Die aktuelle Unsicherheit wird sich negativ auswirken Dienstag, 25. Juni 2013 Was wird künftig über den Erfolg in der Vermögensverwaltung entscheiden? Erich Felder von der InCube Group liefert im Interview mit finews.ch Denk- und Lösungsansätze. Herr Felder, hat das Nein des Nationalrats zur Lex USA Einfluss auf das Vermögensverwaltungsgeschäft? Die Folgen für den Finanzplatz Schweiz sind derzeit nicht abschätzbar. Es ist aber zu befürchten, dass sich die aktuelle Unsicherheit eher negativ auf den Finanzplatz auswirken wird, vor allem dann, wenn sie weiter anhalten sollte. Umgekehrt wäre eine Übernahme der «Lex USA» möglicherweise mit einem hohen politischen Preis für die Zukunft verbunden gewesen. Wir werden erst in Zukunft beurteilen können, ob das Nein wirklich im langfristigen Interesse der Schweiz und des Schweizer Vermögensverwaltungsgeschäftes sein wird. Auf InCube Capital hat das Nichteintreten des Nationalrates auf die Lex USA keinen unmittelbaren Einfluss, weil wir nie direkte Beziehungen zu US-Kunden unterhalten haben. Unsere Anlagekunden sind in Anlagefonds investiert, für die wir als Manager oder Advisor tätig sind. Wie beurteilen Sie die Reputation des Schweizer Finanzplatzes im Ausland nach den jüngsten Ereignissen? Das Nein des Nationalrates hat im Ausland bislang wenig Aufmerksamkeit erregt, obwohl einzelne ausländische Medien davon berichtet haben. Gerade in grösseren Staaten legt man meist den Fokus auf inländische Geschehnisse. Dies trifft besonders auch für die USA zu. Erst Anklagen machen das Thema im Ausland prominent Erst wenn es zu Anklagen gegen Schweizer Banken kommen würde wenn es überhaupt so weit kommt, dürfte das Thema im Ausland prominenter werden, wie damals schon bei der Anklage der Bank Wegelin.
Welche Veränderungen erlebt die Branche der unabhängigen Vermögensverwalter momentan? Die Branche erlebt eine grosse Welle neuer Regulierungen, die es umzusetzen gilt: Fondsmanager unter den unabhängigen Vermögensverwaltern sind insbesondere vom teilrevidierten Kollektivanlagegesetz KAG betroffen, das am 1. März dieses Jahres in der Schweiz in Kraft getreten ist. Das Gesetz soll die Vorschriften für die Verwaltung, Verwahrung und den Vertrieb von kollektiven Kapitalanlagen an die neuen internationalen Standards anpassen. Insbesondere an die Alternative Investment Fund Manager Directive (AIFMD) der EU. Das neue KAG weitet beispielsweise die FINMA-Bewilligungspflicht für Vermögensverwalter kollektiver Kapitalanlagen grundsätzlich auf sämtliche Vermögensverwalter von schweizerischen und ausländischen kollektiven Kapitalanlagen aus. Das heisst auch auf schweizerische Vermögensverwalter von Fonds mit einem Offshore-Domizil. Ausgenommen von der FINMA-Aufsicht sind allerdings kleinere Vermögensverwalter je nach Höhe ihres verwalteten Kollektivanlagevermögens. Weiter sind die unabhängigen Vermögensverwalter genauso wie die Banken mit der Anpassung an die US FATCA und an die neue Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Retrozessionen beschäftigt. Und was sind die Konsequenzen? Die damit verbundenen höheren Kosten und die potenziellen Ertragsausfälle führen zu einer weiteren Margenerosion im Vermögensverwaltungsgeschäft. Ein Bündel offener Fragen Dies stellt die unabhängigen Vermögensverwalter vor neue Herausforderungen: Welche nachhaltigen Ertragsquellen können erschlossen werden? Wie kann das Geschäft diversifiziert werden? Sind die Produkte und Dienstleistungen qualitativ hochwertig und konkurrenzfähig genug, um den Vorteil allmählich wegfallender Standortvorteile zu kompensieren? Wie können die neuen Anforderungen an die Corporate Governance und Organisation erfüllt werden? Wie beeinflusst eigentlich Basel III das Vermögensverwaltungsgeschäft? Von Basel III direkt betroffen sind diejenigen Vermögensverwalter, die über eine Bank- oder Effektenhändlerlizenz der FINMA verfügen. An die Banken werden mit Basel III in der Schweiz höhere Anforderungen an die Höhe und Qualität der Eigenmittel und Liquidität, an die Risikoverteilung sowie an das Risikomanagement
