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Einführung in die Erkenntnistheorie Prof. Dr. Martin Kusch <martin.kusch@univie.ac.at> 1

Themen (I) (II) (III) (IV) (V) (VI) (VII) (VIII) (IX) (X) (XI) (XII) Die Definition des Wissens und der Skeptizismus Antworten auf den Skeptizismus Fundamentalismus, Köhärenztheorie, Internalismus versus Externalismus Naturalisierte Erkenntnistheorie, Erkenntnistheorie der Tugenden Definitionen, Fallstudien und der Relativismus in der Wissenschaftstheorie Relativismus und die Wissenschaftssoziologie Relativismus als Doktrin oder Relativismus als Haltung? Kritik des Relativismus I: Zirkularität und Nicht-Absolutheit Kritik des Relativismus II: Probleme mit dem Pluralismus Kritik des Relativismus III: Das Problem und Argument des Kriteriums Kritik des Relativismus IV: Selbstwiderlegung und Unterbestimmtheit Kritik des Relativismus V: Semantische Fragen In der letzten Woche Prüfung 2

(IX) Kritik des Relativismus II: Probleme mit dem Pluralismus (A) (B) (C) (D) (E) (F) Erinnerung Das Argument für den Pluralismus Boghossians zwei Argumente gegen den Pluralismus Kritik an den beiden Argumenten Seidels Verbesserungsvorschlag und dessen Kritik Carter zu den Biases ----------------------------------------------------------------------------------- (G) Seidel und die Unterbestimmtheit 3

(IX) Kritik des Relativismus II: Probleme mit dem Pluralismus (A) (B) (C) (D) (E) (F) Erinnerung Das Argument für den Pluralismus Boghossians zwei Argumente gegen den Pluralismus Kritik an den beiden Argumenten Seidels Verbesserungsvorschlag und dessen Kritik Carter zu den Biases ----------------------------------------------------------------------------------- (G) Seidel und die Unterbestimmtheit 4

Paul Boghossian (1957- ) Zentraler Text in der Gegenwartsdiskussion des ER ist Paul Boghossians Fear of Knowledge (2006; dt. 2013). 5

6 ELEMENTE DER RELATI- VISTISCHEN SCHABLONE Nicht-Absolutismus Relationismus Pluralismus RELATIVISTISCHE ARGUMENTE Gegen epistemische Zirkularität Die Analogie mit der Physik Historische Fallstudien ABSOLUTISTISCHE ANTWORTEN Für epistemische Zirkularität Probleme mit Normativität u. Befürwortung Inkohärenzen

7 ELEMENTE DER RELATI- VISTISCHEN SCHABLONE Nicht-Absolutismus Relationismus Pluralismus RELATIVISTISCHE ARGUMENTE Gegen epistemische Zirkularität Die Analogie mit der Physik Historische Fallstudien ABSOLUTISTISCHE ANTWORTEN Für epistemische Zirkularität Probleme mit Normativität u. Befürwortung Inkohärenzen

A. Es gibt keine absoluten Tatsachen darüber, welche Information welche Ü rechtfertigt. (Epistemischer Nicht-Absolutismus) C. Es gibt viele grundlegend verschiedene, genuin alternative epistemische Systeme, aber keine Tatsachen, die bestimmen, dass eines dieser Systeme korrekter wäre als irgendein anderes. (Epistem. Pluralismus) ----------------------------------------------------------------------------------------------------- C heißt, verschiedene ESe seien gleichermaßen gültig. (S. 89 Übers. korr.) 8

B. Sollen die epistemischen Urteile einer Person S irgendeine Aussicht haben, wahr zu sein, müssen wir Äußerungen von S der Form... I rechtfertigt Ü als Ausdruck der folgenden Behauptung [d.h. Proposition] verstehen: [*] Gemäß dem epistem. System [ES], das ich, S, akzeptiere, rechtfertigt Information I Ü. (Epistem. Relationismus). (89, Ü.k.) 9

(IX) Kritik des Relativismus II: Probleme mit dem Pluralismus (A) (B) (C) (D) (E) (F) Erinnerung Das Argument für den Pluralismus Boghossians zwei Argumente gegen den Pluralismus Kritik an den beiden Argumenten Seidels Verbesserungsvorschlag und dessen Kritik Carter zu den Biases ----------------------------------------------------------------------------------- (G) Seidel und die Unterbestimmtheit 10

