenen Anleger handelt (generelle Erfahrung) und ob er gar einschlägiges Fachwissen im Hinblick auf das konkrete Produkt (spezifische Erfahrung) mitbringt. 40) (2.) Auch die Angaben über finanzielle Verhältnisse des Kunden sind für die anlegergerechte Beratung relevant und müssen daher erfragt werden. 41) Des Weiteren sind (3.) das Anlageziel 42) (etwa die Absicherung im Alter oder aber die kurzfriste Autokauffinanzierung) und (4.) die zur Zielerreichung in Kauf genommene Risikobereitschaft 43) des Kunden zu eruieren. Es leuchtet ein, dass die Beratung unterschiedlich auszufallen hat, je nachdem ob das intendierte Anlagegeschäft der sicheren Geldanlage dienen soll oder aber einen spekulativen Charakter aufweist. 44) Die soeben umrissene Erkundigungspflicht entfällt, sofern die Bank bereits alle für die Anlageberatung erforderlichen Informationen über den Kunden besitzt. 45) Nicht belastbar ist dabei jedoch der Rückschluss vom Beruf des Kunden auf dessen Wissensstand. 46) Auch wird die Bank etwaige nderungen in den Lebensumständen des Kunden zu gewärtigen haben, daher wird man eine Pflicht zur regelmäßigen Aktualisierung der einmal eingeholten Informationen annehmen müssen. 47) 3.2.2 Objektgerechte Beratung Die Maxime der anlegergerechten Beratung wird um die der objektgerechten Beratung ergänzt: In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. 48) Sie muss richtig und sorgfältig und dabei für den Kunden verständlich und vollständig sein. 49) 3.2.2.1 Eigene Sachkunde der Bank In Bezug auf den Beratungsumfang bzw. die Intensität der Beratung ist zu unterscheiden zwischen Anlageprodukten, welche die Bank in das eigene Anlageprogramm aufnimmt, und sonstigen Produkten. 50) Für Erstere gelten insofern verschärfte Beratungspflichten, als sich die Beratung bei Produkten aus dem Anlageprogramm auf eigene Sachkunde stützen muss und zwar unabhängig davon, ob es sich um hauseigene Produkte der Bank oder um in das Anlageprogramm hereingenommene Fremdprodukte oder gar um ausländische Papiere handelt; in allen Fällen müssen die Produkte von der beratenden Bank eigenständig auf ihre Güte hin geprüft und selbst als gut befunden worden sein. 51) Dieser Qualitätsprüfungsprozess bedingt, dass die Bank Veröffentlichungen in der seriösen Wirtschaftspresse auszuwerten hat (Informationsbeschaffungspflicht); negative Berichte müssen zwar nicht übernommen, aber bei der eigenen Bewertung besonders gewürdigt werden. 52) Berät die Bank über Produkte, die sie nicht in ihr eigenes Anlageprogramm aufgenommen hat wozu sie freilich nicht verpflichtet ist (!) 53), gelten dieselben strengen Beratungsstandards, 54) zumal der Kunde mitunter nicht weiß, wie sich das Anlageprogramm der Bank zusammensetzt. Wenn Letztere keine eigene Sachkunde über die vom Kunden angefragten Fremdprodukte verfügt, muss sie das dem Kunden mitteilen und eine Beratung aus diesem Grund ablehnen; 55) eine gleichwohl durchgeführte Beratung ist m.e. per se fehlerhaft, da sie mangels Informationsbasis ins Blaue hinein erfolgt. 3.2.2.2 Sachgerechte Risikoberatung Unter dem Gesichtspunkt der Haftungsvermeidung ist insbesondere die Risikoberatung von Bedeutung. Der Kunde ist aufzuklären über (1.) die allgemeinen Risiken (Konjunkturlage, Entwicklung des Börsenmarktes), (2.) die speziellen Risiken, die sich aus den individuellen Gegebenheiten des Anlageobjekts ergeben (Kurs-, Zins- und Währungsrisiko sowie Risiken, die der Struktur des Produktes immanent sind) sowie (3.) über das Insolvenzrisiko des Emittenten. 56) Besonders strenge Anforderungen werden schließlich (4.) an die Risikodarstellung bei hochkomplex strukturierten Produkten wie etwa dem CMS Spread Ladder Swap-Vertrag im Fall Ille./. Deutsche Bank gestellt. Laut BGH muss dem Kunden in verständlicher und nicht verharmlosender Art und Weise insbesondere klar vor Augen geführt werden, dass das für ihn nach oben nicht begrenzte Verlustrisiko nicht nur ein theoretisches ist, sondern abhängig von der Entwicklung des [Produkts] real und ruinös sein kann. 57) Während dieses Petitum noch handhab- 37) BGHZ 123, 126 = ZBB 1994, 44 = ZIP 1993, 1148 = NJW 1993, 2433. 