Naturgefahrenkonferenz der deutschen Versicherungswirtschaft am 14. September 2016 Eröffnungsrede Dr. Alexander Erdland
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- Nele Förstner
- vor 5 Jahren
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1 der deutschen Versicherungswirtschaft am Sehr geehrter Herr Minister Remmel, meine sehr geehrten Damen und Herren, manche Dinge muss man sehen, um sie zu verstehen. Auch wenn es um Naturgefahren geht. Hätten Sie sich vorstellen können, wie gewaltig die Flutwelle in Braunsbach gewesen ist? Die Bilder, die wir gerade gesehen haben, die von den Menschen vor Ort gemacht wurden, machen auch für mich das ganze Ausmaß erst begreifbar. Und man versteht dann, warum viele Experten hier nicht von Unwettern, sondern von Extremwetterereignissen sprechen. Die Bilder machen uns noch einmal bewusst, dass wir auch in Deutschland nicht sicher sind; dass die Natur auch hierzulande für uns gefährlich bleibt. Hitze und Trockenheit, Stürme und Starkregen und die damit häufig einhergehenden Überschwemmungen das sind dabei die größten Risiken. Unwetter und ihre Kosten (2013 bis 2016) Denken Sie nur an die letzten Jahre zurück das Hochwasser in Bayern und Sachsen der Orkan Ela, der zweitstärkste Sommersturm der letzten 15 Jahre. Und ein Starkregen im Münsterland mit fast 300 Liter Regen auf den Quadratmeter.
2 2015 dann der Wintersturm Niklas. Und dieses Jahr die massiven Starkregen, die vor allem im Süden und Westen zugeschlagen haben. Die versicherten Schäden allein dieser Unwetter in den letzten vier Jahren lagen bei 4,6 Milliarden Euro davon 1,2 Milliarden nach den Starkregen in diesem Frühsommer. Von den volkswirtschaftlichen Kosten und vor allem dem Leid der Betroffenen ganz zu schweigen. Denn hier geht es ja nicht nur um Geld, sondern um Leben, Besitz und Zukunft von Menschen. Risiken durch Naturgefahren nehmen zu Meine Damen und Herren, wir sehen, dass einzelne Unwetter schon heute regional verheerende Schäden anrichten. Und aller Voraussicht nach werden die Risiken durch Naturgefahren durch den Klimawandel in der Zukunft nicht kleiner, sondern größer werden. Wir Versicherer haben uns ja bereits 2008 und 2011 die Entwicklung genau angeschaut. Gemeinsam mit dem Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Und das PIK hat die Studienergebnisse gerade noch einmal aktualisiert.
3 Wir wissen deshalb: Durch den Klimawandel werden sich die Schäden durch Überschwemmungen bis zum Ende des Jahrhunderts vervielfachen. Wenn wir so weitermachen wie bisher. Wenn wir nichts dagegen tun. Menschengemachten Klimawandel stoppen Denn dass die Schäden steigen ist kein Naturgesetz. Der Klimawandel ist nach allem was wir wissen im Wesentlichen menschengemacht. Wir können ihn also stoppen oder zumindest bremsen. Aber dafür müssen den Beschlüssen von Paris Taten folgen. Damit wir zumindest das 2 Grad-Ziel einhalten. Damit die Risiken beherrschbar bleiben. Ich bin froh, dass Europa und Deutschland hier mit einer klaren Haltung vorangehen. Und wir Versicherer unterstützen das nach Kräften. Aber wir alle wissen: Wir sind noch lange nicht am Ziel. Nun haben auch China und die USA das Pariser Klimaabkommen ratifiziert. Wir hoffen, dass weitere Länder diesem Beispiel folgen und das Abkommen noch bis Jahresende in Kraft treten kann.
