Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen - Möglichkeiten und Grenzen der IV bei der beruflichen Eingliederung
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- Sarah Brauer
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1 Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen - Möglichkeiten und Grenzen der IV bei der beruflichen Eingliederung Fortbildung vom 7. Juni 2018 VPLU RAD IV Luzern
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3 Eingliederungsmöglichkeiten der IV
4 Auftrag Durch Eingliederungsmassnahmen ermöglicht die IV invaliden Versicherten, ihre Existenzgrundlage ganz oder teilweise selbständig zu sichern. Wenn eine solche (Wieder-)Eingliederung aus gesundheitlichen Gründen nicht oder nur teilweise möglich ist, richtet sie eine (Teil-)Rente aus. Quelle:
5 Aufgaben
6 Meldung Früherfassung
7 Früherfassung Durch die frühzeitige Erfassung von arbeitsunfähigen Versicherten soll der Eintritt einer Invalidität verhindert werden. Nach 30 Tagen Arbeitsunfähigkeit oder bei wiederholten Absenzen Meldeberechtigt sind diverse Akteure (Betroffene, Arbeitgeber, Ärzte, Taggeldversicherungen etc.) Betroffene Person muss informiert werden Beurteilung ob Massnahmen der IV, insbesondere der Frühintervention, angezeigt sind Bei Bedarf Aufforderung zur IV-Anmeldung
8 Früherfassung
9 Anmeldung Frühintervention
10 Frühintervention Zur Verhinderung von Arbeitsplatzverlust Intervention bevor der Leistungsanspruch geklärt ist Budget von max. CHF pro Person Kein Rechtsanspruch und kein Taggeld Dauert in der Regel 180 aber maximal 360 Tage Einfache und zweckmässige Massnahmen (Anpassung des Arbeitsplatzes, Ausbildungskurse, Berufsberatung, Arbeitsvermittlung, Sozialberufliche Rehabilitation, Beschäftigungsmassnahmen)
11 Prozess
12 Grundsatzentscheid Eingliederungsmassnahmen
13 Eingliederungsmassnahmen Integrationsmassnahmen Massnahmen beruflicher Art o Berufsberatung o Erstmalige berufliche Ausbildung o Umschulung o Arbeitsvermittlung o Wiedereingliederung von Rentnern Taggeld
14 Schlüsselrolle der Psychiater «Psychiaterinnen und Psychiater haben eine zentrale Rolle im Hinblick auf den Verbleib ihrer Patientinnen und Patienten im Arbeitsmarkt: Sie kennen deren Einschränkungen und Ressourcen normalerweise sehr gut, weil sie diese oft über längere Zeit behandeln und sie sind eine zentrale Bezugsperson.» Patienten mit Arbeitsproblemen, Befragung von Psychiaterinnen und Psychiatern in der Schweiz, BSV-Forschungsbericht 11/17, 2017 Niklas Baer, Ulrich Frick, Fulvia Rota, Pierre Vallon, Kaspar Aebi, Julius Kurmann, Christinne Romann
15 Empfehlungen Sensibilisierung und Erweiterung der psychiatrischen Perspektive auf den Arbeitsplatz Verstärkung der Kontakte mit Arbeitgebern, Lehrbetrieben und Schulen Einbezug bei der Abklärung von Arbeitsproblemen und zur Massnahmenplanung Differenziertere Beurteilung der AUF IV-Verfahren optimieren (Rücksprache, Rückmeldung, Einbezug, Abgeltung)
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17 Referent: Achim Möbes RAD
18 Grenzen der beruflichen Eingliederung aus versicherungspsychiatrischer Sicht Achim Möbes Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie RAD Zentralschweiz
19 Gliederung Ein paar Begriffe Anmerkungen zum System «Berufliche Eingliederung der IV» Grenzen aus medizinischen Gründen Grenzen aus nicht-medizinischen Gründen Gemeinsame Weiterbildung VPLU_RAD_IV,
20 Begriffe im Zusammenhang mit «Eingliederung» im versicherungspsychiatrischen Kontext - Schwerpunkt berufliche Eingliederung - Rahmenbedingungen der beruflichen Eingliederung («geschützt» = 2. Arbeitsmarkt; «beschützt» = 1. und/oder 2. Arbeitsmarkt; «leidensangepasst» = 1. Arbeitsmarkt; «angestammt» = 1. Arbeitsmarkt) - «rentenausschliessende» berufliche Eingliederung Gemeinsame Weiterbildung VPLU_RAD_IV,