38) Vgl. Weber (Fußn. 12), S. 953 f.; Schwark/Zimmer (Fußn. 27), 31 Rz. 227 ff. 39) Hannöver (Fußn. 10), 110 Rz. 31. 40) Koller (Fußn. 13), 31 Rz. 46. 41) Fuchs (Fußn. 23), 31 Rz. 249. 42) Balzer (Fußn. 14), 50 Rz. 129; Koller (Fußn. 13), 31 Rz. 47. 43) Hannöver (Fußn. 10), 110 Rz. 31. 44) Koller (Fußn. 13), 31 Rz. 54; Weber (Fußn. 12), S. 953 f. 45) BGH ZIP 2011, 756 = WM 2011, 682, 1. Leitsatz. 46) BGH ZIP 2011, 756 = WM 2011, 682, 685: die berufliche Qualifikation des Kunden allein [reicht] nicht aus (...), um Kenntnisse und Erfahrungen im Zusammenhang mit Finanztermingeschäften zu unterstellen (...). 47) Koller (Fußn. 13), 31 Rz. 51. 48) BGHZ 123, 126 = ZBB 1994, 44 = ZIP 1993, 1148 = NJW 1993, 2433. 49) BGHZ 123, 126 = ZBB 1994, 44 = ZIP 1993, 1148 = NJW 1993, 2433. 50) BGHZ 123, 126 = ZBB 1994, 44 = ZIP 1993, 1148 = NJW 1993, 2433. 51) BGHZ 123, 126 = ZBB 1994, 44 = ZIP 1993, 1148 = NJW 1993, 2433. 52) Hannöver (Fußn. 10), 110 Rz. 36; Weber (Fußn. 12), S. 954 f. 53) Nach BGHZ 170, 226 = ZBB 2007, 193 (Koller, S. 197) = ZIP 2007, 518 (m. Anm. Lang/Balzer, S. 521), dazu EWiR 2007, 217 (Hanten/Hartig), ist der Anlageberater nicht verpflichtet, hausfremde Anlageprodukte anzubieten. Jedoch muss er gem. 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2a WpDVerOV (eingeführt durch das Anlegerschutzgesetz vom 5. 4. 2011, BGBl I, S. 538 Nr. 14) über sein derartig eingeschränktes Angebot aufklären, vgl. Sethe, ZBB 2010, 265, 277. 54) Hannöver (Fußn. 10), 110 Rz. 36. 55) BGHZ 123, 126 = ZBB 1994, 44 = ZIP 1993, 1148 = NJW 1993, 2433. 56) BGHZ 123, 126 = ZBB 1994, 44 = ZIP 1993, 1148 = NJW 1993, 2433; Weber (Fußn. 12), S. 954. 57) BGH ZIP 2011, 756 = WM 2011, 682, 686.

ZBB 3/11 Weller, Die Dogmatik des Anlageberatungsvertrags 195 bar erscheint, dürfte eine weitere vom BGH aufgestellte Anforderung die Praxis vor erhebliche Schwierigkeiten stellen. Die im Rahmen der Beratung zu leistende Aufklärung müsse nämlich, so der BGH, gewährleisten, dass der Kunde im Hinblick auf das Risiko des Geschäfts im Wesentlichen den gleichen Kenntnis- und Wissensstand hat wie die ihn beratende Bank, weil ihm nur so eine eigenverantwortliche Entscheidung möglich ist, ob er die ihm angebotene Zinswette annehmen will. 58) Vergegenwärtigt man sich in diesem Zusammenhang die Dogmatik von der Wissenszurechnung bei juristischen Personen, wonach ihnen analog 166 BGB diejenigen Informationen zugerechnet werden, die von ihren Organen und Wissensvertretern im normalen Geschäftsgang erhoben und typischerweise aktenmäßig festgehalten werden, 59) so läuft dies darauf hinaus, dass sich eine Bank im Hinblick auf Anlageprodukte das diesbezügliche Spezialwissen ihrer Mathematiker, Anlagestrategen, Volkswirte, Fondsmanager etc. zurechnen lassen muss. Nimmt man das Petitum des BGH ernst, müsste der Kunde bei hochkomplexen Produkten im Zuge der Beratung also auf denselben Wissensstand gehoben werden wie die hochinformierte Bank. Berater dürften kaum in der Lage sein, diese rigide Anforderung an eine objektgerechte Beratung zu erfüllen, 60) zumal die Wissensaufnahmefähigkeit und die Wissensverarbeitungskapazität des Kunden typischerweise hinter derjenigen einer spezialisiert-arbeitsteiligen Organisation wie der einer Bank zurückbleiben. Die zum Ausdruck gebrachte Skepsis an der praktischen Erfüllbarkeit der Rechtsprechungsanforderungen muss man wohl auch dann an den Tag legen, wenn man berücksichtigt, dass es nicht auf eine Wissensidentität, sondern nur auf eine Wissensparallelität in wesentlichen Punkten zwischen Bank und Kunde ankommt, denn bei hochkomplex strukturierten Produkten können wesentliche Punkte durchaus im Detail liegen. Um Haftungsrisiken zu vermeiden werden Berater nach alledem wohl nicht umhin kommen, hochkomplex strukturierte Produkte zukünftig von der klassischen Anlageberatung auszunehmen. 61) 3.2.3 Interessenkonflikte 3.2.3.1 Ausgangspunkt: Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten Der Anlageberater ist verpflichtet, die Interessen des Kunden zu wahren. 