Lösungsskizze zum Fall Zinsen ohne Ende 1



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LEO WS 2004/2005, Kreditsicherungsrecht/Bürgschaft Gunther Thomas / LS Prof. Häuser / Universität Leipzig Lösungsskizze zum Fall Zinsen ohne Ende 1 1 A. Anspruch der A-GmbH auf Zahlung von 261.000 gem. 765; 488 BGB I. Bürgschaftsvertrag B könnte gegenüber der A-GmbH einen Anspruch auf Zahlung von 261.000 aus der Bürgschaft gemäß 765 I BGB, die das der A gewährte Darlehen absichert, haben. Die A-GmbH als Bürgin und B als Gläubigerin haben schriftlich einen wirksamen Bürgschaftsvertrag geschlossen, der die Sicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche der B aus der Geschäftsverbindung mit A bis zu einem Betrag von 215.000 zum Inhalt hatte. II. Bestehen der zu sichernden Forderung und Umfang der Bürgschaft Fraglich ist, ob die Bürgschaft der A-GmbH auch das Darlehen mit dem Betrag von 46.000, der über 215.000 hinaus geht, absichert. 1. Sicherung einer künftigen Forderung Dies könnte zweifelhaft sein, da die Forderung von 46.000 nach Abschluss des Bürgschaftsvertrages entstanden ist. Gemäß 765 II BGB kann der Bürge aber auch für eine künftige Verbindlichkeit eine Einstandspflicht übernehmen. Ob die Bürgschaft eine künftige Forderung mit absichert, ist durch Auslegung zu klären. 2 Dafür könnte die Bürgschaftsklausel sprechen, die die Sicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche der B gegen A vorsieht. Da A die 46.000 nach Abschluss des Bürgschaftsvertrages in Anspruch genommen hat, handelt es sich um einen künftigen Anspruch von B. 2. Wirksame Einbeziehung der Forderung i.h.v. 46.000? Eine Einstandspflicht setzt jedoch voraus, dass die Klausel wirksam zwischen der A-GmbH und B vereinbart wurde. Da die Klausel eine Allgemeine Geschäftsbedingung nach 305 I BGB ist, könnte sie nach 307 ff BGB unwirksam sein. a) Eröffnung der Inhaltskontrolle Die Inhaltskontrolle nach 307 ff BGB ist nur dann möglich, wenn die Klausel eine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung trifft. Die Klausel regelt den Umfang der Bürgschaftsschuld und berührt daher 767 I 3 BGB, der solche Verbindlichkeiten vom Umfang der Bürgenhaftung ausschließt, die nach Übernahme der Bürgschaft vereinbart worden sind. b) Inhaltskontrolle der Klausel Ob die Klausel wirksam ist, richtet sich hier nach der Generalklausel des 307 I BGB, da nach 310 I 1 BGB die Klauselverbote der 308, 309 BGB bei der Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gegenüber Unternehmen keine Anwendung finden. Die von B verwendete Bürgschaftsklausel benachteiligt die A-GmbH unangemessen im Sinne des 307 I BGB. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH folgt die unangemessene Benachteiligung aus dem Widerspruch zwischen der weiten Zweckerklärung, 1 Die Besprechung des Urteils richtet sich nach dem ab dem 1.1.2002 geltenden Recht. 2 Palandt-Sprau BGB 61. Aufl, 765 Rn 18.

