Gummitwist in meiner Tasche Die zeichnerische Linie als flächenbildendes Element Jahrgangsstufe 6 Fach Kunst Zeitrahmen 4-5 Doppelstunden Prüfungsart Praktische Arbeit Benötigtes Material - Heft - Zeichenpapier DIN-A3 - weiche Bleistifte - Zeichenfeder, Federhalter und Tusche Anhand der folgenden Aufgabe werden Bewertungsaspekte für praktische Arbeiten im Kunstunterricht differenziert dargestellt. Die Aufgabe gliedert sich in mehrere Übungs- und Ausführungsschritte, die eine Bewertung entweder mit einer Gesamtnote oder mit mehreren Teilnoten zulässt. Die einzelnen Bewertungsaspekte werden zunächst in den jeweiligen Aufgabenschritten unter den Durchführung- und Bewertungskriterien der Aufgabenschritte dargelegt. Im zweiten Teil dieses Bewertungsszenarios findet sich ein zusammenfassender Erwartungshorizont mit ergänzenden Hinweisen zur Bewertung. Aufgabe Der Blick in eine bis oben gefüllte Tasche oder in einen Rucksack enthüllt ein chaotisches und geheimnisvolles Durcheinander von Gegenständen aller Art: Stelle dir vor, du öffnest deine Tasche, voll mit Dingen, die dir wichtig sind. Manche Gegenstände können persönliche Geheimnisse in sich bergen und z. B. Andenken oder Fundstücke sein. Zeichne nun den Blick von oben in die Tasche. Platziere die Öffnung deiner Tasche oder deines Rucksacks formatfüllend. Erfasse die Größenverhältnisse und die Umrisse der Gegenstände möglichst genau. Zeige die Fülle der Objekte durch das zeichne- 1
rische Mittel der Überschneidung. Differenziere die übereinanderliegenden Gegenstände auch mittels Helligkeitsunterschieden. Gestalte ausgewählte Details anschaulich und bilde ggf. Schriftzüge, die sich auf deinen Objekten befinden, treffend nach. Achte auf den adäquaten Einsatz der Zeichenmaterialien! Erwartungshorizont Gummitwist in meiner Tasche... ist eine Aufgabenstellung zur Handzeichnung, die über vorbereitende Übungen zu Überschneidungen zur Entwicklung einer Bildidee führt. Mit Bleistiften, Tusche und Feder kommen unterschiedliche Zeichenwerkzeuge zum Einsatz. Die mehrschrittige Aufgabenstellung erlaubt es, den Prozess des individuellen, sukzessiven Kompetenzerwerbs nachzuvollziehen. Folgende Aspekte finden bei der Bewertung Berücksichtigung: - Vielfalt und Originalität bei der Ideenfindung - Erfindungsreichtum bei der Zusammenstellung der Gegenstände - Fähigkeit zur räumlichen Darstellung in der Fläche insbesondere durch klare Überschneidungen der Formen - Spannungsreiche Anordnung und Ausarbeitung der Objekte - Klärung des Figur-Grund-Verhältnisses - Adäquater Einsatz der zeichnerischen Mittel und Werkzeuge Durchführung und Bewertungsaspekte der Aufgabenschritte 1. Makkaroni-Teller: Zeichnerische Übung als Vorbereitung Die Darstellung von Räumlichkeit in der Fläche mittels Überschneidungen ist für Schülerinnen und Schüler der 6. Jahrgangsstufe eine neue Herausforderung. Eine Zeichenübung dazu ( Makkaroniteller von oben ) bereitet die Aufgabe Gummitwist in meiner Tasche vor. Sie ist optional einsetzbar und dient der Erprobung und Einübung der Kompetenz, mittels Überschneidungen von Formen räumliche Wirkungen zu erzeugen. Zeichne das große, formatfüllende Oval eines Tellers, auf den du von oben blickst. Der Teller ist voll, die Nudeln schlängeln sich unter- und übereinander. Stelle jede einzelne Nudel mit zwei parallelen Linien dar. Eine gezeichnete Gabel oder ein Löffel kann in dein Bild ragen. Die Fachbegriffe Umrisszeichnung und Überschneidung werden im Unterrichtsgespräch erläutert. Es wird erarbeitet, wie gezeichnete Dinge vorne oder hinten platziert erscheinen, indem die klare Umrisslinie einer Form von einer anderen teilweise überschnitten wird. 2
