Das Übergangssystem zwischen Schule und Ausbildung - Chance oder Abstellgleis?



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Transkript:

Das Übergangssystem zwischen Schule und Ausbildung - Chance oder Abstellgleis? Eine Bewertung des bestehenden Systems mit einem Ausblick, wie es durch Reformen gelingen kann, die Teilhabechancen benachteiligter Jugendlicher zu erhöhen und einem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Holger Dieske Matrikelnr.: 292041 International Business Administration Berlin, 05. März 2014 1

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung Seite 4 2. Demographische Entwicklungen Seite 6 3. Das Berufsbildungssystem Seite 7 3.1 Die derzeitige Situation auf dem Ausbildungsmarkt Seite 9 3.2 Problemfall Hauptschüler Seite 12 4. Ausgewählte Maßnahmen des Übergangssystems Seite 15 4.1 Maßnahmen nach BBIG / HWO Seite 16 4.1.1 Das Berufsvorbereitungsjahr Seite 16 4.1.2 Das Berufsgrundschuljahr Seite 19 4.1.3 Die Berufsfachschulen Seite 20 4.2 Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit Seite 22 4.2.1 Berufsvorbereitende Maßnahmen Seite 22 4.2.2 Einstiegsqualifizierung Seite 23 5. Erfolgreicher Übergang oder Maßnahmenkarriere? Seite 24 5.1 Abbruch oder erfolgreicher Abschluss der Maßnahme Seite 26 5.2 Bewertung der Maßnahmen durch die Teilnehmer Seite 29 6. Kosten einer mangelnden Integration Seite 30 6.1 Direkte Kosten Seite 31 6.2 Indirekte Kosten Seite 32 7. Mysterium Ausbildungsreife Seite 34 8. Zwischenfazit Seite 36 2

9. Möglichkeiten der Umgestaltung / Reformation Seite 38 9.1 modulare Gestaltung vs. Stärkung bestehender Berufsbilder Seite 39 9.2 Ausbau des Schulberufssystems Seite 41 9.3 regionales Übergangsmanagement Seite 42 10. Praxisbeispiel Baubranche: Pilotprojekt Berufsstart Bau Seite 44 11. Fazit Seite 52 12. Quellenverzeichnis Seite 58 3

1. Einleitung Das System der Berufsbildung in Deutschland gilt im internationalen Vergleich als vorbildlich für die Ausbildung und den Einstieg in das Berufsleben. Dies liegt insbesondere an der dualen Gestaltung der Berufsausbildung, welche durch die Kombination von theoretischen Inhalten der Berufsschulen und den Praxiszeiten im Ausbildungsbetrieb, Fachkräfte hervorbringt, welche zum einen auf einem sehr hohen fachlichen Niveau ausgebildet sind, zum Anderen durch die Einbindung in den Unternehmensalltag aber auch über eine hohe Sozialkompetenz verfügen. Ungeachtet dieser Erfolge der dualen Ausbildung gibt es durch eine stetig steigende Komplexität der Berufsbilder und damit einhergehender erhöhter Anforderungsprofile an die Auszubildenden, eine große Zahl an Schulabgänger/innen, denen es nicht gelingt, sich direkt im Anschluss an die schulische Laufbahn, durch die Aufnahme einer vollqualifizierenden Berufsausbildung, erfolgreich in die Arbeitswelt zu integrieren. (vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung, 2012, S. 101 f) Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt ist, wie auch schon in den letzten Jahren, anhaltend schwierig. Zahlreiche unbesetzte Lehrstellen und gleichzeitig viele Ausbildungsinteressierte, die nicht auf dem ersten Ausbildungsmarkt vermittelt werden können. Neben der Probleme der Matchingprozesse, ist eines der Hauptargumente der Unternehmen, dass die Bewerber zu geringe schulische Grundkenntnisse mitbrächten. Durchschnittlich waren etwa 33 Prozent der Jugendlichen ohne Studienberechtigung eines jeden Jahrgangs, in den letzten zehn Jahren daher gezwungen, in eine Maßnahme des Übergangssystems einzumünden. (vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung, 2012, S. 102) Auffällig ist jedoch, dass obwohl besonders im Handwerk viele Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben, gerade ein Großteil der Schulabgänger/innen, welche die Schule mit einem Abschluss unterhalb der mittleren Reife verlassen, große Schwierigkeiten hat, direkt im Anschluss eine vollqualifizierende Ausbildung zu beginnen. Dies spiegelt sich auch im 4

Durchschnittsalter wieder, mit welchem die Jugendlichen eine Berufsausbildung beginnen. Hier ist die Gruppe derer ohne Hauptschulabschluss mit einem durchschnittlichen Eintrittsalter von 19,9 Jahren gezwungen, lange Warteschleifen im Anschluss an ihren Schulbesuch zu durchlaufen. (vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung, 2012, S. 105) Da der Zugang zur betrieblichen Ausbildung auch für Jugendliche mit einem Hauptschulabschluss deutlich erschwert scheint, wird im Zuge dieser Arbeit versucht zu klären, durch welche strukturellen Veränderungen es gelingen kann, die bisher ungenutzten Potentiale am unteren Rand der Schulabschlüsse, durch veränderte Integrationsmaßnahmen, für die Unternehmen nutzbar zu machen. Hierfür wird sich zunächst der aktuellen Situation im Übergang zwischen Schule und Beruf sowie der demographischen Entwicklungen gewidmet. Nach einer kurzen Vorstellung einzelner Maßnahmen des Übergangssystems, einer Betrachtung der Kosten, welche der Übergangssektor sowie eine unzureichende Integration sozial benachteiligter Jugendlicher verursachen, wird der aus Sicht der Unternehmen häufigste Hinderungsgrund für die Durchführung einer Berufsausbildung, die Ausbildungsreife, erläutert. Ausgehend von den so gewonnenen Erkenntnissen wird im Anschluss versucht, Alternativen aufzuzeigen, mit denen es gelingen kann den Bedarf an Auszubildenden zu decken und einen Mangel an qualifizierten Fachkräften zu verhindern. Insbesondere Möglichkeiten einer zielgerichteten Qualifizierung der Jugendlichen im Vorfeld der Berufsausbildung stehen hier im Mittelpunkt der Arbeit. Die Untersuchungsergebnisse werden abschließend noch einmal kritisch betrachtet, um herauszufinden, ob die gezeigten Möglichkeiten allgemeingültig in allen Unternehmen und Branchen genutzt werden können, oder ob es hierfür Hindernisse gibt. 5