4 Das wichtigste Ziel: Schäden zu verhindern! Meine Damen und Herren, wir bauen darauf, dass die Politik in Deutschland, Europa und weltweit alles dafür tut, um den Klimawandel zu stoppen. Damit die Gefahren, die uns durch Naturgefahren drohen, beherrschbar bleiben. Aber nicht nur im Großen, auch im Kleinen haben wir alle Möglichkeiten, für mehr Sicherheit zu sorgen; zu verhindern, dass Menschen und ihr Eigentum zu Schaden kommen. Denn genau das muss doch unser oberstes Ziel sein: Schäden zu verhindern! Pflichtversicherung schafft nicht mehr, sondern weniger Sicherheit Ich finde es darum zwar verständlich, dass nach einer Katastrophe immer wieder die Diskussion über eine Pflichtversicherung aufkommt. Die Diskussion werden wir hier nachher auf dem Podium auch noch einmal aufgreifen. Denn natürlich klingt das attraktiv dass so im Fall des Falles niemand ohne Versicherungsschutz dasteht. Aber das Gesamtbild ist eben kompliziert. Und es gibt gute, sehr gute Gründe, warum die Politik sich immer wieder
5 bewusst gegen diese Lösung entschieden hat zuletzt im vergangenen Jahr die Justizministerkonferenz. Denn eine Pflichtversicherung schadet mehr als sie nutzt. Weil sie einen massiven Fehlanreiz schafft. Weil am Ende nicht mehr, sondern weniger für die Sicherheit getan wird. Weil dringend notwendige Schutzmaßnahmen weiter auf die lange Bank geschoben werden. Das ist keine theoretische Schwarzmalerei. Wir haben in Großbritannien genau diese Entwicklung verfolgen können. Dort hatten sich die Versicherer verpflichtet alle Gebäude zu versichern, der Staat wollte zugleich in Prävention investieren. Dreimal dürfen Sie raten, wie das ausgegangen ist. In der Baupolitik hat sich nichts geändert und bei der Prävention geschah viel zu wenig. Zugleich wurde der Versicherungsschutz zum Freibrief dafür, in Risikogebieten zu bauen, an Flüssen, in Auen, in Überflutungsgebieten. Es wurde immer weniger getan, um Häuser, Höfe und Industriehallen gegen die Naturgefahren zu schützen. Die Folge: Die Schäden und damit auch die Versicherungsprämien steigen ins Unermessliche. Es gab am Ende nicht mehr, sondern weniger Sicherheit. Über 99 Prozent aller Häuser problemlos versicherbar
6 Eine Pflichtversicherung ist nicht die Lösung. Und sie ist auch nicht notwendig. Nahezu jeder, der eine Versicherung bekommen will, kann schon heute eine bekommen. Selbstverständlich auch in Hochrisikogebieten! Das zeigt eine neue Studie der GfK, die Herr John später hier vorstellen wird. Vor zehn Jahren galten in Deutschland noch zehn Prozent der Gebäude bei Hochwasser als unversicherbar. Heute sind über 99 Prozent problemlos versicherbar. Weil wir durch intensive Forschung, durch mehr Daten, die Risiken besser kennen und besser versichern können. Und gemeinsam mit dem Deutschen Wetterdienst arbeiten wir gerade daran, auch die Risiken beim Starkregen noch besser zu erforschen. Dazu haben wir heute auch Dr. Paul Becker als Experten hier.
7 Vorsorge statt Nachsorge Meine Damen und Herren, wir sollten nicht immer erst nach einer Katastrophe überlegen, wie man den Menschen aus ihrer Not helfen kann. Wir müssen stattdessen besser vorsorgen, damit die Menschen gar nicht erst in Not geraten. Die Menschen besser zu schützen aber auch, sie zu besserem Selbstschutz anzuhalten Darum muss es doch gehen! Hochwasserschutzgesetz II: Das Ziel ist richtig der Weg unklar Dabei ist klar: Hier gibt es keine einfachen, schnellen Lösungen. Sondern das ist ein langer Weg. Mit dem im vergangenen Jahr beschlossenen Hochwasserschutzprogramm haben Bund und Länder hier einen wichtigen Schritt gemacht. Und auch die geplante Novelle des Hochwasserschutzgesetzes geht in die richtige Richtung. Flusssysteme werden endlich ganzheitlich betrachtet Flächenversiegelung und Baumaßnahmen in gefährdeten Gebieten sollen eingeschränkt werden. Aber leider bleibt der Gesetzentwurf noch an vielen Stellen unklar.
8 Forderung nach Normierung von hochwassergerechtem Bauen Ein Beispiel: Das Gesetz fordert zwar, dass Neubauten in Zukunft hochwassergerecht zu planen sind. Aber was genau das heißt hochwassergerecht das bleibt ungesagt. Dabei gibt es heute für fast jeden Handgriff am Bau eine gesetzliche Norm. Von den Anforderungen zur Barrierefreiheit über die energetische Sanierung bis hin zur Kratzflächenfestigkeit des Mobiliars in über DIN- Normen ist das alles fein säuberlich geregelt. Nur wie man Gebäude am besten gegen Hochwasser schützt dafür gibt es keine verbindlichen Regeln. Hier und auch an anderen Stellen würde ich mir mehr Mut, einen klaren Kurs und deutlichere Vorgaben wünschen. Städtebauprogramme anpassen Auch beim Thema Starkregen könnte mehr getan werden. Die Unwetter in diesem Frühsommer haben ja, leider, sehr deutlich gezeigt, dass solche Katastrophen so gut wie überall passieren können; auch fernab von Flüssen, Seen und Meeren.