62) Aus diesem angesichts des Fremdinteressenwahrungscharakters des Anlageberatungsvertrags völlig zutreffenden Diktum des BGH folgt umgekehrt, dass Interessenkonflikte zwischen der Bank und dem Kunden grundsätzlich zu vermeiden sind. 63) Eine in der Regel unproblematische Interessenparallelität zwischen Berater und Kunde bestünde beispielsweise bei Erfolgshonoraren, d. h. wenn die Vergütung allein dem zukünftigen Gewinn des empfohlenen Produkts entnommen würde. 64) 3.2.3.2 Überwindung eines Interessenkonflikts durch Aufklärung und Einwilligung Ergibt sich trotz der Fremdinteressenwahrungspflicht ein Interessenkonflikt, etwa aufgrund eines dem Kundeninteresse zuwiderlaufenden (weil erfolgsunabhängigen) Vergütungs- oder Provisionsinteresses des Beraters, kann dieser nur überwunden werden, wenn der Kunde mit dem vom Berater verfolgten Interesse einverstanden ist. 65) Die Einwilligung 66) des Kunden setzt allerdings dessen Einwilligungsfähigkeit voraus, d. h. die Einsichts- und Urteilsfähigkeit im Hinblick auf die Struktur, Wirkungsweise und Risiken des empfohlenen Produkts. Letztere ist nur gegeben, wenn der Anleger über alle für die Einwilligung relevanten Gesichtspunkte informiert wird, was es wiederum notwendig macht, dass der Berater den Kunden über den Interessenkonflikt aufklärt. 67) Eine Ausnahme von der Aufklärungspflicht über das konfligierende Eigeninteresse des Beraters bejaht die Rechtsprechung bei Offenkundigkeit. So sei eine Bank, die eigene Anlageprodukte empfiehlt, grundsätzlich nicht verpflichtet, darüber aufzuklären, dass sie mit diesen Produkten Gewinne erzielt, da der diesbezügliche Interessenkonflikt offenkundig sei. 68) Dagegen sei eine Aufklärungspflicht zu bejahen, sofern über das reine Gewinnerzielungsinteresse hinaus besondere Umstände hinzuträten, wenn etwa die Risikostruktur des Anlagegeschäfts bewusst zu Lasten des Anlegers gestaltet sei. 69) 3.2.3.3 Beispiel: Kickback -Fälle Anhand der sog. Kickback-Fälle 70) lässt sich die Problematik der Interessenkollision illustrieren: Während der Kunde ein Interesse an einer für ihn vorteilhaften Anlageempfehlung hat, verfolgt der Berater ein Interesse an einer möglichst hohen, an den bloßen Erwerb eines Produkts (und nicht an dessen wirtschaftliche Entwicklung) gekoppelten Provision, weswegen er versucht sein kann, dem Kunden nicht das am besten passende, sondern das provisionsträchtigste Produkt zu empfehlen. Den Interessenkonflikt löst der BGH über eine an den Berater 58) BGH ZIP 2011, 756 = WM 2011, 682, 686. 59) BGH NJW 1990, 975, 976; so auch: BGHZ 132, 30 = ZIP 1996, 548 = NJW 1996, 1339, 1341, dazu EWiR 1996, 585 (Taupitz); Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 104 f., 119 ff.; Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl., 2011, 166 Rz. 8; Jauernig/Jauernig, BGB, 13. Aufl., 2009, 166 Rz. 3; Taupitz, Wissenszurechnung nach englischem und deutschem Recht, Karlsruher Forum, Beilage VersR 1994, 16 f., 26 f.; vgl. zum Meinungsstand: MünchKomm-Schramm, 5. Aufl., 2006, 166 Rz. 26. 60) hnlich Klöhn, ZIP 2011, 762, 766. 61) Vgl. auch Klöhn, ZIP 2011, 762, 766: fast prohibitive Anforderungen an die Anlageberatung. 62) BGH WM 2011, 682, 686: Als Beraterin der Klägerin hingegen ist sie [die Bank] verpflichtet, die Interessen der Klägerin zu wahren. ; Sethe (Fußn. 8), S. 769, 781. 63) Bamberger (Fußn. 35), 50 Rz. 68 ff.; Koller (Fußn. 13), 31 Rz. 9; Schwark/Zimmer (Fußn. 27), 31 Rz. 27 f., 48 ff.; Sethe (Fußn. 8), S. 769, 776. 64) In einzelnen Fällen können Erfolgshonorarvereinbarungen jedoch eine Beeinträchtigung der Kundeninteressen begünstigen und somit unzulässig sein. Dazu zählen z. B. Honorare auf der sog. all-or-nothing-basis, hierzu sowie weitere Beispiele bei Sethe (Fußn. 9), S. 891 f. 65) BGH WM 2011, 682, 686; vgl. ferner Sethe (Fußn. 8), S. 769, 773, 776 ff. 66) Hierzu infra unter V 2.2.2. 67) BGH ZIP 2011, 756 = WM 2011, 682, 686. 68) BGH ZIP 2011, 756 = WM 2011, 682, 687. 69) BGH ZIP 2011, 756 = WM 2011, 682, 687. 70) Kickback meint die Gewährung einer Rückvergütung (Provision) durch den Emittent eines Wertpapiers an den das Papier Vertreibenden, die meist aus dem vom Kunden zu zahlenden Ausgabeaufschlag finanziert wird, vgl. Weber (Fußn. 12), S. 956; ausführlich Habersack, WM 2010, 1246 ff.; Schumacher, Provisionen im Finanzinstrumentenvertrieb durch Kreditinstitute, 2011; Sethe (Fußn. 8), S. 769 ff.

