Helmholtz Zentrum München M - Deutsches Forschungszentrum für f r Gesundheit und Umwelt Institut für f r Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen A. Mielck Arm und krank? Wie sozial ist unser Gesundheitswesen? Gliederung Messung von Armut und sozialer Ungleichheit Zusammenhang mit Gesundheit - empirische Ergebnisse - Erklärungsans rungsansätze, Kausalität Soziale Ungleichheit in der gesundheitlichen Versorgung Vergleiche mit anderen Europäischen Staaten Diskussion
Messung von Armut und sozialer Ungleichheit Bildung - höchster Schul- bzw. Hochschulabschluß - höchster berufsbildender Abschluß Beruflicher Status - Falls jetzt oder früher berufstätig: Stellung im Beruf - dito für (Ehe-)partner Einkommen - monatliches Netto-Einkommen im Haushalt insgesamt (nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben) - Personen im Haushalt: bis 6, 7-14, 15-17, 18 Jahre und älter
Netto-Äquivalenz quivalenz-einkommen pro Monat (2003) Anteil (%) vom Median in Euro Männer (%) Frauen (%) bis 60 ('arm') bis 746 12,9 14,3 60 bis 80 bis 994 13,6 15,6 80 bis 100 bis 1.243 21,2 22,4 100 bis 150 bis 1.865 32,9 31,0 ab 150 ('reich') ab 1.865 19,4 16,7 100,0 100,0 (neue OECD-Äquivalenz quivalenz-skala) Median 1.243 Euro (50%( 50%-Armutsgrenze: bis 622 Euro) Daten: Sozio-ökonomisches Panel 2003 (ca. 28.000 Personen ab 18 Jahre) Quelle: Lampert/Kroll 2006
Einkommen und Lebenserwartung Männer 85 80 75 70 65 60 55 50 < 60% 60-80% 80-100% 199-150% > 150% Lebenserw artung 70,1 73,4 75,2 77,2 80,9 Gesunde LE 56,8 61,2 64,5 66,8 71,1 Netto-Äquivalenz-Einkommen Quelle: SOEP 1995-2005 (Lampert et al. 2007)
Einkommen und Lebenserwartung Frauen 90 85 80 75 70 65 60 55 50 < 60% 60-80% 80-100% 199-150% > 150% Lebenserwartung 76,9 81,9 82 84,4 85,3 Gesunde LE 60,8 66,2 67,1 69,1 71 Netto-Äquivalenz-Einkommen Quelle: SOEP 1995-2005 (Lampert et al. 2007)
Altersgruppe 7-17 Jahre: Psychische Auffälligkeiten Sozialer Status der Eltern Depression Ängste ADHS a 'gestörtes Sozialverhalten' - niedrig 7,3 12,9 3,7 11,3 - mittel 5,5 10,1 2,3 7,1 - hoch 3,8 8,0 0,9 5,7 a) Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivit /Hyperaktivitätsstörungen Quelle: : Ravens-Sieberer et al. 2007
Erklärung rung der 'gesundheitlichen Ungleicheit' Soziale Ungleichheit Unterschiede bei den - Gesundheitlichen Belastungen (z.b. physische und psychische Belastungen am Arbeitsplatz) - Gesundheitlichen Ressourcen (z.b. soziale Unterstützung, Grünflächen in Wohnumgebung) Unterschiede bei der gesundheitl. Versorgung (z.b. Zahnersatz, Arzt-Patient-Kommunikation) Unterschiede im Gesundheitsverhalten (z.b. Ernährung, Rauchen, Compliance) Gesundheitliche Ungleichheit
Gesundheitsverhalten: Empirische Ergebnisse Höhere Gefährdung in der unteren Statusgruppe Rauchen (v.a. weniger Beendigung des Rauchens) Übergewicht (z.b. bundesweite 'Verzehrstudie') Mangel an sportlicher Betätigung tigung Bluthochdruck hoher Alkoholkonsum (bei Männern) Höhere Gefährdung in der oberen Statusgruppe hoher Alkoholkonsum (bei Frauen)
Rauchen und Schulbildung bei Erwachsenen 60 Männer Prävalenz 40 20 0 60 18-29 30-39 40-49 50-59 60-79 Hauptschule Mittlere Reife Abitur Frauen Prävalenz 40 20 0 18-29 30-39 40-49 50-59 60-79 Hauptschule Mittlere Reife Abitur Stichprobe: 6.963 Personen; Datenbasis: Befragung 1997/99 (Bundes-Gesundheitssurvey 1998); Quelle: Lampert/Thamm 2004