11 ELEMENTE DER RELATI- VISTISCHEN SCHABLONE Nicht-Absolutismus Relationismus Pluralismus RELATIVISTISCHE ARGUMENTE Gegen epistemische Zirkularität Die Analogie mit der Physik Historische Fallstudien ABSOLUTISTISCHE ANTWORTEN Für epistemische Zirkularität Probleme mit Normativität u. Befürwortung Inkohärenzen

Das Argument des ER B beginnt mit zwei Definitionen: Fundamentale Prinzipien : ihre Korrektheit ist nicht von anderen EP-en ableitbar. (73) Eine genuine Alternative zu unserem ES : verschieden in wenigstens einem fundamentalen Prinzip. ER B versucht plausible Beispiele solcher Alternativen anzugeben. 12

PB: Bellarmin folgte folgendem Prinzip: Offenbarung (2006: 69) : Bei bestimmten Propositionen p, einschließlich solcher über den Himmel, ist die Ü, dass p, prima facie gerechtfertigt, wenn p das offenbarte Wort Gottes ist, so wie es in der Bibel steht. ER B meint, dieses Prinzip sein fundamental, und dass Bellarmins ES daher fundamental von Galileos oder unserem verschieden sei. ER B meint, dieser Fall stütze die Idee der gleichen Gültigkeit. 13

(IX) Kritik des Relativismus II: Probleme mit dem Pluralismus (A) (A) (A) (A) (A) (A) Erinnerung Das Argument für den Pluralismus Boghossians zwei Argumente gegen den Pluralismus Kritik an den beiden Argumenten Seidels Verbesserungsvorschlag und dessen Kritik Carter zu den Biases ----------------------------------------------------------------------------------- (G) Seidel und die Unterbestimmtheit 14

15 ELEMENTE DER RELATI- VISTISCHEN SCHABLONE Nicht-Absolutismus Relationismus Pluralismus RELATIVISTISCHE ARGUMENTE Gegen epistemische Zirkularität Die Analogie mit der Physik Historische Fallstudien ABSOLUTISTISCHE ANTWORTEN Für epistemische Zirkularität Probleme mit Normativität u. Befürwortung Inkohärenzen

Boghossians erstes Argument Wäre Offenbarung fundamental, dann wäre Bellarmins ES inkohärent: Offenbarung würde dann Beobachtung bzgl. mancher Aussagen über den Himmel ausstechen ( Die Erde bewegt sich ), bzgl. anderer nicht ( Die Sonne scheint ). Diese Unterscheidung wäre epistem. unmotiviert ist es nicht immer der gleiche Himmel?? und so etwas macht ein ES inkohärent. 16

Es ist es großzügiger zu sagen, dass Offenbarung abgeleitet ist. Bellarmin & Galileo hatten dasselbe ES. Bellarmin hatte eine überraschende Theorie : dass ein bestimmtes Buch... das offenbarte Wort Gottes ist und deshalb rational als autoritative Quelle über den Himmel gelten kann Die Frage, die sich hier ergibt, ist die folgende: gibt es letztendlich Beweismaterial ganz gewöhnlichen Art für diese Theorie. (109 Ü.k.) 17

Boghossians zweites Argument Pluralismus ist inkohärent! (95) Folgendes ist dem ER zufolge möglich: ES 1 : I(nformation) 1 rechtfertigt Ü 1. ES 2 : I 1 rechtfertigt Ü 1 nicht. (96) Wenn wir... sagen, dass I nicht hinreicht, um Ü zu rechtfertigen, weil es keine absoluten Tatsachen über Rechtfertigungen gibt...... dann macht ES 1 eine falsche Behauptung aber ES 2 eine wahre! Und ES 1 und ES 2 sind nicht gleichermaßen gültig. 18

Zu jedem ES gibt es eine mögliche Alternative, die ihm widerspricht. Man betrachte jedes dieser einander widersprechenden Paare. Wenn eines etwas Falsches ausdrücken soll, wird das andere etwas Wahres ausdrücken müssen. Unter diesen Umständen ist es nicht einzusehen, dass es keine Tatsachen gibt, dank derer ein ES korrekter sein könnte als ein anderes. (96) 19