196 Weller, Die Dogmatik des Anlageberatungsvertrags ZBB 3/11 adressierte Pflicht zur Offenlegung der Kickbacks auf: Grundsätzlich müsse der Kunde von jedem seiner Vertragspartner (Vermögensverwalter, depotführende Bank) über Verkaufsprovisionen informiert werden (Kickback I). 71) Dasselbe gelte, wenn die beratende Bank von einer Fondsgesellschaft, deren Anteile sie empfehle, umsatzabhängige Rückvergütungen oder jährliche Verwaltergebühren erhalte; denn hier habe die Bank aufgrund der Umsatzabhängigkeit ein besonderes Interesse daran, gerade eine bestimmte Anlage zu empfehlen, während der Kunde nicht mit einer Rückvergütung rechne, sondern auf eine objektive Beratung vertraue, weil er davon ausgehe, die Bank verdiene an Depotgebühren, Kontoführungsgebühren etc. (Kickback II). 72) Nur in scheinbarem Widerspruch zum Petitum, Interessenkollisionen zu vermeiden, steht die Entscheidung des III. Zivilsenats des BGH über Kickbacks zu Gunsten freier Anlageberater vom 15. 4. 2010. Hiernach muss ein freier Anlageberater nicht über eine Vertriebsprovision aufklären, wenn diese dem Agio entnommen wird, das seinerseits für den Kunden ausgewiesen ist. 73) Beim Blick auf die Begründung wird deutlich, dass der III. Zivilsenat diesen Fall nur deshalb nicht als Interessenkollision einstuft, weil er ihn unter die Offenkundigkeitsausnahme subsumiert: Für den Kunden liege es auf der Hand, dass der freie Anlageberater von der Anlagegesellschaft aus dem Agio Provisionen erhalte, weil der Anlageberater anders als eine Bank (Depot-/Kontoführungsgebühren) keine anderweitigen Einnahmequellen habe, die Kenntnis des Kunden vom Provisionsinteresse des freien Anlageberaters beseitige grundsätzlich den Interessenkonflikt. 74) Eine Rückausnahme von der Offenkundigkeit mit der Konsequenz der Aufklärungspflicht gälte wiederum, wenn es für ein Produkt deutlich höhere Provisionen gebe als für vergleichbare Produkte, weil dann wiederum eine Anreizstruktur zu Lasten des Kunden bestehe. 75) III. Kritik an der BGH-Rechtsprechung An der strengen Rechtsprechung zur Anlageberatung entzündet sich mitunter heftige Kritik. Die FAZ erklärt, komischerweise sei noch niemand auf die Idee gekommen, auch Teppichhändlern vorzuschreiben, sie müssten ihren Kunden ungefragt etwaige Provisionen offenbaren, die sie beim Verkauf einstreichen. 76) In der Fachliteratur wird ebenfalls argumentiert, die Rechtsprechung zur Anlageberatung sei zu streng, weil sie nicht hinreichend berücksichtige, dass neben den Beratungsvertrag ein Kaufvertrag bzw. Absatzmittlungsverhältnis trete. 77) Habersack meint etwa, dass die traditionell neben die Beratungsfunktion tretende Absatzmittlerfunktion der Kreditinstitute von der Rechtsprechung zu akzeptieren sei; wenn keine unmittelbaren Beratungsentgelte vom Kunden verlangt würden, bestehe keine Aufklärungspflicht über Rückvergütungen; denn dann müsse der Kunde regelmäßig davon ausgehen, dass der Berater auch seinen eigenen Vergütungsinteressen nachgehe. 78) Der Vergleich der Anlageberatung mit Kaufverträgen, wie er in der Kritik teilweise anklingt, 79) überzeugt freilich nicht. 80) Während der Kaufvertrag ein Vertrag des Interessengegensatzes ist, handelt es sich beim Anlageberatungsvertrag um einen Vertrag der Fremdinteressenwahrung, der schon im Ansatz viel strengere Pflichten des Geschäftsbesorgers (Beraters) zugunsten des Geschäftsherrn (Kunden) aufweist, als sie bei Verträgen des Interessengegensatzes vorkommen. Dies soll im Folgenden näher erläutert werden. IV. Dogmatische Rechtfertigung der strengen Beratungsanforderungen 1. Ausgangspunkt: Die Einteilung der Verträge nach ihrer Interessenstruktur Die Grundlage für die Einteilung der Verträge nach der ihnen zugrunde liegenden Interessenstruktur wird von Rumpf in den 1920er Jahren gelegt; er systematisiert die Schuldverträge erstmals nach Parteiinteressen. 81) Beyerle differenziert später zwischen den drei Grundtatbeständen Synallagma, Gesamthand und Treuhand. 82) Würdinger überführt diese Dreiteilung schließlich in die Unterscheidung nach Verträgen (1.) des Interessengegensatzes, (2.) der Interessengemeinschaft 83) und (3.) der (Fremd-)Interessenwahrung. 84) Diese Systematisierung hat sich im Anschluss u. a. an Martinek, Rittner, Ulmer und Wiedemann durchgesetzt. 85) 1.1 Verträge des Interessengegensatzes Verträge mit Interessengegensatzcharakter (z. B. Kauf, Miete, Werkvertrag), die sog. gegenseitigen Verträge ( 320 ff. 71) BGHZ 146, 235 = ZIP 2001, 230 (m. Anm. Balzer, S. 232) = NJW 2001, 962, dazu EWiR 2001, 255 (Tilp). 