Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012. Überblick. Abteilung für Rechtspolitik



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Transkript:

Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 Überblick Abteilung für Rechtspolitik

INHALTSVERZEICHNIS: I. Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012... 3 1. Systemwechsel ab 1.1.2014 (BGBl I, 2012/51)...3 2. Organisation der Verwaltungsgerichte (Art 129 B-VG neu; BVwGG, BFGG, LVwGGs)...3 3. Aufgaben der Verwaltungsgerichte (Art. 130 B-VG neu)...4 4. Zuständigkeit (Art. 131 B-VG neu)...4 II. Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten... 5 1. Allgemeines...5 2. Bescheidbeschwerdeverfahren...5 3. Rechtsschutz bei Säumnis...8 III. Das Verfahren vor dem VwGH (Art. 133 B-VG neu, VwGG)... 8 1. Revision...8 2. Fristsetzungsantrag... 10

I. Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 1. Systemwechsel ab 1.1.2014 (BGBl I, 2012/51) Mit 1.1.2014 tritt ein Systemwechsel im Verwaltungsrechtsschutz in Kraft. Der administrative Instanzenzug im Verwaltungsverfahren wird mit einer Ausnahme (= eigener Wirkungsbereich der Gemeinden) abgeschafft; die Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag sowie eine Reihe von weisungsfreien Sonderbehörden werden aufgelöst (z.b. Vergabekontrollbehörden, Unabhängiger Umweltsenat, etc.). Entscheidungen von Verwaltungsbehörden oder auch deren Säumnis können anstelle einer Berufung bzw. eines Devolutionsantrages an eine übergeordnete Verwaltungsbehörde sofort mit dem Rechtsmittel der Beschwerde bei den neu geschaffenen Verwaltungsgerichten bekämpft werden. Die Verwaltungsgerichte lösen die bisherigen Berufungsbehörden (z.b. Landeshauptmann, Amt der Landesregierung, UVS, UFS, aufzulösende weisungsfreie Sonderbehörden, etc.) als Rechtsmittelinstanz ab. Der VwGH kann nur mehr eingeschränkt angerufen werden. 2. Organisation der Verwaltungsgerichte (Art 129 B-VG neu; BVwGG, BFGG, LVwGGs) Die Organisation der Verwaltungsgerichte ist in der Bundesverfassung grundgelegt (Art. 129 und 134 ff. B-VG idf BGBl I, 2012/51 im Folgenden: B- VG neu); ab 1.1.2014 wird in jedem Bundesland ein Landesverwaltungsgericht eingerichtet, dazu ein Bundesverwaltungsgericht und ein Bundesfinanzgericht (= 9+2 Modell). Die näheren Regelungen zur Organisation der Verwaltungsgerichte finden sich im Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG, BGBl I, 2013/10), dem Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG, BGBl I, 2013/14) sowie in den Landesverwaltungsgerichtsgesetzen. Die Landesverwaltungsgerichte haben ihren Sitz in der jeweiligen Landeshauptstadt. Bestehende Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag (v.a. UVS) sowie bestimmte weisungsfrei gestellte Kollegialorgane auf Landesebene werden mit Einrichtung der Landesverwaltungsgerichte aufgelöst und deren Aufgaben in die Landesverwaltungsgerichte eingegliedert. Das Bundesverwaltungsgericht hat seinen Sitz in Wien sowie Außenstellen in Graz, Innsbruck und Linz; der Asylgerichtshof wird mit 1.1.2014 zum Bundesverwaltungsgericht, welchem das mit 31.12.2013 aufzulösende Bundesvergabeamt sowie u.a. die Aufgaben einer Reihe von weisungsfrei gestellten Kollegialorganen auf Bundesebene eingegliedert werden. Die Außenstellen sollen zur Abwicklung von Verfahren mit starkem regionalem Bezug herangezogen werden (z.b. Sozialbereich, Asylverfahren). Das Bundesfinanzgericht wird als gesondertes Fachgericht für Abgabensachen eingerichtet. Es folgt dem mit 31.12.2013 aufzulösenden Unabhängigen Finanzsenat (= UFS) und verfügt über einen Sitz in Wien sowie Außenstellen in jedem Bundesland mit Ausnahme von Niederösterreich und Burgenland.