20 ELEMENTE DER RELATI- VISTISCHEN SCHABLONE Nicht-Absolutismus Relationismus Pluralismus RELATIVISTISCHE ARGUMENTE Gegen epistemische Zirkularität Die Analogy mit der Physik Historische Fallstudien ABSOLUTISTISCHE ANTWORTEN Für epistemische Zirkularität Probleme mit Normativität u. Befürwortung Neuinterpretation der historischen Fallstudien ANTWORTEN Gegen die Neuinterpretationen & den Inkohärenzvorwurf

(IX) Kritik des Relativismus II: Probleme mit dem Pluralismus (A) (A) (A) (A) (A) (A) Erinnerung Das Argument für den Pluralismus Boghossians zwei Argumente gegen den Pluralismus Kritik an den beiden Argumenten Seidels Verbesserungsvorschlag und dessen Kritik Carter zu den Biases ----------------------------------------------------------------------------------- (G) Seidel und die Unterbestimmtheit 21

Das zweite Argument Pluralismus ist inkohärent! Folgendes ist dem ER zufolge möglich: ES 1 : I 1 rechtfertigt Ü 1. ES 2 : I 1 rechtfertigt Ü 1 nicht. Kritik: Wenn wir... sagen, dass I nicht hinreicht, um Ü zu rechtfertigen, weil es keine absoluten Tatsachen über Rechtfertigungen gibt... dann macht ES 1 eine falsche Behauptung aber ES 2 eine wahre! ES 1 und ES 2 sind dann nicht gleichermaßen gültig.... nicht absolut hinreicht... Relative Tatsachen über Rechtfertigungen... ermöglichen System-abhängige, relative Rechtfertigungen! 22

Das erste Argument... Warum ist es inkohärent, Beobachtung für Sonnenschein und Offenbarung für die Bewegung der Erde zu benutzen? PB: Weil es in beiden Fällen um den gleichen Himmel geht. Und die Aufteilung der Anwendungsfelder ist ohne rationale Grundlage. 23

Aber es gibt hier rationale Grundlagen! Einerseits die Unterscheidung von sublunarer und himmlicher Sphäre. Und die von un/beobachtbar. Keine Beobachtung, kein Beweis, also Zweifel: Im Fall von Zweifel sollte man nicht von den heiligen Schriften, so wie sie von den Kirchenvätern interpretiert wurden, abweichen. 24

PB macht zwei Annahmen, die der ER nicht teilen muss: (A) Fundamentalismus: ES-e bestehen aus fundamentalen und abgeleiteten Prinzipien und Urteilen. (B) Isolationismus: Es macht Sinn, ES-e vom Gesamt unseres Netzwerkes von Ü-en zu isolieren. ER verwirft zumeist (A) und (B). Auf A komme ich zurück. Zu (B) 25

(Offenbarung) Bei bestimmten Propositionen p, einschließlich solcher über den Himmel, ist die Ü, dass p, prima facie gerechtfertigt, wenn p das offenbarte Wort Gottes ist, so wie es in der Bibel steht. Bellarmin und Galileo differieren allein hinsichtlich der bestimmten Propositionen. Beide akzeptieren folgende dreiteilige Unterscheidung zwischen Propositionen über die natürliche Welt (Blackwell 1991: 3328): 26

(i) Propositionen (p), die bewiesen wurden (nach Aristot. Standards); (ii) Propositionen (p) die, obwohl im Prinzip beweisbar, bisher noch nicht bewiesen sind; und (iii) Propositionen (p), die unbeweisbar sind. 27

(i) Propositionen (p), die bewiesen wurden (nach Aristot. Standards) ----------------------------------------------------------------------------------------------------- Gegeben eine p, die wörtlich genommen, der Bibel widerspricht. Bellarmin & Galileo einverstanden: die Bibelstellen müssen figurativ gedeutet werden, so dass sie wahr bleiben und p nicht widersprechen. Beide meinen, dass die Bibel immer und überall die Wahrheit spricht. Nur halt manchmal wörtlich und manchmal figurativ. 28