72) BGHZ 170, 226 = ZBB 2007, 193 (Koller, S. 197) = ZIP 2007, 518 (m. Anm. Lang/Balzer, S. 521), dazu EWiR 2007, 217 (Hanten/Hartig). 73) BGHZ 185, 185 = ZBB 2010, 301 (Herresthal, S. 305) = ZIP 2010, 919 (m. Bespr. Brocker/Klebeck, S. 1369) = NJW-RR 2010, 1064, dazu EWiR 2010, 445 (Nietsch). 74) BGHZ 185, 185 = ZBB 2010, 301 (Herresthal, S. 305) = ZIP 2010, 919 = NJW-RR 2010, 1064, 1065. 75) BGHZ 185, 185 = ZBB 2010, 301 (Herresthal, S. 305) = ZIP 2010, 919 = NJW-RR 2010, 1064, 1065. 76) Jahn, FAZ vom 23. 3. 2011, S. 9. 77) Rößler, NJW 2008, 554, 556: (...) auch sonst wird im Wirtschaftsleben von dem Vertreiber einer Ware nicht erwartet, dass er seine eigene Vergütung und insbesondere deren Höhe einschließlich etwaiger Innenprovisionen offen legt. 78) Habersack, WM 2010, 1246, 1253. 79) So bei Jahn, FAZ vom 23. 3. 2011, S. 9; Rößler, NJW 2008, 554, 556. 80) Ebenso bereits Sethe (Fußn. 8), S. 769, 776 ff., 781. 81) Rumpf, AcP 119 (1921), 1, 53 ff. 82) Beyerle, Die Treuhand im Grundriss des deutschen Privatrechts, 1932, S. 46. 83) Anders als bei Austauschverträgen bilden die Interessen der Beteiligten bei Verträgen mit Interessengemeinschaftscharakter (Paradigma: Gesellschaftsverträge, 705 ff. BGB) kein rechtlich unbeachtliches Motiv, sondern werden zum gemeinsamen Vertragsinhalt und Vertragszweck, MünchKomm-Ulmer, BGB, 5. Aufl., 2009, 705 Rz. 142 ff. Die Interessengleichrichtung führt etwa dazu, dass die Treuepflicht erheblich stärker ausgeprägt als die Treuepflicht bei Verträgen mit Interessengegensatzcharakter. Sie verlangt den Beteiligten insofern Opfer im Dienste des gemeinsamen Zieles ab, als sie sich in eine überpersönliche Aufgabe einordnen und zur Mitarbeit bereit sein müssen (nostra res agitur), näher Soergel/Siebert, BGB, 9. Aufl., 1959, 242 Rz. 5; Weller, ZHR 175 (2011), 110, 117 ff. 84) Würdinger, Gesellschaften, Bd. I, 1937, S. 9 ff. 85) Staudinger/Martinek (Fußn. 9), Vorbem. zu 662 ff., Rz. 24 ff.; Rittner, Ausschließlichkeitsbindungen, 1957, S. 112 ff.; 141 ff., 160 ff.; Ulmer, Der Vertragshändler, 1969, S. 265 ff.; MünchKomm-Ulmer (Fußn. 83), vor 705 Rz. 104 ff.; Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, 1966, S. 9 ff., 26 ff., 29; vgl. ferner Weller (Fußn. 20), S. 197 ff.

ZBB 3/11 Weller, Die Dogmatik des Anlageberatungsvertrags 197 BGB), entsprechen dem Vertragsleitbild des BGB. 86) Bei ihnen verfolgt jede Partei ihre eigenen Interessen selbst; sie werden nicht Vertragsgegenstand, sondern bilden lediglich das Motiv des Handelns. 87) Die Gegensätzlichkeit der Interessen liegt darin, dass jede Seite nach ihrem Vorteil strebt im Austausch gegen eine Leistung, in der wiederum die andere Seite einen Vorteil erblickt ( do ut des ). Mit dem Abschluss des Austauschvertrages einigen sich die Parteien auf einen Ausgleich ihrer widerstreitenden Interessen, 88) der im Regelfall beiden Seiten einen (Kooperations-)Gewinn bringt. 89) Die Interessengegensätzlichkeit bedingt, dass jede Partei den Nutzen des Vertragsgegenstandes eigenverantwortlich zu würdigen hat. Die Gegenseite treffen grundsätzlich keine Aufklärungspflichten über Eigenschaften oder gar den Wert des Vertragsgegenstands. 90) Eine äußerste Grenze setzt lediglich 123 BGB, indem er das arglistige Verschweigen von Tatsachen sanktioniert, die für die Gegenseite von erkennbar herausragender Bedeutung sind, 91) wie etwa die Unfalleigenschaft eines Gebrauchtwagens. 92) Fiele die Anlageberatung wie die supra wiedergegebene Kritik insinuiert in die Kategorie des Interessengegensatzes, müsste der Berater den Kunden in der Tat nicht über Kickbacks oder die nachteilhafte Strukturierung eines Produkts aufklären. Bei Lichte besehen ist der Anlageberatungsvertrag jedoch als Vertrag der Fremdinteressenwahrung zu qualifizieren, der einer gänzlich anderen Zweckrichtung und Pflichtendogmatik folgt. 1.2 Verträge der Fremdinteressenwahrung Verträge der Fremdinteressenwahrung verpflichten den Geschäftsbesorger, Vermögensinteressen des Geschäftsherrn wahrzunehmen. 93) Beispiele 94) sind etwa die Vermögensverwaltung, die Treuhand, der Anwaltsvertrag, Anstellungsverhältnisse von Geschäftsführern und Vorständen und eben auch der Anlageberatungsvertrag. 