Vorlesung VWL II vom 23.11.2009. Das Finanzsystem: Sparen und Investieren



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Transkript:

Vorlesung VWL II vom 23.11.2009 Das Finanzsystem: Sparen und Investieren

5. Das Finanzsystem: Sparen und Investieren Vorstellen des Mechanismus, wie Spar- und Investitionsentscheidungen von Millionen von Wirtschaftssubjekten koordiniert werden Ein funktionierendes Finanzsystem ist von zentraler Bedeutung für die wirtschaftliche Aktivität Ziele der Einheit: Beschreibung der wichtigsten Finanzinstitutionen Rolle der Banken bei der Finanzintermediation Anwendung eines einfachen Kreditmarktmodells auf wirtschaftspolitische Fragen Verstehen der Weltfinanzkrise 2008

Wirtschaftlicher Zweck der Finanzmärkte Ermöglichung von Investitionen und Kapitalbildung, Bieten von Anlagemöglichkeiten für Sparer Effiziente Lenkung von Ersparnissen in investive Verwendungen Erzielung möglichst hoher Renditen für Anleger (???): Zwei Dimensionen: Finanzmärkte (direkt) und Finanzinstitutionen (indirekt, Mittler)

Finanzmärkte Märkte, auf denen Sparer und Schuldner direkt miteinander in Kontakt treten können: Anleihemarkt, Aktienmarkt Anleihemarkt: Anleihe ist Schuldverschreibung mit Kapitalrückzahlung und Festzins (Rentenpapier) Zinssatz (Coupon) Laufzeit Kreditrisiko Kurse werden am Markt gebildet, bestimmen die Rendite r=i/k (bei gleicher Restlaufzeit und gleichem Risiko müssen alte und neue Anleihen die gleiche Effektivverzinsung aufweisen. Höherer Coupon neuer Anleihen führt zu Kursverlust bei alten Anleihen).

Finanzmärkte Aktienmarkt: Aktie ist Eigentumsanteil (share). Werden an Börsen gehandelt, mit Indizes beschrieben (DAX, MDAX, SDAX, STOXX50 (Europa), EuroSTOXX (Euro), DowJones, S&P, Nikkei; TecDAX, NASDAQ) Rendite ergibt sich aus Dividende und Kursveränderung. Steuerliche Behandlung beeinflusst nach-steuer-rendite (Gewinne waren für Privatanleger bis 2009 weitgehend steuerfrei, seither 25 %) Historische Rendite von Aktien war deutlich höher als die von Rentenpapieren (D: 1969-1998 5,5% gegen 1,3 % inflationsbereinigt. Aber: Höhere Schwankung der Kurse und Dividenden.

Inverser Zusammenhang von Risiko und Ertrag einer Anlage Menschen sind im Durchschnitt risikoavers Sie erwerben trotzdem Aktien, wenn sie für das Risiko kompensiert werden Bei 3 % Inflation lässt sich die jew. reale Rendite berechnen, Risiko wird durch Standardabweichung gemessen

Finanzintermediäre: Banken sind die traditionellen Finanzintermediäre (insbesondere) für die kleinen Leute und Unternehmen. B. nehmen Einlagen herein (zumeist hochliquide) und geben Kredite heraus (häufig langfristig) Fristentransformation Kredite lassen an anderer Stelle wieder Einlagen entstehen Geldschöpfung

Finanzintermediäre: Investmentgesellschaften sammeln Ersparnisse (Kapital) ein und investieren in bestimmte Titel. Über Anteile an Investmentgesellschaften bzw. deren Fonds kann man selbst mit kleinen Beträgen Risikodiversifikation betreiben. Bündelung vieler kleiner Beträge erlaubt Senkung der Transaktionskosten Aktives Management von Fonds versucht den Markt zu schlagen. Passive Fonds bilden den Markt ab (Indexfonds). Es ist empirisch schwer, systematisch besser zu sein als der Markt, in dem ständig die Entscheidungen von zahlreichen professionellen und nichtprofessionellen Akteuren auf der Basis von allen verfügbaren Informationen eigehen (Effizienzmarkthypothese) Indexfonds schneiden in der Rendite tendenziell besser ab, auch weil die Kosten für den Fondsmanager geringer sind.

