Texte zur Dorfgeschichte von Untervaz

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1 Untervazer Burgenverein Untervaz Texte zur Dorfgeschichte von Untervaz 1992 Calanda-Weitsicht für tüchtige Wanderer Weitere Texte zur Dorfgeschichte sind im Internet unter erhältlich. Beilagen der Jahresberichte Anno Domini unter

2 1992 Calanda-Weitsicht für tüchtige Wanderer Paul Meinherz Kopie aus: Terra Grischuna Nr. 4/1992 Seite Calanda - Weitsicht für tüchtige Wanderer Terra Grischuna-Bergtour Paul Meinherz, Chur Felsberger- und Haldensteiner Calanda; aber doch auch Churer Hausberg. Er gehört allen - und doch niemandem. Haldenstein hat den Vorrang, Felsberg, Tamins über den Kunkelspass kommen als Ausgangspunkte auch in Frage, der Aufstieg von Vättis hat versteckt besondere Reize, und auf dem Alpweg von Untervaz winden sich hie und da Autos bis an die Waldgrenze, wo sie sogar weidende Kühe stören. Weit ist der Anstieg in jedem Fall, zweitausendzweihundert Meter sind zu überwinden. Bergsteiger muss man nicht sein, tüchtige Wanderer schaffen es auch. Doch ist man schon fünf bis sechs Stunden auf seinen Füssen vom Tal bis zum Gipfel. Wer's schafft, wird belohnt durch ein herrliches Panorama. Das griechische Wort Panorama heisst Allschau. Die Calanda-Allschau ist einzigartig. Die Stadt, der man entstiegen, bleibt stets zu Füssen, dahinter die Weite, Unendlichkeit möchte ich sagen, denn mit dem Aufzählen dessen, was man hier sieht, hat es kein Ende. Im Norden reiht sich hinter dem Bodensee noch Kette an Kette von sanften Hügeln, nur im Süden sieht man bis zu einem klaren Abschluss: Piz Palü, Piz Zupo, Piz Bernina und Piz Roseg markieren die Grenze, il Monte della Discrazia steht bereits in Italien.

3 Gipfelkreuze auf 2805,7 Metern über Meer. Ist es vollbracht, was man sechs Stunden lang suchte während des Aufstiegs? Ergriffensein beginnt, wo das Erkennen aufhört Meinem Deutschlehrer aus der Kantonschülerzeit habe ich unsere Festschrift «Calanda» zum 125. Geburtstag der Sektion Rätia des SAC geschenkt, eine umfassende und zugleich gefällige Monographie unseres Berges, und er gab mir dafür aus seinem Regal das «Calanda Panorama» von Hans Jenny. Die Sektion Rätia hat dem Zeichnungslehrer der Bündner Kantonsschule den Auftrag dazu gegeben, 1900 lag es dem Jahrbuch des SAC bei. Haarscharf hat Jenny gezeichnet, was nur mit Hilfe der Landkarte vom Gipfel auch zu benennen ist: Monte Rosa, Dom, Täschhorn im Walfis, Order und Königsspitze in den Ostalpen. Aber das Auge sieht noch viel mehr, und das Ergriffensein fängt dort an, wo das Erkennen aufhört.