95) Die einseitige Interessenausrichtung auf den Geschäftsherrn (Kunden) führt dazu, dass dessen Interessen in den Vertragsinhalt aufgenommen werden, während die (Vergütungs-)Interessen des Geschäftsbesorgers (Beraters) nur in nachgeordnetem Maße rechtlich geschützt sind. 96) Man spricht angesichts dieser aus der Vertragsstruktur folgenden Unterordnung der Stellung des Geschäftsbesorgers unter die des Geschäftsherrn auch von Subordinationsverträgen. 97) Die asymmetrische Interessenstruktur der Fremdinteressenwahrungsverträge zeitigt dogmatische Konsequenzen, die sich am Recht der beiden BGB-Vertragstypen Auftrag und Geschäftsbesorgung ( 662, 675 Abs. 1 BGB), welche beide Leitbildcharakter für alle Verträge der Fremdinteressenwahrung haben, 98) illustrieren lassen. So ist der Geschäftsbesorger weisungsunterworfen ( 665 BGB) sowie auskunfts- und rechenschaftspflichtig ( 666 BGB). Die Pflicht, dem Geschäftsherrn alles aus der Geschäftsbesorgung Erlangte herauszugeben ( 667 BGB) eine Pflicht, deren Reichweite von Bonusmeilen bis hin zu Schmiergeldern reicht 99) flankiert den Schutz der Interessen des Geschäftsherrn. Indem dem Geschäftsbesorger über 667 BGB jegliche Vorteile aus der Geschäftsführung genommen (und ihm freilich zugleich über 670 BGB alle entstehenden Nachteile ausgeglichen werden), soll der Versuchung vorgebeugt werden, eigene Interessen auf Kosten derjenigen des Geschäftsherrn zu verfolgen. 100) Erweitert man das Pflichtenpanorama bei Fremdinteressenwahrungsverträgen noch um die Treuepflicht, die hier ihre intensivste Form unter den Vertragstypen erreicht, 101) erhärtet sich der Befund, dass Interessenkollisionen bei Verträgen der Fremdinteressenwahrung strikt zu vermeiden sind. Idealerweise verlaufen das Interesse des Geschäftsherrn und das Vergütungsinteresse des Geschäftsbesorgers parallel, im Unterschied zu Gesellschaftsverträgen jedoch nicht gleichranging, sondern mehrstufig gestaffelt: der Geschäftsbesorger befriedigt seine Interessen erst mittelbar (in zweiter Linie), indem er unmittelbar (in erster Linie) diejenigen des Geschäftsherrn befriedigt. Paradigmatisch hierfür stehen etwa die (teilweise) an den Unternehmenserfolg gekoppelte Vergütung von Vorständen ( 87 Abs.1 AktG) 102) oder Erfolgshonorare im US-Anwaltsrecht. 103) 2. Der Anlageberatungsvertrag als Vertrag der Fremdinteressenwahrung 2.1 Rechtsnatur Die Anlageberatung wird allgemein als Geschäftsbesorgungsvertrag ( 675 Abs.1 BGB) eingeordnet, weil sie dessen Grundstruktur der selbständigen und zugleich weisungsunterworfenen Tätigkeit des Geschäftsbesorgers durch Wahrung der Interessen des Kunden entspricht. 104) Der Berater wird für den Kunden tätig (vgl. für diesen in 662 BGB). Damit ist der Anlageberatungsvertrag seiner Rechtsnatur nach ein Vertrag 86) Staudinger/Martinek (Fußn. 9), Vorbem. 662 ff. Rz. 24. 87) Staudinger/Martinek (Fußn. 9), Vorbem. 662 ff. Rz. 28. 88) Staudinger/Martinek (Fußn. 9), Vorbem. 662 ff. Rz. 24. 89) Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 2005, S. 393. 90) Staudinger/Singer/von Finckenstein, BGB, Nachbearbeitung 2004, 123 Rz. 10, 13; Sethe (Fußn. 8), S. 769, 781. 91) Erman/Palm, BGB 11. Aufl., 2004, 123 Rz. 13 ff.; BGH ZIP 1983, 1073 = NJW 1983, 2493. 92) BGHZ 29, 148; BGH NJW 1975, 642, 644; BGH NJW 1982, 1386; Staudinger/Singer/von Finckenstein (Fußn. 90), 123 Rz. 16. 93) BGH NJW 1989, 1216; Mansel, in: Jauernig, BGB, 13. Aufl., 2009, 675, Rz. 4, 7; MünchKomm-Seiler, BGB, 5. Aufl., 2009, 662 Rz. 33. 94) Vgl. MünchKomm-Seiler/Heermann, BGB, 5. Aufl., 2009, 675 Rz. 26 ff. 95) Zur Qualifikation der Anlageberatung als Vertrag der Fremdinteressenwahrung nachfolgend unter IV 2. 96) Ulmer, Der Vertragshändler, 1969, S. 267. 97) Staudinger/Martinek (Fußn. 9), Vorbem. zu 662 ff. Rz. 28. 98) Mansel (Fußn. 93), 662 Rz. 3 f.; Staudinger/Martinek (Fußn. 9), Vorbem. zu 662 ff. Rz. 28. 99) Zum Umfang der Herausgabepflicht des 667 BGB: MünchKomm-Seiler (Fußn. 93), 667 Rz. 12 ff. 100) Siehe zum Zweck des 667 BGB: MünchKomm-Seiler (Fußn. 93), 667 Rz. 1 f. 101) Näher Weller, ZHR 175 (2011), 110, 119 f., 126 ff. 102) Hierzu Weller, NZG 2010, 7. 103) Anwaltliche Erfolgshonorare haben freilich andere Nachteile, namentlich die Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit und damit der Rechtspflege, die Gefahr überhöhter Vergütungssätze für Mandanten und die Beeinträchtigung der prozessualen Waffengleichheit zwischen Kläger und Beklagtem, vgl. BVerfG NJW 2007, 979, 980 f. 104) Sethe (Fußn. 8), S. 769, 776; MünchKomm-Heermann, BGB, 5. Aufl., 2009, 675 Rz. 123; Staudinger/Martinek (Fußn. 9), 675 A 3, B 7; Palandt/ Sprau, BGB, 70. Aufl., 2011, 675 Rz. 10.

