Fall 3. Sachverhalt: Auch in letzter Instanz unterlag E vor Gericht.



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Transkript:

Sachverhalt 1 Fall 3 Sachverhalt: E ist Alleineigentümer eines Mehrfamilienhauses, in dem er sechs Wohnungen vermietet hat. Nur im Dachgeschoss ist noch eine 40 qm-wohnung frei. Nachdem das kleine Bauernhaus, in dem er selber mit seiner Ehefrau F seit vielen Jahren lebt, aufgrund einer vom Oberbürgermeister der Stadt erlassenen Abbruchverfügung abgerissen werden musste und die Eheleute dadurch in finanzielle Schwierigkeiten gerieten, beschlossen sie, zunächst in die kleine Dachwohnung zu ziehen. Nach ihrem Einzug stellte sich heraus, dass die Isolierung des Dachgeschosses mangelhaft war. Außerdem konnten sie die vielen Möbel, die sie zuvor in ihrem Bauernhaus aufgestellt hatten, in der kleinen Wohnung nicht unterbringen. Nachdem E und F einige Wochen dort gelebt haben und sie feststellen mussten, dass die Lebensqualität für sie erheblich eingeschränkt war, beschlossen sie, dem Mieter M, der in einer größeren Wohnung in ihrem Haus wohnte, zu kündigen. Als dieser trotz ordnungsgemäßer Kündigung nicht auszog, erhob E Räumungsklage. Das Gericht, das über die Klage zu entscheiden hatte, war der Auffassung, dass die Dachgeschosswohnung für E und F groß genug sei und aus diesem Grund kein Grund für eine Kündigung gegenüber M bestehe. Auch in letzter Instanz unterlag E vor Gericht. Er ist der Ansicht, dass er einen Anspruch darauf habe, sich in seinem Mehrfamilienhaus eine angemessene Wohnung auszusuchen, die er zusammen mit F beziehen kann. Aus seinem Eigentumsrecht ergebe sich auch das Kündigungsrecht gegenüber M. E wendet sich an den Rechtsanwalt R und bittet ihn um Hilfe. Was wird R ihm raten? Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB): 573 BGB Ordentliche Kündigung des Vermieters (1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat.... (2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mieteverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn 1.... 2. der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder 3....

2 Einführung in das Verfassungsrecht der BRD R wird E die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, 13 Nr. 8a, 23, 90 ff. BVerfGG anraten und das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung des Gerichts gemäß 95 Abs. 2 BVerfGG aufheben, wenn die Verfassungsbeschwerde zulässig und begründet ist. A. Zulässigkeit Die Verfassungsbeschwerde müsste zulässig sein. Das ist der Fall, wenn die in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, 13 Abs. 1 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG geregelten Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen. 5 Punkte I. Beschwerdegegenstand E müsste einen zulässigen Beschwerdegegenstand vortragen. Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde kann gemäß 90 Abs. 1 BVerfGG nur ein Akt der öffentlichen Gewalt sein. Es ist dies jedes Handeln oder Unterlassen eines staatlichen Organs der Exekutive, der Legislative oder der Judikative. 1 Die Verfassungsbeschwerde des E richtet sich unmittelbar gegen die gerichtlichen Entscheidungen, mithin gegen Maßnahmen der Judikative. Ein zulässiger Beschwerdegegenstand liegt demzufolge vor. 5 Punkte II. Beschwerdefähigkeit E müsste auch beschwerdefähig sein. Gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, 90 Abs. 1 BVerfGG kann jedermann Verfassungsbeschwerde erheben, soweit er Träger von Grundrechten ist. E ist als natürliche Person mit deutscher Staatsangehörigkeit grundrechtsfähig, mithin ist er auch beschwerdefähig. 10 Punkte III. Beschwerdebefugnis Weiterhin müsste E beschwerdebefugt sein. Nach 90 Abs. 1 BVerfGG ist die Verfassungsbeschwerde nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer behauptet, durch die Maßnahme in einem seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte verletzt zu sein. Aufgrund des Vortrags des Beschwerdeführers muss zumindest die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung bestehen Bei einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil muss der Beschwerdeführer eine spezifische Grundrechtsverletzung geltend machen. Diese ist unter anderem dann gegeben, wenn das Gericht bei der abstrakten Auslegung einer einfachgesetzlichen Vorschrift oder deren konkreten Anwendung die Bedeutung der Grundrechte, die Grenzen der Einschränkbarkeit oder den Grundsatz der Verhält- 1 Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, Art. 93 Rn. 40.