Im nun folgenden Abschnitt wird zunächst die demographische Ausgangssituation beschrieben, da sich anhand dieser Zahlen schon die einigen Unternehmen bevorstehenden Probleme abzeichnen. 2. Demographische Entwicklungen Angesichts einer, durch die sinkenden Geburtenraten von 1999 (770.744) bis heute (673.544 in 2012), auch kontinuierlich sinkenden Zahl von Schulabgängern, können in einigen Branchen und Regionen schon jetzt weit weniger Ausbildungsplätze besetzt werden, als von den Unternehmen gewünscht. (vgl. Statistisches Bundesamt, 2013a) Doch nicht nur die geringere Geburtenrate führt zu einem Mangel an potentiellen Auszubildenden. Auch die anhaltenden Abwanderungstendenzen junger Leute zum Beispiel aus den neuen Bundesländern verringert die Zahl derjenigen, die sich in ihrer Geburtsregion um einen Ausbildungsplatz bewerben. Diese Abwanderungen erfolgen nach einem bestimmten Muster. So lässt sich feststellen, dass jüngere Personen deutlich häufiger aus den neuen Bundesländern wegziehen. Weiterhin wandern mehr Frauen als Männer ab. Saldiert man die Zahlen aus Ab- und Zuwanderern seit dem Jahr 1991 auf, so ergibt sich, dass in den neuen Bundesländern allein durch Abwanderung ca. 1,1 Millionen Menschen weniger leben, als im Jahr 1991. (vgl. Statistisches Bundesamt 2012, S. 13 ff) Zusätzlich dazu, gibt es auch innerhalb der Regionen eine anhaltende Landflucht. Junge Menschen ziehen verstärkt aus den ländlichen Regionen in die größeren Städte. So stellen Beicht / Ulrich in ihren Untersuchungen zu diesem Thema fest, dass ein Zusammenhang zwischen der Bevölkerungsdichte, der Wohnregion und der Chance auf den Übergang in eine Ausbildung besteht. Wobei mit Jugendlichen aus dichter besiedelten Gebieten, eine größere Zahl an Mitbewerbern, insbesondere durch Personen, die aus dem weniger stark besiedelten Umland zuziehen bzw. 6

dies planen, um jeden einzelnen Ausbildungsplatz konkurriert. (vgl. Beicht / Ulrich, 2008, S. 7) Da zeitgleich zu diesen Entwicklungen ein Trend zur Höherqualifizierung bei den Schulabschlüssen, der sogenannte academic drift zu beobachten ist, haben insbesondere Handwerksbetriebe und produzierende Unternehmen Schwierigkeiten, ihre Ausbildungsplätze für Schulabgänger/innen mit niedrigeren Abschlüssen zu besetzen. (vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung, 2012, S. 95) 3. Das Berufsbildungssystem Im folgenden Abschnitt werden zunächst der Aufbau und einige aktuelle Entwicklungen im Berufsbildungssystem in Deutschland beschrieben. Dies ist nötig, um dessen Funktionsweise zu erläutern und die im weiteren Verlauf dieser Arbeit gewonnenen Ergebnisse im Gesamtkontext einordnen zu können. Die in dieser Arbeit verwendete Definition des Berufsbildungssystems meint ausschließlich die Art von Berufsbildung, die unterhalb der Ebene von Hochschulen und Fachhochschulen liegt. Zwar bilden auch diese ihre Absolventen beruflich aus, jedoch sind sie für die weiteren Problemstellungen des Übergangs zwischen Schule und Beruf, sowie der Betrachtung des Übergangssystems nur wenig relevant. Das Berufsbildungssystem setzt sich nach der Definition der Autorengruppe Bildungsberichterstattung aus dem Jahr 2006, aus drei Teilsystemen zusammen. Erster Baustein beruflicher Bildung ist demnach das duale System der Ausbildung nach Berufsbildungsgesetz (BBiG) bzw. Handwerksordnung (HWO), welches in der Vergangenheit den Normalfall einer Berufsausbildung darstellte. Als zweiter Baustein hat sich in einigen Berufsbildern die vollzeitschulische Berufsausbildung etabliert, welche ausschließlich von einem Schulträger verantwortet wird. 7

Der dritte Baustein ist das Übergangssystem zwischen allgemeinbildender Schule und einer vollqualifizierenden Berufsausbildung, dessen Angebote somit unterhalb einer anerkannten Berufsausbildung liegen. Die wesentliche Gemeinsamkeit der Angebote besteht dann auch genau darin, dass sie nicht zu anerkannten beruflichen Abschlüssen führen. (vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung, 2006, 79) Durch die im Jahr 2006 erstmals erfolgte Eingliederung des Übergangssystems in das System der Berufsausbildung ergibt sich die Problematik, dass diejenigen Schülerinnen, die in Maßnahmen des Übergangssystems einmünden obwohl sie sich, wenn auch erfolglos, um eine vollqualifizierende Ausbildung bemüht haben, durch die Maßnahme als versorgt gelten und somit nicht mehr in der Statistik zur Jugendarbeitslosigkeit auftauchen. (vgl. Eberhard, Ulrich, 2011 S. 110) Für den Verlauf dieser Arbeit liegt der Fokus auf dem dritten Baustein der Berufsbildung. Das Übergangssystem hat in den letzten Jahren stetig an Bedeutung insbesondere für die Schulabgänger/innen gewonnen, welche die Schule ohne, oder mit Hauptschulabschluss verlassen. In das Übergangssystem münden je Jahrgang relativ konstant, etwa 33 Prozent der Schüler/innen ein. (vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung, 2012, 102) Der sich mittlerweile in einigen Branchen und Regionen abzeichnende Mangel an Auszubildenden wird zunehmend zu einem Problem für die Unternehmen, welche ihren Fachkräftebedarf nicht mehr durch Ausbildung des eigenen Nachwuchs sicherstellen können. Diesem Problem kann auf zwei unterschiedlichen Wegen begegnet werden. Erstens können spezielle Anreize für die wachsende Gruppe der studienberechtigten Schülerinnen und Schüler geschaffen werden, eine Ausbildung im dualen System aufzunehmen. Dies ist jedoch aus verschiedenen Gründen bedenklich. So ist anzunehmen, dass durch die bereits angesprochene Technisierung in Zukunft auch mehr Akademiker vom Arbeitsmarkt benötigt werden. Weiterhin ist es auch fraglich, ob so starke Anreize geschaffen werden können, dass 8

studienberechtigte Schulabgänge/rinnen sich für eine Ausbildung z.b. im handwerklichen Bereich entscheiden. (vgl. Krekel/ Ulrich, 2009, S. 10) Die zweite Möglichkeit dem drohenden Fachkräftemangel zu begegnen ist, die bisher ungenutzten Potentiale am unteren Rand des Bildungssystems nicht mehr brachliegen zu lassen, sondern diese in den Ausbildungs- und somit den Arbeitsmarkt zu integrieren. (vgl. Krekel / Ulrich, 2009, S. 10) Wie im folgenden Unterabschnitt ersichtlich wird, selektiert das deutsche Berufsbildungssystem die Schülerinnen und Schüler bereits am ersten Übergang in verschiedene Gruppen. Die für die Betrachtungen dieser Arbeit wichtigste Gruppe, stellen die Jugendlichen ohne, oder mit nur geringen Schulabschlüssen dar, da diese besonders häufig von Maßnahmekarrieren im Übergangssystem oder Ausbildungslosigkeit betroffen sind. (vgl. Greinert, 2007, S. 2 f) 3.1 Die derzeitige Situation auf dem Ausbildungsmarkt Der Ausbildungsmarkt in Deutschland ist in den letzten Jahren von einem Missverhältnis geprägt. So gibt es zahlreiche Bewerber/innen, denen der erfolgreiche Übergang in eine vollqualifizierende Ausbildung trotz des Bestrebens eine solche aufzunehmen nicht gelingt. Andererseits gibt es in einigen Regionen und Branchen bereits ein massives Nachwuchsproblem, da es den Unternehmen nicht gelingt Ausbildungsplätze im, für die Aufrechterhaltung ihrer Leistungsfähigkeit nötigen Umfang zu besetzen. Im Jahr 2012 sind nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit 33.725 ausgeschriebene Ausbildungsplätze unbesetzt geblieben. (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2013, S. 5) Wie Eingangs gezeigt, muss davon ausgegangen werden, dass die sinkende Zahl der Schulabgänger/innen, welche eine der Ursachen hierfür darstellt, in den nächsten Jahren noch weiter abfallen wird. Grund für diese Annahme sind die doppelten Abiturjahrgänge einiger Bundesländer, welche in den 9