Aspekt Überschneidung: Der Blick auf einen Nudelteller dient als Vorübung zur Aufgabe Gummitwist in meiner Tasche.... 2. Zeichnerische Ideenentwicklung Im Anschluss an diese Vorübung werden das Thema Gummitwist in meiner Tasche... eingeführt und den Schülerinnen und Schülern die Bewertungskriterien erläutert. In einer Entwurfszeichnung wird das Vorstellungsbild einer gefüllten Tasche mit allerlei übereinanderliegenden Gegenständen skizziert: Entwickle skizzenhaft deine Ideen zu dem Thema Gummitwist in meiner Tasche.... Platziere die Umrisslinie deiner Tasche möglichst formatfüllend, so dass die Öffnung groß sichtbar ist. Zeichne vornehmlich mit der Umrisslinie. Stelle die Fülle der Gegenstände in der Tasche durch das zeichnerische Mittel der Überschneidung dar. Bilde Schriftzüge, die sich ggf. auf deinen Objekten befinden, treffend nach! Bewertungsaspekte Ideenentwicklung Die Kriterien für die Qualität der Ideenskizzen sind: - Einfallsreichtum, Vielfalt und Originalität - Fähigkeit, die Dinge wiedererkennbar zu skizzieren - Fähigkeit, die Dinge wirkungsvoll anzuordnen Die Schülerinnen und Schüler werden im Lernprozess engagiert begleitet und darin unterstützt, die formale und inhaltliche Gestaltung zu bewältigen. Die Reflexion und Kommunikation über die Ideenentwicklungen im Einzelgespräch sowie im Plenum der Klasse steigert die Qualität der Lösungen. Wertschätzende Rückmeldungen mit präzisen und aufmerksamen Beobachtungen zu den formalen wie inhaltlichen Darstellungsweisen befördern die jeweilige Selbsteinschätzung und das Miteinander. 3
Auf diese Arbeit bezieht sich die erste Teilnote (siehe Tabelle unter Hinweise zur Bewertung). Die Ergebnisse können im Hinblick auf das Endergebnis auch zur Dokumentation des individuellen Lernfortschritts dienen. Skizzenhafte Ideenentwicklungen in unterschiedlicher Ausgestaltung 3. Die Vorzeichnung Stelle die Gegenstände in der Tasche mit Umrisslinien dar. Achte dabei auf die Verteilung der Dinge in der gesamten Fläche! Bewertungsaspekte Vorzeichnung Die Kriterien für die Qualität der Vorzeichnung sind: - Zeichnerische Verdichtung zu einer geklärten Darstellung - Überschneidungen - Hinzufügen von Schriftelementen Die Schülerinnen und Schüler verdichten in der Vorzeichnung, die sich an die Skizze anschließt, die inhaltlichen und formalen Anforderungen zu einer geklärten Darstellung. Aspekte wie Fülle, Chaos, Dichte, Geheimnis werden gemeinsam reflektiert. Zugleich wird die Herausforderung, in das gezeichnete Über- und Untereinander von Gegenständen ein 4
sich schlängelndes Gummiband, Seil oder Kabel zu platzieren und Schriftelemente hinzuzufügen, besprochen. Tipps helfen bei der Bewältigung. Da diese Bleistiftzeichnung in einem weiteren Schritt als Tuschfederzeichnung mit Hell-Dunkel ausgearbeitet werden soll, genügt eine Konturzeichnung. Die vorhergehenden Ideenskizzen können in dieser Umsetzung modifiziert werden, um die Bildwirkung zu verbessern. Vorzeichnungen zu Gummitwist in meiner Tasche.... Die zeichnerische Ausgestaltung zeigen Unterschiede in der Ideenvielfalt und Intensität. Nach Abschluss der Vorzeichnung kann die zweite Teilnote auf die Aufgabe gebildet werden (siehe Tabelle). Bei der Bewertung ist die Sichtung der Übungsaufgabe ( Makkaroni von oben ) und der zeichnerischen Ideenentwicklung förderlich. Der individuelle Lernfortschritt kann dadurch deutlicher berücksichtigt werden. 4. Tuschezeichnung Die Federzeichnung löst bei den Kindern einen großen Reiz aus. Zunächst wird der materialgerechte Umgang mit Feder und Tusche erklärt und erprobt. Begriffe wie Schraffur und Struktur werden durch gezeichnete Beispiele an der Tafel von den Schülerinnen und Schülern selbst veranschaulicht und damit Möglichkeiten zur Hell-Dunkel-Darstellung und zur Differenzierung des Figur-Grund-Verhältnisses erprobt. Ergänzend wird knapp auf die Geschichte der Federzeichnung eingegangen - von der Verwendung von Bambusrohren als 5