nismäßigkeit verkannt hat. Allein die Verletzung des einfachen Rechts ist nicht ausreichend, da das Bundesverfassungsgericht keine Superrevisionsinstanz ist. 3 Das Gericht könnte in seinem letztinstanzlichen Urteil die Bedeutung der Eigentumsfreiheit verkannt und E damit in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzt haben. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Grundrechte ihre Wirkung zunächst zwischen Bürger und Staat entfalten; sie dienen dem Bürger als Abwehrrechte 2. Hier geht es aber um eine Rechtsstreitigkeit zwischen Privatpersonen. E ist daher nur dann beschwerdebefugt, wenn die Eigentumsfreiheit auch im Privatrecht zur Anwendung gelangt; sog. Drittwirkung der Grundrechte. Das BAG geht von einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte aus. Viele bedeutende Grundrechte seien nicht nur Freiheitsrechte, sondern auch Ordnungsgrundsätze für das soziale Leben, die auch unmittelbare Bedeutung für den privaten Rechtsverkehr zwischen den Bürgern haben 3. Die hm lehnt eine unmittelbare Drittwirkung von Grundrechten hingegen ab. Als Begründung führt sie den Wortlaut von Art. 1 Abs. 3 GG an, in dem nur die öffentliche Gewalt genannt ist. Auch die Systematik der Grundrechte weise darauf hin, dass der Gesetzgeber eine unmittelbare Drittwirkung nur dann gewähren wollte, wenn er dies ausdrücklich vorgesehen hat, wie in Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG. Unstreitig prägen die Grundrechte aber die Gesetzgebung, die Verwaltung und die Rechtsprechung 4 ; sie stellen eine objektive Wertordnung dar, die in allen Rechtsgebieten Beachtung finden muss. Sie entfalten im Rahmen von unbestimmten Rechtsbegriffen im Zivilrecht ihre Wirkung und sind bei deren Auslegung zu berücksichtigen. Diese Vorschriften dienen daher als Einbruchstellen der Grundrechte, die auf diesem Weg eine mittelbare Wirkung erlangen. E könnte geltend machen, dass die Gerichte bei ihren Entscheidungen die unbestimmten Rechtsbegriffe in 573 Abs. 1 BGB berechtigtes Interesse und in Abs. 2 Nr. 2 benötigt nicht unter Beachtung seines Eigentumsrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG ausgelegt und angewendet haben. Aus dem Vortrag von E ergibt sich zumindest die Möglichkeit einer Rechtsverletzung. E ist folglich beschwerdebefugt. IV. Rechtswegerschöpfung 5 Punkte Erst nach Erschöpfung des Rechtsweges, soweit dieser eröffnet ist, kann der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erheben, 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG. E hat den zunächst erforderlichen Rechtsweg durchlaufen, so dass diese Voraussetzung erfüllt ist. 2 Pieroth/Schlink Grundrechte, Rdnr.188. 3 BAGE 1, 185 (193 f.). 4 Pieroth/Schlink, Grundrechte Rdnr.194.

