Das Bayerische Modellprojekt Menschen mit Demenz im Krankenhaus Ergebnisse der Phase II (2012-2014) Dr. Winfried Teschauer, M. Sc. Projektkoordinator Gesellschaft, e.v. 2. Bayerischer Fachtag Klinische Versorgung von Patienten mit kognitiven Risiken 9. Juli 2014
Akutkrankenhäuser sind effizient und betriebswirtschaftlich organisiert, medizinisch klar strukturiert und spezialisiert stark hierarchisch gegliedert und auf bestimmte Patienten ausgerichtete moderne Hochleistungsdienstleister
Patienten sind ideal kooperativ kommunikativ, orientiert auf eine Hauptdiagnose festzulegen sozialisiert gegenüber anderen Patienten dokumentiert... jung, mit einem definierten medizinischen Problem... in der Lage, das System ohne Probleme zu durchlaufen werden möglichst rasch in ein gesichertes Umfeld entlassen
Patienten sind real... in zunehmend hohen und höchstem Alter sowie multimorbide geriatrische Fälle... Quelle: destatis Begleitheft Krankenhauslandschaft im Umbruch 12/2008
Prävalenz von Demenzerkrankungen in Akutkrankenhäusern 11% aller Patienten bzw. 18% aller Patienten >65 Jahre (Arolt et al.) 28% aller Patienten (>60 Jahre) Trauschke et al. Quelle: Arolt et al., 1997; International Journal of Psychiatry in Clinical Practice The Lubeck General Hospital Study. I: Prevalence of psychiatric disorders in medical and surgical inpatients Trauschke et al., 2009; Z. Gerontol. Geriatr. 42:385-390 Zur Diagnostik und Häufigkeit von demenziellen Erkrankungen. Eine prospektive Untersuchung im Alltag einer geriatrischen Kliknik (PAOLA-Studie). Pinkert, C. und Holle, B, 2012; Z. Gerontol. Geriatr. 45:728-734 Menschen mit Demenz im Akutkrankenhaus Literaturübersicht zu Prävalenz und Einweisungsgründen [Review]
Das Bayerische Projekt Gesellschaft - LV Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit Robert Bosch Stiftung Bayerische Krankenhausgesellschaft e.v. bzw. Bayerisches Institut für Krankenhausorganisation und Betriebsführung (BIK; Erste Projektphase) Kooperationen zwischen regionalen Alzheimer Gesellschaften und Akutkrankenhäusern
Das Bayerische Projekt
Projektpartner 2010 2012 2012 2014 Klinikum Ansbach Sana Klinikum Hof Klinikum Ingolstadt Klinikum München-Neuperlach Klinikum Nürnberg Vincentinum Augsburg Klinikum Kempten Kliniken Mainburg / Pfaffenhofen Kliniken Münchberg / Naila KH St. Josef Regensburg Klinikum Weilheim Kliniken Weißenburg / Gunzenhausen Leopoldina Krankenhaus Schweinfurt
Wesentliche Ziele Sensibilisierung für kognitive Risiken auf allen Ebenen und in allen Berufsgruppen Schulung / Fortbildung von Krankenhausmitarbeitern zu den Themen kognitive Risiken und Demenz Erarbeitung von Prozessen und Strukturen in der regionalen Kooperation AG / KH Beratung der Krankenhäuser durch die Alzheimer Gesellschaften Gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit / Veranstaltungen Einbindung von Angehörigen Einbindung von Ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern Nachhaltige Veränderungen an den Krankenhäusern induzieren Erkenntnisse zum Projektverlauf durch eine Evaluation durch die BAlzG
Zeitplan des Projektes