die alle bestehenden und künftigen Ansprüche erfasst, und dem Leitgedanken des 767 I 3 BGB. 3 Leitgedanke des 767 I 3 BGB ist, dass sich die Haftung des Bürgen auf die Forderung beschränkt, die zum Zeitpunkt der Bürgschaft besteht. Der Bürge soll davor geschützt werden, dass Hauptschuldner und Gläubiger die Einstandspflicht des Bürgen durch Erhöhung der Hauptschuld erweitern. 4 Kann der Schuldner ohne Mitwirkung des Bürgen durch Erhöhung der Hauptschuld den Umfang der Einstandspflicht bestimmen, birgt dieses für den Bürgen das Risiko, dass der Schuldner ohne oder gegen seinen Willen die Einstandspflicht erweitert. 5 Dies kommt einem unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter gleich. 6 A als Hauptschuldnerin konnte durch die Überziehung des Girokontos und die Vereinbarung der Klausel den Umfang der Einstandspflicht der A-GmbH gegen ihren Willen bestimmen. Die Klausel ist daher wegen ihrer unangemessenen Benachteiligung des Bürgen nach 307 I BGB unwirksam; im übrigen bleibt der Vertrag nach 306 I BGB wirksam. c) Folgen der Unwirksamkeit für den Umfang der Einstandspflicht Der Umfang der Einstandspflicht bestimmt sich gemäß 306 II BGB nach den gesetzlichen Bestimmungen. 767 I BGB kann die Lücke im Bürgschaftsvertrag nicht schließen, da dort nur der Umfang der Bürgschaft geregelt ist, nicht aber, welche Forderung gesichert wird. Diese Lücke kann aber im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden. 7 Der Umfang der Haftung bestimmt sich nach der Höhe der Forderungen, die Anlass zur Übernahme der Bürgschaft waren. 8 Anlass der Bürgschaft war die darlehensweise Inanspruchnahme von 215.000, nicht jedoch die spätere Überziehung des Girokontos durch A. 2 III. Ergebnis B hat gegen die A-GmbH nur einen Anspruch auf Zahlung von 215.000, nicht jedoch auf die weiteren 46.000 aus der Überziehung des Girokontos. B. Anspruch der A-GmbH auf Zahlung von 235.000 gem. 765; 488 BGB I. Bürgschaftsvertrag B könnte gegenüber der A-GmbH gemäß 765 BGB einen Anspruch auf Zahlung von 130.000 und der angefallenen Zinsen daraus i.h.v. 105.000 haben. Die A-GmbH hat sich gegenüber B wirksam bis zu einem Betrag von 130.000 aus einem dem G gewährten Darlehen in gleicher Höhe verbürgt. II. Erstreckung der Bürgenhaftung auf Zinsen aus dem Darlehensbetrag? Fraglich ist, ob B darüber hinaus auch Zinsen i.h.v. 105.000 von der A-GmbH verlangen kann. Die erweiterte Haftung könnte sich zum einen aus der weiten Zweckerklärung und zum anderen aus der Ziffer 2 des Bürgschaftsvertrages ergeben. Auf die weite Zweckerklärung geht der BGH in diesem Zusammen- 3 4 5 6 7 8 Vgl. dazu BGH WM 2002, 1836, 1837; WM 1998, 2186, 2187; vgl auch BGH JA 2000, 265 (Ann); umfassend Nobbe BKR 2002, 747, 750. MünchKommBGB-Habersack 3.Aufl, 767 Rn 1. Ohne Bedeutung ist, ob der Bürge Kaufmann oder eine juristische Person ist, vgl. dazu BGH WM 1998, 2186, 2187; WM 2001, 1517, 1518. MünchKommBGB-Habersack (Fn 5), 767 Rn 10. BGHZ 137, 153, 157. BGHZ 142, 213, 219 f.