198 Weller, Die Dogmatik des Anlageberatungsvertrags ZBB 3/11 der Fremdinteressenwahrung. 105) Diese Einordnung ist stringent, hat doch der Anlageberater eine Expertenstellung, auf deren Basis er ein besonderes Vertrauen in Anspruch nimmt; dem korrespondiert das spiegelbildliche Vertrauen des Kunden in die Sachkunde des Anlageberaters. 106) 2.2 Konsequenzen 2.2.1 Aufsichtsrecht Eine Konsequenz aus der asymmetrischen Interessenstruktur von Fremdinteressenwahrungsverträgen ist, dass für jene ein erhöhter staatlicher Regelungs- und Interventionsbedarf zum Schutz der Interessen der schwächeren Seite abgeleitet wird. 107) Nur so lässt sich die im Privatrecht an sich einen Fremdkörper darstellende aufsichtsrechtliche Kontrolle gewisser Leistungen oder Preise, etwa von Anwälten und Architekten (vgl. RVG bzw. HOAI) und insbesondere von Wertpapierdienstleistungsunternehmen (WpHG) rechtfertigen. 108) Vor diesem Hintergrund wird auch das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz 2010 109) verständlich, welches zu Gunsten der Kunden regulierend in die Anlageberatung eingreift. 110) 2.2.2 Vertragsrecht Aus der Fremdinteressenwahrung der Anlageberatung folgt, dass der Berater den größtmöglichen Nutzen für den Anleger anzustreben hat. Die Vergütungs- oder Provisionsinteressen des Geschäftsbesorgers-(Beraters) fließen zwar in den Vertrag ein ( 675 Abs.1 BGB, 354 HGB), allerdings stehen sie nicht im selben Maße im do ut des-verhältnis wie bei einem Kaufvertrag; vielmehr ist von einem geschwächten synallagmatischen Verhältnis bzw. einem hinkenden Synallagma die Rede. 111) Anders gewendet: Das Eigeninteresse des Geschäftsbesorgers an seiner Vergütung ändert nichts daran, dass er zuerst zur Wahrung bzw. Förderung fremder Interessen verpflichtet ist. 112) Provisionen dürfen also nicht zu Nachteilen bei der Wahrung der Interessen des Geschäftsherrn gehen. Aufgrund der Fremdinteressenwahrung ist die Treuepflicht bei der Geschäftsbesorgung am stärksten ausgeprägt, noch stärker als im Gesellschaftsrecht. 113) Interessenkollisionen sind entweder strikt zu vermeiden, oder die mit ihnen einhergehende Gefahr für den Kunden ist durch Aufklärung und Einwilligung zu beseitigen. 114) Voraussetzung der Behebung eines Interessenkonfliktes ist mithin (1.) dessen Offenlegung gegenüber dem Kunden. Vor diesem Hintergrund ist es zutreffend, wenn der BGH in der Entscheidung Ille./. Deutsche Bank betont, der Kunde hätte umfassend über die für ihn nachteilige Struktur informiert werden müssen. 115) Die bloße Aufklärung allein genügt indes nicht zur Beseitigung des Interessenkonfliktes; sie stellt lediglich die Entscheidungsautonomie auf Seiten des Kunden wieder her. 116) Der (aufgeklärte) Kunde muss vielmehr (2.) auch damit einverstanden sein, dass der Berater auch eigene Interessen verfolgt, die auf seine Kosten gehen können. Anders gewendet: der Kunde als Geschäftsherr muss den Berater als Geschäftsbesorger von seiner Fremdinteressenwahrungspflicht (teilweise) dispensieren. Dies ist rechtlich möglich, weil die Fremdinteressenwahrungspflicht angesichts der Maxime der Vertragsinhaltsfreiheit 117) in Ermangelung einer anders lautenden Gesetzesbestimmung dispositiv ist. Maßgebend ist mithin die privatautonome Entscheidung des Kunden. Im Lichte der ratio, Interessenkonflikte zu vermeiden, ist auch der Streit zu lösen, ob der Kunde unaufgedeckte Provisionszahlungen nachträglich vom Berater über 667 BGB oder 384 HGB heraus verlangen kann. 118) In diesem Zusammenhang müsste dann allerdings auch ein gegenläufiger Vergütungs- und Aufwendungsersatzanspruch des Beraters in Erwägung zu ziehen sein ( 675 Abs.1, 670 BGB), 119) der wenn auch nicht ganz unproblematisch 120) gegendenherausgabeanspruch aus 667 BGB aufrechenbar wäre, weil letzterer ebenfalls auf Geld gerichtet ist. 121) V. Zusammenfassung in Thesenform 1. Anders als ein Kaufvertrag, bei dem der Verkäufer seine eigenen Interessen verfolgen darf und auf die fremden des Käufers grundsätzlich keine Rücksicht zu nehmen braucht (Vertrag des Interessengegensatzes), ist der Anlageberatungsvertrag ein Vertrag der Fremdinteressenwahrung: Der Berater ist in erster 105) Klöhn, ZIP 2011, 762; Sethe (Fußn. 8), S. 769, 776, 781; Staudinger/Martinek (Fußn. 9), Vorbem. 662 ff. Rz. 30, 33. 106) Staudinger/Martinek (Fußn. 9), Vorbem. 662 ff. Rz. 30, 33. 107) Staudinger/Martinek (Fußn. 9), Vorbem. 662 ff. Rz. 30 f. 108) Staudinger/Martinek (Fußn. 9), Vorbem. 662 ff. Rz. 30, 31. 