Ergebnisse der Eingangsbefragung Teilnehmende Berufsgruppen Vorkenntnisse Demenz Schätzung des Anteils der Patienten über 65 Jahre Schätzung des Anteils der Personen mit kognitiven Einschränkungen Rezeption des Begriffes Herausforderndes Verhalten Methodik der Analyse des Belastungserlebens M-NCAS => M 2 -NCAS Auswertung der einzelnen Dimensionen Statistische Analyse der Dimensionen
Exemplarische Ergebnisse Eingangsbefragung Teilnehmende Berufsgruppen n = 269 Sozialdienst 5 2% Sonstige 20 7% unklare Antwort 7 3% leer 6 2% Assistenzberuf / Therapeuten 8 3% Assistenzarzt 13 5% Ärzte 16 6% Pflegehilfe 6 2% Gesundheitsund Altenpflege 3-jährig 188 70%
Exemplarische Ergebnisse Eingangsbefragung Verwirrte Patienten im vergangenen Halbjahr n = 263 nein 3% leer 1% weiß nicht 2% ja 94%
Exemplarische Ergebnisse Eingangsbefragung Vorkenntnisse zur Demenz n = 268 Schulung / Fortbildung / Ausbildung 97 36% keine Angabe 3 1% keine formellen Kenntnisse 168 63%
Anteil in Prozent Schätzung Anteil von Patienten Altersgruppe 65+ 100 90 95,0 95,0 90,0 90,0 90,0 80 70 60 50 40 30 80,0 80,0 80,0 80,0 80,0 75,0 75,0 75,0 75,0 70,0 70,0 65,0 65,0 65,0 50,0 30,0 20 10 8,0 8,0 20,0 10,0 0 Schätzungen der Berufsgruppen
Anteil in Prozent Schätzung Anteil von Patienten mit kognitiven Einschränkungen 90 80 70 80,0 80,0 80,0 60 60,0 50 50,0 50,0 40 30 20 10 0 40,0 40,0 31,3 25,0 25,0 20,0 20,0 15,0 16,3 10,0 10,0 1,0 1,0 5,0 3,0 4,0 20,0 13,8 5,0 Schätzungen der Berufsgruppen
Was verbinden Sie mit den Begriff Herausforderndes Verhalten? n=284 belastungsorientierte Wahrnehmung n=34; 13% einfühlsame Handlungsoption; n=30; 11% nicht zuzuordnen n= 1; 0% leer n=79; 29% umschreibende Definition n=26; 10% unbekannt n=36; 13% abwertende Symptomaufzählung; n=63; 24%
20 Arten von Herausforderndem Verhalten Mehrfachnennung möglich n=1.213 17,2 16,9 15 14,3 13,0 12,4 12,4 10 9,6 5 4,1 0
Häufigkeit von Herausforderndem Verhalten n=263 leer 0% weiß nicht 7% seltener 16% täglich 31% einmal / Woche 20% zweimal / Woche 26%
Reaktion auf Herausforderndes Verhalten 25 20 15 10 gelegentlich häufig leer 5 0 Beschäftigung freiheitsentziehende Maßnahmen Pflege dem Patienten anpassen Verlegung
Reaktion auf Herausforderndes Verhalten Anwendung von Medikamenten n=263 nie 1% leer 2% weiß nicht 4% gelegentlich 42% häufig 51%
Schulungen MA Inhalte I Demenz als hirnorganische Erkrankung Demenzsyndrom: Demenz geht weit über die kognitiven Veränderungen hinaus; Persönlichkeits- und Verhaltensveränderungen, Veränderungen in der Alltagspraxis; emotionale Veränderungen usw. Herausforderndes Verhalten Ursachen von Demenzerkrankungen (primäre / Hinweis sekundäre bei Diagnostik): Arten von Demenzerkrankungen Alzheimer, vaskulär, Mischformen, Lewy-Körperchen, Frontotemporale Demenzen Demographischer Bezug: Alter als wichtigster Risikofaktor; Demographische Entwicklung in Deutschlang, Entwicklung der Patientenzahlen in KH. Diagnostik: Kriterien ICD 10, Übliche somatische diagnostische Maßnahmen, wesentlicher Punkt: Psychometrische Tests; Vorstellung MMSt; Hinweis auf diagnostische Probleme; ggf. andere Tests z.b. Demtect; Testbatterien; Bedeutung der qualifizierten Diagnostik i.d. Gedächtnissprechstunde