(iii) Propositionen (p), die unbeweisbar sind ------------------------------------------------------------------------------------------- Auch hier sind G. und B. einer Meinung. Widersprechen solche Propositionen der Bibel, dann sind sie falsch und ketzerisch. In diesem Fall sticht Offenbarung phil. Spekulation. 29

(ii) Propositionen (p) die, obwohl im Prinzip beweisbar, bisher noch nicht bewiesen sind ----------------------------------------------------------------------------------------------------- Bellarmin: wenn solche p dem Wortlaut der Bibel widersprechen, dann sind sie falsch und ketzerisch. (Aber instrumentalistische Lesart okay.) Galileo: besser Urteilsenthaltung und auf den Beweis warten. Galileo dachte Kopernikanismus falle in diese Kategorie (ii). 30

(ii) Propositionen (p) die, obwohl im Prinzip beweisbar, bisher noch nicht bewiesen sind; und (iii) Propositionen (p), die unbeweisbar sind. ----------------------------------------------------------------------------------------------------- Bellarmin meinte Weltsysteme gehörten in Kategorie (iii): Gott kann unsere astronomischen. Daten auf unendliche Weisen herbeiführen. Offenbarung war daher von metaphysischen, theologischen und vielen anderen Annahmen untrennbar. Isolationismus ist problematisch. (Cf. Biagioli) 31

Von gleicher Gültigkeit zu lokalen Ursachen der Glaubwürdigkeit Alle Formen des Relativismus verlangen eine Form der Symmetrie zwischen alternativen Netzwerken oder Systemen. Hauptkandidaten sind: gleiche Gültigkeit (dies setzen vor allem die KritikerInnen voraus) gleiche Kontingenz: lokale Ursachen der Glaubwürdigkeit ; keine kontextfreien oder überkulturellen Normen der Rationalität. (B&B: 23, 27). 32

Dies versuchen ER-en durch Fallstudien zu zeigen; und dass die lokalen Ursachen viel weiter gefasst werden müssen als viele PhilosophInnen erlauben. Das schließt nicht aus, dass es Fälle gibt, die eine Art von gleicher Gültigkeit motivieren. (Geschmack?) Aber diese Fälle sind marginal. Aber müssen wir dann nicht manchmal unser eigenes ES/Netzwerk aufgeben, wenn gleiche Gültigkeit nicht gilt? Klar, wenn es entsprechende Ursachen gibt. 33

Aber was bleibt von epistemischem Pluralismus, wenn wir regularistischen Fundamentalismus, gleiche Gültigkeit und Isolationismus verwerfen? Zwei Netzwerke unterscheiden sich auf fundamentale Weise, wenn es einen signifikanten Unterschied zwischen den Vorbildern gibt. Aber auch hier sind die Kriterien relativ auf die Bewertungskontexte. 34

(IX) Kritik des Relativismus II: Probleme mit dem Pluralismus (A) (A) (A) (A) (A) (A) Erinnerung Das Argument für den Pluralismus Boghossians zwei Argumente gegen den Pluralismus Kritik an den beiden Argumenten Seidels Verbesserungsvorschlag und dessen Kritik Carter zu den Biases ----------------------------------------------------------------------------------- (G) Seidel und die Unterbestimmtheit 35

(a) Instanz Enthält ES 1 eine epist. Norm N 1 und ES 2 N 2, und N 1 und N 2 sind beide Instanzen einer allgemeineren Norm N, die in beiden ES-en enthalten ist, dann sind die beiden Es-e nicht wenigstens nicht aufgrund dieses Umstands fundamental versch. ES-e. N Ü 1 Ü 2 ES 1 N 1 N 2 ES 2 N 1 und N 2 sind Instanzen von N. 36

ES 1 sei das ES des Platonismus; ES 2 sei das ES des Aristotelismus N 1 : Wenn Plato p sagt, bin ich prima facie gerechtfertigt, p zu glauben. N 2 : Wenn Aristotles p sagt, bin ich prima facie gerechtfertigt, p zu glauben. N: Wenn ein antiker Philosoph p sagt, bin ich prima facie gerechtfertigt, p zu glauben. Ü 1 (in ES 1 aber nicht in ES 2 ): Plato ist ein antiker Philosoph. Ü 2 (in ES 2 aber nicht in ES 1 ): Aristoteles ist ein antiker Philosoph. N Ü 1 Ü 2 ES 1 N 1 N 2 ES 2 N 1 und N 2 sind Instanzen von N. 37