3. Aufgaben der Verwaltungsgerichte (Art. 130 B-VG neu) Die Verwaltungsgerichte entscheiden über Beschwerden gegen Bescheide einer Verwaltungsbehörde, Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (im Folgenden: AuvBZ) sowie bestimmte Weisungen im Schulbereich und wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnis). Darüber hinaus kann in Materiengesetzen eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Verwaltungsbehörde in Vollziehung der Gesetze (= v.a. schlicht hoheitliches Handeln), eines Verhaltens eines Auftraggebers in Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens sowie für Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten der öffentlich Bediensteten vorgesehen werden. Von dieser Möglichkeit wurde beispielsweise für den Bereich der öffentlichen. Auftragsvergabe im Bundesvergabegesetz Gebrauch gemacht. 4. Zuständigkeit (Art. 131 B-VG neu) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt über Beschwerden gegen Bescheide, Säumnis und AuvBZ von Verwaltungsbehörden in Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden (z.b. Bescheide des AMS, der Datenschutzbehörde, der Regulierungsbehörden im Telekommunikations- sowie Verkehrsbereich). Zudem entscheidet es über Beschwerden in Angelegenheiten der öffentlichen Auftragsvergabe, soweit diese in Vollziehung Bundessache sind (= bisherige Zuständigkeiten des Bundesvergabeamtes), in UVP-Angelegenheiten oder auch in Angelegenheiten der Sozialversicherung. Eine Liste jener Materien, die zur Gänze oder zumindest teilweise in die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes fallen, ist auf der Website des Bundesverwaltungsgerichtes zu finden: http://www.asylgh.gv.at/site/7814/default.aspx. Das Bundesfinanzgericht entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide, AuvBZ und Säumnis in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (ausgenommen Verwaltungsabgaben von Bund, Ländern & Gemeinden), Angelegenheiten des Finanzstrafrechtes und sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheiten, die unmittelbar von den Abgaben- und Finanzstrafbehörden des Bundes (v.a. Zollamt, Finanzamt, BMF) besorgt werden. Die Landesverwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden gegen Bescheide, Säumnis und AuvBZ von Verwaltungsbehörden soweit keine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes oder des Bundesfinanzgerichtes besteht. Es handelt sich somit insbesondere um Angelegenheiten, die (in erster Instanz) in die Zuständigkeit von Landesverwaltungsbehörden, in mittelbarer Bundesverwaltung tätig werdenden Behörden (v.a. Bezirksverwaltungsbehörden) und Selbstverwaltungskörpern fallen. WKÖ, Rp-Abteilung 4

Die örtliche Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte ist im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG, BGBl I, 2013/33) geregelt und richtet sich nach den allgemeinen Regelungen des AVG (Lage des Gutes, Betriebsstandort bzw. Hauptwohnsitz, Aufenthalt, etc.). Für Verwaltungsstrafverfahren ist der Sitz der Behörde, die den Bescheid (nicht) erlassen hat, ausschlaggebend. Kann keine örtliche Zuständigkeit eines Landesverwaltungsgerichtes ermittelt werden, ist subsidiär das Landesverwaltungsgericht Wien zuständig. II. Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten 1. Allgemeines Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten ist für das Bundesverwaltungsgericht und die Landesverwaltungsgerichte einheitlich im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG, BGBl I, 2013/33) geregelt. Dieses orientiert sich an den Bestimmungen des AVG, VwGG und VStG. Soweit das VwGVG keine spezifischen Regelungen beinhaltet, kommen subsidiär die Verwaltungsverfahrensgesetze bzw. jene Verfahrensvorschriften, die die Behörde anzuwenden hatte, zum Tragen ( 11 und 17 VwGVG). In Materiengesetzen werden teilweise abweichende Regelungen für das Verfahren getroffen, welche im Folgenden nur exemplarisch angeführt werden können. Das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht ist in der Bundesabgabenordnung (BAO idf BGBl I, 2013/14) gesondert geregelt. Die folgenden Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und den Landesverwaltungsgerichten. Die Verwaltungsgerichte entscheiden grundsätzlich durch Einzelrichter, für manche Bereiche wird in Materiengesetzen jedoch eine Senatszuständigkeit vorgesehen (idr 3-er Senat aus Berufsrichtern oder unter Mitwirkung von fachkundigen Laienrichtern, letzteres z.b. im AMS-Bereich, Datenschutz, Vergaberecht). Mitunter ist auch ein Einsatz von Rechtspflegern vorgesehen, deren Entscheidungen jedoch nicht mit Beschwerde, sondern (binnen 2 Wochen) mit Vorstellung an einen Richter des Verwaltungsgerichtes angefochten werden können ( 54 VwGVG). Im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten besteht keine Anwaltspflicht. 2. Bescheidbeschwerdeverfahren Eine Beschwerde gegen einen Bescheid kann von jeder Partei eingebracht werden, die sich dadurch in ihren Rechten verletzt erachtet. Darüber hinaus kommt auch Amtsparteien (z.b. Bundesminister) mitunter von Gesetzes wegen ein Beschwerderecht zu (z.b. Wasserrecht). WKÖ, Rp-Abteilung 5

Bei Beschwerden gegen Bescheide, die im eigenen Wirkungsbereich einer Gemeinde ergangen sind, muss der innergemeindliche Instanzenzug erschöpft sein, sofern dieser nicht ausgeschlossen wurde. Eine Beschwerde muss binnen 4 Wochen ab Zustellung des Bescheides oder, sofern er lediglich mündlich verkündet wurde, ab dessen Verkündung bei der belangten Behörde schriftlich eingebracht werden ( 7 ivm 12 VwGVG). Die Beschwerde hat folgende Angaben zu enthalten ( 9 VwGVG): Bezeichnung des angefochtenen Bescheides Bezeichnung der belangten Behörde Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt ein Begehren (= Antrag auf Aufhebung/Abänderung des Bescheides) Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist (z.b. Zustelldatum) Neue Tatsachen oder Beweismittel können vorgebracht werden ( 10 VwGVG). Der Beschwerde kommt von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zu, sofern nicht in Materiengesetzen eine abweichende Regelung getroffen wird (z.b. EisenbahnG). Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung ausschließen bzw. auf Antrag auch wieder zuerkennen ( 13 VwGVG). Die belangte Behörde hat die Möglichkeit, binnen 2 Monaten selbst über die Beschwerde zu entscheiden und ihren eigenen Bescheid im Rahmen des in der Beschwerde vorgebrachten Begehrens und der dargelegten Gründe aufzuheben, abzuändern oder auch die Beschwerde zurück- oder abzuweisen (= Beschwerdevorentscheidung, 14 VwGVG). Einzelne Materiengesetze schließen diese Möglichkeit aus (z.b. ASVG betr. Erstattungskodex-Verfahren) oder sehen abweichende Fristen zur Beschwerdevorentscheidung vor (z.b. AMS-Bereich: 10 Wochen). Es besteht kein Anspruch auf Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung, diese liegt vielmehr im Ermessen der Behörde. Wurde durch die Beschwerdevorentscheidung die Angelegenheit nicht zur Zufriedenheit aller Parteien erledigt, so kann eine Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht beantragt werden ( 15 VwGVG). Ein Vorlageantrag kann vom Beschwerdeführer, aber auch einer sonstigen Verfahrenspartei binnen 2 Wochen ab Zustellung der Beschwerdevorentscheidung gestellt werden. Wird der Antrag nicht vom Beschwerdeführer gestellt, so hat jene Partei, die den Vorlageantrag einbringt, darin die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie ein Begehren darzulegen. Dem Vorlageantrag kommt grundsätzlich aufschiebende Wirkung zu. Durch den Vorlageantrag tritt die Beschwerdevorentscheidung nicht außer Kraft. Mit Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht ist dieses zur Entscheidung berufen. Das Verwaltungsgericht hat grundsätzlich binnen 6 Monaten ab Vorlage der Beschwerde über diese zu entscheiden ( 34 VwGVG; abweichende Regelungen z.b. im AuslBG, Asylrecht, etc.). Wurde eine Beschwerdevorentscheidung erlassen, ist diese Prüfgegenstand beim WKÖ, Rp-Abteilung 6

Verwaltungsgericht. Der Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes ist durch das in der Beschwerde vorgebrachte Begehren sowie die dargelegten Gründe beschränkt ( 27 VwGVG). Parteistellung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat neben dem Beschwerdeführer und den sonstigen Verfahrensparteien auch die jeweils belangte Behörde ( 18 VwGVG). Das Verwaltungsgericht muss auf Antrag oder wenn es dies für erforderlich hält, eine mündliche Verhandlung durchführen, es sei denn, der verfahrenseinleitende Antrag oder die Beschwerde ist zurückzuweisen oder es steht bereits aufgrund der Aktenlage fest, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Eine mündliche Verhandlung kann trotz Antrages entfallen, wenn eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten ist und dies im Einklang mit dem Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC steht. Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung muss in der Beschwerde oder im Vorlageantrag gestellt werden. Auch eine sonstige Partei kann eine mündliche Verhandlung beantragen ( 24 VwGVG). Verhandlungen des Verwaltungsgerichtes sind grundsätzlich öffentlich; ein Ausschluss der Öffentlichkeit ist nur aus den im Gesetz ( 25 VwGVG) genannten Gründen zulässig (z.b. zur Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, im Interesse des Schutzes des Privatlebens einer Partei/eines Zeugen/eines Dritten). Das Verwaltungsgericht hat von Amts wegen für die vollständige Erörterung der Sache zu sorgen und in der Verhandlung die zur Entscheidung erforderlichen Beweise aufzunehmen ( 25 VwGVG). Das Verwaltungsgericht hat grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden. Diese Pflicht besteht jedenfalls, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist ( 28 VwGVG). Eine kassatorische Entscheidung kann das Verwaltungsgericht insbesondere dann fällen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. In einem solchen Fall kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wobei die Behörde an die rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichtes gebunden ist ( 28 VwGVG). Im Verwaltungsstrafverfahren muss das Verwaltungsgericht stets in der Sache selbst entscheiden, kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde nicht ausgeschlossen werden ( 41 VwGVG) und besteht die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Verfahrenshilfe ( 40 VwGVG). WKÖ, Rp-Abteilung 7

3. Rechtsschutz bei Säumnis Auch bei Säumnis einer Verwaltungsbehörde kann künftig anstelle des bisherigen Devolutionsantrages an eine übergeordnete Behörde - eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht erhoben werden. Eine Säumnisbeschwerde kann erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet (Art. 132 B-VG neu). Die Säumnisbeschwerde ist bei der Behörde, die ihre Entscheidungspflicht verletzt hat, einzubringen ( 12 VwGVG) und hat folgende Angaben zu enthalten ( 9 VwGG): Bezeichnung der Behörde, deren Entscheidung begehrt wurde Begehren (= Antrag auf Erlassung des Bescheides) Angaben, um glaubhaft zu machen, dass die Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde (idr 6 Monate ab Einlangen des Antrages) abgelaufen ist. Die säumige Behörde kann die Säumnisbeschwerde dem Verwaltungsgericht vorlegen oder den ausständigen Bescheid binnen 3 Monaten selbst nachholen ( 16 VwGVG). Wird der Bescheid nachgeholt, ist das Säumnisbeschwerdeverfahren einzustellen, der erlassene Bescheid kann im Wege einer Bescheidbeschwerde bekämpft werden. Erfolgt keine Nachholung des Bescheides, ist die Säumnisbeschwerde dem Verwaltungsgericht vorzulegen. Dieses hat darüber binnen 6 Monaten zu entscheiden ( 34 VwGVG), kann seine Entscheidungen jedoch vorerst auf einzelne maßgebliche Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid binnen einer Frist von max. 8 Wochen zu erlassen ( 28 VwGVG). Macht das Verwaltungsgericht von dieser Möglichkeit Gebrauch, wird der Bescheid von der Behörde jedoch nicht nachgeholt, beginnt die 6- monatige Entscheidungsfrist für das Verwaltungsgericht, das nun in der Sache zu entscheiden hat, mit Ablauf der vom Verwaltungsgericht gesetzten Frist. Hinsichtlich der mündlichen Verhandlung, deren Öffentlichkeit, allfällige erforderliche Beweisaufnahmen gilt, das zur Bescheidbeschwerde Ausgeführte sinngemäß. III. Das Verfahren vor dem VwGH (Art. 133 B-VG neu, VwGG) 1. Revision Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte können künftig nur eingeschränkt mit Revision beim Verwaltungsgerichtshof (bzw. im Rahmen von Art. 144 B-VG beim Verfassungsgerichtshof) bekämpft werden. Im Folgenden werden (lediglich) die WKÖ, Rp-Abteilung 8