und die Offenlegung gestellt. Die Effektenhändler sind von diesen neuen Anforderungen ebenfalls teilweise betroffen. Welche Auswirkungen erwarten Sie von der OTC-Derivate-Regulierung, die unter den Begriffen EMIR in der EU und Dodd-Frank in den USA inzwischen bereits in Kraft getreten ist? Die Schweiz, wie auch eine Vielzahl anderer Staaten, ist aktuell ebenfalls in den Vorbereitungsarbeiten zur Umsetzung des G-20-Beschlusses von Pittsburgh im Jahre 2009, den ausserbörslichen Derivatehandel transparenter und sicherer zu machen. Danach müssen standardisierte OTC-Derivatgeschäfte künftig über zentrale Gegenparteien abgewickelt, für übrige OTC-Derivategeschäfte verschiedene risikomindernde Massnahmen umgesetzt und sämtliche Derivatgeschäfte an ein Transaktionsregister gemeldet werden. Warten auf den Entwurf des FinfraG Das Eidgenössische Finanzdepartement wird voraussichtlich noch vor Jahresende den Entwurf eines Finanzmarktinfrastrukturgesetzes, kurz das FinfraG, zur Vernehmlassung veröffentlichen, das sich nach unseren Erwartungen sehr eng an der European Market Infrastructure Regulation (EMIR) orientieren wird. Was bedeutet das alles konkret? Sämtliche regulierten Finanzinstitute, also auch FINMA-beaufsichtigte Vermögensverwalter, müssen sich danach künftig Zugang zu einer Central Counterparty verschaffen, zumindest für das Clearing von OTC-Zinsderivaten und - Kreditausfallversicherungen (CDS). In den meisten Fällen bedeutet dies, dass sich die Finanzinstitute an einen Clearing Broker anschliessen müssen, über den sie die Geschäfte einer zentralen Gegenpartei zum Clearing zuführen können. Weiter müssen künftig hohe Standards in Bezug auf die tägliche Bewertung, Leistung von Sicherheitsmargen und die Abwicklung von OTC-Derivaten eingehalten werden. Die Grossen setzen die Vorschriften bereits um Die grossen Vermögensverwalter sind derzeit bereits mit teilweise hohem Ressourceneinsatz daran, diese Vorschriften umzusetzen. An den Derivatmärkten beobachtet man bereits unterschiedliche Preisstellungen für zentral über eine Gegenpartei abgewickelte Zinsderivatgeschäfte und solche, die weiterhin auf bilateraler Basis erfolgen.
Erwarten Sie, dass der Finanzplatz Schweiz künftig noch stärker reguliert wird? Und was wären die Konsequenzen für das Vermögensverwaltungsgeschäft? Der Druck auf den Schweizer Finanzplatz, mit ausländischen Regulierungen Schritt zu halten, wird in den nächsten Jahren hoch bleiben. Will die Schweiz weiterhin Zugang zu ihren wichtigsten Finanzdienstleistungsmärkten im Ausland haben, kommt sie nicht darum herum, «gleichwertige» Regulierungen zu schaffen. Zum Beispiel ist die derzeit in Gang befindliche Schaffung des Finanzdienstleistungsgesetzes (FIDLEG) im Wesentlichen die Antwort der Schweiz auf die Regelwerke MiFID und MiFIR in der EU. Kosten zwingen zum Zusammenrücken Die Konsequenzen stärkerer Regulierung für das Vermögensverwaltungsgeschäft sind weiter steigende Regulierungskosten. Wir werden daher in den nächsten Jahren aus Kostengründen mehr Kooperationen und Zusammenschlüsse zwischen Vermögensverwaltern sehen. Sieht sich InCube Capital gezwungen, Korrekturen am Geschäftsmodell vorzunehmen? Wir haben schon vor längerer Zeit ein integriertes Geschäftsmodell geschaffen, bestehend aus den Geschäftsbereichen Investment Management, Investment Solutions und Advisory. Dadurch können wir in vielen Fällen unsere Kunden auf unterschiedliche Art und Weise unterstützen. Die Korrelation von Vermögensklassen steigt in Stresszeiten stark, womit der Diversifikationseffekt sich just dann abschwächt. Sie bezeichnen das als Correlation Breakdown. Was sind die Gründe, die zu dieser Entwicklung geführt haben? Sind es vorab ETFs und HFTs, die daran verantwortlich sind? Der einfache Zugang zu Asset Klassen über ETFs, die weite Verbreitung von direktem Marktzugriff (DMA) und der Hochfrequenz-Handel (HFT) haben dazu beigetragen, dass die Korrelationen zwischen Asset-Klassen seit Jahren steigen. Es gibt jedoch weitere Gründe. Durch die Globalisierung der Wirtschaftsräume und die zunehmende technologische Vernetzung konvergieren regionale Märkte zu einem globalen Markt. Regionale «Betas» verschmelzen zu einem globalen «Beta».