Jahren 2011 bis 2013 zu einer erhöhten Zahl von Bewerbern, mit einem guten Schulbildungsniveau geführt haben. Auf der Seite der Nachfrager, denen es nicht gelingt eine vollqualifizierende Ausbildung zu finden, spielen die doppelten Abiturjahrgänge aber nur eine untergeordnete Rolle. Probleme beim Einstieg in das Arbeitsleben finden sich eher selten bei Schüler/innen, die die allgemeinbildende Schule mit einem mittleren oder höheren Schulabschluss verlassen. (vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung, 2006, 82f) So haben im Jahr 2010 von den Schüler/innen, die die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen haben, etwa 75 Prozent zunächst mindestens eine Maßnahme im Übergangssystem durchlaufen. Auch mit dem erfolgreichen Erlangen des Hauptschulabschlusses gestaltet sich der Übergang in eine vollqualifizierende Berufsausbildung schwierig. Aus dieser Gruppe begannen im selben Jahr fast 39 Prozent der Schüler/innen ihr Erwerbsleben in einer Maßnahme des Übergangssystems. (vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung, 2012, 83) Die Zahl der Nachfrager und hier besonders der unversorgt gebliebenen Nachfrager ist Thema zahlreicher Diskussionen, da deren Berechnung unterschiedlich gehandhabt wird. So gelten in der offiziellen Ermittlungsmethode nur diejenigen Bewerber als unversorgt, welche keinerlei Angebot zur beruflichen Ausbildung oder Qualifizierung wahrgenommen haben. Im Jahr 2010 betraf dies 12.300 Bewerber. (vgl. Bundesagentur für Arbeit, 2010, S. 3) Diejenigen, die sich also erfolglos um eine Ausbildung bemüht haben, jedoch entgegen ihrem eigentlichen Plan, in eine Alternativmaßnahme einmündeten, gelten offiziell als versorgt und werden daher an dieser Stelle nicht mehr mitgezählt. (vgl. Solga, 2009, S. 10) In diesem Zusammenhang stellen Krekel und Ullrich fest, dass dem Übergangssystem auch ganz wesentlich die Funktion, die 10

Ausbildungsmarktbilanz rein rechnerisch zu stabilisieren zukommt. (vgl. Krekel / Ulrich, 2009, S. 7) Formell gibt es für die Unternehmen in Deutschland keine Pflicht auszubilden. Auch die Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe für alle Branchen scheint nicht oder nur entfernt in Sicht. Doch auch in Bereichen (z.b. dem Baugewerbe), in denen eine solche Regelung bereits auf Basis freiwilliger Verpflichtungen durch Übereinkunft der Tarifpartner existiert, führt diese nur bedingt zu einer größeren Ausbildungsneigung bei den Unternehmen. In den neuen Bundesländern ist die Ausbildungsneigung bei den Betrieben generell weniger stark ausgeprägt. Von 100 Betrieben bildeten hier im Jahr 2007 nur 19,2 Prozent aus. In den alten Bundesländern liegt diese Zahl mit 26,4 Prozent zwar deutlich höher, dennoch bildet auch hier nur etwas mehr als ein Viertel aller Betriebe aus. (vgl. Diettrich / Jahn, 2011, S. 157 ff; BIBB, 2009 S. 2) Entgegen der eigentlichen Aufgabe des dualen Ausbildungssystems, eine Integration von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen und berufliche Qualifikationen zu vermitteln, muss es auf die Schüler/innen, welchen der Zugang zu einer vollqualifizierten Ausbildung nicht im ersten Anlauf gelingt so wirken, als sei das Ausbildungssystem auch eine Selektionsmaßnahme. Noch vor dem eigentlichen Eintritt in das Erwerbsleben werden die Leistungsstarken in die Ausbildung vermittelt und alle Übrigen in eine der zahlreichen Maßnahmen zur vorhergehenden Weiterqualifizierung eingeordnet. (vgl. Schmidt, 2011, S. 89) An der untersten Stufe der Qualifikation, also bei den Hauptschülern und den Abgängern ohne Schulabschluss ist diese Selektion besonders stark zu spüren, da die Möglichkeiten für den direkten Übergang in eine Berufsausbildung sich für diese Gruppe in den letzten Jahren zunehmend erschwert hat. (vgl. Beicht / Friedrich/ Ulrich 2008, S. 296 f) 11

Wie sich der Übergang für Schüler/innen aus diesen Gruppen darstellt und deren allgemeine Situation am Ausbildungsmarkt, wird im Folgenden Abschnitt dargestellt. 3.2 Problemfall Hauptschüler Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass es insbesondere Schüler/innen, die nach Beendigung ihrer schulischen Laufbahn keinen Schulabschluss oder einen Hauptschulabschluss erreichen konnten schwer fällt, sich über eine Ausbildung in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Ein Grund hierfür ist, dass dieser Gruppe nur ein kleiner Teil der Ausbildungsberufe offensteht, wohingegen ihnen der Zugang zu anderen Berufsfeldern, ungeachtet ihrer tatsächlichen Eignung nicht, oder nur begrenzt möglich ist. (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2008, 110) Die Möglichkeiten des Übergangs, die sich für die Gruppe der Abgänger/innen ohne Schulabschluss ergeben sind stark limitiert. Ihnen steht der direkte Weg in den Arbeitsmarkt der Anlern- und Ungelerntentätigkeiten offen. Da dieser Sektor durch die zunehmende Technisierung und damit einhergehende Höherqualifizierung in nahezu allen Berufsfeldern schrumpft, ist der häufiger eingeschlagene Weg der in die häufig dauerhafte Erwerbslosigkeit. Weiterhin können einige der Maßnahmen des Übergangssystems besucht werden, was fast 80 Prozent der Schüler/innen aus dieser Gruppe tun. Nur Wenige beginnen eine duale Ausbildung oder holen den Hauptschulabschluss durch einen längeren Besuch der allgemeinbildenden Schule nach. (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2008, S. 155 ff) Den Jugendlichen, die ihre Schullaufbahn mit einem Hauptschulabschluss beendet haben, stehen im Wesentlichen dieselben Möglichkeiten offen. Jedoch erhöht sich die Zahl der möglichen Maßnahmen im Übergangssystem für diese Jugendlichen erheblich, da, wie aus der im nächsten Kapitel folgenden Vorstellung ausgewählter Maßnahmen ersichtlich 12