Schulungen MA Inhalte II Medikamentöse Therapie: ACHE-Inhibitoren und Memantine als Antidementiva mit Chancen und Risiken; Möglichkeiten und Risiken von Neuroleptika Einteilung der Erkrankung in Stadien; Abhängigkeit der Symptome vom Krankheitsverlauf Demenz vs. Delir Spezielle Aspekte der Nahrungsaufnahme Wahrnehmung und Beobachtung: Herausforderndes Verhalten als Ausdruck von innerer Unruhe, Unwohlsein, Schmerz usw. Schmerzeinschätzung bei Demenz In welcher Welt lebt ein Mensch mit Demenz? Eigenwahrnehmung vs. Fremdwahrnehmung; Erklärung anhand der beiden Demenzgesetze nach Buijsen (Verlust der Konsolidierung und Konsequenzen; Verlust des Altgedächtnisses von der Jetztzeit rückläufig bei gutem Erhalt alter Erinnerungen), ggf. Unterschiedliche Gedächtnisstrukturen
Schulungen Inhalte III Nichtmedikamentöse Therapien als wesentlicher Zugang zu Menschen mit Demenz Kommunikationsmodelle (Emotion vor Ratio) Validationsmethoden (Integrative Validation; und V. nach Feil) Personzentrierte Ansätze z.b. Kitwood Milieutherapie Biographieorientierte Ansätze Ressourcenorientierte Betrachtungsweise Aspekte der Sicherheit Einbindung ehrenamtlicher Helfer Einbindung von Angehörigen Einfühlendes Verstehen: Erkennen eigener Einstellungen; Klärung Pflegeverständnis Tipps für die praktische Anwendung
Schulung Empfinden Sie die Inhalte der Schulung als hilfreich im Umgang mit Menschen mit Demenz? n=83 nicht hilfreich 0 0% weiß nicht 1 1% teilweise hilfreich 32 39% sehr hilfreich 50 60%
Einsatz Ehrenamtlicher Helfer bewirkt 30,0 25,0 26,0 20,0 17,6 15,0 13,7 10,0 8,4 8,4 5,0 0,0 5,3 3,8 3,1 3,1 3,1 3,1 2,3 0,8 0,8 0,8
Schulung Hat sich Ihre Wahrnehmung von Menschen mit Demenz infolge der Schulungen verändert? n=85 nein 7 8% weiß nicht 5 6% leer 2 2% ja 71 84%
Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer Als wie wertvoll würden Sie Ihre Einsätze beschreiben? n=44 wenig wertvoll; 2,3 leer; 2,3 eher wertvoll; 36,4 sehr wertvoll; 59,1
Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer Wie würden Sie Ihre Einbindung und Akzeptanz auf den Stationen beschreiben? n=144; Mehrfachnennungen möglich 30,0 25,0 20,0 25,0 18,8 16,7 15,0 13,2 11,8 10,0 5,0 0,0 4,2 4,2 3,5 2,8
Zahlen zum Projekt in sechs (13) Krankenhäusern Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 267 Mitarbeiter (670) 210 Unterrichtseinheiten (370) Zwei (Ärzte) bis acht (Pflege u.a.) UE / Schulungstag Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer 97 Mitarbeiter (218) 178 Unterrichtseinheiten (422) Nachhaltige Integration in fünf (zwölf) von sechs (dreizehn) Krankenhäusern 5.478 (9.203) Arbeitsstunden der EAH in Kliniken Alzheimer Gesellschaften 1.083 (2.246) Arbeitsstunden für die Projektkoordination lokal und zentral Schulungen der MA und EAH von Vertretern der Alzheimer Gesellschaft durchgeführt
Zusammenfassung Veränderungen in der Projektstruktur haben sich bewährt Projektbestandteile an allen Häusern etabliert Nachhaltige Strukturen sind entstanden Schulungen des Personals haben eine Haltungsänderung bewirkt Ehrenamtliche Helferkreise sind erfolgreich tätig Krankenhäuser haben demenz-sensible Konzepte eingeführt Einbindung der Angehörigen nicht leicht lösbar Erfolge gerade auch bei kleineren Häusern Wichtigste Inhalte: Umgangsregeln und ganzheitlicher Ansatz Wichtigste Methode: Schulungen und Praxisanleitung Wichtigstes Handlungsfeld: Herausforderndes Verhalten
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!