zentralen sich aus dieser Änderung ergebenden Neuerungen im VwGH- Verfahren behandelt. Revision kann sowohl erheben, wer durch das Erkenntnis in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, als auch die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht, d.h. die Behörde, die den Bescheid erlassen hat (Art. 133 Abs. 6 B-VG neu). In bestimmten Angelegenheiten kommt auch dem zuständigen Bundesminister oder sonstigen Amtsparteien ein Revisionsrecht zu (z.b. wasserwirtschaftliches Planungsorgan nach dem Wasserrechtsgesetz). Voraussetzung für eine Revision ist, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Rechtsprechung des VwGH fehlt, diese uneinheitlich ist oder das Verwaltungsgericht von der VwGH-Rechtsprechung abgewichen ist. Im Verwaltungsstrafverfahren muss zudem eine Geldstrafe von über 400,- verhängt worden sein, bei einer möglichen Strafhöhe von über 750,- ( 25a VwGG idf BGBl I, 2013/33 im Folgenden VwGG neu). Das Verwaltungsgericht muss in seinem Erkenntnis aussprechen, ob eine (ordentliche) Revision zulässig ist ( 25a VwGG neu). Hat das Verwaltungsgericht ausgesprochen, dass eine Revision unzulässig ist, besteht die Möglichkeit einer außerordentlichen Revision ( 28 Abs. 3 VwGG neu). Die Revision ist binnen 6 Wochen ab Zustellung des Erkenntnisses beim Verwaltungsgericht einzubringen ( 24 ivm 26 VwGG neu) und hat Folgendes zu beinhalten ( 28 VwGG neu): Sachverhalt Bezeichnung der Rechte, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt ein bestimmtes Begehren. Bei einer außerordentlichen Revision sind zusätzlich die Gründe, warum eine Revision für zulässig erachtet wird, darzulegen. Im Revisionsverfahren besteht Anwaltspflicht, d.h. die Revision ist von einem Rechtsanwalt einzubringen ( 24 VwGG neu). Verfahrenshilfe kann beantragt werden ( 24 ivm 61 VwGG neu). Einer Revision kommt grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zu, die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung kann jedoch beantragt werden ( 30 VwGG neu). Das Verwaltungsgericht hat bei ordentlichen Revisionen eine Vorprüfung durchzuführen, und dabei insbesondere unzulässige Revisionen (z.b. wegen Fristversäumnis oder Unzuständigkeit des VwGH) zurückzuweisen, erforderlichenfalls Mängelbehebungsaufträge zu erteilen, über eine beantragte Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu entscheiden sowie die Revision den Parteien zuzustellen und sie zur Einbringung einer Revisionsbeantwortung aufzufordern ( 30a VwGG neu). WKÖ, Rp-Abteilung 9

Nach Abwicklung des Vorverfahrens ist das Verwaltungsgericht zur Vorlage der Revision an den VwGH verpflichtet. Der VwGH ist an die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch das Verwaltungsgericht nicht gebunden ( 34 VwGG neu). Der VwGH kann die Revision zurückweisen oder abweisen, das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes aufheben, oder auch selbst in der Sache entscheiden ( 42 VwGG neu). 2. Fristsetzungsantrag Kommt ein Verwaltungsgericht seiner Entscheidungspflicht nicht binnen der gesetzlich vorgegebenen Frist ( 34 VwGVG) nach, kann dessen Säumnis mit Fristsetzungsantrag an den VwGH releviert werden (Art. 133 B-VG neu). Ein derartiger Fristsetzungsantrag ist beim Verwaltungsgericht einzubringen, das eine Zulässigkeitsprüfung vorzunehmen und in weiterer Folge den Fristsetzungsantrag an den VwGH vorzulegen hat ( 30a VwGG). Der Fristsetzungsantrag hat folgende Angaben zu enthalten: Bezeichnung des Verwaltungsgerichtes, dessen Entscheidung in der Rechtsache begehrt wird Sachverhalt das Begehren, dem Verwaltungsgericht für die Entscheidung eine Frist zu setzen Angaben, um glaubhaft zu machen, dass die Frist zur Erhebung des Fristsetzungsantrages (idr 6 Monate ab Vorlage der Beschwerde) abgelaufen ist Der VwGH hat dem Verwaltungsgericht aufzutragen, das ausstehende Erkenntnis (bzw. den ausstehenden Beschluss, soweit kein Erkenntnis zu fällen war) binnen einer Frist von max. 3 Monaten zu erlassen ( 38 VwGG). Diese Frist kann einmal verlängert werden, wenn das Verwaltungsgericht Gründe nachweisen kann, die eine fristgerechte Erlassung des Erkenntnisses (bzw. des Beschlusses) unmöglich gemacht haben. Ist das Verwaltungsgericht seiner Entscheidungspflicht (weiterhin) nicht nachgekommen, so muss ihm der VwGH letztlich auftragen, das Erkenntnis oder den Beschluss innerhalb einer von ihm festzusetzenden angemessenen Frist nachzuholen ( 42a VwGG). WKÖ, Rp-Abteilung 10

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