wird, der Hauptschulabschluss in vielen Bundesländern die Einstiegsvoraussetzung, zum Beispiel für das Berufsgrundbildungsjahr (BGJ) und die teilqualifizierenden Bildungsgänge der Berufsfachschulen (BfS) darstellt. Auch die zahlreichen Bildungsgänge, die es den Schüler/innen ermöglichen einen höheren Schulabschluss zu erwerben stehen dieser Gruppe zusätzlich zur Verfügung. (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2008, S. 155) Ungeachtet der größeren Möglichkeiten muss jedoch festgehalten werden, dass die Chancen für einen direkten Übergang in ein Ausbildungsverhältnis eher gering sind. So stehen den Jugendlichen fast ausschließlich Ausbildungen im handwerklichen Bereich, insbesondere in den verschiedenen Bauhandwerken oder im Gastgewerbe offen. Im produzierenden Gewerbe stellen die Hauptschülerinnen und Hauptschüler mit einem Anteil von über 43 Prozent dann auch die größte Gruppe aller Auszubildenden. Im Dienstleistungssektor dagegen sind nur etwa 32 Prozent der Auszubildenden Hauptschulabsolventen. (vgl. Schmidt, 2011, S. 91) Insgesamt schaffen ca. 40 Prozent aus der Gruppe mit Hauptschulabschluss den direkten Übergang in eine Berufsausbildung. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass derzeit aus jedem Jahrgang mehr als die Hälfte derer, die die Schule mit dem Hauptschulabschluss verlassen, den erfolgreichen Übergang in eine Ausbildung nicht im ersten Anlauf schaffen werden. (vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung, 2012, S. 104) Jedoch sind nicht nur die schulischen Leistungen relevant, wenn es um die Frage geht, ob den Schüler/innen der geplante Übergang an der ersten Schwelle des Arbeitsmarktes, der in eine vollqualifizierende Berufsausbildung, gelingt. Einen hohen Einfluss hat auch das soziale Kapital der Jugendlichen und deren Vermögen sich dieses nutzbar zu machen. So zeigen Untersuchungen, dass der Berufsabschluss und eine etwaige Berufstätigkeit der Eltern, einen Effekt auf die Ausbildungsplatzsuche der Jugendlichen haben. So greifen zahlreiche Absolventen von Maßnahmen des Übergangssystems auf vorhandene Kontakte der Eltern zu deren 13

Arbeitgebern zurück, um ihre Erfolgschancen für die Aufnahme einer Ausbildung zu erhöhen. (vgl. Brändle, 2012, S. 203 f) Auch einige Unternehmen (z.b.: Daimler) versuchen die positiven Effekte einer starken familiären Bindung an das Unternehmen zu nutzen und unterstützen die Kinder ihrer Mitarbeiter, durch bevorzugte Berücksichtigung bei Bewerbungen für Praktika und Ausbildungen. Grundlegend muss man festhalten, dass das System der dualen Berufsausbildung an Integrationskraft für Hauptschüler/innen und Jugendliche ohne Schulabschluss verloren hat. In einer Gesellschaft, deren Wirtschaftsleistung immer stärker im tertiären Sektor der Arbeit, dem Dienstleistungssektor, erbracht wird, fällt die Integration derer mit schwächeren schulischen Leistungen schwerer, als in einer Industriegesellschaft. Konnten früher auch ungelernte Arbeitskräfte einfacheren Tätigkeiten in der Produktion nachgehen und von diesen ihren Lebensunterhalt bestreiten, so bleibt ihnen im Zuge des Rückgangs dieser Arbeitsplätze, heute häufig nur eine unstete Berufslaufbahn, die von Unterbrechungen oder Langzeitarbeitslosigkeit geprägt ist. Die abgeschlossene Berufsausbildung wird zunehmend zur untersten Aufnahmevoraussetzung in den Kreis der Arbeitnehmer/innen, die einer Beschäftigung nachgehen, welche dazu geeignet ist, ihre Existenz abzusichern. Wenn gleichzeitig am Zugang zu dieser Ausbildung bereits ein Drittel der Schüler/innen eines Jahrgangs in eine Warteschleife vertröstet wird, erfüllt das duale System seine Integrationsaufgabe an dieser Stelle nur unzureichend. (vgl. Schmidt, 2011, S. 169 f) Die hohen Zugangsraten von den nach Bildungsabschlüssen geringer Qualifizierten sind eine der Ursachen für den, in der öffentlichen Wahrnehmung, eher negativen Ruf des Übergangssystems. So werden die Maßnahmen häufig als Auffangbecken für die Jugendlichen gesehen, welche die Ausbildungsreife noch nicht erlangt haben, oder in anderer Weise bei der Integration in den Arbeitsmarkt benachteiligt sind. Auch in der Forschungsliteratur zum Thema finden sich teils deutliche Formulierungen, 14

die das Bild des Übergangssystems in den letzten Jahren geprägt haben. So sieht beispielsweise Greinert das unter qualifikatorischen Gesichtspunkten weitgehend nutzlose Übergangssystem. (vgl. Greinert, 2007, S. 3) Um die Strukturen des Übergangssystems greifbarer zu machen, werden im nächsten Abschnitt ausgewählte Maßnahmen kurz vorgestellt. Dies dient zur Gewinnung eines Überblicks der Möglichkeiten, welchen sich die Schüler/innen, denen es nicht gelingt eine vollqualifizierende Berufsausbildung aufzunehmen, gegenübersehen und der Schaffung einer gewissen Ordnung der Begrifflichkeiten. 4. Ausgewählte Maßnahmen des Übergangssystems Im folgenden Abschnitt werden die wichtigsten der, unter dem Begriff Übergangssystem zusammengefassten, Maßnahmen kurz vorgestellt. Diese Vorstellung soll zunächst einen Überblick geben, wodurch sich die einzelnen Maßnahmen auszeichnen und voneinander unterscheiden. Grundsätzlich lässt sich eine erste Einteilung anhand der rechtlichen Grundlage der jeweiligen Maßnahme vornehmen. Die einzelnen Maßnahmetypen werden dann anhand einiger vergleichbarer Charakteristika beschrieben. Die erste Unterteilung der Maßnahmen erfolgt nach der rechtlichen Grundlage, durch welche sie geregelt sind. So ist ein Teil der Angebote dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) bzw. den verschiedenen Handwerksordnungen (HWO) zugeordnet. Die andere Gruppe, zu welcher insbesondere die Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit (BA) zählen, wird bundeseinheitlich im SGB III geregelt. Wichtig hierbei ist, dass trotz der bundesweit einheitlichen Basis, regional unterschiedliche Angebote existieren können. 15

4.1 Maßnahmen nach BBiG und HWO Für die rechtliche Regelung der Berufsausbildung in Deutschland sind in erster Linie das Berufsbildungsgesetz (BBIG) und die Handwerksordnung (HWO) maßgebend. Eine rechtliche Zugehörigkeit einiger Maßnahmen des Übergangssystems zum BBIG zeigt sich insbesondere in 1 Abs. 2 BBIG, da dieser ausdrücklich die Berufsausbildungsvorbereitung, welche dazu dient durch die Vermittlung von Grundlagen [ ] an eine Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf heranzuführen. (vgl. BBIG 1 Abs. 2) In 42p der HWO findet sich eine ähnlich formulierte Passage, durch die zusätzlich geregelt werden soll, dass die späteren Ausbildungsbetriebe die Qualifizierungsbausteine der Maßnahmen des Übergangssystems anerkennen und im Rahmen der Berufsausbildung berücksichtigen. (vgl. HWO, 42p Abs. 1 HWO) Durch die Zuständigkeit des BBIG ergibt sich, dass der Rahmen für die auf diese Weise organisierten Maßnahmen des Übergangssystems, durch das Bundesbildungsministerium vorgegeben wird. Gleichzeitig folgt daraus aber auch, dass die genaue Gestaltung den jeweiligen Kultusministerien der Bundesländer obliegt. Daraus ergeben sich für viele Maßnahmen des Übergangssystems Unterschiede in deren Ausgestaltung in den einzelnen Bundesländern. Auf diese Unterschiede wird im Folgenden bei der Beschreibung der einzelnen Maßnahmentypen ebenfalls eingegangen. 4.1.1. Das Berufsvorbereitungsjahr Das Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) wird, mit Ausnahme von Brandenburg, in allen Bundesländern angeboten. Es handelt sich um eine schulische Maßnahme, welche sowohl in Vollzeit, als auch berufsbegleitend absolviert werden kann und in der Regel für die Dauer eines Jahres angelegt ist. Da für die genaue Ausgestaltung des BVJ die Bundesländer und deren Schulgesetze verantwortlich sind, gibt es hierbei zahlreiche Unterschiede. 16