4 Petrarcas Besteigung des Mont Ventoux in der Provence gilt als Anfang der Bergsteigerei. Im Mittelpunkt seiner Schilderung steht der Eindruck des Dichters von der gewaltigen Aussicht, die Ihn betäubte. «Im Zorne mit sich selbst darüber, dass er Irdisches bewundere, greift er schuldbewusst zu «seinem Augustinus». Dort schlägt er die Stelle auf, in der es heisst, dass der Mensch sich schämen müsse, wenn er die Gipfel der Berge und die ungeheuren Fluten der Meere und die dahinfliessenden Ströme statt der menschlichen Seele bestaune. Wörtlich sagt er: «Etwas Unerwartetes hatte sich auf dem Gipfel ereignet, eine Erfahrung, die etwas von der Gewalt einer sich eröffnenden neuen Wirklichkeit, einer Erschütterung durch das Bewusstsein hat, wie sie nur der Mystiker im Zustand der Verzückung hat... Es ist, als betrete das Bewusstsein einen neuen Schauplatz... Die Überwältigung, die zugleich eine Verlockung ist, wird zwar nicht explizit gedeutet; soviel aber lässt sich festhalten, dass sie eine Erfahrung des Auges ist, dass dem Auge sich aus der Überschau die weite Landschaft erschliesst, dass das Fernste in eine magische Nähe rückt.» (Zitiert nach Karl H. Stierle in NZZ No. 74, 1992, S.73) Morgen und Abend Everestähnlich steigt der Riese Calanda aus dem Taminatal. Hier eine Ansicht von Alp Salaz. Petrarcas Bergtour war kein Routineerlebnis wie es Bergsteiger nun einmal haben, aber der Calanda bietet auch ihnen Besonderes an. Beliebt ist der Sonnenaufgang auf dem Gipfel. Wer in der Hütte seine Nachtruhe zwei Stunden vor Tag unterbricht, kommt rechtzeitig an. Hinter den Zacken der Rätikonkette treibt die Sonne ganz kurz ein neckisches Spiel, bevor sie wirklich erscheint. Ruhiger noch und weniger kalt ist der Abend. Die blanken Kalksteine auf dem Gipfel haben die Sonnenwärme gespeichert und geben sie stundenlang ab. Die ersten Lichter in Chur zeigen, dass es dort unten jetzt dunkelt. Langsam kriecht die Nacht an den Abhängen hoch nach Praden und Tschiertschen, über Valzeina leuchtet am Sendeturm eine Warnlampe auf. Ganz kurz scheinen die Berge aus der Finsternis höher und höher zu steigen, bis auch die Gipfel im Dunkel versinken. Das ist auf dem Calanda kein Grund zur Angst, der Abstieg zur Hütte ist kurz und Alice, die Hüttenwartin, hat dort auch spät noch eine Minestra bereit.

5 Ein Dutzend Vorschläge Fangen wir in Haldenstein an, der alte Weg über Arella, Funtanolja ist für Fussgänger wie gemacht, und der Lärm des Verkehrs im Rheintal wird immer schwächer, bis er auf Padora, kurz vor der Clubhütte, ganz verstummt. Bei Lichtenstein rechts zweigt ein schattiger Waldweg über Berg auch zur Hütte ab, oder man holt noch weiter rechts aus über das verlassene Bergdörfchen Batänja. Hierher gelangt man auch von Untervaz. Selbstverständlich ziehen die Untervazer den Weg an ihren Alphütten vorbei vor und erreichen die Hütte über Gigers Grab und Wolfegg. Auch die Felsberger haben am Calanda ihr Älpli. Kurzweiliger ist der Weg von Tamins, Foppaloch, Balsura auf das Taminser Älpli. Auf dem Höhenweg weiter zur Hütte trifft man am Abend die Gemsen in Herden beim Äsen. Selbstverständlich geht's auch vom Älpli direkt in die Höhe und über den Taminser- und Felsberger Calanda.

6 Aber Vorsicht, der Weg zum Calanda Hauptgipfel ist heikel, fast senkrechte Felsstufen aus losem Gestein versperren den Aufstieg zum Tüfels Chilchli. Die Vättner Seite weist den Bergsteiger ab, aber auch hier führt ein Weglein durch steile Wälder ins Schaftäli und zum Tüfels Chilchli. Eine grossartige Tour soll nach SAC-Führer die Durchsteigung der Nordwestwand sein. Ich habe es einmal vergebens versucht und bin auf Gemspfaden über Schwindel erregende Bändchen und glitschige Schluchten im Schaftäli gelandet. Die Kletterei vom Rossfallenspitz über den Nordgrat dagegen hat uns so gut gestimmt, dass wir am andern Tag zum Gipfel hochstiegen und über den Nordgrat zurück. Um das Dutzend ganz voll zu machen, suche jeder einmal einen eigenen Weg, einen schöneren gibt es nicht. Die Clubhütte Die Haldensteiner nennen sie ihre Clubi und der Gemeinderat hält dort seine jährliche Landsitzung ab. Am ersten Sonntag im August predigt hier der Pfarrer von Haldenstein. Heute würde der Alpenclub hier wohl keine Hütte mehr bauen. Die erste stand weiter oben, wurde bald stark erweitert und dann von einer Lawine glatt weg. gefegt, niemand war drin und niemand hat es gesehen, sie war im Frühling einfach nicht mehr da. Ein neues Haus entstand an sicherem Platz, aber sogar hier hat eine Staublawine tüchtig am Gemäuer gerüttelt. Das schöne Steinhaus hat nun dreiviertel Jahrhundert überstanden, man kann ohne Sorgen im Winter dort übernachten, am Morgen in zwei Stunden mit Ski auf den Gipfel gelangen, und wer den Weg kennt, findet durch enge Schneisen nach Untervaz herrlichen Pulverschnee bis in den Spätwinter Wir danken dem Autor bestens für die freundliche Wiedergabebewilligung. Internet-Bearbeitung: K. J. Version 09/