Kreditmarktmodell: Annahmen: Geschlossene Volkswirtschaft, nur ein Finanzmarkt für ausleihbare Mittel (Kreditmarkt) VGR-Zusammenhang: (1) S=I (2) S=Sp+Sg (3) Sp=(Y+TR-T)-C verf. Eink. Ersparnis (4) Sg=(T-TR)-G Ersparnis des Staats (Budgetsaldo) (5) S=Sp+Sg =(Y+TR-T-C)+(T-TR)-G =Y-C-G Die gesamtwirtsch. Ersparnis in der geschlossen VW entspricht dem gesamtw. Einkommen abzüglich der Konsumausgaben des privaten und der Ausgaben des öffentlichen Sektors Kreditmarkt wird bestimmt durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Angebot von Sparern (privat oder Staat), die Nachfrage von Investoren und ggf. dem Staat

Zinssatz % Einfaches Kreditmarktmodell Angebot S S 2 5 Gleichge- wichtszins- satz Nachfrage D 0 1.200 Gleichgewichtiges Kreditvolumen Kreditvolumen (in Mrd.

Wirtschaftspolitische Maßnahmen im Kreditmarktmodell Möglich: Sparförderung, Investitionsförderung, Defizitfinanzierung von Staatsausgaben Sparförderung, durch Steuerliche Besserstellung von Erträgen aus Ersparnissen (Zinsen, Dividenden, Kursgewinnen). Bei Steuersatz von 25 % verbleiben dem Sparer von 4% realer Rendite nur 3%. Konsumsteuer statt Einkommensteuer. Alternativ: Prämien (vermögenswirksame Leistungen, Riesterrente etc)

Zinssatz % Politik im einfachen Kreditmarktmodell: Sparförderung Angebot S 1 S 2 5 4 1. Steueranreize, die die Ersparnis betreffen, erhöhen hen das Kreditangebot 2 dadurch vermindert sich der geich- gewichtige Zinssatz Nachfrage D 0 1.200 1.600 3..und das gleichgewichtige Kreditvolumen erhöht ht sich. Kreditvolumen (in Mrd.

Wirtschaftspolitische Maßnahmen im Kreditmarktmodell Investitionsförderung, durch Steuerliche Begünstigung etwa durch degressive Abschreibung. Investitionszuschüsse

Zinssatz % Politik im einfachen Kreditmarktmodell: Investitionsförderung Angebot 6 5 1. Ein Investitionssteuer- freibetrag erhöht ht die Kreditnachfrage 2 wodurch der gleichge- wichtige Zins- satz steigt D 2 0 1.200 1.400 3..und das gleichgewichtige Kreditvolumen ebenso. Nachfrage D 1 Kreditvolumen (in Mrd.

Wirtschaftspolitische Maßnahmen im Kreditmarktmodell Erhöhung (oder Senkung) des öffentlichen Budgetdefizits Budgetdefizit entsteht, wenn die Ausgaben die Einnahmen übersteigen. Aktuell wieder stark am Steigen.

Zinssatz % Politik im einfachen Kreditmarktmodell: Schuldenfinanzierung Angebot S 1 S 2 6 5 Ein Bugetdefizit vermindert das Kreditangebot 2 wodurch der gleichgewichtige Zinssatz ansteigt Nachfrage D 0 800 1.200 3..und das gleichgewichtige Kreditvolumen abnimmt Kreditvolumen (in Mrd.

1600 Öffentliche Verschuldung (in Mrd. 1533,7 1400 1200 1000 1133 1277,6 800 600 400 200 0 687,8 409,6 239,6 10,5 21,5 30,9 59,9 98,4 21,2 21,1 16,7 22,0 19,6 31,8 41,6 43,7 60,9 60,3 67,9 In % des BIP 1950 1956 1962 1968 1974 1980 1986 1992 1998 2002 2006 Ab 1992 Gesamtdeutschland

Zusammenfassung Das Finanzsystem hat die Aufgabe, Mittel von den Sparern zu den Investoren zu transferieren. Die Allokation der Ressourcen kann im direkten Austausch über Finanzmärkte wie den Aktien- und den Anleihemarkt erfolgen. Außerdem über Finanzintermediäre wie Banken und Investmentgesellschaften, die dann an den Märkten aktiv werden. In einer geschlossenen Volkswirtschaft entspricht die Summe der Ersparnisse der Summe der Investitionen. Der Staat kann mit den Privaten um die zur Verfügung stehenden Mittel konkurrieren oder zur Ersparnisbildung beitragen. Ungleichgewichte auf dem Kreditmarkt werden durch Änderungen des Zinssatzes beseitigt, da sowohl die Investitionen als auch Ersparnisse von der Zinshöhe abhängig sind. Ein staatliches Budgetdefizit verdrängt private Investitionen und verringert damit das Wachstum der Produktivität. In die gleiche Richtung wirken steuerliche Anreize, die die Ersparnis und die Investitionstätigkeit verringern.