Einheitlich sind die Zugangsvoraussetzung, welche mit dem erfüllen der Schulpflicht erreicht wird und die Möglichkeit, den Hauptschulabschluss bzw. einen äquivalenten Schulabschluss nachzuholen. (vgl. Brändle, 2012, S. 98) In der Ausgestaltung der weiteren Merkmale lassen sich kaum noch Gemeinsamkeiten finden. So existieren zwar in den meisten Ländern Regelungen, die ein Praktikum während des BVJ vorsehen, diese variieren aber von der bloßen Möglichkeit ein solches zu absolvieren, über Pflichtpraktika von mehreren Wochen, bis hin zu einem festen Praktikumsteil, bei dem die Teilnehmer an mehreren Tagen der Woche in einem oder mehreren Betrieb(en) tätig sind. Auch der zeitliche Umfang des BVJ variiert, je nachdem, in welchem Bundesland es absolviert wird, zwischen 25 und 40 Unterrichtsstunden pro Woche. (vgl. Brändle, 2012, S. 98) Ziel des BVJ ist in allen Bundesländern die Verbesserung der Chancen, eine Berufsausbildung zu beginnen. Insbesondere in den Bundesländern, die eine starke Unternehmensanbindung (z.b.: durch verstärkte Förderung von Praktika) forcieren, scheint dieses Ziel realistisch. So haben die Studien von Solga, Baas und Kohlrausch bereits gezeigt, dass es Hauptschülern aus Praxisklassen mit hohem Anteil an Praktika eher gelingt in eine Berufsausbildung einzumünden, als Vergleichsgruppen mit geringeren Praktikumszeiten. Die dabei beobachteten Effekte sind eine höhere Motivation der Schüler und Schülerinnen einerseits und ein geringerer Einfluss der Schulnoten bei der Auswahl der Auszubildenden durch die Unternehmen andererseits. Insbesondere der Kontakt und die Integration in das soziale Umfeld Unternehmen, erhöhen die Chancen in eben diesem Unternehmen auch den Einstieg in eine Berufsausbildung zu meistern. (vgl. Solga, Baas, Kohlrausch, 2012, S.4 f) Einige Bundesländer (u.a. Hessen, Bayern und Niedersachsen) haben als zusätzliche Möglichkeit, den Erwerb der Befähigung für Berufsarbeit als Ziel der Maßnahmen während des BVJ festgelegt und weichen an dieser Stelle von dem eigentlichen Ziel, dem Übergang in eine vollqualifizierende Berufsausbildung ab. (vgl. Brändle, 2012, S. 102) 17

Dabei ist zu beachten, dass insbesondere der Sektor der un- oder angelernten Arbeit in welchen die Schülerinnen und Schüler dann durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit einmünden, von großen Unsicherheiten für die Betroffenen und dem Problem struktureller Langzeitarbeitslosigkeit sowie einem häufigen Wechsel von Phasen der Erwerbstätigkeit und der Arbeitslosigkeit geprägt ist. Dieses Risiko verstärkt sich durch einen, demographisch und durch zunehmende Globalisierung bedingten, generellen Nachfragerückgang in diesem Sektor des Arbeitsmarktes noch zusätzlich. (vgl. Schmidt, 2011, S. 27 ff; Antoni et. al. 2007, S. 6 f; Eckert, 2004, S. 3f) Kritisch muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass durch die Freiheit der Ausgestaltung des BVJ und die Einführung von speziellen Angeboten für benachteiligte Gruppen (z.b.: Berufsvorbereitungsjahr A für Ausländer) eine starke Differenzierung innerhalb der Maßnahme stattgefunden hat. Hierdurch ergibt sich, dass viele Jugendliche eine Maßnahme absolvieren, welche unter Umständen nicht zu ihrer Lebenswelt, oder ihrem Qualifizierungsniveau passt. Dadurch wird das BVJ für einige Teilnehmer zu einem Auffangbecken, welches zwar einen gewissen Druck aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt nimmt, vielen Absolventen jedoch nicht den gewünschten, Qualifizierungsschritt in Richtung einer Berufsausbildung ermöglichen kann. (vgl. Schmidt, 2011, S. 83 ff) Weiterhin ist es kritisch zu betrachten, ob eine Maßnahme, in welcher keine für eine Berufsausbildung anrechenbaren Abschlüsse bzw. Qualifikationen erworben werden können, die Schüler/innen in entsprechender Weise motiviert halten kann, diese abzuschließen. Insbesondere bei längeren Aufenthalten in einer oder mehreren Maßnahmen, kann es zu einer Resignation und dem Gefühl der Perspektivlosigkeit bei den Betroffenen Jugendlichen kommen. (vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung, 2006, 82) Dagegen spricht, dass durch die Möglichkeit den Hauptschulabschluss nachzuholen, eine deutliche Chancensteigerung für den Übergang in eine vollqualifizierende Berufsausbildung ermöglicht wird. (vgl. Schmidt, 2011, S. 84 f) 18

Ein weiteres Gegenargument liefert Beicht, da in ihren Untersuchungen festgestellt wird, dass die Abbruchquote der BvJ-Maßnahmen mit etwa 18 Prozent zwar relativ hoch ist, jedoch deutlich hinter den Vertragslösungsquoten einiger Berufsausbildungen (z.b. im Gastgewerbe) zurückbleibt. Dies spricht dafür, dass seitens der Teilnehmer und Teilnehmerinnen kein generelles Motivationsproblem beim Absolvieren eines BvJ vorliegt. (vgl. Beicht, 2009, S. 7 f) 4.1.2 Das Berufsgrundschuljahr Das Berufsgrundschuljahr (BGJ) wird von neun Bundesländern angeboten. Auch diese Maßnahme ist im Schulgesetz des jeweiligen Bundeslandes geregelt. Im Gegensatz zum BvJ, ist, abgesehen von Bayern, ein Hauptschulabschluss die formale Grundvoraussetzung, um ein Berufsgrundschuljahr absolvieren zu können. Inhaltlich ersetzt das BGJ einen Teil des Berufsschulunterrichts einer dualen Berufsausbildung. Dies ist insofern wichtig, da es, im Gegensatz zu anderen Maßnahmen des Übergangssystems möglich ist, die erfolgreiche Teilnahme an einem BGJ, vollumfänglich oder teilweise auf eine spätere Berufsausbildung anrechnen zu lassen. (vgl. Brändle, 2012, S. 107 ff) Doch gerade diese Verankerung der Anrechenbarkeit auf eine später begonnene Ausbildung, stellt eine Schwierigkeit des BGJ dar. So ist anzunehmen, dass eben diese formale Vorgabe einer der Gründe dafür ist, dass die Maßnahme in immerhin sieben Bundesländern derzeit nicht angeboten wird. (vgl. Brändle, 2012, S.110) Die Dauer des BGJ ist in allen Bundesländern, in denen es angeboten wird auf ein Jahr festgelegt. Einen Unterschied gibt es, wie schon beim BVJ, bei der Möglichkeit eines Praktikums während der Maßnahme. So geht die Bandbreite hier von einem BGJ ohne Praktikum, wie es in Nordrhein- Westfalen gestaltet ist, bis zu einem Zeitraum von maximal 90 Tagen wie in Baden-Württemberg. (vgl. Brändle, 2012, S. 108 f) 19