Nicht in Asset-Klassen denken, sondern in Risikofaktoren Wurde früher in einem Aktienportfolio eine Diversifikation über geographische Märkte erreicht, ist dies heute kaum noch möglich. Einen weiteren Grund für die erhöhten Korrelationen sehen wir darin, dass seit Ausbruch der Finanzkrise Zentralbanken weltweit in die Finanzmärkte eingreifen wie Quantitative Easing und Währungsabwertungen. Die Unsicherheit über den Erfolg dieser Policy-Massnahmen hat zu einem ausgeprägten Risk-on/Risk-off-Verhalten geführt mit kurzfristig sehr hohen Korrelationen. Gibt es ein «Rezept», wie der Investor dieser gleichgerichteten Entwicklung entgehen kann? Anleger sollten nicht in Asset-Klassen denken, sondern in Risikofaktoren. Die Kernfrage lautet: Wie will der Anleger sein Kapital über verschiedene Risikofaktoren allozieren? Korrelationen über Risikofaktoren sind deutlich tiefer als über Asset- Klassen. Dies hat auch damit zu tun, dass eine Asset-Klasse verschiedene Risikofaktoren bündelt und somit die hohen Korrelationen zwischen Asset-Klassen auch auf die Überlappung von gleichen Risikofaktoren zurückgeführt werden können. Die Erschwernis der hohen Korrelationen Beispielsweise beinhaltet eine Unternehmensanleihe sowohl Zinsrisiken als auch Aktienpreisrisiken: Sinkt der Aktienwert des Unternehmens, steigt auch das Ausfallrisiko der Anleihe. Wir bei InCube sind deshalb dazu übergegangen, für unsere Kunden strategische und taktische Faktor-Allokationen umzusetzen, da die hohen Korrelationen eine diversifizierte Portfolio-Konstruktion mittels Asset-Klassen sehr erschweren. Sehen Sie grundsätzlich schwierige Zeiten auf den Schweizer Finanzsektor generell zukommen? Die Zukunft hängt sehr stark von der Konjunktur, von den Entwicklungen an den Finanzmärkten und der Risikobereitschaft der Anleger ab. Kehrt das Vertrauen in die Institute und Märkte zurück, dürften sich rasch positive Impulse auf den Finanzsektor übertragen.
Fachkräftemangel zeichnet sich ab Aufgrund der weiter steigenden Regulierung und Spezialisierung werden die Finanzinstitute künftig vermehrt Fachkräftemangel zu beklagen haben. Die Institute werden immer mehr gefordert werden, ihre Spezialisten selber auszubilden oder das Spezialwissen von externen Dienstleistungsunternehmen zu beziehen. Welche Prognose stellen Sie den Vermögensverwaltern? Um sich gegen die wachsende ausländische Konkurrenz behaupten zu können, benötigen wir interessante Rahmenbedingungen für das Schweizer Vermögensverwaltungsgeschäft: Verfügbarkeit von erstklassig ausgebildeten Mitarbeitern, Förderung von Forschung und Entwicklung in der Vermögensverwaltung, Regulierung, die neben dem Anlegerschutz vermehrt auch wettbewerbspolitische Aspekte mitberücksichtigt. Eines ist klar: Erfolg in der Vermögensverwaltung wird in der Zukunft vermehrt über die Produkt- und Dienstleistungsqualität entschieden werden, weniger über Standortfaktoren wie Bankgeheimnis und steuerliche Attraktivität. Erich Felder, CFA, ist Managing Partner und Mitgründer der in Zürich domizilierten InCube Group. Die Gruppe ist in den Geschäftsbereichen Investment Management & Solutions (InCube Capital) und Unternehmensberatung (InCube Advisory) tätig. InCube Capital ist auf die Entwicklung und Umsetzung von systematischen Anlagestrategien spezialisiert. Auf der Grundlage von selbst entwickelten Ansätzen, Strategien und Entscheidungstools verwaltet InCube Capital verschiedene Anlagefonds und berät zur Hauptsache institutionelle Anleger und Vermögensverwalter in Fragen der strategischen und taktischen Asset Allocation. InCube Advisory berät Banken, Versicherungen, Asset Manager sowie Energie- und Rohstoffhandelsunternehmen in aktuellen Themen des Risikomanagements, der quantitativen Finance, des Financial Reporting und der Regulierung. Die Gruppe beschäftigt aktuell 19 Mitarbeiter.