Übung Versicherungsrecht WS 09/10 Ass. Jur. Isabel Mattern Informationspflichten des Versicherers, 7 VVG i.v.m. der VVG-InfoV 1. Allgemeines Allgemeine vorvertragliche Informationen für alle Sparten seit dem 1.1.2008 bzw. 1.7.2008 1 Zweck: informationeller Verbraucherschutz VN soll in die Lage versetzt werden, eine informierte, rationale Vertragsentscheidung zu treffen eine informierte Entscheidung des VN ist Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs VN benötigt Informationen über Versicherungsprodukte Adressat des 7 VVG sind ausschließlich Versicherer Ist ein Versicherungsvermittler zwischengeschaltet, wird sich die Verpflichtung zur Informationserteilung o Aus dem Agenturvertrag (Versicherungsvertreter) oder o Dem üblichen Rahmenabkommen (Versicherungsmakler) ergeben wegen der Widerrufsmöglichkeit nach 8 VVG hat auch der Vermittler regelmäßig ein Interesse an der rechtzeitigen Informationserteilung 7 VVG und die VVG-InfoV enthalten v.a. o Die zuvor aufsichtsrechtlich in 10a VAG a.f. i.v.m. Anlage D (Abschnitt I und II) enthaltenen Informationspflichten (europarechtlicher Hintergrund: Deregulierung 1994) o Die durch die Fernabsatz-Richtlinie Finanzdienstleistungen 2 vorgeschriebenen Informationspflichten ( 48b VVG a.f. wiederum europarechtlicher Hintergrund) Durch 7 VVG und die VVG-InfoV werden diese Pflichten einheitlich zivilrechtlich geregelt und zugleich durch die VVG-InfoV erweitert Empfängerkreis der Informationspflichten: nicht nur Verbraucher, sondern auch sonstige Versicherungsnehmer (Ausnahme: Großrisiken, 7 V VVG) Informationen dienen daher nicht nur dem Verbraucher-, sondern generell dem Versicherungsnehmerschutz Zu erteilende Pflichtinformationen, 7 I 1 VVG: 1 Wegen des kurzen Zeitraums zwischen Verkündung (21.12.2007) und beabsichtigtem Inkrafttreten der VVG-InfoV (1.1.2008) wurde den Versicherern zur Ausarbeitung ihrer Informationen eine Übergangsregelung gewährt, vgl. 7 VVG-InfoV. 2 Fernabsatz-Richtlinie Finanzdienstleistungen: Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.9.2002 über Verbraucherverträge über Finanzdienstleistungen im Fernabsatz und zur Änderung der Richtlinien 90/619/EWG und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl.EG 2002 L 271/16. 1
o Vertragsbestimmungen einschließlich der AVB o Die in der VVG-InfoV 3 enthaltenen Angaben 2. VVG-InfoV Die VVG-InfoV enthält die zusätzlich zu den Vertragsbestimmungen (inklusive AVB, 7 I VVG) zu erteilenden Informationen Allgemeine, spartenübergreifende Informationen Spezifische, spartenbezogene Informationen Produktinformationsblatt für Verbraucher, 4 VVG-InfoV 2.1. Spartenübergreifenden Informationen, 1 I VVG-InfoV Gelten für alle Versicherungszweige Informationen o zum Versicherer (Nr. 1 bis 5), o zur angebotenen Leistung (Nr. 6 bis 11), o zum Vertrag (Nr. 12 bis 18), o zum Rechtsweg (Nr. 19 und 20) deutliche Hervorhebung bestimmter Informationen erforderlich, soweit diese ausschließlich in den AVB enthalten sind, 1 II VVG-InfoV: o Anschrift des Versicherers, 1 I Nr. 3 VVG-InfoV, o Widerrufsrecht, 1 I Nr. 13 VVG-InfoV und o Vertragsbeendigung, 1 I Nr. 15 VVG-InfoV 2.2. Besondere Informationen in der Lebensversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung 4 und der Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr, 2 VVG-InfoV Angaben in Euro ( 2 II VVG-InfoV) zur Höhe der in die Prämie einkalkulierten Kosten ( 2 Abs. 1 Nr. 1 VVG-InfoV) (P): Kostentransparenz 2 Abs. 1 Nr. 1 VVG-InfoV verlangt nur die Offenlegung der in die Prämie einkalkulierten Abschlusskosten, d.h. derjenigen Kosten, die der VN über die Prämie für den Vertragsschluss unmittelbar zu tragen hat ABER: Diese auszuweisenden Kosten sind meist nicht die tatsächlichen, vom Versicherer an den Vermittler gezahlten Abschlusskosten (diese sind regelmäßig höher und werden über die Vertragslaufzeit zum Teil noch von den laufenden Beiträgen erhoben) 3 7 II VVG enthält die gesetzliche Ermächtigung zu Erlass der VVG- Informationspflichtenverordnung. 