In seiner Geschichte diente gerade das BGJ häufig als Auffangbecken, da die deutsche Wirtschaft, durch den Übergang von der reinen produzierenden Industriearbeit, hin zu einem ausgeweiteten Dienstleistungssektor, den geburtenstarken Jahrgängen, die seit Beginn der 1980er Jahre auf den Ausbildungsstellenmarkt drängten, kein ausreichendes Angebot an Lehrstellen im Bereich der geringeren Qualifizierungsniveaus bieten konnte. (vgl. Schmidt, 2011, S. 77) Entstanden ist das BGJ in den 1970er Jahren. Im Zuge einer pädagogisch geprägten Reformbewegung auf dem Ausbildungssektor, gab es damals die Überlegung, das BGJ flächendeckend, für alle Berufe, als erstes Ausbildungsjahr festzulegen. Diese Bestrebungen scheiterten jedoch am Veto der Wirtschaft, die den Zwang zur Anrechnung des BGJ als erstes Ausbildungsjahr ablehnten. (vgl. Schmidt, 2011, S. 74f) Mit der Überarbeitung des Berufsbildungsgesetzes wurde im Jahr 2005 festgelegt, die Anrechnungspflicht aus dem Gesetz zu nehmen. Die Länder hatten nun die Möglichkeit selbst zu entscheiden, wie die Anrechnung künftig festgelegt sein soll. Im Zuge dieser Neuordnung wurde in den meisten Bundesländern beschlossen, dass die Anrechnung zwar möglich, jedoch nicht zwingend sei. In Hessen erfolgt eine Anrechnung nur dann, wenn beide Seiten, also Ausbildungsbetrieb und Auszubildender dies bei Abschluss des Ausbildungsvertrages beantragen. (vgl. Schmidt, 2011, S. 78) Trotz dieser Entwicklungen gab es bis zur Mitte des letzten Jahrzehnts einen kontinuierlichen Anstieg der Schüler/innen, die ein BGJ absolvierten. (vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung, 2006, 81) 4.1.3 Berufsfachschulen Die Berufsfachschulen sind das nächste Element des Übergangssystems, welches hier kurz beschrieben werden soll. Berufsfachschulen, welche eine berufliche Grundbildung vermitteln sollen, gibt es in allen Bundesländern. Die 20

Ziele der Bildungsgänge sind zwar oft unterschiedlich formuliert, ähneln sich bei genauerer Betrachtung aber stark. So haben einige Bundesländer eine Verbesserung der Ausbildungsreife durch die Steigerung der Allgemeinbildung bei den Schüler/innen als eigenständiges Ziel der Berufsfachschulen aufgenommen. Es kann jedoch angenommen werden, dass diese Verbesserung der Allgemeinbildung immer zumindest einen Nebeneffekt des Besuchs einer solchen Maßnahme darstellt. (vgl. Brändle, 2012, S.113 f) Der Besuch einer Berufsfachschule dauert zwischen einem und zwei Jahren und einige Bundesländer gestatten eine Anrechnung auf das erste Ausbildungsjahr einer späteren Berufsausbildung. Die formale Zugangsvoraussetzung ist meist der Hauptschulabschluss, da in fast allen Bildungsgängen vorgesehen ist, den bestehenden Schulabschluss zu verbessern und an der Berufsfachschule den mittleren bzw. einen höheren Schulabschluss nachzuholen. (vgl. Brändle, 2012, S. 115 f) Die Bildungsgänge der Berufsfachschulen stellen mit fast einem Drittel aller Neuzugänge, die personell größte Gruppe des Übergangssystems. (vgl. Ulrich, 2008, Abs. 3) Dies ist zum Einen mit dem flächendeckenden Angebot, zum Anderen mit dem möglichen Erwerb eines höheren Schulabschlusses zu begründen. Als Besonderheit muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass es an Berufsfachschulen auch die Möglichkeit gibt eine vollqualifizierende, schulische Ausbildung zu absolvieren. Diese Angebote sind aber dem zweiten Sektor des Berufsbildungssystems zuzuordnen und müssen von den hier beschriebenen Maßnahmen des Übergangssystems getrennt werden. (vgl. Brändle, 2012, 113) 21

4.2 Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit (BA) Die zweite zu unterscheidende Gruppe von Maßnahmen, fußt rechtlich nicht auf dem BBIG oder der HWO, sondern wird durch die Sozialgesetzgebung im SGB III bundeseinheitlich geregelt. Die Zuständigkeit für diese Maßnahmen liegt daher zentral bei der BA. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es keine regionalen Unterschiede gibt. Die Maßnahmen selbst werden per Ausschreibung von der BA an oft gemeinnützige, aber auch privatwirtschaftliche Träger vergeben, welche dann für die Durchführung zuständig sind. Damit auch kleinere Träger bei der Vergabe berücksichtigt werden können, wurde im Jahr 2004 die Möglichkeit geschaffen, dass sich bei der Ausschreibung auch Bietergemeinschaften für die Durchführung einer Maßnahme bewerben können. Der Großteil der angebotenen Bildungsgänge, wird unter dem Begriff Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen zusammengefasst, welche im nächsten Unterabschnitt erläutert werden. (vgl. Plicht, 2010, S. 10 f) 4.2.1 Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (BvB) Der Begriff Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen ist ein weiterer Sammelbegriff, unter welchem sich Angebote des Übergangssystems, die auf den Regelungen des SGB III basieren zusammengefasst werden. Alle getroffenen rechtlichen Regelungen sind im dritten Abschnitt des SGB III, unter dem Titel Berufswahl und Berufsausbildung zusammengefasst. Die hier aufgeführten Angebote haben zwei gemeinsame Ziele, unterscheiden sich aber in ihrer Ausgestaltung. Die BvB wurden durch das Fachkonzept aus dem Jahr 2009 grundlegend neu strukturiert. So wird nicht mehr nach Bildungsgängen für einzelne Gruppen von Schüler/innen unterschieden (z.b.: ausbildungsreif, nicht ausbildungsreif, Personen mit Behinderung), sondern ein mehr modulares Konzept verfolgt, in welches die Jugendlichen zu einem, in der Berufsberatung der BA ermittelten Punkt in passende Maßnahmen 22

einsteigen und dann möglichst bis zum Abschluss der Berufsausbildung begleitet werden. (vgl. Bundesagentur für Arbeit, 2009a; Beicht, 2009, S. 2) Primäres Ziel ist die Vorbereitung zur Aufnahme einer Berufsausbildung. (Vgl. SGB III, 51, Abs. 1) Dies kann durch die Möglichkeit einen Schulabschluss nachzuholen, oder Beratungs- und Orientierungsangebote erreicht werden. Doch auch der direkte Übergang in eine Erwerbstätigkeit kann Gegenstand einer Förderung nach SGB III sein, ist aber im Verhältnis zur Aufnahme einer Ausbildung als untergeordnet anzusehen. (vgl. Brändle, 2012, S.121) Es lässt sich also festhalten, dass die BvB der BA in ihrer Zielsetzung durchaus Parallelen zu den übrigen, bereits beschriebenen Maßnahmen des Übergangssystems aufweisen, jedoch ein stärkerer Fokus auf die vorherige Berufsorientierung durch die BA und eine Begleitung der Jugendlichen, möglichst bis zum erfolgreichen Abschluss einer Berufsausbildung vorgesehen ist. 4.2.2 Die Einstiegsqualifizierung (EQ) Die Einstiegsqualifizierung ist eine relativ junge Maßnahme, die als Nachfolge der 2004 erstmals angebotenen Einstiegsqualifizierung benachteiligter Jugendlicher (EQJ), seit 2007 als Dauerfördermaßnahme in das Leistungsprogramm der BA aufgenommen wurde. (vgl. Beicht, 2009, S. 2) Sie ist in 54a des SGB III geregelt. Da die Maßnahme zum Ziel hat auf eine Berufsausbildung hinzuführen und keinen vollqualifizierten Abschluss ermöglicht, ist sie nach der Eingangs getroffenen Definition, als Teil des Übergangssystems anzusehen. Die EQ wird durch die Betriebe selbst beantragt und durchgeführt und ist einem Vorpraktikum sehr ähnlich. Allerdings werden die Jugendlichen für ihre Teilnahme von den Unternehmen entlohnt. Von den Lohn- und Lohnnebenkosten wird ein Teil durch die BA zurückerstattet. So können Lohnkosten aktuell bis zu einem Betrag von 216 23