21 Anmerkungen zum System berufliche Eingliederung bei der IV aus versicherungspsychiatrischer Sicht Entwicklung eines sehr differenzierten, flexibel und auf die Bedürfnisse der vp, der Behandler und auch der AG abgestimmten Systems von Eingliederungsmassnahmen Schwelle zur Inanspruchnahme von (zeitlich befristeten) Eingliederungsmassnahmen der IV wurde in den letzten 10 Jahren deutlich gesenkt IV übernimmt immer mehr Aufgaben der psychiatrischen Rehabilitation, evtl. klarere Aufgabenverteilung / Abgrenzung sinnvoll (z.b. Aufbau einer Tagesstruktur ist nicht Aufgabe der IV) Immer weitere Ausdifferenzierung des Systems mit der Gefahr der sinkenden Überschaubarkeit für alle Akteure «Angst vor der Rente» der IV-Akteure kann zu Aktionismus und einer Haltung der «Eingliederung um jeden Preis» führen (nicht angemessene zeitliche Verlängerung oder nicht zielführende Eingliederungsmassnahmen) Etablierung eines anspruchsvollen systemischen Denk- und Handlungsansatzes Gemeinsame Weiterbildung VPLU_RAD_IV,
22 Grenzen aus medizinischen Gründen (1) Psychiatrische Diagnose (gesichert, Verdacht auf ), Krankheitsverlauf (akut, chronisch), Schweregrad, Prognose, komorbide somatische Störungen Therapiemöglichkeiten, Ausschöpfen der «zumutbaren» Therapiemöglichkeiten, Ablehnung von Therapiemöglichkeiten aus nicht-krankheitsbedingten Gründen Krankheits- und Behandlungseinsicht, krankheitsbedingte Einschränkungen der Compliance, Anwendung der Mitwirkungs- und Schadenminderungspflicht Nicht IV-relevante psychiatrische Störungen, Folgekrankheiten bei Sucht «Richtiger Zeitpunkt» zum Einstieg in berufliche Eingliederungsmassnahmen Prognostische Aussagen zum Krankheitsverlauf und Verlauf der AUF Subjektives Krankheitserleben der vp und zur Entwicklung der AUF (Selbstwirksamkeit) Einschätzungen des Behandlers zur (längerfristigen) AUF Gemeinsame Weiterbildung VPLU_RAD_IV,
23 Grenzen aus medizinischen Gründen (2) Herausforderungen: 1. Schweres psychiatrisches Krankheitsbild (z.b. Schizophrenie) mit ungenügender Behandlungseinsicht und subjektiver Überzeugung einer uneingeschränkten AF 2. Widerspruch zwischen «bremsender» Haltung des Behandlers und drohendem Ablauf des Wartejahres bei an sich gut behandelbaren psychischen Störungen 3. Anwendung der Mitwirkungspflicht hinsichtlich leitlinien-orientierter Behandlung bzw. Intensivierung der Behandlung 4. Schlechte Behandlungs- und Eingliederungsergebnisse bei an sich eher leichteren und formal gut behandelbaren psychischen Störungen (F4-Gruppe) 5. Bedeutung von Persönlichkeitsfaktoren («akzentuierte Persönlichkeitszüge») Gemeinsame Weiterbildung VPLU_RAD_IV,
24 Grenzen aus nicht-medizinischen Gründen (1) In Bezug auf die versicherte Person (sog. «IV-fremde Faktoren»): Schwierige finanzielle Situation (Eingliederungsmassnahmen zum Erhalt von Taggeldern der IV) Schwierige Beziehungskonstellation (Trennungs-, Scheidungsverfahren, fehlende Ablösung vom Elternhaus bei Jugendlichen, wechselnde Beziehungsmuster z.b. bei Borderline) Unklare Wohnsituation, Notwendigkeit einer Veränderung der Wohnsituation als Voraussetzung für Eingliederungsmassnahmen Unzureichende Sprachkenntnisse, eingeschränkte intellektuelle Ressourcen, Migrationshintergrund, schlechte schulische Ausbildung, fehlende berufliche Ausbildung Stoffgebundene und nicht stoffgebundende Süchte (Abstinenzforderung) Alter Aggravation, Simulation, Rentenbegehren (sog. «Ausschlussgründe») Gemeinsame Weiterbildung VPLU_RAD_IV,
25 Grenzen aus nicht-medizinischen Gründen (2) Haltungen von therapeutischer Seite: Zur Rolle und zu den Aufgaben der IV Zur Bereitschaft für eine Zusammenarbeit Zu einer abweichenden versicherungspsychiatrischen Einschätzung durch den RAD Verschweigen von bedeutsamen IV-fremden Faktoren Psychotherapeutische Ausrichtung Ängste der Behandler vor Überforderung der Patienten durch IV-Massnahmen Ungeduld hinsichtlich des Beginns von Eingliederungsmassnahmen (drohende Verschlechterung bei fehlender Tagesstruktur) Eingliederungsmassnahmen als Ersatz für therapeutische Massnahmen Gemeinsame Weiterbildung VPLU_RAD_IV,
