Heilverfahren, Arbeitsunfähigkeit, MdE und Kosten bei distaler Radiusfraktur: Beschreibung und Prädiktion



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Transkript:

Institut für Medizinische Soziologie Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Heilverfahren, Arbeitsunfähigkeit, MdE und Kosten bei distaler Radiusfraktur: Beschreibung und Prädiktion Gefördert von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung Wolfgang Slesina, Sebastian Günther, Stefanie Bohley DGSMP-Jahrestagung,12.-14.09. 2012 in Essen

Ausgangspunkt Aufgabe der Gesetzlichen Unfallversicherung ist es u.a., bei Arbeits- und Wegeunfällen mit allen geeigneten Mitteln den Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern ( 26 SGB VII). Fragestellungen der Studie (1) Untersuchung der Prozess- und Ergebnisqualität des Heilverfahrens der DGUV am Beispiel der distalen Radiusfraktur (DRF) u.a. (2) Identifizierung von Prädiktoren der Dauer des Heilverfahrens der Dauer der Arbeitsunfähigkeit der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) der Kosten der Heilbehandlung.

Distale Radiusfraktur Bildquelle: http://www.fallsammlung-radiologie.de/ro_radiusfraktur.html

Methodik Studientyp: Beschreibende Verlaufsstudie durch Sekundärdatenanalyse: Auswertung der Unfall- und Behandlungsberichte zur Heilbehandlung. Datenerhebung: Erhebung der pseudonymisierten Unfall- und Behandlungsberichte zur Heilbehandlung der Personen mit distaler Radiusfraktur: pro Patient durchschnittlich 7 Berichte. Stichprobe: 8 Unfallversicherungsträger 185 Versicherte mit DRF im Alter 21 bis 65 Jahre Heilbehandlung im Zeitraum 2006 bis 2008 durchgeführt und abgeschlossen. Datenanalyse: deskriptiv multiple lineare und ordinale Regressionsanalysen.

Schweregrad der Verletzung (nach Weller-Key): leicht mittel schwer 47,4% 26,6% 26,0% Dauer der Heilbehandlung: Anzahl der Patienten: kürzeste Dauer (Tage) längste Dauer (Tage) MW SD 185 1 398 72,8 52,7 Dauer der Arbeitsunfähigkeit: Anzahl der Patienten: kürzeste Dauer (Tage) längste Dauer (Tage) MW SD 181 0 398 65,9 43,0 Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der MdE) : Anzahl der Patienten: keine MdE > 0 bis < 10 10 bis < 20 >= 20 185 49,2% 23,8% 14,6% 12,4%

Kosten der Heilbehandlung Kostenart: Anzahl Patienten MW Minimum Maximum Gesamtkosten 149 2118 18 10415 ambulante Behandlung 149 623 18 4114 stationäre Behandlung 68 2490 227 8782 Physiotherapie 98 471 38 2722 erweiterte ambulante Physiotherapie 6 1206 370 1927

Multiple lineare Regressionsanalyse (p<0,1) zur Dauer der Heilbehandlung Prädiktoren: β p DRF-Schweregrad (schwerer) 0,405 0,000 Anzahl der den Patienten behandelnden Einrichtungen (mehr) 0,164 0,021 Alter (älter) 0,143 0,037 R 2 = 26,7%

Multiple lineare Regressionsanalyse (p<0,1) zur Dauer der Arbeitsunfähigkeit Prädiktoren: β p DRF-Schweregrad (schwerer) 0,312 0,000 Anzahl der den Patienten behandelnden Einrichtungen (mehr) ausschließlich in Spezialkliniken (VAV, BG) behandelt (ja) 0,250 0,002 0,217 0,003 Ko-Verletzung der Handwurzel/Ulna (ja) 0,196 0,004 R 2 = 28,6%

Multiple ordinale Regressionsanalyse (p<0,1) zur Minderung der Erwerbsfähigkeit Prädiktoren: p DRF-Schweregrad (schwer) 0,000 Geschlecht (männlich) 0,003 DRF-Schweregrad (mittel) 0,007 Alter (älter) 0,013 Mitbetroffenheit des Handgelenkes (ja) 0,060 Unfallunabhängige Erkrankungen (ja) 0,075 R 2 nach Nagelkerke=32,8%

Multiple ordinale Regressionsanalyse (p<0,1) zur Minderung der Erwerbsfähigkeit Prädiktoren: OR 90% KI DRF-Schweregrad (schwer) 8,14 3,74 22,07 Geschlecht (männlich) 3,77 1,91 9,27 DRF-Schweregrad (mittel) 2,28 1,00 5,53 Mitbetroffenheit des Handgelenkes (ja) 2,24 1,15 5,11 Unfallunabhängige Erkrankungen (ja) 2,05 1,09 4,25 Alter (älter) 1,05 1,03 1,10 R 2 nach Nagelkerke=32,8%

Multiple lineare Regressionsanalyse (p<0,1) zu den Kosten der Heilbehandlung Prädiktoren: β p DRF-Schweregrad (schwerer) 0,589 0,000 Erstbehandlung in einer VAV-Klinik 0,185 0,003 Anzahl unfallunabhängiger Erkrankungen (höher) 0,127 0,042 Mitbetroffenheit des Handgelenkes (ja) 0,107 0,099 R 2 = 26,7%

Prädiktoren der HB-Dauer der AU-Dauer des MdE-Grads der Gesamtkosten (schwerer) (schwerer) (schwer) (schwerer) mehrere behandelnde Einrichtungen mehrere behandelnde Einrichtungen Geschlecht (männlich) Erstbehandlung in einer VAV-Klinik höheres Alter ausschließlich Behandlung in Spezialklinik (mittel) Anzahl unfallunabhängiger Erkrankungen Ko-Verletzung der Handwurzel/Ulna höheres Alter Mitbetroffenheit des Handgelenks Mitbetroffenheit des Handgelenks Unfallunabhängige Erkrankungen

Prädiktoren der HB-Dauer der AU-Dauer des MdE-Grads der Gesamtkosten (schwerer) (schwerer) (schwer) (schwerer) mehrere behandelnde Einrichtungen mehrere behandelnde Einrichtungen Geschlecht (männlich) Erstbehandlung in einer VAV-Klinik höheres Alter ausschließlich Behandlung in Spezialklinik (mittel) Anzahl unfallunabhängiger Erkrankungen Ko-Verletzung der Handwurzel/Ulna höheres Alter Mitbetroffenheit des Handgelenks Mitbetroffenheit des Handgelenks Unfallunabhängige Erkrankungen

Resümee und Diskussion Bei allen 4 Kriteriumsvariablen (HB- und AU-Dauer, MdE-Grad, Kosten) waren Merkmale der Verletzungsschwere signifikante Prädiktoren. Die HB- und AU-Dauer sowie die Kosten der Heilbehandlung wurden zusätzlich durch Aspekte des Versorgungsverlaufs prädiziert. Soziodemografische Variablen trugen zur Prädiktion des MdE-Grads und der HB-Dauer bei. Mit diesen Variablen konnte jedoch nur ein kleinerer Anteil der Varianz der Kriteriumsvariablen aufgeklärt werden.

Resümee und Diskussion Methodische Begrenzungen der Studie: Sekundärdatenanalyse: Begrenzung auf die in den Unfall- und Behandlungsberichten dokumentierten Daten. Zusätzlich erforderlich wären Primärdaten: psychologische Merkmale, soziale Unterstützung, eingeschränkte berufliche Funktionsfähigkeit der Betroffenen, Qualität der Heilbehandlung und der Steuerung des Versorgungsprozesses.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit