Der Sommer kommt: Hitze & (Beinahe-)Ertrinken. Hitzekrankheit. Klimaelemente - Einflüsse auf die Wärmebilanz. Ursachen.

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Transkript:

Klimaelemente - Einflüsse auf die Wärmebilanz 6. Ostschweizer Notfallsymposium 15. März 2018 Der Sommer kommt: Hitze & (Beinahe-)Ertrinken Dr. med. Jochen Steinbrenner, MAS FHO Leiter Ressort Medizinische Querschnittsfunktionen SR RWS Vorsitzender Spitalleitung Spital Grabs Ärztlicher Leiter Notfall Spital Grabs Pathophysiolgie Steuerung der Wärmeabgabe durch Vasokonstruktion/Vasodillatation Steuerung der Kühlung über Verdunstung/Schwitzen Hohe Umgebungstemperaturen Anstrengung Ursachen Wärmezufuhr Lufttemperatur > 35 C Luftfeuchtigkeit > 70% Kühldefizit Erhöhte Wärmeproduktion Verminderte Wärmeabgabe Warme Kleidung Drogenmissbrauch (Ecstasy: Vasokonstruktion & Wasserverlust) Fieber Hitzekrankheit

Erkrankungen Erkrankungen Sonnenstich: Sonnenbestrahlung auf den Schädel -> thermischen Meningitis/Enzephalitis (lokale Überwärmung) Hitzeerschöpfung: Generalisierte Überwärmung mit Hypovolämie -> Kreislaufinsuffizienz Hitzeohnmacht (Hitzesynkope): Vasodilatation bei längerem Stehen in der Hitze -> zerebrale Mangeldurchblutung Hitzschlag: Dekompensation der Wärmeregulation -> massiver Anstieg der Körpertemperatur => Mortalität 10-20%! Schwitzen Erhöhte Temperatur Heisse Haut Benommenheit Schwindel Übelkeit Hypotonie Kopfschmerzen Bewusstseinsstörungen Symptome Meningismus Hirndruckanstieg Krämpfe Brady-/Tachykardie Schockzeichen Muskelschwäche Elektrolytstörungen Angst Psychose Symptome Heisser roter Kopf

Flachlagerung, Oberköper hoch Volumengabe (oral, iv) ggf. Atropin, Sypmpathikomimetika Kühle Umgebung Therapie Hyponatriämische Hyperhydratation Triathlet (30) stirbt, weil er zu viel Wasser trank Bewusstlosigkeit & Krämpfe nach Zieleinlauf Ursache: Mangelnde Salzversorgung, nur Einnahme von Leitungswasser Aktive Kühlung (Verdunstung, Eis) Sauerstoff Elektrolytausgleich Ertrinken Anzahl Ertrinkungstote in der Schweiz Schweiz: ca. 50 Menschen ertrinken pro Jahr Aber: Und: ca. 5-10 mal so viele Beinahe-Ertrinkungsfälle! 64% sind < 30. LJ 26% sind < 5. LJ! Bfu-Grundlagen: Tödliche Ertrinkungsunfälle in der Schweiz, 2000 2010

Alter Risikofaktoren Kleinkinder, Jungs im Teenageralter Wer ertrinkt? Örtlichkeit Geschlecht private Schwimmbäder und Flüsse mit Strömung männlich in allen Altersgruppen 17% Drogen besonders Alkohol Trauma Sprünge, Stürze Stränge schlagen 83% Weitere Ursachen: Nichtschwimmer, Selbstüberschätzung, Ermüdung, Krämpfe, Erkrankungen (Epileptiker, Diabetiker), Strömung Männer Frauen Kinder Tätigkeit der Aufsichtsperson In der Schweiz ertrinken jährlich 5-10 Kinder (zweithäufigste Todesart) Kleine Kinder können auch schon in ganz flachen Gewässern ertrinken (10cm Wassertiefe) 24% 24% Säuglinge ertrinken am häufigsten in der Badewanne, Kleinkinder im Swimmingpool, ältere Kinder in Flüssen/Seen Auf jeden tödlichen Fall, kommen vier stationäre Fälle 18% 17% 17% 90% der Ertrinkungsunfälle geschehen im Umkreis von 10m 90% der Kinder sind im Moment des Unglücks unbeaufsichtigt Kleinkinder sind infolge ihres schweren Kopfes und der noch ungeübten Muskulatur auch bei geringer Tiefe oft nicht mehr in der Lage, ihren Kopf eigenständig aus dem Wasser zu ziehen! Telefonieren Handtuch holen Kochen, Hausarbeit Anderes Kurz weggegangen