Wie verschieden auch immer die Ü-en und abgeleiteten Normen sein mögen, wir würden nicht sagen, dass sie fundamental verschiedene ESe haben. N Ü 1 Ü 2 ES 1 N 1 N 2 ES 2 N 1 und N 2 sind Instanzen von N. 38

(b) Ableitung Enthält ES N 1 und ES N 2, und die Benutzer beider ES-e sind jeweils epist. gerechtfertigt, N 1 und N 2 und ihre Outputs zu glauben, und zwar aufgrund der Anwendung einer fundamentalen Norm N, die in beiden ES-en enthalten ist, dann sind die beiden ESe nicht wenigstens nicht aufgrund dieses Umstands fundamental versch. ESe. N Ü 1 Ü 2 ES 1 N 1 N 2 ES 2 N 1 und N 2 sind durch N gerechtfertigt. 39

ES 1 sei das ES des Platonismus; ES 2 sei das ES des Aristotelismus N 1 : Wenn Plato p sagt, bin ich prima facie gerechtfertigt, p zu glauben. N 2 : Wenn Aristotles p sagt, bin ich prima facie gerechtfertigt, p zu glauben. N: Wenn ein Erkenntnistheoretiker p sagt, bin ich prima facie gerechtfertigt, p zu glauben. Ü 1 (in ES 1 aber nicht in ES 2 ): Ein Erkenntnistheoretiker hat mir N 1 gesagt. Ü 2 (in ES 1 aber nicht in ES 2 ): Ein Erkenntnistheoretiker hat mir N 2 gesagt. N Ü 1 Ü 2 ES 1 N 1 N 2 ES 2 N 1 und N 2 sind durch N gerechtfertigt. 40

Wiederum gilt: keine fundamental verschiedenen ESe. Versch. Ü-en, versch. Normen, aber keine fundamental versch. Normen. N Ü 1 Ü 2 ES 1 N 1 N 2 ES 2 N 1 und N 2 sind durch N gerechtfertigt. 41

(c) Anwendung auf das ES von Kardinal Bellarmin (Offenbarung): Bei bestimmten Propositionen p, einschließlich solcher über den Himmel, ist die Ü, dass p, prima facie gerechtfertigt, wenn p das offenbarte Wort Gottes ist, so wie es in der Bibel steht. (Wissenschaft) Bei bestimmten Propositionen p, einschließlich solcher über den Himmel, ist die Ü, dass p, prima facie gerechtfertigt, wenn p in besten erhältlichen Physikbüchern enthalten ist. (Seidel 2014: 175) 42

Instanz Ein Fall von (Instanz) : (Offenbarung) und (Wissenschaft) sind Instanzen von allgemeineren Normen über die Zuverlässigkeit von Büchern. (2014: 177) 43

Ableitung (Offenbarung) wird durch andere, fundamentalere epist. Prinzipien gerechtfertigt; wie Wahrnehmung: Bellarmine benutzt seine Augen beim Lesen. Deduktion: Er schließt Propositionen aus dem Gelesenen. Induktion: Er nimmt an, dass der Text sich nicht ändern. Die Frage, die sich hier ergibt, ist die folgende: gibt es letztendlich Beweismaterial ganz gewöhnlichen Art für diese Theorie. (109) (Boghossian, 109; Seidel 176; cf. Pritchard) 44

(d) Erster Einwand: Mystische Wahrnehmung (Alston 1991) (Mystische Wahrnehmung): Wenn es S scheint, dass ihm Gott sagt, dass p, und bestimmte Bedingungen bzgl. der Umstände U erfüllt sind, dann ist S prima facie gerechtfertigt zu glauben, dass ihm Gott sagt, dass p. 45

Sinnliche und mystische Wahrnehmung Keine nicht-zirkuläre Demonstration der Zuverlässigkeit Beide stützen sich selbst Beide können außer Kraft gesetzt werde Beide sind manchmal widersprüchlich Beide kohärieren mit anderen epist. Praktiken. 46