109) BGBl I 2011, 538 Nr. 14 (Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts); hierzu Müller-Christmann, DB 2011, 749; Sethe, ZBB 2010, 265. 110) Privaten Anlegern muss nun gem. 31 Abs. 3 Sätze 4 bis 7 WpHG ein Informationsblatt über das Anlageobjekt zur Verfügung gestellt werden, welches kurz und leicht verständlich die Informationen zusammenfasst. Der Anlageberater muss weiterhin darauf hinweisen falls er nur Produkte aus dem eigenen Haus anbietet, 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2a WpDVerOV, (vgl. Fußn. 49). Auch müssen die Anlageberater bei der BaFin registriert sein und nachweisen, dass sie sachkundig sind und in geordneten Vermögensverhältnissen leben, 34d Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WpHG sowie 34d Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 3. Vgl. hierzu Podewils, ZBB 2011, 169 in diesem Heft; Sethe, ZBB 2010, 265; Halbleib, WM 2011, 673. 111) Staudinger/Martinek (Fußn. 9), Vorbem. zu 662 ff. Rz. 28; siehe zur Dogmatik der Geschäftsbesorgung auch Sethe (Fußn. 9), S. 99 ff. 112) Staudinger/Martinek (Fußn. 9), Vorbem. zu 662 ff. Rz. 28 (Hervorhebung im Original); Sethe (Fußn. 8), S. 769, 781. 113) Weller, ZHR 175 (2011), 110, 119 f., 126 ff. 114) Aus ökonomischer Sicht ist freilich zweifelhaft, ob Aufklärung und Einwilligung den durch Kickbacks hervorgerufenen Interessenkonflikt vollständig beseitigen können, verursachen solche Zuwendungen doch auch Preisverzerrungen, näher Sethe (Fußn. 8), S. 769, 773 ff. 115) BGH WM 2011, 682, Leitsatz 3. 116) Sethe (Fußn. 8), S. 769, 773. 117) Zur Vertragsfreiheit Weller (Fußn. 20), S. 153 ff. 118) Für eine grundsätzliche Herausgabepflicht gem. 675, 667 BGB; Möllers, in: KK-WpHG, 2007, 31 a. F. Rz. 146 f; Sethe (Fußn.8), S. 769, 777, 783. Dagegen lehnt Mülbert, ZHR 2008, 172 ff., 190 ff., einen Herausgabeanspruch mangels Regelungslücke ab, da die vom BGH in der Bond-Rechtsprechung begründete (und nunmehr auch aufsichtsrechtlich in 31d WpHG statuierte) Offenlegungspflicht dem Kunden ausreichenden Selbstschutz biete. 119) Siehe oben unter II 2. 120) Staudinger/Gursky, 387 Rz. 84: Die Gleichartigkeit ist problematisch, wenn einer Geldforderung ein schuldrechtlicher Anspruch auf Herausgabe von Geld gegenübersteht. 121) MünchKomm-Schlüter, 5. Aufl., 2007, 387 Rz. 30: Was gleichartig ist, bestimmt sich nach der Verkehrsanschauung, nicht nach dem Vertragszweck. Daher sind zb gleichartig Geldforderung und Anspruch auf Herausgabe des durch eine Geschäftsbesorgung Erlangten, sofern es sich hierbei um einen Zahlungsanspruch handelt, nicht also um die Herausgabe bestimmter Geldscheine oder Geldstücke.

ZBB 3/11 Ettenhuber/Mohr/Schiereck/Wagner, Über den Luxus von Kapitalerhöhungen: Ankündigungseffekte und (...) 199 Linie den (fremden) Interessen seines Kunden verpflichtet, während die eigenen (Vergütungs-)Interessen diesen zu subordinieren sind. 2. Die Fremdinteressen-Dogmatik des Anlageberatungsvertrags rechtfertigt die strengen Anforderungen, welche die Rechtsprechung seit der Bond-Entscheidung im Jahr 1993 an die Berater stellt. 3. Der Berater schuldet eine anleger- und eine objektgerechte Beratung. Die Anforderungen an die objektgerechte Beratung wurden im Urteil Ille./.Deutsche Bank für hochkomplex strukturierte Produkte indes so verschärft, dass Berater kaum in der Lage sein dürften, sie zu erfüllen. Dem BGH zufolge müsste der Kunde nämlich im Wesentlichen auf denselben Wissensstand gehoben werden wie die Bank. Dies erscheint angesichts des Kenntnisstands der Bank, welcher unter Berücksichtigung der Grundsätze der Wissenszurechnung bei juristischen Personen zu bestimmen ist, praktisch ausgeschlossen. 4. Im Vordergrund der Anlageberatung müssen stets die Interessen des Kunden stehen. Interessenkonflikte vertragen sich mit der Dogmatik der Fremdinteressenwahrung nicht. Interessenkollisionen, die aus Provisionsanreizen (Kickbacks) resultieren, lassen sich nur durch deren Offenlegung gegenüber dem Kunden und dessen privatautonomer Einwilligung in die Eigeninteressenverfolgung des Beraters beseitigen. 5. Angesichts der dargelegten dogmatischen Unterschiede zwischen den Verträgen des Interessengegensatzes und denen der Fremdinteressenwahrung ist die Kritik an der BGH-Rechtsprechung, soweit sie die Anlageberatung auf eine Ebene mit dem bloßen Verkauf von Finanzprodukten 122) stellt, zurückzuweisen. Der BGH hat auch im Fall Ille./. Deutsche Bank zutreffend entschieden. 122) Zur Abgrenzung der Anlageberatung von beratungsfreien Geschäften und vom Execution-only-Geschäft Sethe (Fußn. 8), S. 769, 780 ff., 784 ff.