4 Einführung in das Verfassungsrecht der BRD V. Form und Frist E muss auch das Schriftformerfordernis der 23 Abs.1 S.1, 92 BVerfGG und die einmonatige Beschwerdefrist ab dem letztinstanzlichen Urteil gemäß 93 Abs.1 S.1 BVerfGG einhalten. VI. Zwischenergebnis Eine Verfassungsbeschwerde des E wäre zulässig. B. Begründetheit 70 Punkte Die Verfassungsbeschwerde des E ist begründet, wenn er durch das letztinstanzliche Urteil in einem seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte verletzt ist. Das ist dann der Fall, wenn das Gericht in seinem Urteil das Grundrecht des E aus Art. 14 Abs. 1 GG verkannt hat und das Urteil auf diesem Fehler beruht. I. Schutzbereich E könnte in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzt sein. Dazu müsste zunächst der personale Schutzbereich eröffnet sein: Grundrechtsträger der Eigentumsgarantie ist zumindest jede natürliche Person. E wird demzufolge vom personalen Schutzbereich der Eigentumsfreiheit erfasst. Es müsste weiterhin der sachliche Schutzbereich eröffnet sein: Der Begriff des Eigentums wird in Art. 14 Abs. 1 GG nicht definiert. Es bedarf daher einer Konkretisierung durch den Gesetzgeber. Daher umfasst der sachliche Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG alles, was das einfache Recht zu diesem Zeitpunkt als Eigentum definiert 5. Geschützt ist nicht nur das Eigentum an sich, sondern auch seine Nutzung. II. Eingriff Es müsste auch ein Eingriff in den Schutzbereich vorliegen. Ein Eingriff ist jede Verkürzung des Schutzbereichs eines Grundrechtes. Das Gericht hatte im Rahmen der Entscheidung über die Räumungsklage das von E vorgetragene berechtigte Interesse im Sinne von 573 BGB verneint. Mit dieser Ablehnung hat es E daran gehindert, selbst in die Wohnung einzuziehen und diese nach seinen Vorstellungen zu nutzen. Ein Eingriff in den Schutzbereich liegt demzufolge vor. III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Dieser Eingriff könnte jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. 5 BVerfGE 58, 300 (336).

Außerhalb einer Enteignung kann der Gesetzgeber gemäß Art. 14 Abs.1 S. 2 GG die Schranken des Eigentums bestimmen. Der mit dem letztinstanzlichen Urteil verbundene Eingriff in das Eigentumsrecht von E wäre daher dann gerechtfertigt, wenn dieses Urteil lediglich die gesetzlich verankerten Beschränkungen der Eigentümerbefugnisse konkretisiert. 5 1.) Verfassungsmäßigkeit von 573 BGB Dafür müsste zunächst 573 BGB verfassungsgemäß sein. a) Formelle Verfassungsmäßigkeit In formeller Hinsicht bestehen gegen die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift keine Bedenken. b) Materielle Verfassungsmäßigkeit Die Vorschrift müsste auch materiell verfassungsmäßig sein. Zunächst müsste der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift ein legitimes Ziel verfolgt haben. 573 BGB soll das Recht zum Besitz des Mieters an der angemieteten Wohnung schützen und ihn vor willkürlichen Kündigungen des Vermieters bewahren. Der Gesetzgeber verfolgt mit dieser Vorschrift ein legitimes Ziel. Weiterhin müsste das Mittel (d.h. die Beschränkung der Eigentümerbefugnisse) auch geeignet sein, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Indem der Gesetzgeber die Anforderungen an eine Kündigung gegenüber dem Mieter erhöht hat, schützt er dessen Besitzrecht. Das Mittel war somit zur Erreichung des Zwecks geeignet. Es müsste auch erforderlich sein. Das Mittel ist dann erforderlich, wenn es kein anderes, gleich geeignetes Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks gibt. Für den Mieter stellt die Kündigung der Wohnung und die oft folgende Räumungsklage eine erhebliche Belastung dar. Zum einen ist er gezwungen, eine neue Unterkunft zu suchen, was sich angesichts eines angespannten Wohnungsmarktes häufig als schwierig darstellt. Zum anderen bedeutet diese Veränderung auch eine Beeinträchtigung der Lebenssituation und daher in vielen Fällen eine erhebliche persönliche Belastung. Zum Schutz des Mieters ist somit die Begrenzung des Kündigungsrechts auch erforderlich. Ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich. Weiterhin müsste die Einschränkung des Kündigungsrechts auch zumutbar sein. Der Gesetzgeber muss dem Sozialgebot aus Art. 14 Abs.2 GG auf der einen und das Privateigentum aus Art. 14 Abs.1 S.1 auf der anderen Seite Rechnung tragen.