hang nicht ein 9, obwohl die Zinsen künftige Ansprüche der B darstellen. Vielmehr steht im Mittelpunkt der Begründung die Ziffer 2, wonach die Bürgschaft auch zusätzlich Zinsen, die aus den verbürgten Ansprüchen entstehen, umfasst, selbst wenn der Betrag für die Zinsen den in der Bürgschaft genannten Betrag überschreitet. Zudem werden die Zinsen nach Anerkennung des Saldos im Kontokorrent Teil der Hauptforderung. Danach könnte B die Zinsen von 105.000 zusätzlich zu dem Betrag von 130.000 von der A- GmbH verlangen. Das setzt allerdings voraus, dass die Ziffer 2 nicht nach 307 I BGB unwirksam ist. 1. Einordnung der Bürgschaft als Höchstbetragsbürgschaft Die zwischen B und der A-GmbH vereinbarte Bürgschaft ist eine Höchstbetragesbürgschaft. Im Gegensatz zur Höchstbetragshypothek ( 1190 BGB) ist die Höchstbetragsbürgschaft gesetzlich nicht geregelt. Sie hat sich aus dem Bedürfnis des Bürgen, den Umfang seiner Einstandspflicht und damit sein Risiko auf eine bestimmte Summe zu begrenzen, entwickelt. 10 Grundsätzlich orientiert sich der Umfang der Haftung des Bürgen am jeweiligen Bestand der Hauptverbindlichkeit ( 765 I, 767 I 1 BGB). Abweichend von dieser Regelung kann der Bürgschaftsvertrag auch festegelegen, dass der Umfang der Haftung sich nach einem konkret begrenzten Betrag richtet. Der Umfang der Haftung wird daher von der Höhe der Hauptverbindlichkeit entkoppelt, so dass letztendlich auch nur ein Teil der Hauptforderung durch eine Bürgschaft abgesichert sein kann. 3 2. Ausdehnung der Haftung auf die Zinsen Während bei Einräumung eines Pfandrechts das Pfand nach 1210 I 1 BGB ausdrücklich für Zinsen haftet, fehlt eine entsprechende Regel im Bürgschaftsrecht. 11 Diese Lücke soll durch die Ziffer 2 geschlossen werden, so dass die betragsmäßige Begrenzung der Haftung teilweise aufgeweicht wird. Der Bürge haftet über den vereinbarten Höchstbetrag hinaus auch für die Zinsen aus der zugrunde liegenden Hauptschuld, so dass sich der Haftungsbetrag für den Bürgen auf einen unbegrenzten Betrag erhöhen kann. a) Bisherige Ansicht des BGH Der BGH hatte bisher gegen die Wirksamkeit derartiger Klauseln keine Bedenken, weder unter dem Gesichtspunkt der überraschenden Klausel nach 305c I BGB 12 noch unter dem Aspekt der unangemessenen Benachteiligung nach 307 I BGB. 13 Aus der Vereinbarung gehe nämlich eindeutig hervor, dass der Bürge nicht nur für die genannte Bürgschaftssumme, sondern darüber hinaus auch für die Zinsen hafte. b) Ansicht des bisherigen Schrifttums Gegen diese Auffassung des BGH wandten sich schon früh Stimmen im Schrifttum, die eine über den Höchstbetrag hinausgehende Haftung für Zinsen ablehnten. 14 Die Erweiterung der Haftung unterlaufe die Risikobegrenzung, die der Bürge durch die Festlegung eines Höchstbetrages herbeiführen wolle. 15 Zudem könne in der Erweiterung der Haftung eine überraschende Klausel nach 305c I BGB gesehen werden, da 9 Vgl nur Nobbe BKR 2002, 747, 751 mwn; vgl kritische Anmerkung von Weiler BKR 2002, 814, 815. 10 Vgl MünchKommBGB-Habersack (Fn 5), 765 Rn 106 mwn. 11 Hadding/Häuser/Welter in BMJ (Hrsg.) Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bürgschaft und Garantie, 1983, S. 620. 12 vor dem 1.1.2002 3 AGBG. 13 BGH WM 1984, 198, 199; BGHZ 77, 256, 259; BGH WM 1978, 10, 11. 14 Hadding/Häuser/Welter (Fn 12), S. 620 f; Reinicke/Tiedtke Kreditsicherung 4. Aufl, Rn. 107 ff. 15 Hadding/Häuser/Welter (Fn 12), S. 621.