übertragendes Mittel im Zeichnen über den Gebrauch und Zuschnitt von Gänsekielfedern bis zur Erfindung von Metallfedern. Nach der Einführung des neuen Zeichenwerkzeuges beginnen die Schülerinnen und Schüler mit der Ausarbeitung ihrer Vorzeichnung mit Tusche und Feder. Finde für die Darstellung der charakteristischen Oberflächen der Gegenstände möglichst unterschiedliche Schraffuren und Strukturen. Achte darauf, dass sich die Gegenstände gut voneinander absetzen, z. B. ein großkariertes oder ein kleingepunktetes Muster aufweisen und detailreich ausgestaltet sind. Stelle die Rundung des Gummitwists, Seils oder Kabels mit Formlinien dar und achte auf die dabei entstehenden Überschneidungen. Platziere und gestalte die Schriftzüge der Objekte stimmig! 6
Die Tuschezeichnungen zeigen unterschiedliche Intensitäten bei der Hell-Dunkel-Darstellung, der Differenzierung des Figur-Grund-Verhältnisses sowie der Gestaltung des Schriftzuges. Bewertungsaspekte Tuschezeichnung Bei der Bewertung der Tuschezeichnung sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen: - spannungsreiche Verteilung von Hell-Dunkel, - Detailreichtum der Gestaltung, - überzeugende Einsatz der Schrift, - materialgerechter Umgang mit Tusche und Feder. Die vorrangige Herausforderung besteht darin, mit Kontrasten und klaren Überschneidungen die Figur-Grund-Problematik zu lösen. Bei der Bewertung können darüber hinaus Versuche, mit dem Einsatz von Hell-Dunkel auch Plastizität zu erzeugen, gewürdigt werden. Eine explizit plastische Modellierung (mit Lichteinfall und Schatten) würde allerdings die meisten Schülerinnen und Schüler dieser Altersgruppe noch überfordern. Die Zeichnungen werden im Kunstraum aufgehängt oder ausgelegt, verglichen und hinsichtlich der eingangs genannten Kriterien der Aufgabenstellung diskutiert und reflektiert. So wird die sich daran anschließende Benotung für die Schüler transparent. Individuelle Lernfortschritte werden durch entsprechende wertschätzende Rückmeldungen in der Gruppe deutlich und bewusst. 7
(Vgl. dazu aus dem Jahrgangsstufenprofil der Grundlegenden Kompetenzen : Die Schülerinnen und Schüler gestalten unter Nutzung elementarer Formen der Raumdarstellung und Komposition einfache Bilder, Objekte, Szenen, um das Verhältnis von Material, Bearbeitung/Komposition und Wirkung auf elementarer Ebene zu erproben und bewusst zu erfahren. ) Kompetenzerwartungen im LehrplanPLUS Die Schülerinnen und Schüler... - stellen - in Malerei oder Zeichnung - Raum mit den Mitteln (...), Staffelung, Überschneidungen und Größenverhältnisse dar (LB 6.1) - wenden Ansicht und Bildausschnitt als bildnerische Gestaltungsmittel bewusst an, um sie als faszinierende Möglichkeit zur gezielten Erzeugung von Bildwirkungen in Malerei und Zeichnung zu verstehen (LB 6.1) - gestalten einfache Text-Bild-Kombinationen (LB 6.3) Zuordnung der Operatoren zum Kompetenzstrukturmodell und zu den übergeordneten Schlüsselkompetenzen Die Kriterien zur Beurteilung der praktischen Aufgabe sollen sich zweifelsfrei aus der Aufgabenstellung erschließen lassen. Die gestalterische Herausforderung und das angestrebte Ziel werden durch adäquate Operatoren deutlich. Sie spiegeln die unterschiedlichen Anforderungsbereiche wie Reproduktion, Reorganisation und Transfer sowie Problemlösen. Die Bewertungskriterien lassen sich den prozessbezogenen Kompetenzen des Kompetenzstrukturmodells des Fachprofils des LehrplanPLUS zuordnen, wobei Begriffe wie Deuten und Analysieren sich auch auf den Prozess der praktischen Erarbeitung beziehen können. Die übergeordneten Schlüsselkompetenzen werden im Kunstunterricht vielfältig erworben. Die folgende Tabelle versucht, diese Zusammenhänge darzustellen: 8
