Aktuelles aus der Hauptstadt Professionalisierung der klinischen Notfallmedizin: Curriculum klinische Notfallmedizin versus Facharzt für Notfallmedizin? Dr. med. Werner Wyrwich, MBA KCL CharitéCentrum 13
Inanspruchnahme des Systems in Berlin Insgesamt in Berlin pro Jahr Ambulante Versorgung Stationäre Versorgung und Teilstationäre Versorgung Notfallversorgung: durch Vertragsärzte KV-Bereitschaftsdienst Notfallrettung Notaufnahmen 22.000.000 Behandlungsfälle 736.112 Behandlungsfälle 22.655 Behandlungsfälle n.n. aber > 900.000 Hausbesuche 160.000 Behandlungsfälle 200.000 Transporte 1.000.000 Behandlungsfälle
Rahmenbedingung: Sektorale Verantwortung Sektor Rechtsgrundlage Ambulant SGB V Sicherstellung Zuständig KV Berlin Leistungserbringer Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, Ärztlicher Bereitschaftsdienst der KV, Krankenhäuser bei amb. Behandlung Stationär LKG Land Berlin Gesundheits- verwaltung Krankenhäuser, sofern Teilnahme an der Notfallversorgung Notfallrettung RDG Land Berlin Innenverwaltung Feuerwehr, Hilfsorganisationen, Bundeswehr, Luftrettungsorganisationen
Schönen Gruß vom Vorstand Mit Beschlussfassung des Vorstands der Ärztekammer Berlin vom 21.02.2011 wurde der Arbeitskreis Notaufnahmen und Notfallmedizin eingesetzt, um losgelöst von Klinik- oder Fachgruppenzentrierten Interessen in der Akutund Notfallmedizin, sowohl präklinische, als auch klinische Aspekte der Notfallversorgung generell zu beleuchten und Ideen zu entwickeln, die bei Umsetzung nicht nur interdisziplinär, sondern auch sektorenübergreifend zur Verbesserung der Akut- und Notfallversorgung in Berlin beitragen. UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN
Was ist klar? Klare Regelungen für KV-Dienst Klare Rechtsvorschriften des Landes Berlin Rettungsdienstgesetz /Notarztdienstverordnung Landeskrankenhausgesetz Krankenhaushausverordnung Krankenhausplan 2010 Zahl interdisziplinärer Notaufnahmen steigt Zahl der eigenständigen Notaufnahmen steigt Deutsche Bezeichnung Notfallmedizin ist nicht EU-kompatibel
Was ist nicht klar? Unklarheit bei der Frage der Qualifikation Unterschiede in der WBO der Länder Notfallmedizin ausschließlich präklinisch! Klinische Notfallmedizin in Deutschland als Querschnittsbereich bis jetzt nicht existent Qualifikationsanforderungen für klinische Notfallmedizin sind undefiniert Weiterbildungsbefugnisse uneinheitlich Zum Facharztstandard in den Notaufnahmen verweist die Berliner Politik auf Regelung der Ärztekammer Berlin
Position der Berliner Ärztekammer? Die Forderung nach Einhalten des Facharztstandards würde die Anwesenheit eines Facharztes jeder Fachdisziplin vor Ort erforderlich machen, um unmittelbar die Behandlung leiten zu können. Abgesehen von der bereits bestehenden Knappheit von Fachärzten, sind die damit verbundenen Vorhaltekosten für die Krankenhäuser in der Krankenhausfinanzierung nicht berücksichtigt. Die ambulanten Erlöse, die aus den Behandlungen generiert werden können, decken die anfallenden Vorhaltekosten nicht, so dass ein dringender politischer Handlungsbedarf besteht. Eine denkbare Alternative, die rechtlich geforderten und ökonomisch realisierbaren Pole zur Deckung bringen zu können, wäre die Sicherstellung dieses Sektors durch einen Facharzt für Notfallmedizin, der allerdings in der Bundesrepublik bislang nicht existiert. Quelle: Stellungnahme des Krankenhausausschusses; Anlage 3 zum Krankenhausplan Berlin 2010
und wo ist jetzt das Problem???
That s the problem! I. Fachkompetenz: Breite der klinischen Notfallmedizin ist groß Anzahl der Fälle mit unklarer Symptomatik und unspezifischen Beschwerden ist hoch Spektrum umfasst außer Ersteinschätzung, Akutdiagnostik, Behandlung auch die Bewältigung außerordentlicher Lagen (Großschadensfall, K-Schutz, Terror), d.h. Organisationskompetenz ist wichtig!
That s the problem! II. Patientensicherheit und Haftungsrisiko Unbekannter Patient mit unklarer Symptomatik trifft auf unerfahrenen Arzt Leitsymptom gibt nicht zwingend Fachgebiet vor Dienst in den Notaufnahmen erfolgt nebenbei Fachärztliche Vorhaltung 24/7/365 ist schwierig Sachverständigenrat 2007: Anwesenheit des Facharztes nur in 8% der Fälle gegeben Haftungsrisiko ist bei zeitkritischen Fällen hoch
That s the problem! III. Berufliche Perspektive für Ärztinnen und Ärzte in der Notfallmedizin Interesse bei Weiterbildungsbeginn generell hoch Zunehmende Spezialisierung mit zunehmender Weiterbildung bedeutet: Notaufnahmen-Zeit = Karriere-Bremse Laufbahn als innerklinischer Generalist in Deutschland derzeit noch nicht als erstrebenswert angesehen, Aufstiegschancen derzeit gering Akademische Ausrichtung in Deutschland nicht groß Deutsche Qualifikation Notfallmedizin im Ausland nichts wert.