9 Ein möglicher Hebel, um ganz konkret in den Kommunen mehr zu erreichen, sind die städtebaulichen Programme des Bundes. Gerade in Anbetracht der Finanzschwäche vieler Städte und Gemeinden! Wir sollten mit diesen Programmen nicht nur die Anpassung an den demografischen Wandel fördern, sondern auch Maßnahmen zum besseren Schutz gegen Naturgefahren unterstützen. Wir müssen hier Mensch und Natur zusammendenken. Sonst zahlen wir in der Zukunft einen hohen, sehr hohen Preis! Die Menschen zur Vorsorge motivieren Meine Damen und Herren, der Staat kann vieles bewirken. Aber am meisten können wir schaffen, wenn wir die Bürgerinnen und Bürger davon überzeugen können, sich und ihr Eigentum besser zu schützen. Da reichen zum Teil schon einfache Schutzmaßnahmen: Elektrokabel im Keller an der Decke und nicht am Boden verlegen; keine Ölheizungen in Überschwemmungsgebieten; kein teures, fest eingebautes Mobiliar im Keller Das alles hilft, um die Schäden klein zu halten. Und gleichzeitig müssen wir die Menschen dazu bewegen, sich freiwillig zu versichern. Für den Fall der Fälle. Denn viele Menschen unterschätzen immer noch das Risiko. Andere
10 setzen darauf, dass der Staat ihnen im Notfall schon helfen wird. Oder ihnen ist einfach nicht bewusst, dass zumindest viele ältere Gebäude- und Hausratversicherungen keinen Elementarschutz beinhalten. Sie glauben, sie hätten den vollen Schutz. Wie bei einer Vollkaskoversicherung. Dabei haben sie nur einen Teilschutz, eine Teilkasko, die gerade dieses Risiko nicht abgedeckt. Und selbst bei Neubauten wird heute längst nicht immer eine Elementarschadenversicherung abgeschlossen. Denn anders als die Feuerversicherung wird die Elementarschadenversicherung von den Banken nicht als Grundvoraussetzung für einen Baukredit eingestuft. Obwohl das existentielle Risiko und damit die Gefahr eines Kreditausfalls genauso gegeben ist. Wir als Versicherer tun schon heute unser Möglichstes, um das Bewusstsein für die neuen Risiken zu schärfen. Mit gezielten Kampagnen in den Bundesländern. Mit unserem Naturgefahrenreport. Und viele Mitgliedsunternehmen suchen dazu auch den direkten Kontakt mit ihren Kunden. In zehn Jahren haben wir den Anteil der Versicherten verdoppelt. Von 19 auf 37 Prozent. Aber immer noch haben rund elf Millionen Haushalte in Deutschland einen unzureichenden Versicherungsschutz.
11 Diese Menschen wollen und müssen wir erreichen. Entscheidend ist dabei eine möglichst breite Ansprache. Nicht nur durch die Versicherer, sondern auch durch die Kommunen, die Landesregierungen, den Bund. Gemeinsame Anstrengung von Politik, Bürgern und Versicherern notwendig Meine Damen und Herren, wir Versicherer werden weiter alles in unserer Kraft stehende tun, um die Sicherheit und Versicherbarkeit der Menschen zu verbessern. Und dazu gehört auch, ein größeres Bewusstsein für die neuen Risiken zu schaffen. Aber mehr Sicherheit können wir Versicherer natürlich nicht alleine schaffen. Das gelingt nur in einer großen, gemeinsamen Anstrengung mit Politik und Bürgern. Und zwar ganz konkret durch klare Bauvorschriften, die gezielte Förderung städtebaulicher Maßnahmen und eine bessere Information der Bürger. Zum Beispiel über ein nationales Naturgefahrenportal nach dem Vorbild der Schweiz. Gemeinsam können wir viel erreichen. Was wir gemeinsam tun können, wie wir am besten Schäden vermeiden und die Menschen besser absichern können: Genau darüber wollen wir heute mit Ihnen reden.
12 Gleich im Anschluss wird dazu Minister Remmel über die Herausforderungen sprechen, vor denen Nordrhein- Westfalen steht. Und von kundiger Seite werden wir mehr über das unterschätzte Risiko von Starkregen und die Potenziale der Elementarschadenversicherung hören. Anschließend steht dann die Prävention im Mittelpunkt. Was wissen wir bisher über den Klimawandel und wie können wir uns besser vor Naturgefahren schützen. Das sind in meinen Augen entscheidende Fragen. Ich hoffe sehr, dass wir hier gemeinsam vorankommen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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