Quelle: Senatsverwaltung 2004
Lebensbedingungen: Empirische Ergebnisse Lärm und Luftverschmutzung : (sehr) starke Belastung Sozio-ökonomisches Panel 1999, Odds Ratios neue Bundesländer, Deutsche Quelle: Mielck 2004 Pro-Kopf-Einkommen (DM pro Monat) 2.700 bis 2.700 bis 1.800 900 Lärm 1,00 2,19 2,95 3,68 Luftverschmutzung 1,00 4,29 5,94 9,42 Beides 1,00 2,35 3,77 4,65
Gesundheitlichen Versorgung: Empirische Ergebnisse Höhere Gefährdung in unterer Statusgruppe geringere Teilnahme an Präventionsma ventionsmaßnahmennahmen schlechtere Sanierung kranker Zähne weniger Besuche beim Facharzt mehr aus Kostengründen nden 'vermiedene Arztbesuche längeres Warten auf ärztlich Behandlung (GKV/PKV) weniger Zeit beim Gespräch mit dem Arzt (GKV/PKV) größ ößere Sorge um künftige Absicherung bei Krankheit größ ößere Probleme bei Zuzahlungen schlechtere Versorgung von Diabetikern etc.
GKV-Versicherte Versicherte Finanzielle Probleme bei Zuzahlungen (in %) 40 35 30 25 20 15 10 5 0 bis 600 bis 800 bis 1.000 bis 1.300 ab 1.300 Pro-Kopf-Einkommen pro Monat (auch bei Kontrolle von Alter und Geschlecht) Daten: Gesundheits-Monitor 2004 Quelle: Mielck 2005
Sozialer Status und Diabetes mellitus 1 (obere Schicht) Odds Ratios a S o z i a l e r S t a t u s (Quintile) b 2 3 4 5 (untere Schicht) Männer 1,00 1,46 1,39 1,70* 1,85* Frauen 1,00 1,44 1,63 1,89* 2,07* *:p < 0,05 a: Kontrollierte Variablen: Alter, Body-Mass-Index b: Index aus Schulbildung, beruflicher Stellung, Einkommen Stichprobe: 7.663 Männer, 7.722 Frauen (25-69 Jahre, Deutsche) Quelle: Helmert et al. 1994
Bei Typ 2 Diabetikern: Weniger Wissen über Diabetes bei niedriger Schulbildung 60 50 Sehr gut informiert über... (in %) 40 30 20 Bildung: niedrig Bildung: mittel Bildung: hoch 10 0 Diabetes allgemein Ernährung Gewichtskontrolle (auch bei Kontrolle von Alter, Geschlecht, Diagnose-Dauer Dauer etc.) Quelle: Mielck et al. 2006
Bei Typ 2 Diabetikern: Weniger Schulung bei niedriger Schulbildung Jemals an einer Schulung teilgenommen (in %) 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Herzinfarkt: nein Herzinfarkt: ja Bildung: niedrig Bildung: mittel Bildung: hoch (auch bei Kontrolle von Alter, Geschlecht, Diagnose-Dauer Dauer etc.) Quelle: Mielck et al. 2006
Bei Typ 2 Diabetikern: Schlechtere Blutzuckerkontrolle bei niedrigem Sozialstatus HbA1c 6,5% (in %) 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Herzinfarkt: nein Herzinfarkt: ja SES: niedrig SES: mittel SES: hoch (auch bei Kontrolle von Alter, Geschlecht, Diagnose-Dauer Dauer etc.) Quelle: Reisig et al. 2007
Stufen-Modell der gesundheitlichen Versorgung Vorschlag von Tugwell (2006): 'efficacy' (Wirksamkeit unter idealen Bedingungen) 'access' (% der Zielgruppe erreicht) 'diagnostic accuracy' (Präzision der Diagnose) 'provider compliance' (Ärzte-Compliance mit Guidelines) 'consumer compliance' (Patienten-Compliance) 'community effectiveness' (% der Zielgruppe nach Guidelines behandelt)