Welche Optionen sind denkbar? Optionen, um die Qualifikation der in den Notaufnahmen tätigen Ärzte zu steigern: 1. Standardisierter Kurs mit überwiegend organisatorischen Inhalten, vergleichbar z.b. Ärztliches Qualitätsmanagement 2. Zusatzweiterbildung, vergleichbar der Speziellen Intensivmedizin 3. Eigene Facharztentität Notfallmedizin
Meinung des AK Notaufnahme Curriculum Klinische Akutmedizin der BLÄK ist die Minimalversion, die gegenwärtig bei Fachgesellschaften und BÄK vorstellbar ist Zusatzweiterbildung im Rahmen der in Deutschland geführten Diskussion denkbar, ggf. auch in andere LÄK übertragbar. Kombination aus z.b. 2 Jahre Notaufnahme und Kurs und Prüfung Eigener Facharzt: Stellt die Maximalforderung dar, ist politisch am schwersten umsetzbar und birgt das Risiko der Isolierung Berlins in der BÄK
Bewertung der Optionen Qualität der Patientenversorgung Patientensicherheit und haftungsrechtliche Absicherung Ökonomische Betrachtung Dauer der Umsetzung und Realisierungschancen Nachwuchsförderung und Mitarbeiterzufriedenheit Kurs Zusatzweiter- bildung Facharzt o + ++ o o ++ - o + + + - - + +
Andererseits: The Trend is your Friend Quelle: Williams D.; The Development of European Emergency Medicine, Vortrag, Göttingen, 30.09.2011
September 1993 Map of the 29 member countries of UEMS showing status of specialty of Emergency Medicine Primary Specialty Supra- Specialty < 5 year Training = 2 = 1 = 0 None = 26 Quelle: Williams U N I V E R S D.; I T Ä T The S M E D Development I Z I N B E R L I N of European Emergency Medicine, Vortrag, Göttingen, 30.09.2011
September 1999 Map of the 29 member countries of UEMS showing status of specialty of Emergency Medicine Primary Specialty Supra- Specialty < 5 year Training None = 21 = 6 = 2 = 0 Quelle: Williams D.; The Development of European Emergency Medicine, Vortrag, Göttingen, 30.09.2011
September 2005 Map of the 29 member countries of UEMS showing status of specialty of Emergency Medicine Primary Specialty Supra- Specialty < 5 year Training None = 16 = 11 = 1 = 1 Quelle: Williams D.; The Development of European Emergency Medicine, Vortrag, Göttingen, 30.09.2011
September 2011 Map of the 29 member countries of UEMS showing status of specialty of Emergency Medicine Primary Specialty Supra- Specialty < 5 year Training None = 7 = 13 = 5 = 4 Quelle: Williams D.; The Development of European Emergency Medicine, Vortrag, Göttingen, 30.09.2011
Fazit des Arbeitskreises Wir halten es für höchst unwahrscheinlich, dass sich Deutschland der Entwicklung zum eigenen Facharzt für Notfallmedizin dauerhaft wird entziehen können. Go for it! 20
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! ich schleich mich jetzt wohl besser Dr. med. Werner Wyrwich, MBA Kaufm. Leiter CharitéCentrum 13, Charitéplatz 1, 10117 Berlin
Backup
Krankenhausplan des Landes Berlin 2010 Die Organisation der Notfallversorgung ist als interdisziplinäre Notaufnahme im Sinne einer eigenen strukturellen Einheit anzustreben. Dies gilt infrastrukturell (singuläre Einheit auf dem Klinikgelände), sachlich und organisatorisch. Organisatorisch muss gewährleistet sein, dass alle ankommenden Patientinnen und Patienten unverzüglich medizinisch eingeschätzt werden und gemäß der Verdachtsdiagnose eine adäquate Erstversorgung erhalten.
Krankenhausplan des Landes Berlin 2010 Eine eigene pflegerische Leitung ist Voraussetzung, eine eigene ärztliche Leitung (Chefarzt/Chefärztin) ist ebenso anzustreben wie ein eigener ärztlicher Personalstamm. Diese personelle Untermauerung der interdisziplinären Notaufnahme sichert Qualität durch klare Zuweisung von Verantwortung und gewährleistet eine/n einheitliche/n Ansprechpartner/in im Routinebetrieb, bei außergewöhnlichen Ereignissen und bei Beschwerden. Zur Aufrechterhaltung des Facharztstandards auch in der Notfallmedizin wird auf die Position der Berliner Ärztekammer verwiesen.
Notfallmedizin 2004 in die Musterweiterbildung aufgenommen Zuständigkeit der Landesärztekammern : Bei der Ausgestaltung der Zusatz- Weiterbildung Notfallmedizin verbleiben Unterschiede in den Regelwerken Diese betreffen die Möglichkeit zum Erwerb der Fachkunde Rettungsdienst Festlegung einzelner Abschnitte in Intensivmedizin, Anästhesiologie oder in der Notfallaufnahme unter Anleitung eines WBB gemäß 5 Abs. 1 Dauer der Kurs-Weiterbildung gemäß 4 Abs. 8 in allgemeiner und spezieller Notfallbehandlung Vorgaben zu Richtzahlen der abzuleistenden Notfalleinsätze Vorgaben zur Anzahl und Durchführung spezieller Verfahren. Darüber hinaus greifen Rechtsverordnungen der Länder, die zu beachten sind. Auch hier resultieren landestypische Eigenheiten für die Qualifizierung aus den jeweiligen Landesvorschriften.