4 Gem. 2 IV 1 VVG-InfoV gelten sämtliche für die Lebensversicherung geltenden Informationspflichten ( 2 I und II VVG-InfoV) auch für die nunmehr in 172 ff. VVG als eigenständiger Vertragstypus kodifizierten Berufsunfähigkeitsversicherung. Da die Berufsunfähigkeitsversicherung unter die Sparte Lebensversicherung fällt, ist dieser Hinweis lediglich klarstellend. 2
Angaben in Euro ( 2 II VVG-InfoV) zu sonstigen (laufenden) Kosten ( 2 I Nr. 2 VVG-InfoV) Berechnungsgrundsätze und Maßstäbe für die Überschussermittlung und beteiligung ( 2 I Nr. 3 VVG-InfoV) während der Vertragslaufzeit besteht außerdem die Verpflichtung, den VN jährlich über den Stand der Überschussbeteiligung sowie darüber zu informieren, inwieweit die Überschussbeteiligung garantiert ist ( 6 I Nr. 3 VVG-InfoV) Angabe der Rückkaufswerte in Euro ( 2 I Nr. 4, II VVG-InfoV) spezielle Informationen zu einer prämienfreien Versicherung in Euro ( 2 I Nr. 5, II VVG-InfoV) bei fondsgebundenen Versicherungen Informationen zu den Fonds ( 2 I Nr. 7 VVG-InfoV) Informationen zur Steuerregelung ( 2 I Nr. 8 VVG-InfoV) 2.3. Besondere Informationen in der substitutiven Krankenversicherung ( 12 I VAG) Kostenangaben ( 3 I Nr. 1, Nr. 2, II VVG-InfoV) Informationen zur künftigen Beitragsentwicklung ( 3 I Nr. 3 VVG) Hinweise auf die Möglichkeiten zur Beitragsbegrenzung im Alter ( 3 I Nr. 4 VVG-InfoV) Hinweis, dass ein Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung in fortgeschrittenem Alter regelmäßig ausgeschlossen ist ( 3 I Nr. 5 VVG-InfoV) Hinweis, dass ein Wechsel innerhalb der privaten Krankenversicherung mit zunehmendem Alter mit höheren Beiträgen verbunden sein kann und daher gegebenenfalls faktisch auf eine Wechselmöglichkeit in den Standard- bzw. Basistarif beschränkt bleiben mag ( 3 I Nr. 6 VVG-InfoV) Übersicht über die Beitragsentwicklung in den vergangenen zehn Jahren z ( 3 I Nr. 7 VVG-InfoV) Bei jeder Prämienerhöhung müssen gemäß 6 II VVG-InfoV während der Vertragslaufzeit weitere Informationen erteilt werden Dem VN ist gem. 10a Abs. 3 VAG vor Abschluss eines privaten Krankenversicherungsvertrages zusätzlich zu den sonstigen, in der VVG-InfoV vorgeschriebenen, Informationen ein aufsichtsrechtliches Informationsblatt auszuhändigen, das über die verschiedenen Prinzipien der Krankenversicherung aufklärt 2.4. Produktinformationsblatt für Verbraucher, 4 VVG-InfoV 2.4.1. Allgemeines Zweck: Transparenz Dieses Vorblatt zu den AVB soll vom VN (Verbraucher!) wirklich gelesen der Gefahr, dass der VN wegen der Informationsfülle letztlich fast so uninformiert ist wie zuvor, soll entgegen gewirkt werden Entscheidende Hilfestellung bei der Entscheidungsfindung 3
Hintergrund: Zehn-Punkte-Vorschlag des ehemaligen BGH-Richters und Versicherungsombudsmanns Römer Das Produktinformationsblatt ist als solches zu bezeichnen und den anderen zu erteilenden Informationen voranzustellen ( 4 V 1 VVG- InfoV) 2.4.2. Zu erteilende Basisinformationen ( key features ) Informationen zur Art des angebotenen Versicherungsvertrages (Angaben zum Vertragstyp); z.b. die rechtliche Bezeichnung als Lebens-, Unfall- oder Haftpflichtversicherung etc. (Nr. 1), Eine Beschreibung des durch den Vertrag versicherten Risikos und der ausgeschlossenen Risiken (risikobezogene Angaben) (Nr. 2) es sollen zur Verdeutlichung einzelne, besonders typische Beispiele zur