26 Grenzen aus nicht-medizinischen Gründen (3) In Bezug auf das System IV / RAD: «Natürliche Trägheit» des Systems mit hohen Fallzahlen (Meldungen, Anmeldungen) Immer komplizierter werdendes Bearbeitungs- und Abklärungsverfahren Berufliche Qualifikation und Erfahrung der Mitarbeiter Einfluss gesellschaftlicher Haltungen, politischer Überzeugungen, der eigenen Lebensgeschichte und beruflichen Entwicklung («Faktor Mensch») Zufriedenheit mit der Tätigkeit bei der IV bzw. im RAD Gemeinsame Weiterbildung VPLU_RAD_IV,
27 Grenzen aus nicht-medizinischen Gründen (4) Einfluss sozialer / gesellschaftlicher Entwicklungen: Digitalisierung und weitere Veränderungen der Arbeitswelt Zunehmender Wegfall sog. Nischenarbeitsplätze («beschützte Rahmen») Zunehmende Stressbelastung am Arbeitsplatz Höhere Anforderungen an soziale Kompetenzen, Fähigkeit zur Teamarbeit etc. Weiterhin zu geringe Akzeptanz von und Wissen über psychische Erkrankungen AG bevorzugen Menschen mit somatischen Handycaps Gemeinsame Weiterbildung VPLU_RAD_IV,
28 Danke Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Gemeinsame Weiterbildung VPLU_RAD_IV,
29 Referent: Andreas Hirth VPLU
30 Grenzen bei der Eingliederung aus Sicht des behandelnden Psychiaters Referent: Andreas Hirth VPLU
31 Krankheitsbedingte Faktoren Einschränkungen der Ausdauerleistung Kognitive Einschränkungen Emotionale Labilität Ungenügende Kooperation, Krankheitseinsicht Krankheitsverlauf Im Zusammenhang mit verschiedenen psychischen Störungen zeigen sich auch ausserhalb der Krankheitsphasen erhebliche kognitive Einschränkungen, so dass das bisherige Funktionsniveau nicht mehr erreicht wird. Emotionale Störungen, Persönlichkeitsstörungen, sind vor allem wegen der für die erfolgreiche berufliche Reintegration fehlenden Konstanz problematisch.
32 Externe Belastungen Stellenverlust Alter Psychosoziale Probleme Fehlende berufliche Qualifikation Der Verlauf psychischer Erkrankungen ist als multifaktorielles Geschehen zu begreifen. Zusätzlich bestehende Belastungen können im Rahmen der Rekonvaleszenz bei noch nicht voll belastbaren Patienten schnell zu Überforderungssituationen bzw. zum Rückfall führen. Was ohnehin schwierig ist, ist im Rahmen einer psychischen Erkrankung noch schwieriger oder unmöglich.
33 Grenzen bei der Eingliederung Der Verlauf psychischer Erkrankungen ist schwer vorhersehbar und von verschiedenen Faktoren abhängig. Hier besteht ein Konflikt mit den Entscheidungsprozessen der Invalidenversicherung. Die berufliche Reintegration fordert den Patienten, führt an Grenzen. Die therapeutische Sichtweise muss den Patienten vor einem Rückfall, bzw. Rückschritt im Gesundungsprozess schützen. Aus Sicht des Therapeuten ist die Arbeitsfähigkeit nur ein Aspekt der gesamtheitlichen Betrachtung der Lebenssituation des Patienten.
34 Zum einen Wie behandelt man als Therapeut einen 55jährigen, schlecht qualifizierten, verzweifelten, von multiplen Gesundheitsproblemen geplagten Patienten mit schlechter Sprachkompetenz, der in angepasster Tätigkeit zu 100% arbeitsfähig sein sollte, erfolgreich? Und: gibt es für diesen Patienten wirklich einen Arbeitsplatz?
35 Und zum anderen Wie behandelt man den Patienten, der nach einer Depression, einem Burnout und Stellenverlust wieder in einen differenzierten, anspruchsvollen Beruf zurückkehren soll, in welchem leichte depressionstypische, kognitive Einschränkungen bereits zu grossen Problemen innerhalb der Arbeitstätigkeit führen können?
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