und ein Pauschalbetrag zu den Sozialabgaben durch die Unternehmen bei der BA geltend gemacht werden. (vgl. GIB / IAB, 2010, S. 27 ff) Die EQ bietet den Jugendlichen zusätzlich die Möglichkeit, sozialpädagogische oder organisatorische Begleitung durch die BA zu erhalten. Diese Möglichkeit wird wie die Untersuchungen im Auftrag der BA zeigen, jedoch nur von etwa zwei Prozent der Unternehmen, also sehr selten in Anspruch genommen. Hierbei ist fraglich inwieweit die Unternehmen von diesen Möglichkeiten wissen und ob eine gezieltere Informationspolitik der BA zur verstärkten Nutzung führen würde. (vgl. GIB / IAB, 2010, S. 28) Die EQ zeichnet sich wegen ihrer Ausgestaltung, ähnlich eines Praktikums, durch die starke Anbindung der Jugendlichen an den Kooperationsbetrieb aus. Hieraus ergeben sich für die Teilnehmer vergleichsweise hohe Übergangsquoten in eine Ausbildung in dem Unternehmen, in dem auch die EQ stattfand. (vgl. Beicht, 2009, S. 2) Der Effekt, dass eine solche stärkere Anbindung an ein Unternehmen den erfolgreichen Übergang in eine Ausbildung signifikant unterstützt, wurde bereits in Kapitel 3.1.1 beschrieben. Nachdem nun die, auf Basis der Teilnehmerzahlen wichtigsten Maßnahmen des Übergangssektors kurz vorgestellt wurden, wird im nächsten Abschnitt geschaut, welche Effekte die Programme für die Jugendlichen und deren Erwerbslebensläufe haben. Hierzu werden Ergebnisse aus Befragungen von Teilnehmern herangezogen und mit dem statistischen Zahlenmaterial verglichen. 5. Erfolgreicher Übergang oder Maßnahmenkarriere? Ob der Übergang in die Berufsausbildung durch das Absolvieren eines Angebots des Übergangssystems gelingt oder nicht, lässt sich nicht pauschal feststellen. So sind die einzelnen Maßnahmen, wie bereits gezeigt wurde, sehr unterschiedlich in ihrer Ausgestaltung. Weiterhin sind nicht 24

ausschließlich die Maßnahmen, sondern vielmehr die Jugendlichen selbst in der Verantwortung, die Angebote in entsprechender Weise zu nützen, um den angestrebten Ausbildungsplatz zu erhalten. In diesem Abschnitt wird also eine kurze Bilanz über Erfolg oder Misserfolg für den Übergang in eine Berufsausbildung gegeben. Hierbei wird auf verschiedene, die Erfolgschancen beeinflussende Determinanten eingegangen, wobei die wichtigste der rasche Übergang in eine vollqualifizierende Berufsausbildung Anschluss an die erste absolvierte Maßnahme ist, da dies, wie bereits erläutert, das primäre Ziel aller Angebote des Übergangssystems darstellt. Die Ziele des Übergangssystems ausschließlich auf den Übergang in eine Ausbildung zu beschränken ist jedoch zu wenig. So müssen die verschiedenen Programme auch unter qualifikatorischen Gesichtspunkten betrachtet werden. Eine Maßnahme kann also auch dann als positiv bewertet werden, wenn sie den Jugendlichen entweder inhaltlich oder formal weiterbildet, selbst wenn der direkte Übergang in eine Ausbildung im Anschluss an die Maßnahme nicht gelingt. Die inhaltliche Weiterbildung findet hauptsächlich in den berufsspezifischen Vorbereitungsmaßnahmen statt und meint, dass die Teilnehmer/innen in ihrem Fachwissen über und für ein von ihnen angestrebtes Berufsbild weiterqualifiziert werden. Unter formaler Weiterbildung versteht man in diesem Zusammenhang insbesondere den Erwerb eines höheren Schulabschlusses. Erst wenn keines der drei genannten Ziele erreicht wird oder die Weiterbildung in einem, für den späteren Lebensweg irrelevanten Bereich erfolgt, ist die Übergangsmaßnahme als reine Warteschleife zu betrachten. (vgl. Brändle, 2012, S. 187 ff) Schon jetzt nimmt das Übergangssystem weitere Aufgaben wahr. Neben der Aufgabe der Weiterqualifizierung von Jugendlichen und deren Hinführung zur Ausbildungsreife, schützt es die Jugendlichen, wie Brändle feststellt auch vor den Mechanismen des Arbeits- und Ausbildungsmarktes. (vgl. Brändle, 2012, S. 216) 25

Ohne diese Schutzfunktion, wären die Jugendlichen nach dem erfolglosen Versuch des Übergangs in eine Berufsausbildung weitgehend auf ihre eigenen Möglichkeiten zur Existenzsicherung angewiesen, was zu einer vielfach größeren Zahl an Erwerbslosen und Geringqualifizierten führen würde. (vgl. Brändle, 2012, S. 217) 5.1 Abbruch oder erfolgreicher Abschluss der Maßnahme Zunächst einmal wird der Fokus auf den Abbruch der ersten durchlaufenen Maßnahme innerhalb des Übergangssystems gelegt. Diese Betrachtung erfolgt anhand der Abbruchquoten einzelner Maßnahmen. Die Maßnahmen des Übergangssystems zeichnen sich, verglichen mit vollqualifizierender Berufsausbildung durch relativ hohe Abbruchquoten aus. Es zeigen sich innerhalb des Übergangssystems aber deutliche Unterschiede im Zeitpunkt, zu welchem die Maßnahme abgebrochen wird und in den Gründen. (vgl. Beicht, 2009, S. 7 f) Von einem schnellen Abbruch innerhalb der ersten sechs Monate, sind insbesondere die BvB und BvJ betroffen. An den BfS ist die Abbruchquote zwar gleichermaßen hoch, der Abbruch findet aber etwas später, also erst nach einem Aufenthalt in der Maßnahme, von einem Jahr oder länger statt. Über alle Maßnahmen gerechnet werden etwa ein Fünftel der begonnenen Bildungsgänge vorzeitig abgebrochen. (vgl. Beicht, 2009, S. 7) Nicht jeder Abbruch ist grundsätzlich negativ zu bewerten. Erfolgte der Abbruch der Maßnahme, weil es den Jugendlichen, von denen sich viele parallel zur Maßnahme weiter um einen regulären Ausbildungsplatz bemühen, gelungen ist, einen solchen zu erhalten, so ist das wichtigste Ziel der Maßnahme bereits vor deren Ende erreicht. So geben etwa 49 Prozent der Abbrechenden einer BvB als Begründung an, eine andere Ausbildungsmöglichkeit gefunden bzw. in Aussicht zu haben. Addiert man hierzu noch die 27 Prozent der Abbrecher, die einen Arbeitsplatz als Grund nannten, so beenden im Beispiel der BvB also etwa drei Viertel aller 26