Veranschaulichung genannt werden das Verständlichkeitsgebot ( 4 V VVG-InfoV) verlangt eine anschauliche Darstellung eine umfassende Darstellung wird nicht verlangt darauf ist VN hinzuweisen ( 4 V 2 Hs. 2 VVG-InfoV), Angaben zur Höhe der Prämie in Euro, zur Fälligkeit und zum Zeitraum, für den die Prämie zu entrichten ist, sowie zu den Folgen unterbliebener oder verspäteter Zahlung (prämienbezogene Angaben bezüglich des bei Erteilung des Produktinformationsblattes in Aussicht genommenen Vertrages) (Nr. 3), Hinweise auf im Vertrag enthaltene Leistungsausschlüsse (Nr. 4) erforderlich ist wiederum keine umfassende Darstellung (Hinweis nach 4 V 2 2. HS VVG-InfoV erforderlich); Verweisungen auf die Vertragsbestimmungen und AVB ( 4 V 4 VVG-InfoV), Hinweise auf bei Vertragsschluss (insbesondere Anzeigepflichten nach 19 VVG), während der Vertragslaufzeit (z.b. zur Verminderung der Gefahr oder bei Gefahrerhöhung) und bei Eintritt des Versicherungsfalls zu beachtende Obliegenheiten sowie die Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung (Nr. 5, 6 und 7) zur Veranschaulichung sollen Beispiele aufgeführt und der VN auf die entsprechenden Regelungen bzw. die Fundstellen im Vertrag oder den Versicherungsbedingungen aufmerksam gemacht werden (vgl. 4 V 2 VVG-InfoV), Angabe von Beginn und Ende des Versicherungsschutzes (Nr. 8), Hinweise zu den Möglichkeiten einer Vertragsbeendigung (Nr. 9) 2.4.3. Informationen bei Telefongesprächen, 5 VVG-Info VR muss seine Identität und den geschäftlichen Zweck bei fernmündlicher Kommunikation offenbaren, 5 I VVG-InfoV Eingeschränkte Informationspflichten, 5 II VVG-Info 4
2.5. Form und Zeitpunkt der Informationserteilung (Mindestens) in Textform ( 126b BGB), 7 I 1VVG Klar und verständlich, 7 I 2 VVG Rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung des VN unbestimmter, ausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriff Gesetz sieht keine starre Mindestbedenkfrist vor Einzelfallentscheidung: der (mündigen) VN bestimmt eigenverantwortlich und subjektiv, welcher Zeitraum zwischen Informationsübermittlung und Vertragsschluss liegen soll 2. Vermittlerbesuch ist nicht unbedingt erforderlich Antragsmodell 5 Informationen müssen dem VN bereits zum seines (rechtsverbindlichen) Antrags vorliegen klare Absage an das Policenmodell ( 5a VVG a.f.: Zusendung der Informationen erst zusammen mit der Police) Invitatiomodell 6 Zeitpunkt der Informationserteilung wird nach hinten verlagert Rechtsfolge einer nicht rechtzeitigen Informationserteilung VN erhält ein zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht (bis zur Verwirkungsgrenze, 242 BGB) Widerrufsfrist beginnt nicht zu laufen, 8 II VVG 2.6. Informationsverzicht, 7 I 3 VVG Vertrag wird auf Verlangen des VN im Fernabsatz ( vgl. 312b I 1 BGB) geschlossen oder VN verzichtet vorab durch eine separate, eigenhändig unterschriebene, ausdrückliche Erklärung auf die Informationserteilung Informationserteilung muss unverzüglich nach Vertragsschluss nachgeholt werden in den beiden genannten Fällen kann das (gesetzlich abgeschaffte) Policenmodell 7 faktisch weiter praktiziert werden 5 VN richtet einen (rechtsverbindlichen) Antrag an den VR, VR nimmt den Antrag des VN an. 6 VN richtet zunächst eine (rechtlich unverbindliche) Angebotsanfrage (invitatio ad offerendum) an den VR. VR unterbreitet VN auf der Grundlage dieser Anfrage ein konkretes (rechtsverbindliches) Angebot und übersendet dieses Angebot zusammen mit den nach 7 I und II VVG erforderlichen Unterlagen und Informationen an VN. In einem dritten Schritt muss VN das Angebot des VR annehmen. 7 Informationserteilung erst nach Vertragsschluss zusammen mit der Police. 5