6 Einführung in das Verfassungsrecht der BRD Dabei muss beiden in gleicher Weise Rechnung getragen werden und ein gerechter Ausgleich geschaffen werden 6. Die Schaffung von Wohnungseigentum ist oft aus finanziellen Gründen nicht für alle Bürger möglich, so dass viele Mieter auf Wohnraum zur Miete angewiesen sind. Der Vermieter lässt sich bei der Vermietung von Wohnraum darauf ein, dass dieser für den Mieter zum Lebensmittelpunkt wird. Aufgrund der mit einem Umzug verbundenen finanziellen und persönlichen Belastungen hat der Gesetzgeber grundsätzlich das Recht zu einer weit reichenden Beschränkung der Verfügungsgewalt des Eigentümers. Auf der anderen Seite hat der Gesetzgeber dem Vermieter aber die Möglichkeit der Eigenbedarfskündigung eingeräumt. 573 BGB schafft somit einen angemessenen Ausgleich beider Interessen und ist demzufolge verfassungsmäßig. 2.) Verfassungsmäßigkeit der Anwendung von 573 BGB Das Gericht müsste bei der Anwendung des 573 BGB das Eigentumsrecht des Vermieters beachtet haben. Hinsichtlich der Anforderungen an den legitimen Zweck, die Geeignetheit und die Erforderlichkeit kann hier auf das bereits oben Ausgeführte verwiesen werden. Fraglich ist aber, ob die von E begehrte Kündigung wegen Eigenbedarfs auch zumutbar ist. Für eine Eigenbedarfskündigung ist es erforderlich, dass der E ein unter Beachtung von Art. 14 Abs. 1 GG berechtigtes Interesse an der eigenen Nutzung hat. Der Wille des Eigentümers, seinen Wohnraum selbst zu nutzen, wird auch durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt und kann daher nur eingeschränkt vom Gericht überprüft werden. Nur in den Fällen eines offensichtlichen Missbrauchs des Kündigungsrechts wegen Eigenbedarfs kann das Gericht ein Verbot aussprechen. E und F leben nach ihrem Auszug aus dem Bauernhaus in einer Dachgeschosswohnung mit einer Größe von 40 qm, die schlecht isoliert ist. Auch die vielen Möbel, die sie zuvor problemlos aufstellen konnten, sind für sie in der kleinen Wohnung nicht mehr unterzubringen. Der Umzug stellte für beide sowohl aus Platzgründen als auch aus gesundheitlichen Gründen wegen der schlechten Isolierung eine erhebliche Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen dar. E hatte aus diesen Gründen ein berechtigtes Interesse an einer Kündigung wegen Eigenbedarfs. An diesem Ergebnis ändert sich auch dann nichts, wenn man mit dem Bundesverfassungsgericht 7 das Besitzrecht des Mieters als vom Eigentumsrecht des Art. 14 Abs. 1 GG geschützt ansieht: In diesem Fall kommt es zu einer Grundrechtskollision, die aber zugunsten des Eigentumsrechts des E aufgelöst werden muss, da sein Interesse an der Nutzung der Wohnung hier überwiegt. 6 BVerfGE 52, 1 (29); 87, 114 (138). 7 BVerfGE 89, 1 [7]

C. Ergebnis 7 Eine Verfassungsbeschwerde wäre zulässig und begründet, demzufolge wird R dem E den Weg zum Bundesverfassungsgericht anraten.