Seidel meint (gegen Kusch, Ms.) dass (Mystische Wahrnehmung) und (Sinnliche Wahrnehmung) Instanzen von (Wahrnehmung) sind und dass daher (Instanz) hier zutrifft. (Seidel 167) 47

Alston sieht dies anders als Seidel. Und beruht Seidels Behauptung nicht nur auf einer vagen Analogie? Verschärfung von Seidels Einwand: (Mystische Wahrnehmung) und Sinnliche Wahrnehmung) sind beides Instanzen von (Scheinen): Wenn es S scheint, dass p, und bestimmte Bedingungen bzgl. der Umstände U erfüllt sind, dann ist S prima facie gerechtfertigt, p zu glauben. Problem: das macht es zu einfach. 48

(e) Zweiter Einwand: Ableitung gefolgt von Anstieg Es mag wohl sein, dass Bellarmin (Offenbarung) mithilfe von Normen gerechtfertigt hat, die er mit mir teilt. Aber er ist weitergegangen: er hat weiteres Beweismaterial für (Offenbarung) in der Bibel gefunden. Dieses Beweismaterial hat ihn dazu gebracht, (Offenbarung) zu einem fundamentalen Prinzip zu erhöhen. 49

(d) Dritter Einwand: Normen (Regeln, Prinzipien) und Ü-en Boghossian & Seidel postulieren eine starre Dichotomie von Normen & Ü-en; u. Unterschied in Ü-en bedeute noch keinen Unterschied in ESen. Sind bestimmte Ü-en hingegen Exemplars dann ist die nicht klar. Fundamentale Ü-en sind nicht weniger zentral für ES-e als Normen. 50

(e) Vierter Einwand: Sind Ableitung und Instanz intuitiv? Mir ist nicht offensichtlich, warum, wenn (Ableitung) und (Instanz) greifen, zwei ES-e nicht fundamental verschieden sein können. Fälle, die in der Wissenschaftsgeschichte ER motiviert haben, sind Fälle in denen (Ableitung) und (Instanz) zutreffen. 51

(f) Fundamentale Unterschiede zwischen ES-en und Praktiken Wie sollen wir solche Unterschiede identifizieren? Vielleicht ist das Kriterium von van Fraassen Bekehrung doch am besten. Vgl. B. Williams zu notional confrontation. (1976) 52

(IX) Kritik des Relativismus II: Probleme mit dem Pluralismus (A) (A) (A) (A) (A) (A) Erinnerung Das Argument für den Pluralismus Boghossians zwei Argumente gegen den Pluralismus Kritik an den beiden Argumenten Seidels Verbesserungsvorschlag und dessen Kritik Carter zu den Biases ----------------------------------------------------------------------------------- (G) Seidel und die Unterbestimmtheit 53

Adam Carter, Metaepistemology and Relativism (2016) Unser kognitives Leben ist völlig von impliziten Vorurteilen durchdrungen. Wenn daher sich zwei Leute nicht einigen können, können wir uns nie sicher sein, dass dies auf das Vorliegen von zwei verschiedenen ES-en zurückgeht. Daher lassen sich Situationen, in denen eine scheinbar unauflösbare MV vorliegt, nicht verwenden, um den ER zu motivieren. (92-97) 54

Dann darf sich aber auch der Absolutist seine Ansichten nicht auf die Beobachtung von real-existierenden Diskursen stützen. Carter gibt eigentlich kein Argument dafür, warum man die Vorurteilslehre so global anwenden muss. Außerdem, das Vorliegen von Vorurteilen (sozialen Interessen, etc.) ist doch das Herzstück von SSK und seinem ER. Epistemische Praktiken sind für SSK von sozialen Interessen durchdrungen; und eben deshalb gibt es grundlegende MV-en. 55

(III) Kritik des Relativismus II: Probleme mit dem Pluralismus (A) (A) (A) (A) (A) (A) Erinnerung Das Argument für den Pluralismus Boghossians zwei Argumente gegen den Pluralismus Kritik an den beiden Argumenten Seidels Verbesserungsvorschlag und dessen Kritik Carter zu den Biases ----------------------------------------------------------------------------------- (G) Seidel und die Unterbestimmtheit 56