Operatoren der Aufgabenstellung Kriterien zur Beurteilung der praktischen Aufgabe Prozessbezogene Kompetenzen Übergeordnete Schlüsselkompetenzen 1. Stelle dir vor, du öffnest deine Tasche, voll mit Dingen, die für dich wichtig sind. ( ) Ideenfindung, Ideenvielfalt, Originalität Wahrnehmen, Imaginieren Selbstkompetenz Sprachkompetenz Idee/Imagination 2. Zeichne nun den Blick von oben in die Tasche. Darstellungsfähigkeit in der Umsetzung der Bildidee, Eigenständigkeit der Lösung Imaginieren, Entwerfen, Reflektieren Methodenkompetenz Entwurf BILDUNG DER 1. TEILNOTE 3. Platziere die Öffnung deiner Tasche formatfüllend. Fähigkeit die Gegenstandselemente sinnvoll zu kombinieren, Entwerfen, Gestalten, Analysieren Methodenkompetenz Vorzeichnung / Umsetzung kompositorische Lösung der Bildordnung, Linie als flächenbildendes Element 4. Erfasse die Größenverhältnisse und die Umrisse der Gegenstände möglichst genau. Zeige die Fülle der Objekte durch das zeichnerische Mittel der Überschneidung. Fähigkeit, die zeichnerischen Mittel der Räumlichkeit (Überschneidung, Verdichtung und Größenunterschiede) bildwirksam einzusetzen Gestalten, Deuten, Analysieren, Reflektieren, Werten (im Plenum) Methodenkompetenz Sprachkompetenz Sozialkompetenz Umriss / Umsetzung BILDUNG DER 2. TEILNOTE 5. Differenziere die übereinanderliegenden Gegenstände auch mittels Helligkeitsunterschieden. Fähigkeit mittels des Einsatzes von Schraffuren, Strukturen und der Formlinie das Figur-Grundverhältnis zu klären Imaginieren, Gestalten, Deuten, Analysieren, Vorrangig 9
Ausarbeitung Reflektieren 6. Gestalte ausgewählte Details anschaulich und bilde ggf. Schriftzüge auf deinen Objekten treffend nach! Fähigkeit, passende Details spannungsvoll zu inszenieren und Schriftelemente stimmig den Objekten anzupassen Imaginieren Gestalten, Deuten, Analysieren, Methodenkompetenz Ausarbeitung Reflektieren 7. Achte auf den adäquaten Einsatz der Zeichenmaterialien! Fähigkeit des geschickten Einsatzes von Bleistift und Zeichenfeder, Materialbewusstsein und Sorgfalt Wahrnehmen, Gestalten, Deuten, Methodenkompetenz Ausarbeitung Analysieren, Werten BILDUNG DER 3. TEILNOTE ALTERNATIV: BILDUNG EINER GESAMTNOTE Rückmeldungen zum Kompetenzerwerb Am Ende der Unterrichtssequenz sind zwei Bewertungsmodelle denkbar, die in unterschiedlicher Weise entweder den Arbeitsprozess (Bildung von Teilnoten) oder das Ergebnis (Bildung einer Gesamtnote) fokussieren: Bildung von drei Teilnoten Die Rückmeldungen zum Kompetenzerwerb erfolgen in diesem Fall auf Basis der gegliederten Teilaufgaben und der entsprechenden Kriterien. Dieses Verfahren beobachtet und bewertet stringent den Erwerb von Teilkompetenzen. Außerdem bildet sich der individuelle Verlauf des Erarbeitungsprozesses und des Kompetenzerwerbs deutlich ab. Die Anregung, den mehrteiligen Arbeitsprozess kritisch zu reflektieren wird bei den Schülerinnen und Schülern durch die Rückmeldung zum individuellen Leistungserwerb verstärkt. Die Fähigkeit, den eigenen Arbeitsprozess kritisch zu reflektieren, wird dadurch gefördert. - Die erste Teilnote bezieht sich auf die Vorzeichnung und würdigt den Ideenfindungsund Entwurfsprozess (Idee/Imagination, Entwurf). - Die zweite Teilnote bezieht sich auf die Gestaltung der Bildkomposition und den adäquaten Einsatz der raumschaffenden Mittel (Umsetzung). 10
- Die dritte Teilnote bezieht sich auf das Ergebnis des Arbeitsprozesses und damit auf alle Kriterien der Bewertung, unter anderem die Ausarbeitung des Helldunkels und auf die detailreiche, typografisch passende und dabei materialgerechte Ausführung (Ausarbeitung). Alternativ: Bildung einer Gesamtnote Mit Blick auf das Ergebnis wird die Bewertung auf Basis aller Kriterien festgelegt. Sichtung und Reflexion durch alle Schülerinnen und Schüler im Unterrichtsgespräch erfolgen. Wesentlich ist es, in diesem Gespräch die der Aufgabe zu Grunde liegenden Bewertungskriterien nochmals gemeinsam zu benennen und die Bilder daraufhin zu analysieren (siehe Tabelle). Quellen- und Literaturangaben LehrplanPLUS Bayern Die Aufgabe und alle nicht anders gekennzeichneten Texte wurden für den Arbeitskreis Serviceteil Kunst am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) erstellt. Alle Rechte für Bilder und Texte liegen beim ISB, München, 2017. 11