Wie? Epileptiker: 4-5fach erhöhtes Risiko für Ertrinkungsunfälle Sporttaucher: häufigste Todesursache Dauer bis zum Untergehen: ca. 30-60 Sekunden Zeit um Hilfe zu rufen? HWS! Immer Halskragen Immer Vakuum-Matratze Definitionen: Ertrinken: Tod durch Einatmen von Flüssigkeit, Tod durch Asphyxie Beinahe-Ertrinken: Ertrinkungsunfall, der zumindest 24h überlebt wird Primäres Ertrinken: Sofortiges Ertrinken Sekundäres Ertrinken: Spätes ARDS, Aspirationspneumonie Nasses Ertrinken: Aspirieren von Flüssigkeit in die Lungen (85-90%) Trockenes Ertrinken: Stimmritzenkrampf, der ein Eindringen von Flüssigkeit in die Lungen verhindert, oft bis über den Tod hinaus Theoretische Unterschiede Salz-/Süsswasser Kein Unterschied in Outcome, Diagnostik oder Therapie Patienten aspirieren zu wenig Wasser Hypertones Salzwasser: Pulmonales Ödem Hypertones Serum Hypotones Süsswasser: Flüssigkeitsüberladung Elektrolytentgleisung

Pathophysiologie Entscheidend für Outcome Hypothermie Hypoxie Aspiration Therapie Hauptziel: Rasche Beseitigung der Hypoxämie ZNS-Schädigung Pulmonale Komplikationen Schlamm, Algen, Erbrochenes (70% der Beinahe- Ertrunkenen) Bewusstseinslage? Zeichen des Lungenversagens (Dyspnoe, Tachypnoe, Zyanose, Einsatz der Atemhilfsmuskulatur, Lungenödem)? Pulsoxymetrie? Hypovolämie? Hypothermie? Verletzungen? Multiorganversagen Bewusstseinstrübung, Bewusslosigkeit, Zeichen des Lungenversagens -> Intubation, Beatmung mit 100% Sauerstoff Field Management Zügiges BLS ist der prognostische Faktor für das Outcome Der asymptomatische Patient Status nach Beinahe-Ertrinken, kein Hinweis auf Trauma Eigenschutz beachten (Strömung) HWS-Sicherung Hypothermie- Untersuchung mit Focus auf die Lunge: -> Husten / Rasselgeräusche / Giemen /Kurzatmigkeit /Atemnot => Überwachung für mindestens 6 Stunden Asymptomatisch: Keine Überwachung notwendig Obsolet: Heimlich-Manöver o. ä. Kein BLS im Wasser Achtung bei Kindern: Bei bis zu 40% von asymptomatischen Kindern innerhalb von 4-8h Entwicklung von Krankheitssymptomen (Noonan L, Pediatrics 119; 98: 386-371)

Prognose-Faktoren 3. Lebensjahr oder jünger Unterwasserzeit grösser 5 Minuten Kein BLS für mehr als 10 Minuten Komatös bei Einlieferung in Notaufnahme BGA: ph 7.1 oder weniger Zwei oder weniger = 90% Restitutio Drei oder mehr = weniger als 5% Restitutio Outcome Beinahe-Ertrunkene 10-20% aller Beinahe-Ertrunkenen erleiden eine neurologische Dauerschädigung Komatöse Beinahe-Ertrunkene: 30% Sterben im Krankenhaus 35% Neurologisches Defizit 35% Restitutio ad integrum Wilderness Medical Society Wache/Somnolente Beinahe-Ertrunkene: Bei adäquater Versorgung fast 100% Überlebensrate ohne Dauerschäden Outcome Ertrinkungsunfälle Die Zeit unter Wasser korreliert nicht mit dem Ausmass der neurologischen Schädigung und der Prognose des Patienten! Gründe: Grosse interindividuelle Variabilität der Kreislaufadaptation Sympathikotonus Erschöpfung vor Asphyxie Grad der Hypothermie Sistieren der Kreislauffunktion Outcome 46% der am Notfallort erfolgreich reanimierten verlassen das Spital ohne neurologisches Defizit! Reanimations- und Rettungsmassnahmen beim Ertrinkungsunfall mit maximalem Einsatz!

Zusammenfassung Verschiedene Ertrinkungsunfälle, enden alle im Problem der HYPOXÄMIE Aggressive Behandlung von ABC-Problemen BLS so früh wie möglich beginnen Auf Trauma achten Prävention ist viel zufriedenstellender Vielen Dank!