Markus Seidel, Epistemic Relativism: A Constructive Critique (2014) Ein Argument für den ER: Nennen wir s das Unterbestimmtheitsargument für den epistemischen Relativismus (UA-ER) Ziel: Zeigen, dass epistemische Rechtfertigung mit der sozialen Gruppe variiert. -- Zentrales Motiv: das Prinzip der Unterbestimmtheit von Theorien durch Daten 57

UA-ER (1) Die Wahl zwischen wissenschaftlichen Theorien ist mit wissenschaftlichen Daten (aus Messung, Experiment, Beobachtung) allein nicht zu entscheiden. (1) Eine solche Wahl wird gleichwohl fast immer vorgenommen. (1) Da die Daten allein nicht entscheidend sein können, sind Kriterien der Wahl: soziale Ziele und Werte spezifischer Gruppen von WissenschaftlerInnen. (2) Daher hat alles Wissen notwendig eine (variable) soziale Komponente. (1) Daher ist epistemische Rechtfertigung relativ auf soziale Gruppen von WissenschaftlerInnen (& ihren sozialen & politischen Zielen). Ergo: ER. 58

Seidel sucht zu zeigen, dass das Argument nicht funktioniert. Er fokussiert dabei auf das Prinzip der Unterbestimmtheit. Er unterscheidet 48 Lesarten. Die können wir nicht alle verfolgen. Für uns ist hier von Interesse, welche Version des UA-ER Seidel dem Proponenten des obigen Arguments zuschreibt. Und mit welchen Einwänden er dann UA-ER zu widerlegen sucht. 59

Damit in (4) ein alles und ein notwendig stehen kann, muss die Unterbestimmtheit für alle wissenschaftlichen Theorien gelten. Die Unterbestimmtheit muss permanent, nicht bloß temporär sein. Sonst können ja später Daten entscheiden und auf lange Sicht bleibt dann doch kein Raum für die sozialen und politischen Ziele. 60

Das Argument beachtet nur zwei Arten von potentiellen Determinanten der Theorienwahl: epistemische Daten und soziale-politische Werte. Würde man epistem. Werte zulassen -- wie Genauigkeit, Konsistenz, Umfang, Einfachheit, Fruchtbarkeit -- würde das Argument nicht mehr funktionieren. Das Argument muss die Einsicht von Wissenschaftlern wie Stephen J. Gould oder N. David Mermin ignorieren, wonach... It s hard enough to find one way of accommodating experience, let along many. (Kitcher in Seidel 71) 61

Die Beziehung zwischen Daten und Theorien im Argument muss epistemisch sein: Daten stützen Theorien; sie sind nicht bloß mit ihnen vereinbar. (79) Das Argument zielt darauf, die Wahl als notwendig durch soziale Faktoren bedingt darzustellen. (103) Die erfolgversprechendste Weise, das Argument plausibel zu machen, ist, sich die Wissenschaftspraxis in Geschichte und Gegenwart anzusehen. 62

Seidels Einwände gegen UA-ER Martin Carrier (2011: 203); (Seidel 84): Die epistemischen Werte...... drücken nicht-empirische Tugenden aus, aber sie appellieren nicht an soziale Interessen, pragmatische Auflagen oder ästhetische Vorzüge,... unterscheiden sich von pragmatischen Tugenden, die menschlichen Handeln anleiten (...), und von soziopolitischen Zielen, die bestimmte soziale Gruppen oder technologische Verwendungen zu befördern streben. 63

Epistemische Werte sind allgemeingültig und absolut. Da sie die Wahl entscheiden können, braucht s keine sozialen Faktoren. Das Argument hat keine Antwort auf Kitcher, Gould und Mermin. Priestleys Argument zu Phlogistonabsorption durch Minium: I do not think... we can say that the experim. outcome did support phlogiston-theory. (112) Phlogiston-Theorie hatte bald mehr Anomalien gegen sich als die Sauerstoff- Theorie. Daher brach die Phlogiston-Theorie zusammen. (113) 64

Natürlich waren beide Theorien (nach unseren Standards) nicht perfekt. Aber die Phlogiston-Theorie hatte mehr Probleme. (115) Unterbestimmtheit gab s bestimmt, aber nicht auf Dauer... (116) In realen Fällen von Unterbestimmtheit lernen wir die epistem. Werte der Wissenschaft kennen. (121). 65