Abbrechenden Teilnehmer die Maßnahme nicht, da es ihnen auf einem anderen Weg gelungen ist die im SGB III verankerten Ziele der Maßnahme zu erreichen. (vgl. Beicht, 2009, S.7 f) Weitere häufig genannte Gründe für einen vorzeitigen Abbruch einer Maßnahme sind Schwierigkeiten mit Lehrern und Mitschülern, eine nichtgegebene Passung der Maßnahme an die Erwartungen der Teilnehmer oder finanzielle bzw. persönliche Schwierigkeiten. (vgl. Beicht, 2009, S. 8) Für die Aufnahme einer Berufsausbildung scheint es jedoch nicht zwingend nötig zu sein, die begonnene Maßnahme auch zu beenden, da der Erfolg des Übergangssystems sich am gelungenen Übergang in eine vollqualifizierende Berufsausbildung und in der Chancensteigerung hierfür bemisst. Als positiv zu bewerten sind in der Regel solche Maßnahmen, die es den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ermöglichen, einen (höheren) Schulabschluss nachzuholen, da eine bessere Schulbildung, wie Eingangs beschrieben die Chancen auf einen Ausbildungsplatz erheblich verbessert und einer sogenannten Maßnahmenkarriere, bei der die Jugendlichen eine Maßnahme nach der anderen durchlaufen, entgegenwirkt. Dies wird bereits am ersten Übergang ersichtlich, da Jugendliche mit niedrigem bzw. ohne Schulabschluss etwa 75 Prozent der Neuzugänge darstellen und in den Programmen des Übergangssystems deutlich überrepräsentiert sind. (vgl. Krekel / Ulrich, 2009, S. 15; Konsortium Bildungsberichterstattung, 2012, S. 103) Doch nicht nur der Schulabschluss ist für einen erfolgreichen Übergang in die Ausbildung relevant. Beicht nennt als zusätzliche Determinanten auch Wohnort, Geschlecht und die Tatsache über einen Migrationshintergrund zu verfügen. So sind Jugendliche in Ostdeutschland, junge Frauen und Personen mit Migrationshintergrund trotz einer erfolgreich abgeschlossenen Maßnahme des Übergangssystems, häufiger von fortlaufenden Schwierigkeiten beim Übergang betroffen. (vgl. Beicht, 2009, S. 10 f) 27

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen zusätzlich, dass sich drei unterschiedliche Übergangsgruppen herauskristallisieren. So gibt es eine Gruppe von Teilnehmern, denen der Übergang in eine Ausbildung direkt im Anschluss an die Maßnahme, spätestens aber 3 Monate nach Ende der Maßnahme gelingt. Es zeigt sich, dass in dieser Gruppe nur wenige Personen ohne Schulabschluss anzutreffen sind, wogegen Jugendliche mit mittleren bzw. höheren Schulabschlüssen im Anschluss an die Maßnahme relativ stark in dieser Kohorte vertreten sind. (vgl. Beicht, 2009, S.12) Der zweite typische Verlauf nach einer Maßnahme des Übergangssystems gestaltet sich schon etwas komplizierter. Zwar gelingt auch diesen Jugendlichen der Übergang in eine vollqualifizierende Berufsausbildung, doch liegt zwischen deren Beginn und dem Ende der Maßnahme eine Zeitspanne von drei bis zwölf Monaten. Dieser Zeitraum wird zum Teil durch den Besuch einer weiteren Maßnahme überbrückt. Etwa ein Viertel aller Jugendlichen im Übergangssystem sind von diesem verzögerten Übergang nach der ersten Maßnahme betroffen. (vgl. Beicht, 2009, S. 12) Die dritte entstehende Gruppe hat trotz der Hinführung zu einer Berufsausbildung durch eine Maßnahme des Übergangssystems mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen, diesen Übergang auch zu realisieren. Diese problematischen Übergänge betreffen ca. ein Drittel aller Teilnehmer an Maßnahmen des Übergangssystems und somit nahezu ein Zehntel der Schüler/innen eines Jahrgangs. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass es selbst zwei Jahre nach dem Besuch der ersten Maßnahme noch nicht gelungen ist, eine Berufsausbildung zu absolvieren bzw. begonnene Ausbildungen relativ schnell wieder abgebrochen wurden. Überproportional stark vertreten sind in dieser Gruppe Schülerinnen und Schüler, die auch nach dem Abschluss der Maßnahme über keinen, oder nur einen Hauptschulabschluss verfügten. Weiterhin sind Jugendliche mit Migrationshintergrund in dieser Gruppe stärker vertreten, als in den anderen Gruppen. (vgl. Beicht, 2009, S. 12; Konsortium Bildungsberichterstattung, 2012, S. 102) 28

Ein weiterer Einflussfaktor für den Übergang in eine Berufsausbildung ist das Elternhaus. So beeinflussen die Eltern durch den Grad ihrer eigenen Bildungsaffinität und ihren sozioökonomischen Status das Verhalten der Jugendlichen. Die Unterstützung durch das Elternhaus und die Sozialisation mit der Ausprägung von leistungsorientierten Werten der Eltern hilft den Jugendlichen, bei der Berufswahl und der Ausbildungsplatzsuche. (vgl. Eberhard / Beicht / Krewert / Ulrich, 2011, S. 55) Die Ergebnisse zeigen, dass vielen Jugendlichen trotz des erfolgreichen Besuchs einer Maßnahme die Aufnahme einer Berufsausbildung nicht glückt. Es ist nun interessant zu schauen, wie die Jugendlichen selbst die Maßnahme an der sie teilgenommen haben, im Hinblick auf ihre berufliche Zukunft bewerten. 5.2 Bewertung der Maßnahmen durch die Teilnehmer Bei den gezeigten relativ hohen Abbruchquoten und den auch nach erfolgreichem Abschluss der Maßnahmen für viele Betroffene noch schwierigen bis unmöglichen Übergängen, sollte man annehmen, dass die Maßnahmen von den Jugendlichen selbst als eher negativ wahrgenommen werden. Die Befragung der Teilnehmer ergibt jedoch ein anderes Bild. So geben fast 80 Prozent von ihnen an, dass sie die Maßnahme, obwohl deren Besuch nicht ihre erste Wahl nach Beendigung der Schule gewesen ist, gern bzw. mit Freude besucht haben. Auch die Bewertung der Lerninhalte und der Zukunftschancen ist für den Großteil der Absolventen sehr positiv. (vgl. Beicht, 2009, S. 8) Wie Ulrich feststellt, müssen diese Ergebnisse jedoch auch vor einem psychologischen Hintergrund betrachtet werden. So neigen Jugendliche in retrospektiver Bewertung ihrer Lebensläufe dazu, sich stark mit dem beruflichen Werdegang zu identifizieren und diesen somit, obwohl er nicht dem ursprünglichen Plan entsprach, positiv zu bewerten. Gleichzeitig warnt Ulrich jedoch davor, die Aussagen der Jugendlichen zu stark zu 29