der Bürge wegen der Vereinbarung eines Höchstbetrages nicht damit zu rechnen brauche, dass er über diesen Betrag hinaus hafte. 16 Auch Teile der Rechtsprechung lehnten die Wirksamkeit einer solchen Klausel mit unterschiedlicher Begründung ab. Eine Klausel, die über den Höchstbetrag hinaus eine Haftung für Zinsen vorsehe, sei wegen Verstoßes gegen 305c I BGB nicht Vertragsbestandteil geworden. 17 Sei das Bürgschaftsformular mit Höchstbetragsbürgschaft überschrieben, brauche der Bürge nicht damit zu rechnen, dass er darüber hinaus hafte. Dem Bürgen werde dadurch suggeriert, dass er nur für einen bestimmten Betrag hafte und etwaige Nebenleistungen nicht ins Gewicht fielen. Außerdem benachteilige die Klausel den Bürgen nach 307 I BGB unangemessen, da das Risiko für den Bürgen unkalkulierbar werde. 18 Ferner widerspreche die Klausel dem Leitgedanken des 767 I 3 BGB, der eine summenmäßige Begrenzung der Bürgschaft vorsehe. Nach diesen Auffassungen müsste die A-GmbH nicht für die Zinsen von 105.000 einstehen. c) Änderung der Rechtsprechung des BGH Der BGH hält an der Auffassung, dass eine Klausel die Haftung für Zinsen im Rahmen einer Höchstbetragsbürgschaft auch über den vereinbarten Betrag erweitern kann, nicht fest. Er folgt den Instanzgerichten, da die Klausel den Bürgen einer Höchstbetragsbürgschaft nach 307 I BGB unangemessenen benachteilige. Ob die Klausel überraschend im Sinne des 305c I BGB ist, bleibt ausdrücklich offen. Die Klausel unterliegt aber der Inhaltskontrolle nach 307 I BGB, da sie die Hauptverpflichtung des Bürgen entgegen der gesetzlichen Regelung des 767 I 3 BGB auf Nebenforderungen erweitert (vgl. 307 III 1 BGB). 4 aa) Die unangemessen Benachteiligung des Bürgen und damit die Unwirksamkeit der Klausel sieht der BGH im Wesentlichen in dem wirtschaftlichen Zweck der Höchstbetragsbürgschaft. Die besondere Form der Höchstbetragsbürgschaft dient dem Zweck, das Haftungsrisiko des Bürgen summenmäßig endgültig festzulegen. Eine solche Risikoeinschränkung kann auch dann vorgenommen werden, wenn sich die Verpflichtung des Bürgen auf mehrere Gläubigerforderungen bezieht und diese den vereinbarten Höchstbetrag übersteigen. Gesichert sind dann alle Ansprüche, jedoch im Gesamtergebnis nur bis zu dem vertraglich festgelegten Höchstbetrag, unabhängig davon, in welchem Umfang dem Gläubiger Forderungen gegen den Hauptschuldner zustehen. Der in dieser Begrenzung liegende vertragswesentliche Schutz des Bürgen wird durch eine Erweiterungsklausel, wie sie das von den Parteien verwendete Formular enthält, weitgehend beseitigt. Danach kann der Gläubiger, sofern ihm gegen den Hauptschuldner Forderungen in Höhe des verbürgten Betrages zustehen, die daraus herrührenden Zinsansprüche sowie sämtliche Kosten der Rechtsverfolgung zusätzlich geltend machen. Da sich diese Befugnis zudem auf alle verbürgten Ansprüche erstreckt, kann eine den Höchstbetrag weit - sogar um ein Vielfaches - übersteigende Bürgenhaftung eintreten. Schon der in diesem Rechtsstreit zusätzlich eingeklagte Zinsanspruch macht immerhin mehr als 80 % des Höchstbetrages aus. Darüber hinaus soll nach dieser Bestimmung sogar hinsichtlich der Hauptsumme die Begrenzung auf den vereinbarten Höchstbetrag entfallen, soweit die Forderung dadurch entstanden ist, daß Zinsen, Provisionen und Kosten durch Saldenfeststellung im Kontokorrent 16 Reinicke/Tiedtke (Fn 15), Rn 109. 17 OLG Celle WiB 1996, 358 f; OLG Hamm WM 1995, 1872, 1874; OLG Nürnberg NJW 1991, 232, 233. 18 OLG Stuttgart ZIP 1996, 1508, 1510; OLG Celle WiB 1996, 358, 359.