Ungleichheit in der gesundheitlichen Versorgung (hypothetisches Beispiel) % der erreichten Personen 100 80 60 40 20 0 1 2 3 45 5 Oberer Status 90 60 60 90 60 Unterer Status 90 40 40 90 40 1: efficacy; 2: access; 3: diagnostic accuracy; 4: provider compliance; 5: consumer compliance
Ungleichheit in der gesundheitlichen Versorgung (hypothetisches Beispiel) 'Community Effectiveness' (in %) 100 80 60 40 20 0 1 2 3 4 5 Oberer Status 90 54 32,4 29,2 17,5 Unterer Status 90 36 14,4 13 5,2 1: efficacy; 2: access; 3: diagnostic accuracy; 4: provider compliance; 5: consumer compliance
Vergleiche mit anderen Europäischen Staaten Art und Ausmaß der gesundheitlichen Ungleichheit ähnlich in allen westeuropäischen Staaten Daten zumeist nur eingeschränkt nkt vergleichbar Gesundheitspolitische Maßnahmen große Unterschiede in Westeuropa besonders großes Engagement z.b.. in Finnland,, NL, UK
Umfassendes Konzept: England - 39 Empfehlungen (mit 123 Unterpunkten) - Alle Politikbereiche (z.b. Bildung, Wohnen, Luftverschmutzung, Ernährung, Gesundheitswesen) - Unterscheidung von sozialen Untergruppen (z.b. nach Alter, Geschlecht, Familienstand, Nationalität) - Betonung von drei besonders wichtigen Ansatzpunkten (1) 'Health Inequality Impact Assessments' (2) Monitoring der Ungleichheit, Evaluation der Maßnahmen (3) Gesundheitsförderung von Müttern und Kindern Quelle: Judge 2006
Verringerung der Unterschiede: Quantitative Zielvorgaben Finnland (2000) Mortalität: bis 2015 um 20% reduzieren Die Niederlande (2000) 'Healthy Life Expectancy': bis 2020 von12 auf 9 Jahre Irland (2001) Mortalität: bis 2007 um 10% reduzieren Niedriges Geburtsgewicht: dito England (2003) Mortalität 'individuell' : bis 2010 um 10% reduzieren Mortalität 'regional' : bis 2010 um 40% reduzieren Rauchen: bis 2010 in unterer Statusgruppe max. 26% (ähnlich auch in: Schottland,, Wales, Nordirland) Quelle: Judge 2006
'Von Daten zu Taten' Empirische Belege Steigerung der Wahr-Nehmung Gleichgültigkeit / Leugnen Betroffenheit Mentaler Block Einzelne, relativ isolierte Maßnahmen Vernetzung der Maßnahmen, Evaluation Etablierung umfassender Programme
20 SGB V (Prävention und Selbsthilfe) (gültig seit 1.1.2000) " Leistungen zur Primärprävention sollen den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen erbringen. "
Up-Stream Down-Stream Sozio-ökonomischer Status Belastungen und Ressourcen Arbeitsbedingungen Wohnbedingungen Soziale Unterstützung Gesundheitliche Versorgung Gesundheitsverhalten Gesundheit Akteure Gesetzgeber Arbeitgeber Gewerkschaften Kommunen Krankenkassen Ärzte Familie Individuum
Diskussion Ausmaß der sozialen Ungleichheit z.b: Armut bei Kindern, Zunahme der Armut Arbeits- und Wohnbedingungen z.b: Lärm / Luftverschmutzung in Wohngegend 'Good Practice' Beispiele z.b: Projekte der BZgA Evaluation von Interventions-Ma Maßnahmen z.b: Bereitstellung eines Methoden-Sets Gesundheitsförderung und Prävention z.b: Maßnahmen nach 20 (SGB V) 'Politischer Wille' z.b: Gesundheitsziele in UK
Vielen Dank
Andreas Mielck, Dr. phil., M.P.H. Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen Postfach 1129, 85758 Neuherberg Tel.: (089) 3187-4460; Fax: - 3375 e-mail: mielck@helmholtz-muenchen.de http://www.helmholtz-muenchen.de/igm/ Auf Anfrage sende ich Ihnen gern die Literaturhinweise zu!