Einwände gegen Seidels Kritik an UA-ER Seidels Zielscheibe sind Bloor und Barnes. Und für sie ist nicht alles Wissen sozial. Aber lassen wir das außen vor. Seidel zitiert zwar Bloor mit der Aussage, epistemische Gründe seien soziale Faktoren; aber ignoriert dies, wenn er seine Kritik formuliert. Dann denkt er das UA-ER sei dadurch widerlegt, dass man zeigt, dass sich die Unterbestimmtheit der Theoriewahl durch epistemische Werte aufheben lässt. 66

Genau das würde SSK aber nicht zugestehen:... die Präferenz für einen bestimmten epist. Wert (im Ggs. zu anderen); die Gewichtung verschiedener epistemischer Werte; die spezifische Deutung eines epistemischen Wertes wie Einfachheit... all dies sind nicht nur indiv. Präferenzen; damit sie in der Institution Wissenschaft wirksam werden, müssen sie zu sozialen Konventionen werden. 67

Seidels Zählen von Anomalien ist ebenfalls naiv: die Identifikation und Gewichtung von Problemen und Anomalien ist nie problemlos... Eben das zeigen jüngere Arbeiten zur Chemischen Revolution (z.b. Chang, Kusch) im Detail. Muss die UB im UA-ER dauernd sein? Eine UB kann natürlich im Fortgang der Wissenschaft völlig unsichtbar werden. Und bleibt doch als path-dependence wichtig! Nur der Historiker kann sie mit viel Mühe ans Tageslicht befördern. 68

Und wenn er sagt, dass die Daten später die Entscheidung bringen, wenn s nicht auf Dauer ist... Naja: damit spezifische Daten das tun können, müssen ja wiederum soziale Faktoren bereits das Übrige getan haben. Zu Mermin und Gould: Seidel widerspricht sich hier. Erst geht er mit Mermin und Gould konform, dann zitiert er selbst Studien zur UB. Und es gibt doch wirklich mehr als genug historische Studien die Phänomene der UB dokumentieren. Z.B. H. Collins vier Bücher zu den Gravitationswellen. 69

Wann immer es so aussieht, als gäbe es nur eine Weise, die Daten auf die Theorien zu beziehen, dann müssen wir als HistorikerInnen fragen: Was waren denn die sozialen Prozesse der Sozialisation, qua Sedimentationen früherer (un-)bewusster Festlegungen die diese Eindeutigkeit ermöglichen? Es ist eben der Erfolg der Wissenschaftsgeschichte bei der Freilegung solcher Konventionen, der hier die Grundlage bildet. 70

UA-ER -- Reformuliert (1) Die Wahl zwischen wissenschaftlichen Theorien ist mit wissenschaftlichen Daten (aus Messung, Experiment, Beobachtung) allein nicht zu entscheiden. (1) Eine solche Wahl wird gleichwohl fast immer vorgenommen. (1) Da die Daten allein nicht entscheidend sein können, sind Kriterien der Wahl: soziale Ziele und Werte spezifischer Gruppen von WissenschaftlerInnen. Hierzu gehören auch epistemische Werte; Ansichten zu Anomalien, etc. (2) Daher hat alles Wissen notwendig eine (variable) soziale Komponente. (1) Daher ist epistemische Rechtfertigung relativ auf soziale Gruppen von WissenschaftlerInnen (mit ihren sozialen und politischen Zielen). Ergo: ER (in einer Form). 71

Aber setzt SSK nicht schon in (1) voraus, was erst gezeigt werden soll: dass nämlich wiss. Wissen wesentlich kollektiv ist? Wir versuchen nicht zu beweisen, dass Wissenschaft kollektiv ist, d.h. dass Wissenschaft von Gruppen von Personen betrieben wird. Das dürfen wir als selbstverständlich ansetzen. Wir versuchen vielmehr, auf dieser Basis zu zeigen, dass wiss. epistem. Rechtfertigung ein kollektives Phänomen ist und als solches variabel. Das folgt nicht aus (1). Das bedarf eines Arguments. 72

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