Teil der Hauptschuld geworden sind. Dies hat weiter zur Folge, daß der Bürge nicht mehr feststellen kann, auf welchen Betrag sich seine Verpflichtung beläuft, bevor er nicht die Entwicklung der Verbindlichkeit des Hauptschuldners in allen Einzelheiten überprüft hat. Damit begründet die Klausel für den Bürgen in mehrfacher Hinsicht ein nicht kalkulierbares Risiko, das nach dem Sinn und Zweck einer Höchstbetragsbürgschaft gerade ausgeschaltet sein soll. Des weiteren verweist der BGH darauf, dass die vorliegende Klausel eine ähnliche Wirkung habe wie andere Klauseln, die eine formularmäßige weite Zweckerklärung enthalten. Die heutige ständige Rechtsprechung, wonach solche Klauseln in der Regel unwirksam sind und im Wege ergänzender Vertragsauslegung auf die Haftung für den "Anlaßkredit" begrenzt werden, beruht entscheidend darauf, daß derartige Bestimmungen den Bürgen einem Risiko aussetzen, das mit dem Rechtsgedanken des 767 Abs. 1 Satz 3 BGB sowie dem Transparenzgebot nicht zu vereinbaren ist (vgl. auch BGHZ 137, 153; 143, 95). Von der hier zu beurteilenden Haftungserweiterungsklausel gehen vergleichbare Wirkungen aus, die nach Treu und Glauben unzumutbar sind. 5 bb) Die Ziffer 2 des Bürgschaftsvertrages ist jedoch nur soweit unwirksam, als diese eine Haftung des Bürgen festlegt, die über den Höchstbetrag von 130.000 hinausgeht. Damit ist eine Haftung der A-GmbH für die Zinsen von 105.000 ausgeschlossen, da diese den Höchstbetrag übersteigen. Ob darin eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion nach 306 I BGB zu sehen ist, ist zu bezweifeln, da im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Lücke im Bürgschaftsvertrag geschlossen werden kann. 19 Für beide Vertragsparteien ist bei Vertragsschluss deutlich gewesen, dass der Bürge bei Eintritt des Bürgenfalles bis zu einem Betrag von 130.000 haftet. cc) Letztendlich schließt der BGH eine Erweiterung der Haftung auf gesetzlicher Grundlage nach 767 I 2 BGB aus. Dem kann nicht entgegengehalten werden, das Gesetz sehe in 767 Abs. 1 Satz 2 BGB eine Ausdehnung der Bürgenhaftung vor, wenn sich die Gläubigerforderung durch Verschulden oder Verzug des Hauptschuldners erhöhe. Die in 765 BGB normierte Bürgschaft bezieht sich auf die Haftung für Verbindlichkeiten ohne summenmäßige Begrenzung. Dann regelt 767 BGB, welcher Stand der Hauptverbindlichkeit für die Bürgenhaftung maßgebend ist. Die Vereinbarung einer Höchstbetragsbürgschaft schränkt demgegenüber den im gesetzlichen Regelfall geltenden Haftungsumfang des Bürgen ein. Die Aufnahme eines Höchstbetrages in die Bürgschaftsurkunde ist grundsätzlich so zu verstehen, daß sie das Risiko der Verpflichtung in der Weise verringert - auch in Abweichung von 767 Abs. 1 Satz 2 BGB -, daß der Bürge unter keinen Umständen für die Ansprüche des Gläubigers gegen den Hauptschuldner über den vereinbarten Höchstbetrag hinaus einzustehen hat. III. Ergebnis: B hat gegenüber der A-GmbH gemäß 765 BGB einen Anspruch auf Zahlung von 130.000, nicht aber bezüglich der angefallenen Zinsen i.h.v. 105.000. 19 Vgl. dazu nur BGHZ 137, 153, 157.